Zur Haftung des Vermieters bei tödlichem Stromschlag der Wohnungsmieterin durch schadhafte Elektroinstallation

LG Bielefeld, Urteil vom 29. Oktober 2009 – 6 O 262/09

Kommt eine Wohnungsmieterin bei Berührung eines fehlerhaft angebrachten stromführenden Handtuchhalters zu Tode, haben die Eltern als Erben keinen vertraglich ableitbaren Anspruch auf Ersatz der Beerdigungskosten, da sie nur mittelbar geschädigt sind. Ein deliktischer Anspruch scheidet aus, wenn dem Vermieter mangels Kenntnis der unsachgemäßen Elektroinstallation keine Pflichtverletzung vorgeworfen werden kann. Insbesondere ergibt sich eine Pflichtverletzung des Vermieters hinsichtlich der Überprüfung der elektrischen Anlagen nicht aus einer Verletzung von DIN-Normen, da es sich dabei nicht um Rechtsvorschriften handelt (Rn.28) (Rn.31) (Rn.33) (Rn.34).

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derjenigen der Nebenintervention werden den Klägern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung durch den Beklagten bzw. den Streithelfer gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte bzw. der Streithelfer vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Tatbestand
1
Die Kläger machen einen Anspruch auf Erstattung von Beerdigungskosten aufgrund der tödlichen Verletzung ihrer Tochter geltend. Ihre Tochter, die mit dem Beklagten zuvor einen Wohnungsmietvertrag geschlossen hatte, verstarb am 21.12.2005 als sie einen im Badezimmer der Mietwohnung angebrachten, stromführenden Handtuchhalter berührte.

2
Der Kläger zu 2) macht zudem im Zusammenhang mit dieser tödlichen Verletzung seiner Tochter einen Anspruch auf Schmerzensgeld geltend.

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Der Beklagte vermietete anfangs die später an die verstorbene Tochter der Kläger vermietete Wohnung in dem Haus im C.weg xx in T. an den Zeugen V.. Das Gebäude war im Jahre 1909 errichtet worden. Der Beklagte bewohnt in dem Gebäude selbst eine Wohnung. Das betroffene Badezimmer in der Mietwohnung war im Jahre 1965 generalüberholt worden. In diesem Badezimmer befand sich u. a. ein Handtuchhalter, der am Kopfende der Badewanne angebracht war. Das Mietverhältnis mit dem Zeugen V. begann im Jahre 2000. Die Mietzeit dauerte ca. 1 1/2 Jahre. Nachdem der Zeuge V. aus der Wohnung ausgezogen war, stand sie eine Zeitlang leer.

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Anschließend vermietete der Beklagte die betroffene Wohnung an den Streithelfer. Der Mietvertrag begann am 01.01.2004. Dem Streithelfer wurde jedoch bereits ab dem 01.12.2003 Gelegenheit gegeben, in die Wohnung mit seiner Ehefrau, der Zeugin P., einzuziehen, da er beabsichtigte, Einzugsrenovierungsarbeiten durchzuführen. Während dieses Mietverhältnisses war zumindest ein Handtuchhalter ab Mitte des Jahres 2004 oberhalb der Fliesen am Kopfende der Badewanne angebracht. Unter Bezugnahme auf Blatt 28 des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. F. T. vom 31.01.2006 (Blatt 88 der Akte Staatsanwaltschaft Bielefeld 51 Js 208/06) befand sich der Handtuchhalter in der mit Nr. 2 markierten mittleren Befestigungsposition – ca. 152 cm vom Boden aus – in der geputzten Wandfläche. An den beiden rechten Befestigungspunkten des Handtuchhalters wurde bei einem Bohrvorgang für die Befestigungslöcher die stromführende Leitung durchbohrt. Dabei lag die Schraube weitgehend frei und hatte somit Kontakt zu der Leitungsader der Phase an der durchgebohrten Stelle der Leitung. Als die Zeugin P. Mitte 2004 den Handtuchhalter berührte, verspürte sie einen elektrischen Schlag. Nach der Aussage dieser Zeugin gegenüber der Polizei im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens ist der elektrische Schlag so gravierend gewesen, dass sie, die Zeugin P., schreiend in der Badewanne gestanden und ihren Mann, den Streithelfer, um Hilfe gebeten habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Zeugenvernehmung der Zeugin P. vom 23.12.2005 im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens (Blatt 105 ff. (107) der Akte Staatsanwaltschaft Bielefeld 51 Js 208/06) Bezug genommen. Der Streithelfer und die Zeugin zeigten diesen Vorfall dem Beklagten nicht an. Der Vermieter hatte in den letzten Jahren zuvor die Elektroanlage keinem allgemeinen Elektrocheck unterzogen. Das Mietverhältnis wurde unter dem 03.11.2004 gekündigt und endete zum 31.01.2005. Nachdem der Streithelfer und die Zeugin P. aus der betroffenen Wohnung ausgezogen waren, schloss die verstorbene Tochter der Kläger, O. T., unter dem 18.09.2005 mit dem Beklagten einen unbefristeten Mietvertrag über diese Wohnung. Der Mietvertrag begann am 01.10.2005. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Mietvertrag zwischen dem Beklagten und der Tochter der Kläger vom 18.09.2005 (Anlage K 1, Blatt 8 ff. der Akte) Bezug genommen.

5
Am 21.12.2005 fasste Frau O. T. diesen Handtuchhalter mit der linken Hand am Kopfende der Badewanne an, als sie sich in der Badewanne duschen wollte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie zugleich mit dem rechten Fuß Kontakt mit dem metallischen Duschschlauch. Da der Handtuchhalter Strom führte, ergab sich bei Frau O. T. ein Stromfluss im Körper über das Herz, denn an dem Brauseschlauch der Wanne war installationsgerecht Erdpotential vorhanden. Frau O. T. verstarb unmittelbar nach der Berührung des Handtuchhalters. Spätere ergänzende Messungen mit einem Spannungsmesser ergaben, dass zwischen dem Handtuchhalter und dem Brausekopf bzw. Brauseschlauch eine Spannung von 230,6 V gemessen wurde. Der Stromkreis des Badezimmers war in die Schutzmaßnahme eines FI-Schutzschalters integriert, der für einen Auslösestrom mit 500 mA ausgestattet war. Als die verstorbene O. T. diesen Handtuchhalter berührte, löste der Schutzschalter nicht aus. Zum Unfallzeitpunkt am 21.12.2005 befand sich am Kopfende der Badewanne insgesamt nur ein Handtuchhalter, und zwar an der zuvor beschriebenen Position unmittelbar oberhalb der Fliesen. Insgesamt waren an der Wandseite, an der der Handtuchhalter befestigt war, drei Befestigungspunkte mit übereinstimmenden Befestigungsmaßen vorhanden, und zwar ein unterer Befestigungspunkt, ca. 118 cm vom Boden aus gemessen, im Bereich des Fliesenspiegels, ein mittlerer Befestigungspunkt, ca. 152 cm vom Boden gemessen, in der geputzten Wandfläche unmittelbar oberhalb des Fliesenbereichs, an dem der streitgegenständliche Handtuchhalter befestigt gewesen war und ein weiterer oberer Befestigungspunkt, ca. 200 cm vom Boden aus in der geputzten Wandfläche.

6
Die Kläger sind Erben ihrer verstorbenen Tochter. Im Zusammenhang mit der Trauerfeier am 28.12.2005 entstanden den Klägern Kosten in Höhe von 6.096,13 €.

7
Der Kläger zu 2) befand sich zudem in der Zeit vom 22.04.2008 bis 03.06.2008 in der I.Klinik in Bad A. in stationärer psychotherapeutischer Behandlung. Nach einem Bericht der I.Klinik vom 10.06.2008 wurde als Diagnose eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode, nach Verlusterleben sowie arterielle Hypertonie angegeben. Wegen der Einzelheiten wird auf den ärztlichen Bericht der I.Klinik in Bad A. vom 10.06.2008 (Anlage zum Schriftsatz des Klägervertreters vom 22.07.2009, Blatt 178 ff. der Akte) verwiesen.

8
Die Kläger behaupten, dass die von ihrer Tochter O. T. vom Beklagten angemietete Wohnung mangelhaft gewesen sei. Mit näherer Begründung führen sie im Einzelnen aus, dass der Handtuchhalter unter Stromspannung gestanden habe und darüber hinaus ein funktionsfähiger FI-Schutzschalter nicht vorhanden gewesen sei. Aufgrund dieser Mängel hafte der Beklagte auf Schadensersatz. Der Beklagte sei seinen Überprüfungspflichten hinsichtlich der elektrischen Anlage nicht nachgekommen. Andernfalls hätte er die dargelegten Mängel in der elektrischen Anlage – insbesondere den unzureichenden FI-Schutzschalter – bemerkt. Wenn der Beklagte einen sog. „Elektrocheck“ durchgeführt hätte, so hätte er die aufgezeigten Mängel erkannt und wäre verpflichtet gewesen, diese abzustellen. In diesem Fall hätte ihre Tochter den tödlichen Stromschlag nicht erleiden müssen. Der Beklagte als Vermieter hafte für den ordnungsgemäßen Zustand des Sicherungskastens und der elektrischen Leitungen.

9
Der Streithelfer habe in Höhe von 200 cm oberhalb des Bodens einen zweiten Handtuchhalter montiert, nachdem dessen Ehefrau einen erheblichen Stromschlag erlitten hätte. Der Streithelfer habe diesen Handtuchhalter, als er und seine Ehefrau wieder ausgezogen seien, demontiert. Der Beklagte habe im Zusammenhang mit diesem Auszug durchaus bemerkt, dass ein Handtuchhalter entfernt worden sei. Es hätten sich nämlich Bohrlöcher an der gefliesten Wand befunden. Der Beklagte habe also befürchten müssen, dass durch das Andübeln jenes streitgegenständlichen Handtuchhalters auch stromführende Stegleitungen beschädigt worden wären. Dem Beklagten sei bekannt gewesen, dass die Anlage veraltet gewesen sei. Darüberhinaus behauptet der Kläger zu 2) dass der Tod seiner Tochter ursächlich dafür gewesen sei, dass er sich in ärztlicher Behandlung befunden habe. Ihm stünde aus diesem Grunde ein Schmerzensgeld zu. Die Kläger sind der Ansicht, dass ihnen neben einem Anspruch aus § 844 BGB auch Ansprüche aus § 536 a BGB bzw. § 823 BGB zustehen würden.

10
Die Kläger haben ursprünglich beantragt,

11
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie, die Kläger, als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 6.576,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2007 zu bezahlen und

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2. festzustellen, dass der Beklagte dem Kläger zu 2) sämtliche zukünftige Schäden aus dem Unfallereignis vom 21.12.2005 zu ersetzen hat.

13
Der Streithelfer wies darauf hin, dass die klägerische Partei die Grab- und Bestattungskosten um 480,00 Euro zu hoch berechnet hat.

14
Im Weiteren haben die Kläger den ursprünglichen Feststellungsantrag (Klageantrag zu 2)) in der Hauptsache für erledigt erklärt und beantragen nunmehr,

15
1. den Beklagten zu verurteilen, an sie, die Kläger, als Gesamtgläubiger einen Betrag in Höhe von 6.096,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2007 zu bezahlen und darüber hinaus

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2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zu 2) ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, jedoch mindestens 480,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2007 zu bezahlen.

17
Der Beklagte und der Streithelfer beantragen,

18
die Klage abzuweisen.

19
Der Beklagte und der Streithelfer haben sich der Erledigungserklärung angeschlossen. Der Beklagte behauptet, vor dem Einzug des Streithelfers habe sich in dem streitgegenständlichen Badezimmer nur ein Handtuchhalter befunden. Dieser Handtuchhalter sei am Kopfende der Badewanne an den untersten Befestigungspunkten auf dem Fliesenspiegel befestigt gewesen. Nachdem der Streithelfer in die streitgegenständliche Wohnung eingezogen sei, habe der Streithelfer den Handtuchhalter in die mittlere Position unmittelbar oberhalb der Fliesen versetzt und dabei eine stromführende Leitung beschädigt. Aus diesen Beschädigungen resultierten schließlich die lebensgefährlichen Folgen. Da der Handtuchhalter an der konkreten Stelle vom Streithelfer durchaus nutzbringend angebracht worden sei, sei er von ihm, dem Beklagten, nach dem Auszug des Streithelfers nicht wieder entfernt worden. Der Handtuchhalter habe fest gesessen.

20
Weder für ihn, den Beklagten, noch für irgendjemand anderen sei erkennbar oder durch Berührung oder in sonstiger Weise feststellbar gewesen, dass eine der zur Montage des Handtuchhalters in die Wand eingebrachten Befestigungsschrauben eine der Phasen der in der Wand verlaufenden und stromführenden Leitung getroffen und deshalb eine Verbindung zum Handtuchhalter bestanden habe. Deshalb sei es ihm, dem Beklagten, objektiv nicht möglich gewesen, die Gefahr zu erkennen und zu beseitigen. Bei der ursprünglichen Installation des Handtuchhalters sei die stromführende Leitung nicht beschädigt worden.

21
Der Beklagte ist der Ansicht, dass ein verschuldensunabhängiger Anspruch aus § 536 a BGB insbesondere deshalb nicht in Betracht komme, da dieser nach § 7 Nr. 3 des Mietvertrages abbedungen worden sei. Im Übrigen treffe ihn, den Beklagten, kein Verschulden, da er nicht verpflichtet gewesen sei, den FI-Schutzschalter mit einem Fehlernennstrom von 500 mA gegen einen solchen mit 30 mA auszutauschen. Es habe Bestandsschutz bezüglich der zuvor errichteten Anlage bestanden. Als das Gebäude des Beklagten seinerzeit errichtet worden sei, seien die maßgeblichen Bauvorschriften beachtet worden. Dem Beklagten sei es nicht zumutbar, die elektrische Anlage regelmäßig zu überprüfen. Ein Vermieter hafte auch nicht für einen Schaden, den ein anderer Hausbewohner einem anderen durch die Verletzung von Obhutspflichten zufüge. Schließlich seien mögliche Ansprüche – u.a. nach § 548 BGB – verjährt.

22
Der Streithelfer behauptet, er habe im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Handtuchhalter keine Stromleitung beschädigt. Er habe nur im Zusammenhang mit der Renovierung den streitgegenständlichen Handtuchhalter demontiert und danach mit gleichen Schrauben wieder anmontiert. Darüber hinaus habe er ca. 20 cm höher einen weiteren Handtuchhalter angebracht, den er nach dem Auszug aus der Wohnung wieder abmontiert habe. Unter Bezugnahme auf den Vortrag des Beklagten ist der Streithelfer ebenfalls der Ansicht, dass ein Vermieter nicht verpflichtet sei, regelmäßig die Elektroanlage ohne konkreten Anlass zu kontrollieren. Der ursprünglich gestellte Feststellungsantrag sei unsubstantiiert gewesen. Mögliche Ansprüche der Kläger seien letztendlich verjährt. Nach richterlichem Hinweis vom 22.01.2009 (Blatt 111 der Akte) hat sich das Amtsgericht Herford durch Beschluss vom 19.03.2009 (vgl. Blatt 132 ff. der Akte) für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit auf den Hilfsantrag der Kläger vom 24.02.2009 (Blatt 120, 121 der Akte) nach Anhörung der übrigen Beteiligten an das Landgericht Bielefeld verwiesen.

23
Die Kammer hat Beweis erhoben. Wegen der Einzelheiten wird auf die zum Zwecke des Beweises nach § 411 a ZPO verwerteten Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. F. T. vom 31.01.2006 und 28.09.2006 gegenüber der Staatsanwaltschaft Bielefeld (Az.: 51 Js 208/06) und den Erörterungen und Erläuterungen des Sachverständigen hierzu im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2009 – vgl. insoweit die Niederschrift zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2009 (Blatt 227 ff. der Akte) – Bezug genommen. Wegen der weiteren Beweiserhebung wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung vom 27.07.2009 (Blatt 187 ff. der Akte) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
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Die Klage ist nicht begründet.

25
I. Die Kläger sowie der Kläger zu 2) haben keinen Anspruch auf Erstattung der Beerdigungskosten in Höhe von 6.096,13 € bzw. eines Schmerzensgeldes in Höhe von mindestens 480,00 € aus §§ 536 a Abs. 1, 1. Alternative, 253 BGB.

26
1. Ein Mietvertrag ist mit der Tochter der Kläger, der verstorbenen O. T., und dem Beklagten unter dem 18.09.2005 geschlossen worden. Zwar wird dieser Mietvertrag mangels anderer vorrangig Berechtigter nach §§ 563 f. BGB nach dem Tod ihrer Tochter mit den Klägern als Erben nach § 564 BGB fortgesetzt.

27
2. Die Kläger haben jedoch keinen Schaden im Sinne von § 536 a Abs. 1 BGB erlitten, da bei ihnen im Sinne dieser Vorschrift kein Verletzungserfolg eingetreten ist. Insoweit ist auf den Eintritt eines Schadens ab dem Tode der Mieterin, also von Frau O. T., abzustellen. Aus dem gesetzlichen Tatbestandsmerkmal „fortsetzen“ lässt sich rückschließen, dass das Mietverhältnis insgesamt nicht als Einheit angesehen wird, sondern dass die Kläger Vertragspartei erst mit dem Tode des Mieters werden und damit auch erst ab diesem Zeitpunkt vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen können. Ab diesem Zeitpunkt sind den Klägern jedoch keine Schäden entstanden, die auf einem Verletzungserfolg beruhen, der sich zum Zeitpunkt des Vertragsverhältnisses mit ihnen ereignet hat. Auf den Tod der Tochter kann in diesem Zusammenhang nicht abgestellt werden, da sich dieser eine „juristische Sekunde“ vor dem Vertragsschluss ereignet hat. Ererbte Ansprüche nach § 1922 BGB kommen ebenfalls nicht in Betracht.

28
a) Soweit die Kläger Beerdigungskosten geltend machen, sind sie nur als mittelbar Geschädigte betroffen, da sie selber durch den Stromschlag in ihren eigenen Rechtsgütern nicht verletzt worden sind. Der Anspruch ist insoweit nicht bei ihnen zum Zeitpunkt des Mietverhältnisses entstanden, da das Mietverhältnis zu diesem Zeitpunkt mit der Tochter der Kläger geschlossen worden war. Da der Anspruch auf Beerdigungskosten voraussetzt, dass derjenige, für den die Beerdigungskosten angefallen sind, verstorben ist, sind die Beerdigungskosten nicht in der Person des Mieters entstanden, sondern bei denjenigen, die die Beerdigungskosten zu tragen haben, vorliegend die Kläger als Erben nach § 1968 BGB.

29
b) Entsprechendes gilt, soweit der Kläger zu 2) einen Anspruch auf Schmerzensgeld aufgrund eines Schockschadens beansprucht. Dieser Anspruch ist ebenfalls bei ihm als Dritten und nicht als Partei des Mietverhältnisses entstanden.

30
II. Die Kläger haben gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Beerdigung der verstorbenen O. T. in Höhe von 6.096,13 € aus § 844 Abs. 1 BGB.

31
1. § 844 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass der Tatbestand einer unerlaubten Handlung i.S.d. §§ 823 ff. BGB gegeben ist. § 844 BGB ist nicht auf dem Gebiet des Vertragsrechts anzuwenden (vgl. RGZ 112, 290 (296); OLG Saarbrücken, NJW-RR 1995, 986; Erman/Schiemann, BGB, § 844 Rdn. 4; Palandt/Sprau, BGB, § 844 Rdn. 2). Der zum Teil vertretenen anderen Ansicht (vgl. Münchener Kommentar/Wagner, BGB, § 844 Rdn. 11) ist nicht zu folgen, da die Voraussetzungen für eine Analogie nicht gegeben sind. Es liegt keine planwidrige Regelungslücke vor, da § 844 Abs. 1 BGB einen Ausnahmecharakter darstellt, da die Vorschrift einen Schadensersatz ausnahmsweise einem mittelbar Geschädigten gewährt und damit den Grundsatz durchbricht, dass nach den §§ 823 ff. BGB nur derjenige geschützt wird, gegen den sich die unerlaubte Handlung richtet, das heißt der eine Rechtsgutsverletzung erleidet.

32
2. Die Kläger haben nicht bewiesen, dass der Beklagte schuldhaft eine unerlaubte Handlung begangen hat.

33
a) Spezielle gesetzliche Vorschriften, die die Überprüfungspflichten bei elektrischen Leitungen und Anlagen in Wohnräumen regeln oder dem Eigentümer regelmäßige Wartungspflichten auferlegen, bestehen nicht (vgl. hierzu BGH, NJW 2009, 143).

34
b) aa) Eine Pflichtverletzung ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass der Beklagte es unterlassen hat, in letzter Zeit die Stromanlage einem generellen Elektrocheck zu unterziehen. Soweit nach der DIN VDE 0105 eine Überprüfung der elektrischen Anlagen im vierjährigen Turnus vorgesehen ist, ist hieraus keine Pflichtverletzung des Beklagten zu entnehmen. Bei den DIN-Normen handelt es sich nämlich nicht um Rechtsvorschriften, sondern um private technische Regeln mit Empfehlungscharakter (vgl. BGH, NJW 2009, 143 f.; NJW 1998, 2814).

35
Es kann dabei auch dahinstehen, ob die DIN VDE 0105 überhaupt auf die vorliegende Stromanlage anwendbar ist. Für die hier zu beurteilende Frage, welche Maßnahmen ein Vermieter einer Wohnung im Hinblick auf die Erhaltung der gefahrlosen Funktionsfähigkeit der Elektroinstallation ergreifen muss, sind sie jedenfalls nicht maßgeblich (vgl. insoweit BGH, NJW 2009, 143 ff.).

36
bb) Dabei kann dahinstehen, ob es unabhängig von der DIN VDE 0105 als Ausfluss der Verkehrssicherungspflicht eine Verpflichtung gibt, losgelöst von einem konkreten Anlass die Elektroanlagen zu überprüfen, da eine solche Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden nicht kausal gewesen wäre. Der Sachverständige hat überzeugend auch auf Nachfrage hin erläutert, dass auch bei einem Elektrocheck nicht festgestellt worden wäre, dass die Befestigungsschraube des Handtuchhalters die Stromleitung beschädigt hätte. Wäre ein solcher Elektrocheck also durchgeführt worden, so hätte sich hieraus nicht die Erkenntnis gezeigt, dass der Handtuchhalter stromführend gewesen ist.

37
c) Der Beklagte hat schließlich seine Verkehrssicherungspflicht auch im Übrigen nicht verletzt.

38
Die Verkehrssicherungspflicht umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend erachtet, um andere vor Schaden zu bewahren. Erforderlich ist daher, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (vgl. BGH, NJW 2009, 143 f.; NJW 2004, 1449). Umstände, die zu einer solchen naheliegenden Gefahr geführt bzw. einen Anlass für den Beklagten als Vermieter zur Überprüfung der Elektroanlage gegeben hätten, haben die Kläger nicht bewiesen.

39
aa) Im Allgemeinen ist es ausreichend, an der Elektroinstallation auftretende Unregelmäßigkeiten oder vom Mieter angezeigte Mängel unverzüglich durch einen Fachmann abstellen zu lassen. Darauf, dass der Mieter der ihm nach § 536 c Abs. 1 BGB obliegenden Verpflichtung nachkommt, einen sich im Laufe der Mietzeit zeigenden Mangel dem Vermieter unverzüglich anzuzeigen, darf der Vermieter regelmäßig vertrauen (vgl. BGH, NJW 2009, 143 ff.). Vorliegend hat der Beklagte von einem Mangel der Elektroanlage keine Kenntnis gehabt. Der Beklagte ist insbesondere auch nicht darüber informiert worden, dass die Ehefrau des Streithelfers bereits Mitte des Jahres 2004 einen Stromunfall mit dem betroffenen Handtuchhalter erlitten hat. Die Kläger haben nicht bewiesen, dass dem Beklagten irgendwie bekannt gewesen ist, dass ein konkreter Mangel im Zusammenhang mit der Elektroanlage der vermieteten Wohnung vorgelegen hat.

40
Der Sachverständige hat in sich nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Elektroanlage der betroffenen Mietwohnung unmittelbar nach dem Unfallereignis am 21.12.2005 nicht mangelhaft war. Die Elektroanlage entsprach dem Stand der Technik und machte einen ordentlichen und gepflegten Eindruck. Die Beweisaufnahme hat keine durchgreifenden Aspekte aufgezeigt, aus denen der Beklagte, der in dem Gebäude selbst gewohnt hat, den Rückschluss hätte ziehen müssen, die Elektroanlage zu überprüfen. Ebenso hat der Zeuge Sch., der Elektriker des Beklagten, vor Gericht nicht bekundet, dass ihm bei der Elektroanlage irgendetwas Besonderes aufgefallen sei. Auch für den Elektriker hat es keine Auffälligkeiten an der Elektroanlage gegeben, die ihn veranlasst hätten, den Beklagten auf Mängel hinzuweisen.

41
bb) Der Beklagte hat die Verkehrssicherungspflicht schließlich auch nicht dadurch verletzt, dass er den Schutzschalter mit dem Fehlernennstrom von 500 mA nicht ausgetauscht hat.

42
Zwar war der FI-Schutzschalter nicht mit einem Fehlernennstrom von 30 mA, sondern mit 500 mA eingestellt. Die maßgebliche VDE-Bestimmung, wonach ein Schutzschalter im Bereich von Nasszellen (z.B. Badezimmer) mit einem Schutzschalter eines Fehlernennstroms von 30 mA eingestellt sein muss, trifft jedoch nur auf Neuinstallationen einer Elektroanlage zu, die nach Mai 1984 installiert worden sind. Aus der Farbe der Kabel lässt sich nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen jedoch u.a. rückschließen, dass die Anlage vor den 70er Jahren errichtet worden sein muss. Es gibt aber für in der Vergangenheit errichtete Stromanlagen keine Vorschrift, nach der generell die seinerzeit eingebauten FI-Schutzschalter hätten ausgetauscht werden müssen. Zum Zeitpunkt der Errichtung entsprach der eingebaute 500 mA-Schutzschalter dem Stand der Technik.

43
Zwar würde eine Verpflichtung des Vermieters bestehen, einen anderen Schutzschalter einzubauen, wenn die Stromanlage in wesentlichen Bereichen geändert worden wäre. Der Sachverständige hat jedoch überzeugend und nachvollziehbar dargelegt, dass eine solche Änderung der Stromanlage nicht bekannt ist. Die Kläger haben hierzu auch nicht hinreichend substantiiert einen abweichenden Sachverhalt vorgetragen.

44
Eine allgemeine Verpflichtung, sämtliche, noch in älteren Gebäuden vorhandene 500 mA-Schutzschalter gegen 30 mA-Schutzschalter auszutauschen, ohne dass ein konkreter Anlass hierfür vorliegt, besteht überdies nicht. Eine solche Verpflichtung würde die Verkehrssicherungspflicht der Vermieter überspannen. Zwar erhöht der höhere Fehlernennstrom des Schutzschalters abstrakt die Gefährlichkeit der Anlage. Früher sind solche Schutzschalter jedoch allgemein verwandt worden. Es ist nicht konkret vorgetragen worden, dass aus dieser Zeit signifikante Stromunfälle bekannt sind, die auf einen höheren FI-Schutzschalter beruhen. Aus diesem Umstand lässt sich daher rückschließen, dass Stromunfälle – wie der vorliegende – insoweit „Ausreißerfälle“ darstellen, die eine allgemeine Verpflichtung der Vermieter nicht rechtfertigen können, da eine absolute Gefahrlosigkeit nicht hergestellt werden kann.

45
3. Die Kläger haben insgesamt nicht bewiesen, dass der Beklagte als Vermieter Anlass gehabt hat, die elektrische Anlage vor dem Schadenszeitpunkt am 21.12.2005 zu überprüfen.

46
III. Der Kläger zu 2) hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Schmerzensgeld aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 253 BGB. Zwar kommt ein Schadensersatzanspruch aus § 823 BGB i.V.m. § 253 BGB bei einem Schaden infolge eines seelisch bedingten Folgeschadens vom Ausgangspunkt her – insbesondere bei schwerem Schock – in Betracht (vgl. BGH, NJW 1996, 2425 ff.; NJW 1985, 1390; OLG Hamm, NZV 2002, 234 ff.). Der Kläger zu 2) hat aber auch hier nicht bewiesen, dass dem Beklagten eine schuldhafte Pflichtverletzung im Rahmen einer unerlaubten Handlung zur Last fällt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

47
IV. Nach alledem konnte die Klage gegen den Beklagten als Vermieter keinen Erfolg haben.

48
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91, 101 ZPO.

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