Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. März 2022 – 9 Wx 23/21
1. § 21 Abs. 2 TTDSG beinhaltet nunmehr eine spezialgesetzliche Anspruchsgrundlage für eine Auskunftspflicht des Betreibers einer Social-Media-Plattform – hier Instagram – gegenüber den Betroffenen von Persönlichkeitsrechtsverletzungen.(Rn.33)
2. Die Vorschrift löst das zweistufige Verfahren nach § 14 TMG a.F. ab, das lediglich eine gerichtliche Gestattung, nicht aber die Verpflichtung zur Auskunftserteilung vorsah und daher die gesonderte Durchsetzung eines Leistungsanspruchs notwendig machte.(Rn.44)
3. Der Auskunftsanspruch nach § 21 TTDSG umfasst jedoch nur die Bestandsdaten, nicht aber die Nutzungsdaten.(Rn.41)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Auf die Beschwerde vom 27. Oktober 2021 wird der Beschluss des Landgerichts Flensburg vom 20. September 2021 abgeändert.
Die Beteiligte zu 2) wird verpflichtet, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen über die Bestandsdaten des auf der Plattform „www.instagram.com“ registrierten Nutzers unter dem Benutzernamen „X_wurde_gehackt“ (https://www.instagram.com/X_wurde_gehackt/), durch Angabe der folgenden, bei der Beteiligten hinterlegten Daten:
a. Name des Nutzers,
b. E-Mail-Adresse des Nutzers,
c. Telefonnummer des Nutzers.
2. Im Übrigen werden der Antrag der Antragstellerin und die Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sowie des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
1
Die Antragstellerin macht Auskunftsansprüche wegen eines Nutzerkontos auf Instagram geltend, dessen Inhalt sie nach ihrer Auffassung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt hat.
2
Die Beteiligte zu 2) betreibt unter anderem die Social-Media-Plattform „Instagram“, die Nutzern die Möglichkeit eröffnet, Textbeiträge, Fotos und Videos zu veröffentlichen. Diese Beiträge sind – nach Wahl des Kontoinhabers – entweder von einem privaten Personenkreis oder der gesamten Öffentlichkeit einsehbar. Die minderjährige Antragstellerin betreibt selbst einen Nutzeraccount auf der Plattform www.instagram.com der Beteiligten zu 2).
3
Eine der Antragstellerin unbekannte dritte Person eröffnete zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 15. Januar 2021 einen Account auf der Social-Media-Plattform „Instagram“ mit dem Nutzernamen „X_wurde_gehackt“ und stellte in einem mit „Nudes“ bezeichneten Ordner Bilder und Äußerungen ein. Der Account war zunächst öffentlich und wurde am 16. Januar 2021 auf „privat“ geändert. Die Bilder zeigten eine lediglich mit Unterwäsche bekleidete junge Frau mit langen braunen Haaren, deren Gesicht jeweils durch ein Smartphone verdeckt ist. Auf den Fotos waren die folgenden Äußerungen zu lesen:
4
– „Ich bin eine schlampe mit push up“,
5
– „Ich bin die kachi von nebenan“,
6
– „Will, dass du mich leckst, Babe, du darfst bei mir Backstage“,
7
– „Schreibt mir wenn ihr ficken wollt“.
8
Am 19. Januar 2021 meldete die Antragstellerin das verfahrensgegenständliche Konto bei der Beteiligten zu 2), die dieses am 22. Januar 2021 deaktivierte, so dass die Bilder nicht mehr abrufbar sind.
9
Die Antragstellerin hat behauptet, die Fotos zeigten ihren Kopf auf einem anderen Körper. Klassenkameraden hätten sie auf den Bildern erkannt. Zwei ehemaligen Klassenkameradinnen hätten sie am 15. Januar 2021 per WhatsApp auf das Profil angesprochen, wodurch sie hiervon Kenntnis erlangt habe. Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, sie habe einen Gestattungsanspruch nach § 14 Abs. 3 TMG a.F., da die Inhalte des falschen Profils die Tatbestände der §§ 185 ff. StGB erfüllten. Sie benötige die verlangten Informationen zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche in Form von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen wegen Persönlichkeitsrechtsverletzungen gegen den Inhaber des Nutzerkontos.
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Die Beteiligte zu 2) hat mit Nichtwissen bestritten, dass die Antragstellerin auf den Fotos von ihren Klassenkameraden erkannt worden sei. Es sei ihr unmöglich, die begehrte Auskunft über IP-Adressen zu erteilen, da sie nicht feststellen könne, ob eine bestimmte IP-Adresse zum Zeitpunkt des Hochladens eines Inhalts verwendet worden sei.
11
Das Landgericht hat den auf Gestattung der Auskunftserteilung gerichteten Antrag mit Beschluss vom 20. September 2021 zurückgewiesen, da die Antragstellerin gegen die Beteiligte zu 2) keinen materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch innehabe. Dieser ergebe sich weder aus dem vertraglichen Schuldverhältnis, das sich lediglich auf den von der Antragstellerin selbst betriebenen Account beziehe, noch bestehe ein gesetzlicher Auskunftsanspruch nach § 242 BGB. Denn die Beteiligte zu 2) hafte nicht als mittelbare Störerin nach § 1004 Abs. 1 BGB, da sie keine Prüfpflichten verletzt und das streitgegenständliche Konto unmittelbar nach Benachrichtigung durch die Antragstellerin deaktiviert habe. Ein allgemeiner Auskunftsanspruch gegen Telemediendienste als „Nicht-Störer“ bestehe nach gegenwärtiger Rechtslage nicht.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 27. Oktober 2021. Sie trägt vor, ein Auskunftsanspruch folge zum einen aus dem Nutzungsvertrag zwischen ihr und der Beteiligten zu 2) in Verbindung mit § 242 BGB, zum anderen aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis. Dafür sei bereits ausreichend, dass auf der Plattform der Beteiligten zu 2) eine Rechtsverletzung stattgefunden habe, die zivilrechtliche Ansprüche gegen den Täter nach sich ziehen könne. Für das Vorliegen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses könne es nicht darauf ankommen, ob die Beteiligte zu 2) rechtswidrige Inhalte auf entsprechenden Hinweis binnen angemessener Frist entferne oder nicht, da dann der Auskunftsanspruch allein von der Schnelligkeit der Reaktion der Beteiligten zu 2) abhänge, was nicht dem Schutzzweck des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes entspreche.
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Wegen der Beschwerdebegründung im Einzelnen wird auf den Schriftsatz vom 27. Oktober 2021 Bezug genommen.
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Die Beteiligte zu 2) hat die Entscheidung des Landgerichts verteidigt. Die Gestattung erfordere einen noch bestehenden materiell-rechtlichen Auskunftsanspruch, der nicht gegeben sei. Vorliegend bestünden zwischen dem Nutzeraccount der Antragstellerin und dem von dritter Seite erstellten Account keinerlei Verbindungen, außer dass der Nutzername teilweise mit dem Vornamen der Antragstellerin übereinstimme. Dies reiche nicht für eine Verknüpfung mit dem Nutzungsvertrag der Antragstellerin aus, die aber Voraussetzung für das Bestehen einer vertraglichen Auskunftspflicht sei. Es bestehe auch kein gesetzliches Schuldverhältnis, da die Beteiligte zu 2) keine Prüfpflicht bzw. -obliegenheit treffe, so dass die Inanspruchnahme als Nichtstörerin ausscheide. Die Beschwerde sei zudem gemäß § 74 Abs. 2 FamFG zurückzuweisen, weil der angegriffene Beschluss auch aus anderen Gründen richtig sei. So habe die Antragstellerin bereits nicht hinreichend zum Bestehen einer Rechtsverletzung vorgetragen. Sie habe nicht dargelegt und bewiesen, dass sie von den beleidigenden Äußerungen betroffen sei. Dafür müsse sie begründeten Anlass zu der Annahme haben, dass sie innerhalb eines mehr oder minder großen Bekanntenkreises aufgrund der mitgeteilten Umstände erkannt werden könne. Weder sei sie auf den Fotos identifizierbar noch habe sie belegt, dass ein Dritter sie mit dem verfahrensgegenständlichen Nutzeraccount in Verbindung gebracht habe. Zum anderen sei es ihr, der Beteiligten zu 2), wie bereits ausgeführt, mangels Zuordnung der IP-Adressen tatsächlich unmöglich, die begehrte Auskunft zu erteilen, weshalb sie auch nicht dazu verpflichtet werden könne.
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Mit Beschluss vom 7. Dezember 2021 hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Auskunftspflichten bestünden nur gegenüber den Personen, die einen Nutzeraccount hätten, aufgrund der daraus folgenden speziellen Schutz- und Obhutspflichten der Beteiligten zu 2) gegenüber diesen. Personen ohne eigenen Account hätten lediglich Unterlassungs-, nicht aber Auskunftsansprüche gegen die Beteiligte zu 2). Die vorliegend geltend gemachte Rechtsverletzung stehe jedoch in keinem Zusammenhang mit dem Nutzeraccount der Antragstellerin, da die Verletzungshandlung von einem anderen Account erfolgt sei. Ebenso wenig bestehe zwischen den Beteiligten eine Sonderverbindung in Form eines gesetzlichen Schuldverhältnisses, da die Beteiligte zu 2) für fremde Inhalte nur unter den Voraussetzungen der § 7 Abs. 2 bis § 10 TMG verantwortlich sei und vorliegend durch die unverzügliche Sperrung des Kontos gemäß § 10 Satz 1 Nr. 2 TMG Enthaftung eingetreten sei. Die Beteiligte zu 2) hafte auch nicht als Störerin, da sie ihrer Pflicht, die gemeldete Information zu entfernen, unverzüglich im Sinne dieser Vorschrift nachgekommen sei.
16
Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2021 hat die Antragstellerin ihren erstinstanzlichen Antrag um die Telefonnummer des Nutzers erweitert und beantragt nunmehr,
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der Beteiligten zu gestatten, der Antragstellerin Auskunft zu erteilen über die Bestands- und Nutzungsdaten des auf der Plattform „www.instagram.com“ registrierten Nutzers unter dem Benutzernamen „X_wurde_gehackt“ (https://www.instagram.com/X_wurde_gehackt/), durch Angabe der folgenden, bei der Beteiligten hinterlegten Daten:
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a. IP-Adressen, die von dem Nutzer für das Hochladen der unter dem Benutzernamen abrufbaren Beiträge und Bilder verwendet wurden, nebst genauem Zeitpunkt des Hochladens unter Angabe des Datums und der Uhrzeit inklusive Minuten, Sekunden und Zeitzone (Uploadzeitpunkt),
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b. Name des Nutzers,
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c. E-Mail-Adresse des Nutzers,
21
d. IP-Adresse, die von dem Nutzer zuletzt für einen Zugriff auf sein Nutzerkonto unter dem Benutzernamen „X_wurde_gehackt“ verwendet wurde, nebst genauem Zeitpunkt des Hochladens unter Angabe des Datums und der Uhrzeit inklusive Minuten, Sekunden und Zeitzone (Zugriffszeitpunkt),
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e. Telefonnummer des Nutzers.
23
Die Antragstellerin trägt hierzu vor, dass die Auskunft über die Telefonnummer erforderlich sei, da sich zahlreiche Personen bei Instagram nicht mehr mit ihrer E-Mail-Adresse, sondern mit ihrer Telefonnummer registrierten, so dass nur bei einer Auskunft auch hierüber ihre Rechte gewahrt werden könnten.
24
Auf entsprechenden Hinweis des Senats hat die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 9. Februar 2022 erklärt, ihr Antrag beschränke sich nicht auf die Anordnung der Zulässigkeit der Auskunftserteilung, sondern das Gericht solle auch über die Verpflichtung der Beteiligten zu 2) zur Auskunftserteilung entscheiden.
25
Der Senat hat die Beteiligten angehört. Auf das Protokoll des Erörterungstermins vom 23. März 2022 wird Bezug genommen.
II.
26
Die Beschwerde hat in Bezug auf die begehrte Auskunft über Bestandsdaten Erfolg.
27
1. Die von Amts wegen zu prüfende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist gegeben. Die internationale Zuständigkeit für das richterliche Gestattungsverfahren nach § 21 Abs. 2 und Abs. 3 Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) richtet sich nach der EuGVVO, da es sich dabei um eine Zivilsache im Sinne von Art. 1 Abs. 1 EuGVVO handelt (BGH, Beschluss vom 24. September 2019 – VI ZB 39/18, juris Rn. 19). Dabei kann hier offenbleiben, nach welcher Vorschrift dieser Verordnung die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte anzunehmen wäre, da sich die Beteiligte zu 2) gemäß Art. 26 Abs. 1 Satz 1 EuGVVO rügelos auf das Verfahren vor dem Landgericht Flensburg eingelassen hat (vgl. BGH, aaO, juris Rn. 15).
28
2. Aufgrund der zum 1. Dezember 2021 erfolgten Gesetzesänderung ist der Auskunftsanspruch nunmehr nach § 21 Abs. 2, Abs. 3 TTDSG zu beurteilen. Da eine Übergangsvorschrift nicht existiert, gilt das neue Gesetz mit dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens für die geltend gemachten Auskunftsansprüche.
29
3. Das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetz ist auch auf die Beteiligte zu 2) anwendbar, obwohl diese keine Niederlassung im Inland hat. Gemäß § 1 Abs. 3 TTDSG gilt dieses Gesetz für alle Unternehmen und Personen, die im Geltungsbereich des Gesetzes eine Niederlassung haben oder Dienstleistungen erbringen oder daran mitwirken. Damit ist nach dem Marktortprinzip auch die Beteiligte zu 2) erfasst, deren Plattform Instagram im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland abrufbar ist, wodurch sie Dienstleitungen im Geltungsbereich des TTDSG erbringt (vgl. dazu die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 9/27441 S. 34; Golland, Das Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz, NJW 2021, 2238, Rn. 4).
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4. Die Beschwerde ist gemäß § 21 Abs. 3 Satz 8 TTDSG, §§ 58 ff. FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
31
Insbesondere ist die am 27. Oktober 2021 beim Landgericht eingegangene Beschwerde fristgerecht erhoben worden. Die Monatsfrist aus § 63 Abs. 1 FamFG beginnt gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 FamFG mit der schriftlichen Bekanntgabe zu laufen. Der angegriffene Beschluss des Landgerichts Flensburg vom 20. September 2021 ist der Antragstellerin jedoch lediglich formlos übersandt worden. Eine formlose Übersendung stellt keine Bekanntgabe im Sinne des § 41 Abs. 1 FamFG dar, wonach ein anfechtbarer Beschluss, der dem erklärten Willen des Empfängers widerspricht, zuzustellen ist. Da es keine Vermutung für den Zugang der formlos übersandten Entscheidung gibt, hat die Frist aus § 63 Abs. 1 FamFG nicht zu laufen begonnen (BGH, Beschluss vom 13. Mai 2015 – XII ZB 491/14, NJW 2015, 2576, 2577, Rn. 7; Beschluss vom 29. März 2017 – XII ZB 51/16, MDR 2017, 661 Rn. 8).
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5. Die Beschwerde der Antragstellerin ist auch teilweise, nämlich hinsichtlich des auf eine Auskunftserteilung über Bestandsdaten gerichteten Anspruchs, begründet.
33
a) Nach § 21 Abs. 2 TTDSG ist ein Anbieter von Telemedien verpflichtet, Auskunft über bei ihm vorhandene Bestandsdaten zu erteilen, soweit dies zur Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 10a Abs. 1 TMG oder § 1 Abs. 3 NetzDG erfasst werden, erforderlich ist.
34
(1) Die Beteiligte zu 2) ist ein Anbieter von Telemedien im Sinne der Vorschrift. Das sind nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG, auf den § 2 Abs. 1 TTDSG verweist, alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste nach § 3 Nr. 61 des Telekommunikationsgesetzes, telekommunikationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 63 des Telekommunikationsgesetzes oder Rundfunk nach § 2 des Rundfunkstaatsvertrages sind. Die genannten Ausnahmen sind hier nicht einschlägig, vielmehr handelt es sich bei dem von der Beteiligten angebotene Dienst Instagram um ein Telemedium im Sinne der Vorschrift (BGH, Urteil vom 13. Januar 2022 – I ZR 35/21, juris Rn. 57).
35
(2) Durch den Inhalt des Nutzeraccounts „X_wurde_gehackt“ werden absolut geschützte Rechte der Antragstellerin rechtswidrig verletzt. Diese Voraussetzung erfordert eine strafrechtlich relevante Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin (Auernhammer, DSGVO/BDSG, 7. Aufl. 2020, § 14 TMG Rn. 30; Paschke/Berlit/ Meyer/Kröner, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 4. Auflage 2021, 46. Abschnitt (Auskunftsansprüche), Rn. 9). Dies ergibt sich aus dem Verweis in § 21 Abs. 2 Satz 1 TTDSG auf § 1 Abs. 3 NetzDG, der rechtswidrige Inhalte als Inhalte definiert, die den Tatbestand der §§ 86, 86a, 89a, 91, 100a, 111, 126, 129 bis 129b, 130, 131, 140, 166, 184b, 185 bis 187, 189, 201a, 241 oder 269 des Strafgesetzbuchs erfüllen und nicht gerechtfertigt sind.
36
(a) Vorliegend erfüllen die Schaffung des Fake-Accounts und das Einstellen der Fotos mit Kommentaren im Zusammenhang gesehen den Tatbestand der Beleidigung im Sinne des § 185 StGB. Hier wird durch den Fake-Account zum einen suggeriert, dass die Antragstellerin „gehackt“ wurde, ihr Nutzerprofil also dem Zugriff fremder Dritter ausgesetzt wurde. Diese Behauptung ist zwar als solches nicht beleidigend. Allerdings wurden auf dem hier gegenständlichen Account auch Fotos eingestellt, die die Antragstellerin darstellen sollen, und verbunden hiermit werden ihr Äußerungen zugeschrieben, die den Eindruck hervorrufen, sie sei an sexuellen Kontakten interessiert und eine „Schlampe“. Darin liegt eine Beleidigung, da diese sexuellen Anspielungen geeignet sind, die Antragstellerin, die als Minderjährige stärker als Erwachsene des Schutzes in ihrer Persönlichkeitsentwicklung bedarf, verächtlich zu machen und in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen. Der Nutzer suggeriert durch Erstellen des Fake-Accounts und Hochladen der Fotos nebst Kommentaren, die Antragstellerin wolle sich auf diese Weise zur Schau stellen und den Besuchern der Seite ihr sexuelles Interesse mitteilen. Dadurch, dass ihr diese unsittliche Verhaltensweise zugeordnet wird, wird der soziale Geltungswert der Antragstellerin gemindert, was eine Beleidigung im Sinne des § 185 StGB darstellt (Schönke/Schröder/Eisele/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl. 2019, § 185 Rn. 2).
37
Die Äußerungen auf dem Nutzerkonto sind auch nicht wegen einer Wahrnehmung berechtigter Interessen nach § 193 StGB, der den Belangen der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG Ausdruck verleiht, gerechtfertigt (BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2021 – 1 BvR 1073/20 –, juris Rn. 26 mwN). Vielmehr handelt es sich dabei um reine Schmähungen, die bereits nicht dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit unterfallen und eine Abwägung der betroffenen Grundrechte entbehrlich machen. Eine Schmähung im verfassungsrechtlichen Sinn ist gegeben, wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht (BVerfG, aaO, Rn. 29 mwN). Die Kommentare zielen allein auf die Herabsetzung der Antragstellerin, ohne dass ein Bezug zu einer sachlichen Auseinandersetzung erkennbar wäre. Hinzu kommt, dass der eigentliche Urheber unerkannt bleibt und die Formulierung der Kommentare suggeriert, sie seien von der Antragstellerin selbst getätigt worden. Es geht dem Urheber somit allein um eine grundlose Verächtlichmachung der Antragstellerin. Bei dem Inhalt des verfahrensgegenständlichen Nutzerkontos handelt es sich daher bereits nicht um Meinungsäußerungen, die dem Schutz des Art. 5 Abs.1 Satz 1 GG unterfielen.
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(b) Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) hat die Antragstellerin auch hinreichend dargelegt, dass sie die Betroffene der Rechtsverletzung ist. Es reicht aus, dass die Antragstellerin als Betroffene der Beleidigung erkennbar ist (Schönke/Schröder/Eisele/Schittenhelm, StGB, aaO, § 185 Rn. 9). Eine Erkennbarkeit setzt die vollständige oder auch nur abgekürzte Namensnennung nicht voraus. Es genügt vielmehr die Übermittlung von Teilinformationen, aus denen sich die Identität für die sachlich interessierte Leserschaft ohne weiteres ergibt oder mühelos ermitteln lässt. Dabei ist es ausreichend, wenn die Betroffene begründeten Anlass hat, anzunehmen, sie könne innerhalb eines mehr oder minder großen Bekanntenkreises erkannt werden (OLG Dresden, Endurteil vom 30. August 2016 – 4 U 314/16, BeckRS 2016, 127424 mwN).
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Vorliegend ist die Antragstellerin nicht nur erkennbar, sondern wurde tatsächlich „erkannt“. Aus dem von ihr vorgelegten Chat mit ihren ehemaligen Mitschülerinnen geht hervor, dass „jemand aus der Klasse“ den Account „gefunden“ hat, dass dieser als Account der Antragstellerin identifiziert wurde und Thema von Gesprächen unter den ehemaligen Klassenkameraden war. Die Chatpartnerin spricht die Antragstellerin darauf an, ob das ihr Account sei und macht sie auf diesen aufmerksam, damit sie etwas dagegen machen kann. Damit ist erwiesen, dass der falsche Account der Antragstellerin zugeordnet wurde und sein Inhalt zu Spekulationen unter ihren ehemaligen Mitschülern geführt hat. Sie ist somit für eine erhebliche Anzahl von Personen erkennbar gewesen bzw. von diesen erkannt worden. Auf die Frage, ob der Inhalt des Nutzerkontos, insbesondere dessen Bezeichnung in Verbindung mit den Fotos, auch abstrakt geeignet ist, ihn der Antragstellerin zuzuordnen, kommt es daher nicht an, da das tatsächliche (auch falsche) „Erkanntwerden“ gegenüber einer bloßen Erkennbarkeit einen deutlich stärkeren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen darstellt.
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(3) Die Auskunftserteilung ist auch erforderlich, damit die Antragstellerin ihre Rechte gegenüber dem unbekannten Dritten zivilrechtlich geltend machen kann. Die Antragstellerin weiß nicht, wer das verfahrensgegenständliche Nutzerkonto erstellt hat, und hat auch keine andere Möglichkeit, dies herauszufinden. Sie ist somit auf die Auskunft der Beteiligten zu 2) angewiesen.
41
(4) Allerdings umfasst die Auskunft nur die bei der Beteiligten zu 2) vorhandenen Bestandsdaten, nicht aber die Nutzungsdaten. Bestandsdaten sind nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 2 TTDSG die personenbezogenen Daten, deren Verarbeitung zum Zweck der Begründung, inhaltlichen Ausgestaltung oder Änderung eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Anbieter von Telemedien und dem Nutzer über die Nutzung von Telemedien erforderlich ist. Dazu gehören Name, E-Mail-Adresse und Telefonnummer des Nutzers, nicht aber die IP-Adressen, von denen aus die Inhalte hochgeladen wurden. Dieses sind Nutzungsdaten im Sinne der Legaldefinition des § 2 Abs. 2 Nr. 3 TTDSG, wonach Nutzungsdaten die personenbezogenen Daten eines Nutzers von Telemedien [sind], deren Verarbeitung erforderlich ist, um die Inanspruchnahme von Telemedien zu ermöglichen und abzurechnen.
42
Der Anspruch der Antragstellerin umfasst daher nicht die von ihr unter Ziffern a) und d) verlangte Auskunft über die beim Zugriff auf den Account genutzten IP-Adressen. Auch eine analoge Anwendung des § 21 Abs. 2 TTDSG auf Nutzungsdaten kommt vorliegend nicht in Betracht, da eine dafür erforderliche planwidrige Regelungslücke nicht ersichtlich ist. Denn das Auskunftsverfahren in Bezug auf Nutzungsdaten ist aktuell in § 24 TTDSG geregelt, ohne dass – wie noch in der Vorgängernorm § 15 Abs. 5 Satz 3 TMG a.F. – auf das für Bestandsdaten geltende Auskunftsverfahren verwiesen wird. Vielmehr ist die Auskunft über Nutzungsdaten gemäß § 24 Abs. 3 TTDSG nur gegenüber den in diesem Absatz genannten Stellen zulässig. Zwar enthält die Gesetzesbegründung keine Erläuterung, warum die nach bisherigem Recht vorgesehene Auskunftsmöglichkeit nun nicht mehr vorgesehen ist, dies reicht jedoch nicht aus, um von einem bloßen redaktionellen Versehen des Gesetzgebers oder einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen. Vielmehr existiert aktuell keine Rechtsgrundlage für Nutzungsdaten betreffende Auskunftsansprüche von Privatpersonen gegenüber Telemedienanbietern. Insoweit bleibt den Betroffenen nur der Weg über eine Strafanzeige.
43
Der Einwand der Beteiligten zu 2), die begehrte Auskunft über die IP-Adressen sei ihr technisch gar nicht möglich, kann daher vorliegend dahinstehen.
44
b) Entgegen der Ausführungen des Landgerichts bedarf es nach der aktuellen Fassung des § 21 TTDSG (wie schon in der ab 3. Juni 2021 geltenden Fassung des § 14 Abs. 3 Satz 2 TMG; siehe hierzu auch die Gesetzesbegründung in BR-Drs 169/20, Seite 58 f.) keines gesonderten materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs der Antragstellerin gegen die Beteiligte zu 2). Vielmehr ergibt sich aus § 21 Abs. 2 Satz 2 TTDSG, dass die Beteiligte zu 2) gegenüber der Verletzten zur Auskunft verpflichtet ist, sofern die Voraussetzungen des § 21 Abs. 2 Satz 1 TTDSG vorliegen. Hierin ist ein eigenständiger materiell-rechtlicher Anspruch zu sehen, so dass sich Ausführungen zu der erstinstanzlich umfassend erörterten Frage, woraus sich ein Auskunftsanspruch ergeben könnte, erübrigen.
45
c) Der Senat hat entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung auch keine Bedenken in Bezug auf die Vereinbarkeit des § 21 TTDSG mit den Normen der Datenschutzgrundverordnung (vgl. dazu Spindler/Schuster/Nink, TMG, 4. Aufl. 2019, §§ 11-15 Rn. 1 ff.; Kühling/Sauerborn, CR 2021, 271 ff., jeweils mwN). Vielmehr folgt der Senat insoweit der Auffassung des Bundesgerichtshofs, wonach es sich bei § 21 TTDSG (bzw. der Vorgängernorm § 14 TMG a.F.) um eine Rechtsvorschrift im Sinne des Art. 6 Abs. 4 DSGVO handelt (BGH, Beschluss vom 24. September 2019 – VI ZB 39/18, juris Rn. 40 ff.). Das sind Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genannten Ziele darstellen. § 21 Abs. 2 TTDSG dient der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche und verfolgt damit ein in Art. 23 Abs. 1 Buchstabe j DSGVO genanntes Ziel, das mitgliedsstaatliche Rechtsvorschriften erlaubt, die die Pflichten und Rechte aus Art. 12 bis 22 und 34 DSGVO beschränken. Die Regelung des Auskunftsanspruchs ist auch eine in einer demokratischen Gesellschaft notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz dieses Ziels, so dass sie die Voraussetzungen des Art. 6 Abs. 4 DSGVO erfüllt (BGH, aaO, Rn. 40).
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Auch das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung vom 19. Dezember 2021 (1 BvR 1073/20, juris Rn. 25) § 21 TTDSG sowie seine Vorgängernorm als Rechtsgrundlage für einen Auskunftsanspruch anerkannt, ohne eine mögliche europarechtliche Einschränkung zu problematisieren.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 21 Abs. 3 Satz 7 TTDSG. Diese Norm ist lex specialis zu der allgemeinen Kostenregelung in § 81 FamFG, so dass eine abweichende Kostenentscheidung nicht möglich ist (BGH, Beschluss vom 24. September 2019 – VI ZB 39/18, juris Rn. 13).