OLG Stuttgart, Urteil vom 27.10.2014 – 7 U 111/14
Eine Hervorhebung der Belehrung über das Widerspruchsrecht nach Abschluss eines Versicherungsvertrages gem. § 5a VVG a.F. durch Fettdruck kann den gesetzlichen Anforderungen genügen.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart – 22 O 549/13 – vom 27. Mai 2014 wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Auch das angefochtene Urteil des Landgerichts ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des aufgrund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Berufungsstreitwert: 26.755,68 Euro
Gründe
I.
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Stuttgart, mit dem seine Klage auf Rückzahlung von geleisteten Versicherungsbeiträgen nebst entgangener Zinsen abgewiesen wurde.
2
Der am 30. Juli 2010 verstorbene Vater des Klägers, dessen Alleinerbe der Kläger ist (vgl. Anlagen K 1 und K 2 = GA I 6 und 7 ff.), schloss bei der K Lebensversicherung AG, die zwischenzeitlich mit der Beklagten verschmolzen ist, eine Rentenversicherung mit lebenslänglicher Altersrentenzahlung ab dem 65. Lebensjahr ab (vgl. Antrag vom 29. Juni 1998 in Anlage K 3 – GA I 12 und Anlage B 1 – GA I 36 f. + Versicherungsschein vom 30. Juni 1998 – Anlage K 4 = GA I 13 ff.). Auf diesen Vertrag zahlte der Vater des Klägers 140.000 DM ein. Bis zu dessen Tode im Juli 2010 zahlte die Beklagte ab dem 1. Juli 2003 die jährliche Rente aus.
3
Mit der Klageschrift vom 22. Dezember 2013 erklärte der Kläger den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F.
4
Der Kläger hat im ersten Rechtszug unter anderem vorgebracht, er sei weiterhin zum Widerspruch betreffend den von seinem Vater geschlossenen Versicherungsvertrag berechtigt. Einen Versicherungsschein – wie mit einer Reproduktion von der Beklagten vorgelegt (Anlage K 4 = GA I 13 ff.) – habe sein Vater nicht erhalten, mithin auch keine Widerspruchsbelehrung. Unrealistisch sei, dass der Antrag das Datum vom 29. Juni 1998 und der Versicherungsschein dasjenige vom 30. Juni 1998 trage. Selbst wenn sein Vater die entsprechenden Unterlagen erhalten habe, sei dieser dort nirgends über ein Widerspruchsrecht belehrt worden. Die Hinweise in der vorgelegten Anlage B 3 seien nicht in drucktechnisch deutlicher Form abgehoben; zudem enthalte die Belehrung keinen Hinweis auf die Textform. Es sei auch nicht die geforderte Tabelle über die Rückkaufswerte beigefügt gewesen. Zudem stehe ihm mit Blick auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs weiterhin ein Widerspruchsrecht zu; letztlich sei auch das Policenmodell nicht unionsrechtskonform.
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Der Vertrag sei rückabzuwickeln. Die Differenz zwischen dem von seinem Vater eingezahlten Betrag und den Zahlungen der Beklagten i.H.v. 44.825,17 Euro ergebe 52.329,58 DM bzw. 26.755,68 Euro. Zusätzlich habe die Beklagte die gezogenen Nutzungen i.H.v. 3 Prozent jährlich herauszugeben.
6
Der Kläger hat in erster Instanz beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 26.755,68 Euro nebst 3 Prozent Zinsen seit 1. August 1998 zu zahlen.
8
Die Beklagte hat in erster Instanz beantragt,
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die Klage abzuweisen.
10
Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, allen vertraglichen Verpflichtungen aus dem Versicherungsvertrag nachgekommen zu sein. Weitere Ansprüche bestünden nicht. Der Vater des Klägers habe zudem Überschussbeteiligungen erhalten, so dass sich insgesamt ein Betrag von 54.298,08 Euro ergebe (vgl. GA I 56 ff.).
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Ein Recht zum Widerspruch bestehe nicht. In dem Versicherungsschein finde sich auf Seite 2 ein korrekter Hinweis auf das Widerspruchsrecht des Kunden. Vorgelegt werden könne ein Muster aus dem Jahr 2000 (Anlage B 3 = GA I 39 f.); damals seien alle Versicherungsscheine entsprechend dem Muster gestaltet gewesen. Die Widerspruchsbelehrung sei drucktechnisch – durch Fettdruck – hervorgehoben und entspreche den damaligen gesetzlichen Vorschriften; ein Hinweis auf die Textform sei nicht erforderlich gewesen. Den Versicherungsschein mit allen dort angegebenen Unterlagen habe die K Lebensversicherung AG Anfang Juli 1998 an den Vater des Klägers übermittelt. Dieser habe den Empfang der Police nebst gesondert genannter Unterlagen mittels Empfangsbekenntnis vom 15. Juli 1998 bestätigt (Anlage B 4 = GA I 41). Es sei auch nicht lebensfremd, dass die streitige Rentenversicherung bereits am 30. Juni 1998 policiert worden sei, nachdem eine Gesundheitsprüfung nicht erforderlich gewesen sei.
12
Auf die zu § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ergangene Rechtsprechung könne sich der Kläger hier nicht berufen, da der Vater des Klägers ordnungsgemäß belehrt worden sei. Das Policenmodell gemäß § 5a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. sei nicht europarechtswidrig. Letztlich sei ein Anspruch des Klägers verwirkt.
13
Wegen des weiteren Vortrages der Parteien im erstinstanzlichen Verfahren wird auf den Tatbestand des dortigen Urteils verwiesen.
14
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 27. Mai 2014, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, abgewiesen. Dem Kläger stehe ein Anspruch aus § 812 BGB im Hinblick auf den erklärten Widerspruch nicht zu. Das Policenmodell des § 5a Abs. 1 VVG a.F. verstoße nicht gegen europarechtliche Vorschriften. Ob der Vater des Klägers eine Widerspruchsbelehrung erhalten habe und ob diese in inhaltlicher oder gestalterischer Hinsicht allen zum damaligen Zeitpunkt geltenden Vorschriften entsprochen habe, bedürfe keiner Entscheidung. Ein Widerspruchsrecht sei jedenfalls in analoger Anwendung von § 7 Abs. 2 Satz 3 VerbrKrG und § 2 Abs. 1 Satz 4 HWiG nach beiderseits vollständiger Erbringung der Leistungen erloschen. Nach den Versicherungsbedingungen, die der Vater des Klägers ausweislich der Empfangsbestätigung vom 15. Juli 1998 erhalten habe, habe das Vertragsverhältnis mit dem Ableben des Versicherungsnehmers ohne Anspruch auf weitere Leistungen geendet, so dass die Beklagte durch die Zahlung der Renten bis Juli 2010 sämtliche ihr obliegenden Leistungen erbracht habe.
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Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 7. Juni 2014 zugestellte Urteil mit Schriftsatz vom 19. Juni 2014, der beim Oberlandesgericht am 24. Juni 2014 eingegangen ist, Berufung eingelegt und zugleich begründet.
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Mit seiner Berufung macht der Kläger, der sein erstinstanzliches Vorbringen vertieft, geltend, es könne dahingestellt bleiben, ob das in § 5a Abs. 1 VVG a.F. normierte Policenmodell gegen europarechtliche Vorschriften verstoße. Das Widerspruchsrecht sei jedenfalls nicht infolge vollständiger Leistungserbringung erloschen. Sein Vater sei nicht über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Eine Verwirkung sei nicht anzunehmen. Es fehle am Umstandsmoment; die Beklagte könne ein schutzwürdiges Vertrauen nicht in Anspruch nehmen, da seinem Vater eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung nicht erteilt worden sei.
17
Aus den eingezahlten 71.580,86 Euro seien verzinst bis 1. Juni 2014 193.124,25 Euro geworden. Unter Zugrundelegung der von der Beklagten in erster Instanz genannten Zahlung von 54.298,08 Euro ergebe sich einschließlich der darauf entfallenden Zinsen per 1. Juni 2014 ein Betrag i.H.v. 84.383,60 Euro. Die Differenz i.H.v. 108.740,65 Euro sei der Betrag, der per 1. Juni 2014 einschließlich gezogener Nutzungen im Rahmen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung hätte zurückgegeben werden müssen. Aus prozessualer Vorsicht werde weiterhin ein Betrag von lediglich 26.755,68 Euro nebst 3 Prozent Zinsen geltend gemacht.
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Der Kläger beantragt,
19
die Beklagte unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils zu verurteilen, an ihn 26.755,68 Euro nebst Zinsen seit 1. August 1998 zu zahlen.
20
Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
22
Die Beklagte verteidigt unter Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrages das landgerichtliche Urteil. Dem Vater des Klägers habe ein Widerspruchsrecht nicht mehr zugestanden. Dieser sei drucktechnisch hervorgehoben auf Seite 2 des Versicherungsscheins in vorgeschriebener Weise über das Widerspruchsrecht gemäß § 5a VVG a.F. belehrt worden. Zudem sei das Widerspruchsrecht hier infolge ordnungsgemäßer Belehrung verwirkt. Der Vater des Klägers habe den Versicherungsvertrag vor dem vereinbarten Rentenbeginn noch einmal ausdrücklich bestätigt, indem er der Karlsruher Versicherung AG im Jahr 2003 seine Wünsche zur Rentenzahlung mitgeteilt habe. Jahrelang danach habe dieser die Rente bezogen. Neben dem Zeitmoment sei auch das Umstandsmoment gegeben. Auf die Frage einer etwaigen Europarechtswidrigkeit von § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. komme es hier nicht an.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Parteien in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
24
Ergänzend wird verwiesen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht vom 20. Oktober 2014, in der die B-B vernommen wurde.
II.
25
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
26
Das Landgericht hat die Klage auf Zahlung von 26.755,68 Euro nebst Zinsen zu Recht abgewiesen.
27
1. Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Kläger davon aus, dass der Vertrag nach dem sogenannten „Policenmodell“ zustande gekommen ist. Anwendbar ist § 5a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 VVG a.F., und die Ausführungen zu § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht maßgeblich.
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2. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Herausgabe der Beiträge in Höhe von weiteren 26.755,68 Euro nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB sowie auf Nutzungsersatz nach § 818 Abs. 1 Alt. 1 BGB, weil er dem von seinem Vater geschlossenen Versicherungsvertrag wirksam gemäß § 5a Abs. 1 VVG a.F. widersprochen und jener die Beiträge aus diesem Grund ohne rechtlichen Grund gezahlt hätte.
29
a) Dem Kläger steht ein Widerspruchsrecht gemäß § 5a Abs. 1 VVG a.F. für den Versicherungsvertrag aus dem Jahr 1998 nicht zu.
30
aa) Dem Vater des Klägers sind alle erforderlichen Unterlagen samt Widerspruchsbelehrung im Zusammenhang mit der Übersendung des Versicherungsscheins vom 30. Juni 1998 vollständig überlassen worden.
31
Das ergibt sich aus der von der Beklagten vorgelegten „Empfangsbestätigung“ vom 15. Juli 1998 (Anlage B 4 = GA I 41). Darin hat der Vater des Klägers bestätigt, dass er den Versicherungsschein einschließlich der angegebenen Tabelle der garantierten Rückkaufswerte erhalten hat. Das gegenteilige Vorbringen des Klägers ist angesichts dieser Bestätigung nicht nachvollziehbar und entbehrt jeder Grundlage.
32
bb) Darüber hinaus ist die Widerspruchsbelehrung auf dem Versicherungsschein auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Der Vater des Klägers ist in drucktechnisch deutlicher Form über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden ist, wie von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. gefordert.
33
(1) Die Belehrung nimmt in ihrer Formulierung diejenige der gesetzlichen Regelung in § 5a VVG in der zum Vertragsschluss im Jahr 1998 geltenden Fassung auf und ist daher ausreichend. Insbesondere war es genügend, dass der Hinweis erteilt worden ist, dass der Widerspruch „schriftlich“ zu erfolgen habe.
34
(2) Die Belehrung ist hier auch drucktechnisch ausreichend gestaltet gewesen.
35
(a) Die in Fettdruck gehaltene Widerspruchsbelehrung ist in der optischen Gestaltung ausreichend (vgl. allgemein zu den Kriterien: BGH, Urteile vom 9. Januar 2013 – IV ZR 197/11, ZfS 2013, 153 Rn. 25 und vom 28. Januar 2004 – IV ZR 58/03, VersR 2004, 497 unter 3 d; OLG Celle, Urteil vom 27. Februar 2014 – 8 U 192/13, NJW 2014, 993; Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 14. Februar 2013 – 4 U 63/12, juris).
36
Ihr Text hebt sich aufgrund des Fettdruckes, der auf dem betreffenden Blatt ansonsten nur für drei weitere Sätze Verwendung findet, ausreichend vom übrigen Fließtext der wichtigen Informationen der unter dem Datum vom 30. Juni 1998 versandten Unterlagen ab. Aufgrund der hier gewählten äußeren Gestaltung und der einleitenden Seitenüberschrift „Wichtig für den Versicherungsnehmer“ wird die Aufmerksamkeit des Lesers auf die gesamte Widerspruchsbelehrung gelenkt. Sie wird so präsentiert, dass sie dem Versicherungsnehmer auch beim Durchblättern der acht Seiten, aus denen der Versicherungsschein und seine Anlage bestehen, nicht entgehen kann, selbst wenn nicht nach einer Information zur Widerspruchsmöglichkeit gesucht wird. Der Versicherungsnehmer wird vielmehr im Gegenteil an prominenter und gut auffindbarer Stelle – im ersten Drittel der zweiten Seite der Unterlagen und damit unmittelbar hinter dem Versicherungsschein – auf die Widerspruchsbelehrung aufmerksam gemacht. Gleichzeitig wird dem Leser so verdeutlicht, dass es sich um eine vom sonstigen Inhalt des Schreibens gesondert erteilte rechtliche Information handelt.
37
Die drucktechnisch – auch in Ansehung des verwendeten Papiers – ohne Weiteres sichtbare Belehrung im Vertrag aus dem Jahr 1998 ist mit den Sachverhalten nicht vergleichbar, in denen Belehrungen inmitten von 8- oder 20-seitigem Kleingedruckten (Versicherungsbedingungen, Verbraucherinformationen, sonstigen Hinweisen u.Ä.) zwar mit in den Unterlagen häufig verwendetem Sonderdruck hervorgehoben, indes durch die Platzierung oder die sonstige Gestaltung unauffällig angeordnet und versteckt wurden. Unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles kann hinsichtlich der hier im Rechtsstreit vorgelegten Belehrung hingegen nur von einer solchen gesprochen werden, die im Vergleich zu sonstigen Widerspruchsbelehrungen ausreichend ins Auge springt und gerade nicht untergeht.
38
(b) Der Senat ist nach durchgeführter Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugin B-B davon überzeugt, dass die als Anlage K 4 (GA I 14 ff.) vorgelegte Reproduktion des Versicherungsscheins vom 30. Juni 1998 inhaltlich dem Original entspricht und dass die drucktechnische Gestaltung mit derjenigen der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2014 vorgelegten Original-Versicherungsscheine aus dem Jahr 1998 übereinstimmt, § 286 ZPO.
39
Die Zeugin hat bei ihrer Vernehmung überzeugend, widerspruchsfrei und stringent angegeben, dass Reproduktionen – wie die vorgelegte – aus den in der EDV hinterlegten Vertragsdaten erstellt würden. Anders als heute seien die damaligen Versicherungsscheine allerdings in optischer Hinsicht nicht entsprechend dem Original zu reproduzieren gewesen. Bei den von der K Lebensversicherung AG im Jahr 1998 verwendeten Versicherungsscheinen habe es hinsichtlich der inhaltlichen und drucktechnischen Gestaltung der „Wichtigen Informationen für den Versicherungsnehmer“ keine unterschiedlichen Gestaltungen gegeben. Diese seien bei sämtlichen Tarifarten stets gleich gewesen und nur gelegentlich geändert worden. Für das Widerspruchsrecht, das für die Rechtsabteilung immer von besonderer Bedeutung gewesen sei, und einige andere Passagen sei Fettdruck verwendet worden. Die Gestaltung habe derjenigen entsprochen, die die im Termin vorgelegten Originale aufgewiesen hätten. Dies ergebe sich daraus, dass sie solche Schreiben in Zusammenarbeit mit der Rechtsabteilung erstellt habe und diese erst nach umfangreichen Tests – auch mit Echtdaten – Verwendung gefunden hätten. Eingriffe von anderen Personen seien nicht möglich gewesen. Änderungen seien nur anlassbezogen von ihr im Zusammenwirken mit der Rechtsabteilung vorgenommen worden. Von Fehlern in den Abläufen, die ihr nach eigenem Bekunden bekannt geworden wären, weiß sie nichts zu berichten.
40
cc) Nach § 5a Abs. 1 VVG a.F. („Policenmodell“) wurde folglich der schwebend unwirksame Vertrag mit Ablauf der Widerspruchsfrist endgültig rückwirkend wirksam.
41
b) Die Regelung des § 5a Abs. 1 VVG a.F. ist unter Berücksichtigung des europäischen Rechts nicht zu beanstanden.
42
Insofern kommt es auf die Ausführungen der Berufung zu § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. bereits nicht an, da es hier gerade nicht an einer ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung gefehlt hat (vgl. für einen Sachverhalt, in dem der Bundesgerichtshof eine nicht ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung unterstellt hat: Beschluss vom 28. März 2012 – IV ZR 76/11, VersR 2012, 608).
43
Das hier zum Tragen kommende sogenannte Policenmodell ist indes mit den Vorgaben des Art. 31 Abs. 1 der Dritten Richtlinie Lebensversicherung und des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Richtlinie Lebensversicherung vereinbar (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 – IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065).
44
c) Im Übrigen scheiterte die Rechtsausübung hinsichtlich eines etwaigen Anspruchs des Klägers wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens aus Treu und Glauben, § 242 BGB. Dem Kläger ist es nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages seitens seines Vaters auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus einen Bereicherungsanspruch herzuleiten.
45
aa) Widersprüchliches Verhalten ist nach der Rechtsordnung grundsätzlich zulässig und nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Eine Rechtsausübung kann unzulässig sein, wenn sich objektiv das Gesamtbild eines widersprüchlichen Verhaltens ergibt, weil das frühere Verhalten mit dem späteren sachlich unvereinbar ist und die Interessen der Gegenpartei im Hinblick hierauf vorrangig schutzwürdig erscheinen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 – IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065 Rn. 33 m.w.N.).
46
bb) So liegt der Fall hier.Der Kläger verhält sich treuwidrig, wenn er unter Berufung auf die behauptete Unwirksamkeit des Vertrages Rückzahlung des gesamten Versicherungsbeitrages nebst Zinsen – abzüglich erfolgter Zahlungen – verlangt. Nach ordnungsgemäßer Belehrung über die Möglichkeit, den Vertrag ohne Nachteile nicht zustande kommen zu lassen, hielt der Vater des Klägers an diesem jahrelang fest, während die sich an den gesetzlichen Vorschriften orientierende Beklagte bzw. K Lebensversicherung AG auf den Bestand des Vertrags vertrauen durfte.
47
Der Vater des Klägers war – wie zuvor dargelegt – von der K Lebensversicherung AG in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Anforderungen des § 5a VVG a.F. über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Daher war ihm bekannt, dass er den Vertrag nicht hätte zustande kommen lassen müssen und ihm der Versicherer jedenfalls ein Recht zur Lösung zugestand. Diese ihm zumindest vertraglich eingeräumte und bekannt gemachte Widerspruchsfrist ließ er bei Vertragsschluss im Jahr 1998 verstreichen. In der Folge ließ er sich von 2003 bis zu seinem Tode im Jahr 2010 die vertraglich vereinbarte Rente auszahlen.
48
Mit diesem im Interesse seines Vaters begründeten und über lange Zeit fortgeführten Verhalten setzt sich der Kläger in Widerspruch, wenn er nun geltend macht, ein Vertrag habe nie bestanden. Der jahrelange Bezug der Rentenzahlungen kann nur als Ausdruck des Willens des Vaters des Klägers, den Vertrag durchzuführen, verstanden werden. Da die K Lebensversicherung AG den Versicherungsbeitrag entgegennahm und erkennbar von einem bestehenden Versicherungsvertrag ausging, hat der Vater des Klägers bis zu seinem Tode im Jahr 2010 den Versicherungsvertrag durchgeführt und mithin auch Versicherungsschutz genossen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Vater des Klägers nicht sicher wissen konnte, ob das Policenmodell gemeinschaftsrechtswidrig war und ihm, wenn es so wäre, der geltend gemachte bereicherungsrechtliche Anspruch auf Rückzahlung des Versicherungsbeitrags zustünde.
III.
49
1. Die Entscheidung über die Kostentragung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
50
2. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern die Entscheidung des Revisionsgerichts.
51
Die Ausführungen der Berufung in der Berufungsbegründung haben sich durch die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 16. Juli 2014 – IV ZR 73/13, VersR 2014, 1065) überholt, weil dieser zur Vereinbarkeit des sogenannten „Policenmodells“ mit Europarecht mittlerweile eingehend und abschließend entschieden hat. An der kurzzeitig vertretenen Rechtsauffassung, die Revision zur Überprüfung europarechtlicher Fragestellungen zum sogenannten Policenmodell zuzulassen (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 31. Oktober 2013 – 7 U 129/13), hält der Senat nicht fest, weil diese Rechtsfrage durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 16. Juli 2014 beantwortet ist.