LG Heidelberg, Urteil vom vom 22.01.2014 – 1 S 13/13
Staubemissionen bei Bauarbeiten von einem Grundstück auf ein anderes Grundstück – Betroffener muss Unterlassung vor Entschädigung geltend machen
Dem am 22.01.2014 entschiedenen Berufungsverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Klägerin, eine Wohnungseigentümergemeinschaft, ist Eigentümerin eines Anwesens in Heidelberg, der Beklagte ist Eigentümer eines größeren, inzwischen kommerziell genutzten Gebäudes (Altes Hallenbad in Heidelberg). Beide Objekte sind lediglich durch eine 12 m breite Passage voneinander getrennt. Der Beklagte ließ sein Objekt in den Jahren 2011 und 2012 sanieren. Die Klägerin hat vom Beklagten eine angemessene Entschädigung dafür verlangt, dass – wie sie behauptet hat – die Fassade ihres Hauses durch Staubemissionen bei den Bauarbeiten in unzumutbarer Weise verschmutzt worden sei.
Die 1. Zivilkammer hat die Klage in der Berufungsinstanz abgewiesen. Zwar sei davon auszugehen, dass die Bauarbeiten zu einer Verschmutzung der Fassade geführt hätten. Es sei auch grundsätzlich denkbar, für derartige Verschmutzungen eine Entschädigung in Geld zu erhalten (sog. nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch). In derartigen Fällen bestehe jedoch in erster Linie ein Abwehranspruch des Betroffenen gegen den Verursacher; ein Entschädigungsanspruch könne grundsätzlich nur dann geltend gemacht werden, wenn der Betroffene aus besonderen Gründen gehindert war, seinen Abwehranspruch rechtzeitig geltend zu machen. Nach dem Gesetz und der dazu ergangenen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes bestehe der im vorliegenden Verfahren einzig geltend gemachte nachbarrechtliche Entschädigungsanspruch eben nur dann, wenn die Emission – rechtlich oder faktisch – geduldet werden musste. Eine faktische Duldungspflicht könne etwa dann gegeben sein, wenn für den Betroffenen zu Anfang nicht ausreichend erkennbar sei, dass und wie gravierend die (z.B. Staub-)Einwirkung sei – das insoweit bestehende Prognoserisiko gehe dabei zu Lasten des Verursachers.
Die Klägerin habe im konkreten Fall jedoch vor Eintritt der (wegen ihres Ausmaßes) nicht mehr zu duldenden Emissionen von dem Beklagten die Unterlassung der Beeinträchtigung nicht verlangt, obwohl sie nach eigenem Vortrag die Gefahr der erheblichen Verschmutzung von Anfang an erkannt hatte. Einen besonderen Grund, der sie daran gehindert hätte, sich zunächst direkt an den Beklagten zu wenden, um die Unterlassung der Staubeinwirkung zu erwirken, konnte die Klägerin nicht nachweisen. Die Klägerin habe daher sehenden Auges zugewartet und nach Schadenseintritt eine Entschädigung verlangt. Dies sei aber nach der Rechtslage nicht möglich. Die Kammer hat in ihrer Entscheidung ausdrücklich klargestellt, dass dies nicht bedeutet, dass ein betroffener Grundstückseigentümer sofort gerichtlich gegen den Störer/Verursacher vorgehen müsse. Vielmehr könne – und sollte aus Kostengründen (vgl. § 93 ZPO) – der Abwehranspruch wie jeder andere Anspruch auch zunächst außergerichtlich geltend gemacht werden. Die Kammer hat auch klargestellt, dass sie über einen Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung nicht zu entscheiden hatte. Ein solcher Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung (§§ 823 ff BGB) sei nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gegenüber dem im Verfahren geltend gemachten nachbarrechtlichen Entschädigungsanspruch (§ 906 Abs. 2 Satz 2 BGB) ein anderer prozessualer Streitgegenstand, so dass dieser gemäß § 308 Abs. 1 ZPO nur zur Entscheidung gestanden hätte, wenn die Klägerin ihn auch geltend macht hätte. Dies hat die Klägerin im vorliegenden Verfahren aber gerade nicht getan. Nur anmerkend hat die Kammer zur Befriedung des Streites daher ausgeführt, dass die Klägerin einen solchen Schadensersatzanspruch auch nicht bewiesen habe, da sie nicht bewiesen habe, dass der Beklagte vor Eintritt der schadensrelevanten Verschmutzung Kenntnis von der Problematik erhalten und damit den Schadenseintritt verschuldet habe.
Quelle: Pressemitteilung des LG Heidelberg vom 22.01.2014