Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 24. November 2011 – 16 U 43/11
Die private Krankenversicherung zahlt nicht alles
Manchmal bleiben die Leistungen einer privaten Krankenversicherung hinter den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zurück. Der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts hat die Klage einer 90 Jahre alten Dame zurückgewiesen, die von ihrer privaten Krankenversicherung die Kosten für die Gabe von ärztlich verordneten Medikamenten erstattet haben wollte.
Zum Sachverhalt: Die Klägerin ist privat krankenversichert. Sie lebt allein in ihrer eigenen Wohnung in einem Wohnstift, das das sogenannte betreute Wohnen anbietet. Sie leidet an verschiedenen Erkrankungen, für deren Behandlung sie von ihren Ärzten Medikamente verschrieben bekommt. Für die Einnahme der ärztlich verordneten Medikamente nimmt sie den Pflegedienst des Wohnstiftes in Anspruch, der hierfür pro Medikamentengabe 9,02 € berechnet, was bei einer Medikamentengabe von drei Mal pro Tag zu monatlichen Rechnungen von über 800 € führt. Die private Krankenversicherung der Klägerin berief sich darauf, dass die Kosten der Medikamentengabe nicht von dem Krankheitskostenversicherungsvertrag umfasst seien. Die Klägerin hielt dem entgegen, dass gesetzlich Krankenversicherte Anspruch auf häusliche Krankenpflege haben, die auch die Verabreichung von Medikamenten umfasst, wenn sie alleinstehend sind und die Medikamente nicht selbst einnehmen können.
Das Oberlandesgericht sieht nach dem Inhalt des abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrags die Kosten für die Medikamentengabe nicht als versicherte Leistung an. Nach dem Vertrag sind der Klägerin die Aufwendungen für Arzneimittel bei einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung zu erstatten. Aus den Gründen: „Wer eine private Krankenversicherung abschließt, kann nicht erwarten, dass er damit so versichert ist, wie er es als Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse wäre. Dem stehen grundlegende Strukturunterschiede zwischen dem System der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung entgegen. Wenn bei medizinisch notwendiger Heilbehandlung die Aufwendungen für Arzneimittel erstattungsfähig sind, dann sind das nach dem Wortlaut des Vertrags die Kosten des Arzneimittels als solchem und nicht Kosten, die mit der Einnahme des Arzneimittels verbunden sind. Es entspricht dem allgemeinen Sprachverständnis, dass Arzneimittel vom Arzt verschrieben, in der Apotheke gekauft und – nach Anweisung des Arztes oder nach den Vorgaben des Beipackzettels – vom Versicherungsnehmer selbständig eingenommen werden.“
Die Klägerin, die auf den Rollstuhl angewiesen ist und die Pflegestufe 1 hat, erhält die Kosten der Medikamentengabe auch nicht von ihrer privaten Pflegeversicherung erstattet.
Quelle: Pressemitteilung 33/2011 des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes vom 02.12.2011