Zur Haftung des Auftraggebers bei Verletzung des Auftragnehmers durch einen Stromschlag aus einer nicht betriebssicher angeschlossenen Steckdose

OLG Köln, Beschluss vom 16. Mai 2013 – I-19 U 9/13

Zur Haftung des Auftraggebers bei Verletzung des Auftragnehmers durch einen Stromschlag aus einer nicht betriebssicher angeschlossenen Steckdose

Tenor

I. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 11.12.2012 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Aachen -10 O 348/12- gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

II. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe
1
Die Berufung des Klägers hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zu Grunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. 1 ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).

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1. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Schadensersatz-/Schmerzensgeldansprüche im Zusammenhang mit dem unstreitig am 23.09.2010 erfolgten Stromschlag zu.

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a. Solche Ansprüche ergeben sich nicht aus §§ 631 Abs. 1, 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB.

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Zwar bestand zwischen den Parteien ein – als Werkvertrag zu qualifizierender – Vertrag über die Vornahme von Dachreinigungsarbeiten durch die Vollschutzfassaden L GmbH. Zudem bestand auch eine Schutzpflicht der Beklagten, die diese verletzt hat. Mit Recht hat das Landgericht aber angenommen, dass die Beklagte jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt hat.

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(1) Aufgrund der bestehenden vertraglichen Vereinbarung über die Erbringung von Dachreinigungsarbeiten zwischen der Beklagten und der Vollschutzfassaden L GmbH traf die Beklagte am Tag des Unfalls, also am 23.09.2010, die Pflicht, den Kläger (als Mitarbeiter/Geschäftsführer der Vollschutzfassaden L GmbH) bei der Durchführung der geschuldeten Arbeiten vor Schäden zu bewahren. Dabei ist es – wie das Landgericht mit zutreffenden Erwägungen angenommen hat – nicht ausschlaggebend gewesen, ob es sich bei den durch die Vollschutzfassaden L GmbH vorzunehmenden Tätigkeiten um jüngst vereinbarte Reinigungsarbeiten gehandelt hat oder um Nachbesserungsarbeiten. Denn am Bestehen einer vertraglichen Vereinbarung ändert es nichts, wenn die Vollschutzfassaden L GmbH bzw. der Kläger „nur“ auf Grundlage geschuldeter Nachbesserung tätig geworden ist, da es sich in beiden Fällen um die Ausführung vertraglich geschuldeter Tätigkeiten handelt.

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Im Rahmen der ihr obliegenden Schutzpflicht war die Beklagte gehalten, die Vorrichtungen und Gerätschaften, die dem Werkunternehmer zur Erledigung der geschuldeten Arbeiten zur Verfügung gestellt werden, so bereitzustellen, dass von diesen keine Gefahren für Leib oder Leben ausgehen. Diese Pflicht folgt aus § 618 BGB und ist sinngemäß auch im Rahmen von Werkverträgen anwendbar (BGH, Urt. v. 15.06.1971, -VI ZR 262/69-, zitiert nach juris). Dieser Pflicht hat die Beklagte nicht entsprochen, da die Steckdose ausweislich der insofern von Seiten der Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen durch den Sachverständigen Dipl.-Ing. I in seinem Privatgutachten vom 08.12.2010 (Anlage 1 zur Klageschrift, Bl. 11 ff. GA) in Form sog. „klassischer Nullung“, nämlich ohne eigenständigen Schutzleiter, angeschlossen war und daher von ihr in bestimmten Konstellationen (sog. Nullleiterbruch) Gefahren für Nutzer – und damit auch für den berechtigterweise die Steckdose in Anspruch nehmenden Kläger – ausgehen konnten.

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(2) Zwar ist nicht erwiesen, ob diese Verletzung der Schutzpflicht durch die Bereitstellung einer nicht betriebssicheren Steckdose letztlich zu dem Stromschlag und den daraus resultierenden Verletzungen des Klägers geführt hat; das kann aber – wie das Landgericht zu Recht angenommen hat – im Ergebnis dahinstehen. Denn obgleich es nahe liegt, dass die nicht betriebssichere Steckdose die Ursache dafür gewesen ist, dass der im Eigentum des Klägers (bzw. der Vollschutzfassaden L GmbH) stehende Hochdruckreiniger unter Strom gesetzt worden ist, hat die Beklagte diesen Zusammenhang doch bestritten und auch wirksam bestreiten können. Denn es ist schon vor dem Hintergrund, dass unstreitig die Steckdose in der Vergangenheit genutzt worden ist, ohne dass es je zu einem vergleichbaren Schaden gekommen wäre, durchaus möglich – wie die Beklagte argwöhnt -, dass die Ursache für den Stromschlag nicht in der Steckdose, sondern in dem Hochdruckreiniger des Klägers bzw. der Vollschutzfassaden L GmbH zu finden ist.

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(3) Mit zutreffenden Erwägungen hat das Landgericht allerdings ausgeführt, dass diese Frage dahinstehen könne, da die Beklagte jedenfalls nicht schuldhaft gehandelt habe. Zu Recht hat das Landgericht nämlich angenommen, dass sie schon unter Zugrundelegung der unstreitigen Tatsachen entlastet ist, d.h., dass das gemäß § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB vermutete Verschulden widerlegt ist.

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aa. Es ist nämlich – wie bereits angeführt – nicht streitig, dass die Steckdose in den Jahren vor dem Unfall verwendet worden ist, wenn auch der Kläger regen Gebrauch bestritten hat, und es niemals zu Stromschlägen gekommen ist. Auch ist unstreitig, dass der Kläger selbst in der Vergangenheit diese Steckdose für Dachreinigungsarbeiten mittels eines Hochdruckreinigers problemlos verwendet hat. Die Beklagte hatte von daher zu keinem Zeitpunkt Anlass, die Steckdose einer versierten Prüfung durch Dritte zu unterziehen.

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bb. Zudem hat das Landgericht auch als unstreitig angenommen, dass die betroffene Steckdose in den 1990er Jahren durch ein Fachunternehmen installiert worden sei und nicht durch die Beklagte selbst oder einem mit solchen Installationen möglicherweise überforderten Dritten. Vor diesem Hintergrund aber bestand noch weniger Veranlassung für die Beklagte, die Funktionsfähigkeit der Steckdose näher zu prüfen. Denn wenn sie von einer Fachfirma installiert worden ist und niemals Probleme bereitet hat, ist nicht erkennbar, woher eine Veranlassung herrühren soll, die Steckdose doch zu überprüfen und woher die Folge herrühren soll, sich im Falle des Unterlassens einem Verschuldensvorwurf in Form von Fahrlässigkeit konfrontiert zu sehen. Dabei ist auch zu berücksichtigten, dass – wie ausgeführt – der Kläger selbst die Steckdose vor dem Unfall unstreitig problemlos genutzt hat.

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cc. Soweit der Kläger mit der Berufung vorträgt, dass bereits erstinstanzlich vorgetragen worden sei, dass die Beklagte in den 1990er Jahren die Installation der Steckdose nicht durch eine Fachfirma, sondern in „Eigenregie“ durch „eigene Leute“ und „nicht offiziell“ im Rahmen von Umbaumaßnahmen durchgeführt habe, was zur Folge habe, dass die Beklagte den Defekt der Steckdose gekannt haben müsse, vermag sie damit nicht durchzudringen.

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Zum einen hat das Landgericht im Tatbestand des Urteils ausgeführt (dort Seite 3, Bl. 104 GA), dass die Steckdose von einem „beauftragten Unternehmen installiert worden“ sei. Da der Kläger keinen Tatbestandsberichtigungsantrag gestellt hat, ist das Berufungsgericht an die Feststellungen im Tatbestand gebunden. Das aus dem Tatbestand ersichtliche Parteivorbringen erbringt nämlich nach § 314 ZPO Beweis für das mündliche Parteivorbringen. Dieser Beweis kann nur durch das Sitzungsprotokoll, nicht jedoch durch den Inhalt der Schriftsätze entkräftet werden (BGH, Urteil vom 08.01.2007, -II ZR 334/04-, zitiert nach juris). Eine etwaige Unrichtigkeit derartiger tatbestandlicher Darstellungen im Urteil kann nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO behoben werden (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, a.a.O.). Etwas Anderes gilt nur dann, wenn die Ausführungen im Tatbestand selbst widersprüchlich sind (BGH, Urt. v. 09.03.2005, -VIII ZR 381/03-, zitiert nach juris), was hier aber nicht der Fall ist.

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Zum anderen ist aber auch nicht erkennbar, wie sich – selbst wenn die Installation der Steckdose in „Eigenregie“ vorgenommen worden wäre – hieraus ableiten lassen soll, dass die Beklagte den Defekt gekannt haben müsse. Denn auch im Falle der selbst vorgenommenen Installation bliebe doch die unstreitige Tatsache bestehen, dass es in der Vergangenheit mit der Steckdose keine Probleme gegeben hat, so dass Kenntnis des Mangels gleichermaßen fernläge. Es ist im Übrigen auch nicht verständlich, woher die Beklagte denn hätte wissen sollen, dass die Steckdose nicht „sach- und fachkundig errichtet“ worden sein soll, wie der Kläger mit der Berufung nun behauptet. Nur aus der Tatsache, dass die Installation nicht von einer Fachfirma, sondern von anderen Personen vorgenommen worden ist, ergibt sich jedenfalls kein Rückschluss auf eine mängelbehaftete Ausführung, wenn es über viele Jahre hinweg nie Probleme mit der Steckdose gegeben hat.

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(4) Weiterhin hat das Landgericht auch mit zutreffenden Erwägungen angenommen, dass die Mitarbeiter des Unternehmens, die seinerzeit die Installation der Steckdose vorgenommen haben, nicht Erfüllungsgehilfen der Beklagten gegenüber der Klägerin gewesen sind, so dass eine Zurechnung fremden Verschuldens gemäß § 278 BGB nicht in Betracht kommt. Denn es fehlt schon an einem wie auch immer gearteten Zusammenhang zwischen der offenbar in den 1990er Jahren vorgenommenen Installation der Steckdose und der erstmaligen Tätigkeit der Vollschutzfassaden L GmbH bzw. des Klägers für die Beklagte im Jahr 2002.

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b. Andere mögliche Anspruchsgrundlagen für das Begehren des Klägers – §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB in Verb. m. § 229 StGB – scheiden schon deshalb aus, weil auch für diese Verschulden erforderlich ist, das – wie dargelegt – nicht vorliegt. Eine Haftung ergibt sich – entgegen der Auffassung des Klägers – auch nicht aus § 670 BGB. Soweit – wie vorliegend – ein Vertrag zwischen den Parteien geschlossen worden ist, ergeben sich Schadensersatzansprüche aus den dort angesiedelten Anspruchsgrundlagen (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 72. Auflage 2013, § 670 Rn. 8), nicht aus § 670 BGB.

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2. Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb der ihr gesetzten Frist. Auf die Möglichkeit der Rücknahme der Berufung zum Zweck der Ersparnis eines Teils der im zweiten Rechtszug anfallenden Gerichtsgebühren wird ausdrücklich hingewiesen.

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