AG Wolfenbüttel, Urteil vom 26.02.2016 – 19 C 109/14
Zur Frage des nachbarrechtlichen Beseitigungsanspruches bezüglich Bienenvölkern auf dem Nachbargrundstück
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Parteien sind Nachbarn in dörflicher, landwirtschaftlich genutzter Umgebung.
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Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks …, der Beklagte bewohnt das Nachbargrundstück.
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Die Kläger halten Pferde; der Beklagte hält seit 2013 fünf Bienenvölker. Das klägerische Grundstück befindet sich nördlich von dem des Beklagten bewohnten, die Öffnungen der Bienenstöcke zeigen nach Süden.
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Die Klägerin leidet unter einer Bienengiftallergie und einer -phobie.
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Die Kläger verlangen von dem Beklagten das Entfernen der Bienenstöcke und die Unterlassung der Bienenhaltung insgesamt.
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Das Schlichtungsverfahren, das dem Prozess vorangegangen ist, ist gescheitert.
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Die Kläger behaupten, es sei nicht mehr möglich, den Freisitz an der Grundstücksgrenze zu nutzen, sobald süße Getränke oder Lebensmittel wie Kuchen auf dem Tisch stehen würden, sei die Belästigung durch umherfliegende Bienen unerträglich. Die Bienen befänden sich auch in den Blumenuntersetzern, um dort Wasser zu trinken. Die von dem Beklagten gehaltenen Bienen seien aggressiv, Personen und Pferde seien angegriffen worden. Die Bienen würden sich im gelagerten Holz einnisten.
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Die Kläger beantragen,
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den Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, auf dem Grundstück … Bienen zu halten und die sich dort befindlichen Bienenvölker zu entfernen;
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dem Beklagten anzudrohen, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 € oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen ihn festgesetzt wird.
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Hilfsweise beantragen die Kläger,
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den Beklagten zu verurteilen, die sich jetzt auf dem Dach des Schuppens befindenden Bienenstöcke von dort zu entfernen und sie auch nicht im Sichtbereich des klägerischen Grundstücks wieder aufzustellen.
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Der Beklagte beantragt
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Klageabweisung.
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Er behauptet, er halte nur mischrassige Bienen der Rassen Buckfast und Carnica. Diese seien friedfertig. Er ist der Auffassung, die ca. 18 m von der Grundstücksgrenze aufgestellten Bienenstöcke und die darin lebenden Bienen stellten keine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks dar.
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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 30.03.2015 (Blatt 83 der Akte) durch Ortsbesichtigung und Einholung eines mündlichen Sachverständigengutachtens. Bezüglich des Ergebnisses wird auf das Protokoll vom 16.10.2015 (Blatt 161 ff. der Akte) verwiesen.
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Im Anschluss an die Ortsbegehung und die Vernehmung des Sachverständigen haben die Parteien erklärt, eine vorläufige Regelung treffen zu wollen. Auf Blatt 168 der Akte wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Die Kläger können von dem Beklagten weder die Beseitigung der vorhandenen Bienenstöcke und -völker noch die Unterlassung der Bienenhaltung auf dem Grundstück … insgesamt verlangen. Ein Anspruch aus §§ 1004 II, 823 I BGB besteht nicht, da die Kläger gemäß § 906 BGB zur Duldung verpflichtet sind.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht vielmehr zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass von den Bienenvölkern des Beklagten keine, zumindest keine wesentlichen Beeinträchtigungen ausgehen.
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Soweit die Kläger zur wesentlichen Beeinträchtigung ausgeführt haben, die Bienen des Beklagten würden durch Lebensmittel und Getränke angelockt und würden sich auch im gelagerten Holz einnisten, steht nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen, denen sich das Gericht nach eigener Würdigung anschließt, fest, dass die Kläger hier keine Honigbienen, sondern Solitär-Wildbienen und Wespen beobachtet haben.
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Der Sachverständige hat überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass die Honigbienen sich weder durch menschliche Nahrung noch durch menschliche Getränke anziehen lassen, dass dies allerdings bei Wespen der Fall sei. Das Einnisten in Holz sei eine typische Verhaltensweise einer Solitärbiene.
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Soweit die Kläger ausführen, die Bienen des Beklagten seien besonders gefährlich, ist dies aufgrund der Besichtigung der Bienen und der Ausführungen des Sachverständigen widerlegt.
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Der Sachverständige hat zusammen mit dem Gericht die Bienen in Augenschein genommen. Hierbei konnte sich das Gericht persönlich davon überzeugen, dass die gehaltenen Bienen sanftmütig sind, dass von ihnen keinerlei Aggression trotz des zum Zeitpunkt der Besichtigung aufgetretenen Regens, des Öffnens der Bienenstöcke, des Schwenken der Waben und der zusätzlich ausgeführten „Drohgebärden“ durch den Sachverständigen ausging.
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Die von den Klägern angeführte Bienenallergie bzw. -phobie ist unbeachtlich. Zur Einschätzung einer Beeinträchtigung ist auf das Empfinden eines verständigen durchschnittlichen Benutzers des Grundstücks abzustellen, besondere Empfindlichkeiten, wie auch Allergien, sind dabei nicht zu bewerten (Fritzsche Beck’scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth, § 906 Rdnr. 35, 36).
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Aufgrund der Ortsbesichtigung steht weiter fest, dass das klägerische Grundstück nicht so gestaltet ist, dass eine übermäßige Attraktivität und damit übermäßige Frequentierung durch die Bienen des Beklagten in Betracht kommt.
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Auch insoweit folgt das Gericht den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, an dessen Sachkunde keinerlei Zweifel bestehen. Damit stellt sich als attraktiv allenfalls der vorhandene Teich dar, den die Bienen als Trinkgelegenheit nutzen könnten. Die Kläger haben aber gerade nicht vorgetragen, am Teich übermäßig von den Bienen des Beklagten belästigt zu werden.
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Letztendlich muss auch berücksichtigt werden in diesem Zusammenhang, dass die Ausflugrichtungen aller vorhandenen Bienenstöcke Richtung Süden und damit weg vom Grundstück der Kläger zeigen.
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Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.
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Dies folgt bereits daraus, dass insgesamt keine wesentliche Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks festgestellt werden kann.
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Die Erklärungen, die die Parteien im Anschluss an den Ortstermin abgegeben haben, können insoweit auch nicht als rechtsverbindliche Erklärungen mit Bindungswirkung verstanden werden, aus denen die Kläger Ansprüche geltend machen können. Die Parteien haben vielmehr die Formulierung eines verbindlichen Vergleiches ausdrücklich nicht gewünscht, sondern lediglich Absichtserklärungen abgegeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.