Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Urteil vom 5.09.2012 – 7 U 15/12
Zuschlag aufs Schmerzensgeld bei Bestreiten wider besseres Wissen
Einem Motorradfahrer steht nach einem Unfall ein erhöhtes Schmerzensgeld gegen ein Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs zu, weil dieses die Unfallursache wider besseres Wissen vor Gericht bestritten hat. Dies hat der 7. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts entschieden und das beklagte Unternehmen, die Stadtverkehr Lübeck GmbH, zu Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt.
Zum Sachverhalt: Der klagende Motorradfahrer hatte im März vergangenen Jahres die Priwallfähre über die Trave genutzt. Er folgte beim Auffahren auf die Fähre den Anweisungen des Personals und wechselte auf der Fähre die Spur, um nach vorn zu fahren. Dabei brach das Hinterrad aus und der Motorradfahrer stürzte auf die linke Schulter. Er erlitt eine Schultergelenkssprengung mit Abriss von Bändern, wurde anschließend operiert und über mehrere Wochen nachbehandelt. Die Fähre war gerade zur Überholung in der Werft gewesen und hatte einen neuen Anstrich des Fahrbahndecks erhalten. Nach dem Unfall ließen die Verkehrsbetriebe die Fähre mit einem anderen Anstrich versehen.
Der Motorradfahrer trug vor Gericht vor, dass der neue Belag ungeeignet und bei Feuchtigkeit sehr glatt gewesen sei. Die Verkehrsbetriebe beriefen sich darauf, dass es bisher keine Probleme mit dem neuen Belag gegeben habe. Eventuell habe der Motorradfahrer zu viel Gas gegeben und sei deshalb gestürzt.
Vor dem Landgericht Lübeck hatte der Motorradfahrer zunächst keinen Erfolg. Im Verfahren vor dem Oberlandesgericht forderten die Richter die Verkehrsbetriebe auf, das Bordbuch der Fähre vorzulegen. Dieses wies für den Vortag des Unfalls folgenden Eintrag auf: „Deck bei Regen und Tau sehr glatt!!! Unfallgefahr“.
Aus den Gründen: Die Verkehrsbetriebe haben dem Motorradfahrer die entstandenen Schäden zu ersetzen und ein Schmerzensgeld zu zahlen. „Es steht fest, dass das frisch gestrichene Fahrdeck der Fähre bei Feuchtigkeit und Nässe mehr als zu erwarten sehr glatt war. Es hätte mindestens eines deutlichen Warnhinweises an die Benutzer der Fähre bedurft, wenn die Fähre trotz der Gefährdung der Nutzer weiterhin eingesetzt wurde. Der Kläger durfte als ständiger Fährnutzer davon ausgehen, dass der Fahrbahnbelag die übliche Beschaffenheit auswies. Erschwerend und schmerzensgelderhöhend berücksichtigt der Senat (die Richter) zusätzlich das nicht hinnehmbare Verhalten der Beklagten, die im ersten Rechtszug angesichts des Dienstbucheintrags wider besseres Wissen bestritten hat, dass das Fährpersonal um die besondere Glätte bei Feuchtigkeit wusste.“ Aus diesem Grund erhöhten die Richter das angemessene Schmerzensgeld um 500 Euro auf 5.500 Euro.
Quelle: Pressemitteilung 18/2012 des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes vom 18.09.2012