OLG München, Beschluss vom 16.04.2018 – 7 U 4136/17
Zur Haftung des Frachtführers beim unbeaufsichtigten Abstellen ungesicherter Transportware
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 21.11.2017 (Az.: 13 HK O 15023/16 wird einstimmig zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieser Beschluss und das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Klägerin ist der Transportversicherer der R. GmbH. Diese war mit dem Transport von fünf Tresoren zur Firma P. Sicherheitstechnik beauftragt. Für den Transport von ihrem Hauptlager zum Lager der P. Sicherheitstechnik setzte die R. GmbH die Beklagte als Subunternehmerin ein. Die Klägerin behauptet, das Transportgut sei nicht bei der P. Sicherheitstechnik angekommen. Sie hat hierwegen Versicherungsleistungen in Höhe der Klageforderung erbracht und nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch.
2
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 10.000,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 9.3.2016 zu bezahlen.
3
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
4
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils wird Bezug genommen. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Klagabweisungsbegehren weiter.
II.
5
Die Berufung ist durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da sie keine Aussicht auf Erfolg im Sinne der genannten Vorschrift hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern. Eine mündliche Verhandlung ist insbesondere auch nicht deshalb geboten, weil die Rechtsverfolgung für die Berufungsführerin existentielle Bedeutung hat oder weil das Urteil erster Instanz zwar im Ergebnis richtig, aber unzutreffend begründet ist.
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Auf den Hinweis des Senats vom 5.3.2018 wird Bezug genommen. Aus den dort näher ausgeführten Gründen, in denen auch und insbesondere auf das Berufungsvorbringen der Beklagten im einzelnen eingegangen wird, sieht der Senat die Berufung als nicht begründet an. Der Berufungsführerin wurde Gelegenheit zur Äußerung auf die Hinweise bis 13.4.2018 gegeben; eine Stellungnahme erfolgte mit Schriftsatz vom 9.4.2018. Die hierin erhobenen Einwände der Beklagten geben zu keiner von der im Hinweis geäußerten Rechtsansicht abweichenden Beurteilung Anlass. Lediglich ergänzend ist folgendes anzumerken.
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1. Warum von einem Verlust des Transportguts im Rechtssinne auszugehen ist, hat der Senat in dem Hinweisbeschluss ausführlich dargestellt. Hiergegen wendet sich die Stellungnahme der Beklagten nicht mehr.
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2. Dies führt zur vollen Schadensersatzhaftung der Beklagten im Sinne von § 435 HGB. Richtig ist zwar, dass das Tatbestandsmerkmal der „Leichtfertigkeit in dem Bewusstsein, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten werde“ eine subjektive Komponente hat (wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt). Da aber kaum ein Frachtführer ein solches Schadensbewusstsein von sich aus einräumen wird, kann diese subjektive Komponente nur aus den Umständen gefolgert werden (bzw. muss je nach den Umständen des Falles der Schluss aus den objektiven Umständen auf das Schadensbewusstsein möglich sein, wenn die Vorschrift des § 435 HGB nicht leerlaufen soll). Bei dem frühmorgendlichen unbeaufsichtigten Abstellen ungesicherter Ware liegt es nach Auffassung des Senats mehr als nahe, dass sich dem Fahrer der Beklagten (wie jedermann) aufdrängen musste, dass die hohe Wahrscheinlichkeit des Verlustes der Ware bestand.
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Diesem Schluss aus den äußeren Umständen auf das Bewusstsein des Zeugen M. von der Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts kann die Berufung nicht entgegen halten, dass das Landgericht den Zeugen hierzu nicht vernommen hat. Denn zu diesem Beweisthema war der Zeuge erstinstanzlich nicht benannt worden.
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3. Da somit von vorsatzgleichem Verschulden im Sinne von § 435 HGB auszugehen ist, greift die dreijährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 S. 2 HGB. Hiernach ist die Klageforderung nicht verjährt.
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4. Richtig ist ferner, dass die Regelung des § 438 HGB die Beschleunigung der Abwicklung von Schadensfällen sicherstellen will. Diese Feststellung rechtfertigt aber nicht eine Auslegung der Vorschrift, die mit ihrem Wortlaut nicht in Einklang zu bringen ist. Der Gesetzgeber hat die Frist des § 438 HGB an die Ablieferung angeknüpft. Daraus folgt zwingend, dass die Frist nicht zu laufen beginnt, wenn es – wie vorliegend – an einer Ablieferung fehlt.
III.
12
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO. Der Streitwert entspricht der klageweise geltend gemachten Hauptsacheforderung.