OLG Stuttgart, Urteil vom 09. Februar 2009 – 10 U 146/08
Starke, länger andauernde und damit nicht mehr zumutbare Sonnenlichtreflexionen muss der Nutzer einer Wohnung auf seiner Terrasse und in seinem Wohn- und Esszimmer nicht hinnehmen, wenn der Störer, der für die lichtreflektierende bauliche Anlage verantwortlich ist, nicht darlegt und ggf. beweist, dass die Lichtreflexionen mit zumutbaren Mitteln nicht ausgeschlossen oder auf ein zumutbares Maß reduziert werden können.(Rn.33)(Rn.34)(Rn.35)(Rn.38)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
1. Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. Juni 2008, Az. 18 O 505/07, wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, das fest verglaste Oberlicht auf dem Dach des Hauses 161 in Stuttgart – soweit dieses zum Grundstück 171 in Stuttgart hin ausgerichtet ist – durch geeignete Maßnahmen in den Zustand zu versetzen, der ausschließt, dass von dem fest verglasten Oberlicht auf dem Haus 161 zu dem Grundstück 171 hin an sonnigen Tagen, insbesondere im Zeitraum von März bis Oktober des Jahres, unzumutbare Reflexblendungen ausgehen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte. Die Kosten der Nebenintervention werden nicht erstattet.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 7.500,- €
Gründe
I.
1
Die Kläger begehren von der Beklagten die Beseitigung der Blendwirkung, die von einem Oberlicht des Gebäudes der Beklagten auf die Wohnung der Kläger einwirkt.
2
Bezüglich des Sachverhalts wird auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts Stuttgart vom 18.6.2008 verwiesen.
3
Mit dieser Entscheidung hat das Landgericht Stuttgart die Klage abgewiesen. Ein Beseitigungsanspruch der Kläger bestehe gemäß §§ 903, 1004 BGB nicht. Die Reflexionswirkung des Sonnenlichts durch das Oberlicht des Gebäudes der Beklagten sei nicht so wesentlich, dass die Kläger von der Beklagten Umbaumaßnahmen verlangen könnten. Die Umbaumaßnahmen des Oberlichts verursachten einen erheblichen Aufwand der Beklagten, während eine Vielzahl anderer Reflexionsmöglichkeiten hingenommen werden würde. Der Sachverständige im selbständigen Beweisverfahren habe Störungen je nach Jahreszeit von 20 bis 30 Minuten und insgesamt von einer dreiviertel Stunde ermittelt. Wenn der Sachverständige Beeinträchtigungen von einer halben Stunde für intolerabel halte, sei dies angesichts der Regelungen für künstliche Lichtquellen nicht nachvollziehbar.
4
Die Kläger hätten eine Vielzahl von Möglichkeiten, die Auswirkungen der Lichtreflexe wesentlich zu verringern. Bei Abwägung aller dieser Umstände sei ein Eingriff der Nachbarn in ihre Dachkonstruktion nicht zumutbar. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Landgerichts Stuttgart verwiesen.
5
Dagegen wendet sich die Berufung der Kläger. Das Oberlicht, von dem die Blendwirkung ausgehe, sei erst nachträglich am 12.7.2001 baurechtlich genehmigt worden. In der Nachtragsbaugenehmigung sei auf die Nebenbestimmungen der ursprünglichen Baugenehmigung verwiesen worden. Dort sei in der Nebenbestimmung Nr. 14 ausgeführt, dass insbesondere bei Verwendung von stark reflektierendem Material für das Dach entsprechende Maßnahmen gegen Beeinträchtigungen durch Reflexblendungen notwendig seien. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass die streitgegenständlichen Gebäude in einem reinen Wohngebiet lägen.
6
Die Beeinträchtigungen durch die Blendwirkung des Oberlichts seien von den Klägern nicht hinzunehmen. Der Sachverständige G., der die Beseitigung der Blend- und Reflexionsbildung des Tonnendaches zu überprüfen hatte, habe in seinem Gutachten vom 21.5.2002 festgestellt, dass insbesondere vom Glasdachfenster zu bestimmten Zeiten eine erhebliche Reflexblendung ausgehe. Maßnahmen gegen Reflexblendungen des Oberlichts seien von der Beklagten wieder zurückgebaut worden, nachdem der hierfür verantwortliche Handwerker dilettantisch gearbeitet habe und deshalb durch Schraubenlöcher im Rahmen des Oberlichts Wasser bei Niederschlag habe eindringen können. Das selbständige Beweisverfahren zur Blendwirkung des Oberlichts habe ergeben, dass von dem Oberlicht starke und für ein reines Wohngebiet wie im vorliegenden Fall deutlich zu hohe, erheblich beeinträchtigende Lichtreflexionen ausgingen. Die Kläger verweisen auf die Ausführungen des Sachverständigen K. im selbständigen Beweisverfahren des Landgerichts Stuttgart, AZ: 18 OH 4/04.
7
Die Beklagte sei dafür verantwortlich, bei der Gestaltung des Daches eine Lösung zu finden, die unzumutbare Reflexionen ausschließe. Die Beklagte habe sich über die auch für die Nachtragsbaugenehmigung geltenden Nebenbestimmungen der Baugenehmigung hinweg gesetzt. Vor diesem Hintergrund sei eine Abänderung des Oberlichts nicht unzumutbar. Den Klägern sei es nicht zuzumuten, im Hochsommer die Nutzung ihrer Terrasse für solche Zeiten, die regelmäßig am späteren Nachmittag liegen, einzustellen und sich hinter heruntergelassenen Rollläden zu verschanzen. Die Beeinträchtigung in den Sommermonaten von täglich etwa 45 bis 60 Minuten zwischen 17.30 Uhr und 18.30 Uhr mit einem Ausschluss der Nutzung der Terrasse aufgrund der Reflexblendung und der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit des Wohn- und Esszimmers bewirke eine erhebliche Wertminderung der Wohnung, die in keinem Verhältnis zu dem Aufwand stehe, der durch die Beseitigung der Störungen durch die Beklagte entstehe. Die Wertminderung betrage mindestens 20 % des Verkehrswertes der Wohnung. Die Umgestaltung des Oberlichts als Pultdach, wofür eine baurechtliche Genehmigung nicht mehr eingeholt werden müsse, hätte beispielsweise vollen Erfolg. Auch das Bekleben des Oberlichts mit einer Folie, die die Lichtdurchlässigkeit nicht einschränke, auf der anderen Seite aber die Reflexionen ausschließe, würde die Störung beseitigen. Im übrigen wäre es der Beklagten ohne großen Aufwand möglich gewesen, im Zusammenhang mit der Abänderung des Zinkdachs gemäß der Entscheidung des Senats vom 9.10.2001 auch die Blendwirkung des Oberlichts zu beseitigen. Diese müssten die Kläger nicht hinnehmen.
8
Die Kläger beantragen:
9
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18.6.2008, Geschäfts-Nr. 18 O 505/07, wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, das fest verglaste Oberlicht auf dem Dach des Hauses 161 in Stuttgart – soweit dieses zum Grundstück 171 in Stuttgart hin ausgerichtet ist – durch geeignete Maßnahmen in den Zustand zu versetzen, der ausschließt, dass von dem fest verglasten Oberlicht auf dem Haus 161 zu dem Grundstück 171 hin an sonnigen Tagen, insbesondere im Zeitraum von März bis Oktober des Jahres, unzumutbare Reflexblendungen ausgehen.
10
hilfsweise,
11
die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, dass das auf dem Dach des Hauses 161, Stuttgart fest angebrachte Oberlicht zu dem Grundstück 171, Stuttgart hin bei entsprechenden Sonnenständen eine unzumutbare Reflexblendung verursacht.
12
Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
13
die Berufung zurückzuweisen.
14
Unter Bezugnahme auf das erstinstanzliche Vorbringen trägt die Beklagte vor, die Baugenehmigung habe für die Errichtung des Gebäudes 161 die Verwendung eines einheitlichen Materials für die Dachfläche nicht vorgegeben. Die Nebenbestimmung Nr. 14 der Baugenehmigung treffe ersichtlich auf das Oberlicht nicht zu.
15
Eine Änderung des Oberlichts wegen angeblicher Blendung sei ohne rechtliche Verpflichtung vorgenommen worden. Diese habe jedoch einen Wassereinbruch zur Folge gehabt. Erst nach zahlreichen Nachbesserungsversuchen sei das Oberlicht wieder dicht gewesen.
16
Entgegen dem Vortrag der Klägerin gehe von dem Oberlicht keine Blendung für einen Zeitraum von 45 bis 60 Minuten aus. Reflexionen seien nur unter vier Prämissen festzustellen:
17
– Nur im Zeitraum April bis September
– nur bei sonnigem wolkenlosen Wetter
– nur zwischen 17.30 Uhr und 18.30 Uhr und
– an einem Standort nur für wenige Minuten.
18
Auch wenn das Gebiet N. formal als reines Wohngebiet ausgewiesen sei, handle es sich insbesondere aufgrund der Lärmimmissionen tatsächlich um ein allgemeines Wohngebiet.
19
Zwar möge der gerichtlich bestellte Sachverständige K. subjektiv nicht zumutbare Reflektionen festgestellt haben. Damit sei aber keine Unzumutbarkeit im Sinn der §§ 906, 1004 BGB festgestellt. Im übrigen sei das Gutachten des Sachverständigen K. nicht schlüssig bzw. in sich widersprüchlich. Die Stärke bzw. Intensität der Blendung auf der Terrasse der Beklagten sowie im Wohn- und Esszimmer sei zumutbar. Die Wohnung befinde sich im innerstädtischen Bereich, wo aufgrund der relativ engen Bebauung ohnehin mit Reflexionen zu rechnen sei. So sei zum Beispiel aufgrund von Sonnenkollektoren auf Dächern mit Reflexionen zu rechnen. Die reflektierende Fläche sei mit circa 0,65 qm relativ gering. Von einer solchen Fläche gehe nur eine unwesentliche, allenfalls punktuelle Beeinträchtigung aus. Die Wohnung der Kläger inklusive Terrasse werde deshalb nur punktuell beeinträchtigt. Der wesentliche Teil der Terrasse und auch der wesentliche Teil des Wohn- / Esszimmers sei daher auch bei gewissen Blendungen ohne jegliche Beeinträchtigung nutzbar. Angesichts der zahlreichen Prämissen für die Blendwirkung sei die Dauer und Häufigkeit von Beeinträchtigungen nur gering und am jeweiligen Standort nur während weniger Minuten festzustellen.
20
Die von den Klägern behauptete Wertminderung der Wohnung werde bestritten.
21
Ihre Verpflichtung aus dem Urteil des Senats vom 9.10.2001 hätten die Beklagten selbstverständlich erfüllt.
22
Das Aufbringen einer Folie auf das Oberlicht sei sicherlich akzeptabel. Eine geeignete Folie sei jedoch von den Klägern nicht benannt worden.
23
Der Streithelfer behauptet darüber hinaus, der Sachverständige K. sei im selbständigen Beweisverfahren nicht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Reflexblendwirkungen eine nicht hinnehmbare Beeinträchtigung darstellen würden.
24
Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
II.
25
Die zulässige Berufung ist begründet.
26
1. Der Unterlassungsanspruch der Kläger, unzumutbare Blendungen durch Reflexionen von Sonnenlicht durch das Oberlicht des Gebäudes der Beklagten künftig zu vermeiden, ergibt sich aus § 1004 BGB i.V.m. §§ 906 Abs. 1, 903 BGB.
27
a) Zutreffend stellt das Landgericht auf der Grundlage der Ausführungen des Sachverständigen K. im selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Stuttgart, 18 OH 4/04, fest, dass eine Eigentumsstörung durch die vom Oberlicht des Gebäudes der Beklagten verursachte Reflexionswirkung des Sonnenlichtes ausgeht. Dies steht im Einklang mit der Feststellung des Sachverständigen G., der als ursprünglich gerichtlich bestellter Sachverständiger in dem Verfahren 9 O 362/2000 (LG Stuttgart) = 10 U 35/01 nach Abschluss des Erkenntnisverfahrens am 21.5.2002 ein Gutachten über die Beseitigungsmaßnahmen am Blechdach gefertigt und in diesem Zusammenhang festgestellt hat, dass insbesondere vom Glasdachfenster zu bestimmten Zeiten (flache Sonne) eine erhebliche Reflexblendung zur Wohnung Mütze ausgehe.
28
b) Diese Eigentumsstörung beruht, obwohl sie Folge der Sonneneinstrahlung und damit eines Naturereignisses ist, auf dem von der Beklagten hergestellten und unterhaltenen Zustand ihres Gebäudes. Während Natureinwirkungen allein keine Zustandshaftung begründen (Palandt-Bassenge, BGB 67. Aufl. § 1004 RN 19), ist ein Abwehranspruch aus § 1004 BGB gegeben, wenn der Nachbar durch eigene Handlungen die Störung (mit-)verursacht hat (OLG Brandenburg BauR 2004, 1044, Juris RN 35). Die streitgegenständliche Einwirkung des Sonnenlichts ist hier kein Naturereignis, sondern die insoweit störende Ablenkung des Lichts hat ihre Ursache in der besonderen Gestalt des Oberlichts am Gebäude der Beklagten und ist deshalb der Beklagten zurechenbar (vgl. VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 11.8.2004, AZ: 2 A 21/04, Juris RN 18).
29
c) Die Rechtswidrigkeit wird durch die Beeinträchtigung indiziert (Palandt-Bassenge, a.a.O. RN 12). Die für einen Unterlassungsanspruch zur Abwehr künftiger Beeinträchtigungen erforderliche Wiederholungsgefahr ergibt sich aus dem Fortbestand des Oberlichts in seiner bisherigen Form, das jährlich nach den Feststellungen des Sachverständigen von circa Mitte April bis Mitte September zu störenden Sonnlichtreflexen führt.
30
d) Nach § 1004 Abs. 2 BGB entfällt jedoch ein Unterlassungsanspruch, wenn der Eigentümer den beeinträchtigenden Zustand dulden muss. Dabei handelt es sich um eine Einwendung, für die die Beklagte darlegungs- und beweisbelastet ist. Gleiches gilt für die Einwendung einer Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit (vgl. Palandt-Bassenge, a.a.O. RN 34, 52).
31
Gemäß § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB kann ein Eigentümer unwesentliche Beeinträchtigungen durch die Zuführung unter anderem von Licht nicht verbieten. Bei der Frage der Zumutbarkeit ist dabei nicht auf die persönlichen Verhältnisse des Eigentümers abzustellen, sondern auf das Empfinden eines verständigen, durchschnittlichen Benutzers des Grundstücks in seiner örtlichen Beschaffenheit, Ausgestaltung und Zweckbestimmung (BGHZ 159, 168, Juris RN 15; BGHZ 157, 33 Juris RN 27). Die Frage, wann Lichtimmissionen erheblich belästigend und damit nicht mehr zumutbar sind, ist nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse zu bestimmenden Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit der betroffenen Nachbarschaft zu beurteilen, wobei wertende Elemente wie Herkömmlichkeit, soziale Adäquanz und allgemeine Akzeptanz einzubeziehen sind. Es kommt also nicht allein auf Art, Stärke und Dauer der Lichteinwirkung und die gegebenenfalls hervorgerufene Blendwirkung an (VG Düsseldorf, Urteil vom 18.3.2008, AZ: 16 K 3722/07, Juris RN 14 m.w.N. zu § 22 Bundesimmissionsschutzgesetz). Die Gebäude liegen in einem reinen Wohngebiet. Die folgenden Ausführungen gelten jedoch auch, wenn man vom Vortrag der Beklagten ausgeht, wonach die tatsächlichen Verhältnisse einem allgemeinen Wohngebiet entsprächen.
32
Grenzwerte für Sonnenlichtreflexionen oder sonstige Tageslichtimmissionen gibt es nach den nicht angegriffenen Ausführungen des Sachverständigen K. nicht. Die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung ist deshalb anhand des Empfindens eines verständigen Durchschnittsmenschen zu ermitteln (BGHZ 140, 1, Juris RN 7 f; LG Frankfurt DWW 1998, 57, Urteil vom 21.7.1995, zitiert nach Juris Leitsatz 5; VG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Die LiTG, die nur für künstliche Beleuchtung gilt, und die vom Sachverständigen daraus entwickelten Bewertungskriterien können daher höchstens ein grober Anhalt für eine unzumutbare Lichtimmission sein (vgl. BGH Z 140, 1, Juris RN 11 für Geruchsbelästigungen von einer Schweinehaltung; BGHZ 121, 248 für Lärm). Während es zum Umfang der Immissionen sachverständiger Auskünfte bedarf, hat das Gericht die Frage, welches Maß die Beeinträchtigungen nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen hat, selbst zu bewerten. Die Ansicht des Sachverständigen ist in die Würdigung des Gerichts nach § 286 ZPO mit einzubeziehen.
33
Danach tritt die Sonnenblendwirkung in der Wohnung der Kläger und auf deren Terrasse von circa Mitte April bis Mitte September etwa 20 bis 30 Minuten am Tag ein. Durch den flachen Einfall der untergehenden Sonne wird die Reflexlichtblendung wesentlich verstärkt. Innerhalb dieser 20 bis 30 Minuten kommt es zu einer starken Blendwirkung. Außerhalb dieses Zeitraums kommt es zu geringen Blendungen. Die Blendwirkung wurde teilweise durch den Sachverständigen fotographisch dokumentiert. Die Blendwirkung über einen Zeitraum von 20 bis 30 Minuten bezieht sich auf die einzelnen Messpunkte des Sachverständigen. Insgesamt auf Terrasse und Wohnzimmer der Kläger zusammen bezogen hat der Sachverständige hohe blendende Lichtimmissionen über den Zeitraum von ca. einer ¾ Stunde festgestellt.
34
Die von dem reflektierten Sonnenlicht verursachte Störung auf der Terrasse und in der Wohnung der Kläger ist wesentlich. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die nur bei Sonnenschein bzw. nur zu bestimmten Tageszeiten auftretenden Lichteffekte seien wegen ihrer vorübergehenden Dauer unwesentlich. Denn auch kurzfristige Lichtreflexe stören den ungehinderten Gebrauch der Wohnung, so dass es nicht nur auf deren Dauer, sondern vor allem auch auf deren Intensität ankommt (VG Schleswig-Holstein a.a.O.). Der gerichtliche Sachverständige hat hier – unter Berücksichtigung der Dauer und Stärke der Lichtimmissionen, Blendwinkel sowie der Helligkeit des Umfelds – sehr starke Lichteinwirkungen festgestellt. Dabei ist hier insbesondere auch der flache Lichteinfall – ausgehend von der untergehenden Sonne – von Bedeutung, der die Reflexlichtblendung wesentlich erhöht. Bestätigt wird dies durch die Feststellung des Sachverständigen G. in seinem Privatgutachten vom 21.5.2002, wonach insbesondere vom Glasdachfenster zu bestimmten Zeiten eine erhebliche Reflexblendung ausgehe.
35
Die Lichtimmissionen betreffen in der Zweizimmerwohnung der Kläger Bereiche, die zu den Zeiten, in denen die Blendwirkungen auftreten, gewöhnlich stark genutzt werden. Es handelt sich um Wohnraum, der als Wohnzimmer und zum Essen genutzt wird. Darüber hinaus wird eine Terrasse gerade in den Sommermonaten üblicherweise gegen Abend häufig genutzt, also zu der Zeit, in denen die Sonnenlichtreflexe auf der Terrasse eintreten und eine Nutzung stören bzw. unmöglich machen. Eine solche Einschränkung der Nutzbarkeit von Wohnzimmer und Terrasse am frühen Abend muss ein Nutzer der Wohnung der Kläger nicht hinnehmen. Es handelt sich deshalb um eine wesentliche Beeinträchtigung.
36
2. a) Die Kläger trifft keine Obliegenheit, die Lichtreflexe durch Selbsthilfemaßnahmen abzuwenden. Für die Terrasse könnte dies wohl nur durch eine dichte Bepflanzung oder durch eine Sichtschutzwand geschehen. Beide engen jedoch die räumlichen und optischen Verhältnisse der Terrasse erheblich ein. Solche Maßnahmen wären auch nicht lediglich auf Zeiten, in denen die Blendwirkung eintritt, begrenzt. Angesichts der Höhenverhältnisse der Wohnung zum Oberlicht wird eine Markise keine Abhilfe verschaffen.
37
Betreffend ihr Wohnzimmer sind die Kläger nicht gehalten, ihre Wohnung für den Zeitraum der Lichtreflexe auch nur teilweise abzudunkeln, weil auch insoweit die Nutzbarkeit der eigenen Wohnung erheblich leidet (vgl. auch VG Schleswig-Holstein, a.a.O. Juris RN 19).
38
b) Die Kläger haben danach wegen einer wesentlichen Beeinträchtigung ihres Eigentums dann einen Abwehranspruch, wenn diese wesentliche Beeinträchtigung auf die nicht ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten zurückzuführen wäre und / oder von ihr durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden könnte (BGHZ 157, 33 Juris RN 31). Dies hat die Beklagte zu widerlegen (Palandt-Bassenge, a.a.O. § 906 RN 24). Dieser Darlegungs- und Beweislast ist die Beklagte nicht schon dadurch nachgekommen, dass sie vorträgt, die Kläger hätten ihr keine Folie benannt, die zur Verhinderung der Lichtreflexionen auf das Oberlicht aufgebracht werden könnte.
39
Ob die Zumutbarkeit einer Beseitigungsmaßnahme gegeben ist, ist unter Berücksichtigung des nachbarlichen Verhältnisses, der Vor- und Nachteile der technischen Möglichkeiten und der Leistungsfähigkeit eines durchschnittlichen Benutzers des emittierenden Grundstücks festzustellen (Palandt-Bassenge, a.a.O. RN 23). Der Sachverständige K. hat hierzu ausgeführt, dass durch eine nachträgliche Oberflächenbehandlung des Glaselements dessen gerichtete Reflexion in eine streuende Reflexion umgewandelt werden könne, so dass die Reflexionsleuchtdichte auf das Zumutbare reduziert werden könne. Dies könne durch außen angebrachte, matt reflektierende streuend lichtdurchlässige Materialien wie zum Beispiel ein Rollo erreicht werden.
40
Allein eine frühere Erfahrung der Beklagten, wonach ein Handwerker beim Versuch eines Schutzes gegen Reflexionen die Wasserdichtheit des Oberlichts aufgehoben und dadurch einen Wasserschaden verursacht hat, ist nicht geeignet, die Unzumutbarkeit einer Beseitigungsmaßnahme zu begründen. Selbst wenn eine geeignete Folie zum Aufkleben auf die Glasscheibe des Oberlichts nicht zur Verfügung stünde, ist nicht ausreichend dargelegt, dass das fachmännische Anbringen eines Außenrollos ohne Beeinträchtigung der Wasserdichtheit des Oberlichts nicht möglich wäre.
41
Darüber hinaus wäre denkbar, dass auf der der Wohnung der Kläger zugewandten Seite des Oberlichts ein Glas eingesetzt wird, das nach außen eine satinierte oder sonst strukturierte Oberfläche hat, und der Fensterrahmen auf dieser Seite mattiert wird. Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass durch solche verhältnismäßig einfache Maßnahmen die Immissionen auf die Wohnung der Kläger nicht auf ein zumutbares Maß reduziert werden könnten. Die Funktion des Oberlichts, das im Treppenhaus des Gebäudes vor dem Aufzug und in der Diele einer Wohnung tagsüber für Licht sorgen soll, bleibt dabei in seinem wesentlichen Gehalt erhalten, auch wenn der Lichteinfall durch die Verwendung einer solchen Glasoberfläche auf der Hälfte des Oberlichts etwas reduziert sein kann. Das Bedenken der Eigentümer der im Gebäude der Beklagten betroffenen Wohnung, bei Verwendung strukturierter oder satinierter Gläser nachts in Stuttgart die Sterne nicht mehr beobachten zu können, muss hinter dem zu schützenden, überwiegenden Interesse der Kläger zurücktreten, zumal die Hälfte des Oberlichts von Änderungsmaßnahmen unberührt bleiben kann.
42
Angesichts der gravierenden Auswirkungen der Lichtreflexionen auf das Eigentum der Kläger und die Nutzbarkeit von deren Wohnung wird die Beseitigung der beeinträchtigenden Wirkung auch durch erhebliche Kosten nicht wirtschaftlich unzumutbar. Für Kosten, die die Schwelle der wirtschaftlichen Zumutbarkeit überschreiten, gibt der Vortrag der Beklagten nichts her.
43
Auf die Frage der Ortsüblichkeit kommt es danach nicht mehr an.
44
c) Eines Rückgriffes auf einen Abwehranspruch aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis bedarf es angesichts der Regelung des vorliegenden Sachverhalts durch § 906 BGB nicht. Ein zwingender Ausnahmefall, der zur Anwendbarkeit dieses Rechtsinstituts führen könnte, liegt nicht vor, weil ein über die gesetzliche Regelung hinausgehender billiger Ausgleich der widerstreitenden Interessen nicht dringend geboten erscheint (BGHZ 157, 33, Juris RN 16).
45
3. Die Beklagte hat danach gemäß § 1004 Abs. 1 BGB die vom Oberlicht ihres Gebäudes ausgehenden Blendwirkungen künftig zu verhindern, soweit die von den Klägern genutzte Wohnung im Gebäude .. Straße X betroffen ist. Verbleiben nach Beseitigungsmaßnahmen für kurze Zeit auftretende Reflexionen oder nur Reflexionen mit nicht sehr hoher Lichtintensität, können diese verbleibenden Einwirkungen für die Kläger zumutbar und damit hinzunehmen sein.
46
Auch wenn sich der Hinweis auf zumutbare Reflexblendungen, die verbleiben dürfen, allein aus den Urteilsgründen ergibt, stellt dies die Vollstreckungsfähigkeit des Urteils nicht in Frage.
47
Zwar erscheint auf den ersten Blick die allgemeine Fassung des Tenors mit dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO schwer zu vereinbaren und dazu angelegt, einen Teil der Entscheidung des Rechtsstreits in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern, was im allgemeinen als nicht zulässig angesehen wird. Die Besonderheiten der immissionsrechtlichen Unterlassungsklage erfordern aber eine unterschiedliche Beurteilung. In diesem Bereich werden Anträge mit dem Gebot, allgemein Störungen bestimmter Art, beispielsweise durch Geräusche und Gerüche, zu unterlassen, als zulässig erachtet (BGHZ 121, 248, Juris RN 11; BGHZ 140, 1, Juris RN 6). Es ist vielfach unmöglich, mit Worten das Maß unzulässiger Einwirkungen so zu bestimmen, dass der Beeinträchtigte hinreichend geschützt wird und nicht schon eine geringfügige Änderung der Einwirkung trotz einer fortdauernden, nicht zu duldenden Belästigung das Verbot hinfällig macht. Auch für die Abwehr von Lichtimmissionen kann nicht geltend gemacht werden, der technische Stand der Lichtmessung lasse im Zusammenhang mit Immissionsrichtwerten eine Angabe von eindeutigen Grenzwerten zu. Die Messbarkeit einer Immission und die bestehenden Richtwerte können nicht die allein entscheidende Rolle spielen (vgl. BGH a.a.O.). Eine Überschreitung der Richtwerte indiziert zwar eine wesentliche Beeinträchtigung nach § 906 Abs. 1 BGB, ihre Unterschreitung zwingt aber im Einzelfall nicht zur Annahme, die Immission sei unwesentlich. Maßgebend sind alle Umstände des Einzelfalles. Es muss deshalb hingenommen werden, dass der Streit über die Wesentlichkeit von Lärmimmissionen gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren erneut entschieden werden muss (BGH a.a.O.).
III.
48
Zum Rubrum wird darauf hingewiesen, dass nach der neueren Rechtsprechung des BGH eine WEG im Außenverhältnis teilrechtsfähig und damit parteifähig ist. Im Rubrum musste deshalb eine Liste mit den Mitglieder der WEG nicht aufgenommen werden.
49
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
50
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.