Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 24.07.2012 – L 17 U 618/11
Zur Zurechnung eines Gesundheitsschadens als mittelbare Unfallfolge, wenn der Gesundheitsschaden durch die Heilbehandlung oder Untersuchung rechtlich wesentlich verursacht wurde.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.05.2010 sowie der Bescheid vom 13.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2006 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, eine Kniegelenksinfektion sowie daraus resultierende Knorpelschäden im linken Knie als Folge des Unfalls vom 05.07.2004 anzuerkennen.
II. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Streitig ist die Anerkennung weiterer Folgen des Arbeitsunfalls vom 05.07.2004.
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Am 12.07.2004 stellte sich der 1982 geborene Kläger in der Praxis des Durchgangsarztes Dr. P. in A-Stadt vor und gab an, dass er sich am 05.07.2004 beim Heraustreiben von Schweinen aus dem Stall das Knie verdreht habe. Der Vorgang wurde später dahingehend präzisiert, dass ihm die Schweine das vor den Körper gehaltene Treibblech gegen das linke Bein/Knie gedrückt hätten. Der untersuchende Arzt stellte ausweislich des Durchgangsarztberichtes vom 12.07.2004 Schmerzen an der Innenseite des linken Kniegelenkes sowie einen Druckschmerz am Innenmeniskusvorderhorn, aber keinen Kniegelenkserguss fest und diagnostizierte: Verdacht auf Innenmeniskusschaden links bzw. fragliche Einklemmung des Hoffa’schen Fettkörpers. Die Röntgenuntersuchung des linken Knies in zwei Ebenen ergab keine knöcherne Verletzung. In seinem Zwischenbericht am 14.07.2004 erwähnte Dr. P. „anhaltende retropatellare Schmerzen bei erhöhtem Anpressdruck aufgrund anatomischer Variation“ und stellte die Indikation zum lateralen Release (limitierte arthroskopische oder auch offene Durchtrennung des lateralen Retinakulums der Kniescheibe). Das MRT vom gleichen Tag ergab eine minimale knöcherne Fissur im Tibiakopf lateral etwa im Niveau der ehemaligen Epiphysenfuge, keine Menikus-kreuzband- oder Kollateralbandläsion, keine relevante Knorpelläsion, ein flach und relativ klein angelegtes IM-Vorderhorn, eine leichte Trochleadysplasie mit lateraler Patelllahyper-pression, eine angedeutete dysplastische Jägerhutform der Patella, minimale oberflächliche Unregelmäßigkeiten des Retropatellarknorpels der lateralen Patellafacette, eine leichte Zerrung des schmal angelegten vorderen Kreuzbandes ohne Rupturzeichen und ein möglicherweise winziges oberflächliches Knorpelflake an der lateralen Patellafacette.
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Am 22.07.2004 erfolgte eine Arthroskopie durch Dr. R.. Im von Dr. P. am 22.07.2004 verfassten Operationsbericht wird eine eindeutige Indikation für ein laterales Release festgestellt. Unfallschäden aufgrund des Vorganges vom 05.07.2004 wurden nicht gefunden, jedoch eine Chondropathie Grad III mit tiefen Knorpeleinrissen sowie eine deutliche Lateralisation und ein Auflaufen der Patella auf den lateralen Kondylus bei Beugung. Dr. P. stellte daher aufgrund dieser Diagnosen am 29.07.2004 fest, dass die weitere Behandlung über die Krankenkasse zu erfolgen habe, da keine frische Unfallverletzung vorgelegen habe. In der Folgezeit musste der Kläger wegen einer Infektion im linken Knie mehrfach punktiert und arthroskopiert werden.
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Mit Bescheid vom 13.10.2005 (Widerspruchsbescheid vom 29.06.2006) lehnte die Beklagte Leistungen aus dem Ereignis vom 05.07.2004 ab. Der Geschehensablauf sei grundsätzlich nicht geeignet, einen isolierten Meniskusschaden des linken Knies zu verursachen. Die festgestellten medizinischen Befunde hätten keinen Hinweis für eine unfallbedingt entstandene Verletzung ergeben. Vielmehr hätten sich deutliche degenerative Veränderungen des linken Kniegelenkes gefunden. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung stünden dem Kläger daher nicht zu.
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Hiergegen hat der Kläger am 31.07.2006 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Er begehrt die Anerkennung des Vorganges als Arbeitsunfall sowie die Gewährung von Leistungen.
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Das SG hat Gutachten nach § 106 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholt durch die Chirurgen Dr. S. und Dr. D. sowie nach § 109 SGG durch den Unfallchirurgen Prof. Dr. T.. Dr. S. kommt in seinem Gutachten vom 15.01.2007 zu dem Ergebnis, dass am 22.07.2004 ein laterales Release mit einer Knorpelglättung durchgeführt worden sei, strukturelle Schäden durch den Vorgang vom 05.07.2004 hätten jedoch weder im MRT noch bei dieser Arthroskopie gefunden werden können. Der Vorgang habe daher allenfalls zu einer folgenlos ausgeheilten Prellung geführt. Auch der Gutachter nach § 109 SGG, Prof. Dr. T., verweist darauf, dass die Indikation zur Arthroskopie wegen der anlagebedingten Erkrankung erfolgt sei, nicht jedoch wegen der Unfallfolgen. Solche hätten auch nicht gefunden werden können.
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Nachdem der Kläger einen weiteren Prozess vor dem Landgericht H. gegen die Vereinigte H.’sche Versicherungs AG geführt hatte (und dort ein Gutachten durch Prof. Dr. S. und eine Terminsergänzung durch Frau Dr. S. erstellt worden war), der mit einem Vergleich endete, hat das SG den Unfallchirurgen Dr. D. mit einer nochmaligen Überprüfung des Falles beauftragt. Auch Dr. D. hat festgestellt, dass im Kernspin des linken Kniegelenkes vom 14.07.2004 nur vorbestehende unfallunabhängige Veränderungen gefunden werden konnten. Dies habe sich auch bei der Arthroskopie am 22.07.2004 bestätigt. Er vertrat jedoch die Ansicht, die Arthroskopie sei auch zur Abklärung und Diagnostik erfolgt, ob Unfallfolgen verblieben seien.
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Die Beklagte hat in der Folge darauf hingewiesen, dass der operative Eingriff im direkten zeitlichen Zusammenhang mit dem MRT vom 14.07.2004 erfolgt sei und für den Erstbehandler eindeutig die retropatellaren Schmerzen die Indikation zum operativen Eingriff in Form eines lateralen Release gewesen seien, Sodann hat das SG Dr. D. gebeten, beim Operateur Dr. R. hinsichtlich der Indikation zur ersten Arthroskopie am 22.07.2004 nachzufragen und nochmals Stellung zu nehmen. Nachdem Dr. R. darauf verwiesen hat, dass zwar therapeutisch die unfallunabhängigen Befunde im Vordergrund der Arthroskopie gestanden hätten, zur Ergänzung und Klärung der Hinweise im MRT jedoch dies eine weitere wesentliche Indikation für den Eingriff gewesen sei, ist Dr. D. bei seiner Auffassung verblieben, dass die Indikation zur Arthroskopie am 22.07.2004 sowohl aus unfallbedingten als auch aus anlagebedingten Gründen erfolgt sei. Es habe ein Druckschmerz auf der Innenseite des Kniegelenks im Bereich des Gelenkspaltes bestanden. Der Verdacht auf Schädigung des Innenmeniskus sei gestellt worden. Die im weiteren Verlauf angeschuldigten anlagebedingten Veränderungen hätten zunächst keine klinische Symptomatik bedingt. Aufgrund des Befundes bei der Kernspintomographie, dass ein Knochenmarködem sowie eine Fissur vorliege, habe man von einer strukturellen Unfallverletzung ausgehen müssen. Auch der Verdacht auf Innenmeniskusschaden habe nicht vollständig ausgeschlossen werden können. Eine Indikation zur Arthroskopie aufgrund anlagebedingter Veränderungen hätte nur bei einer klinischen Symptomatik im Femoropatellargelenk bestanden, die aber nicht vorgelegen habe. Eine wesentliche Teilursache zur Stellung der Indikation für die Arthroskopie sei die Abklärung der Unfallfolgen gewesen.
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In einer Stellungnahme hat die Beklagte unter Verweis auf ihren Beratungsarzt Dr. F. ausgeführt, dass eine Kreuzbandzerrung definitiv keine Indikation für eine diagnostische Arthroskopie darstelle. Dr. F. hat ausgeführt, dass aufgrund des MRT-Befundes Dr. P. zu der Auffassung gelangt sei, dass ein arthroskopisches Release der Patella notwendig sein würde. Nach seiner Einschätzung handle es sich hier um eine unfallunabhängige Erkrankung, die Patelladysplasie und Lateralisation seien sicher nicht Unfallfolge. Eindeutig sei beschrieben, dass das Kreuzband keine Rupturzeichen aufweise und es entspreche auch nicht dem medizinischen Standard, einen solchen Befund durch eine invasive Maßnahme weiter abzuklären.
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Mit Urteil vom 20.05.2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei nicht zu beanstanden, da von allen Sachverständigen übereinstimmend festgestellt worden sei, dass strukturelle Veränderungen im Sinne einer traumatischen Verletzung durch den Vorgang vom 05.07.2004 nicht eingetreten seien und mit dieser Feststellung im Rahmen der Arthroskopie am 22.07.2004 bei negativer Diagnostik, d.h. bei fehlenden Unfallzeichen, die Behandlung zu Lasten der BG abgeschlossen sei.
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Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht erhoben. Der Vorfall vom 05.07.2004 stelle einen Arbeitsunfall dar, der (zunächst) nicht zu strukturellen Schäden geführt habe. Allerdings sei es infolge der am 22.07.2004 durchgeführten Arthroskopie zu Infektionsschäden gekommen, wobei die am 05.07.2004 erlittene Knieverletzung der Grund für die Arthroskopie gewesen sei. Die anlagebedingten Besonderheiten des Klägers seien kein Grund für die Arthroskopie gewesen. Dies habe auch der Gutachter Dr. D. bestätigt, wenn er ausführt, Ziel der Arthroskopie sei auch gewesen, etwaige Begleitschäden zu erkennen und abzuklären.
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Nachdem das Verfahren im Hinblick auf die anstehende Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) im Verfahren B 2 U 27/10 R ruhend gestellt worden war, hat der Kläger nach Ergehen des Urteils des BSG vom 05.07.2011 das Verfahren wieder aufgerufen und ausgeführt, dem Kläger sei der Eindruck vermittelt worden, es solle mit der Arthroskopie eine Maßnahme des Unfallversicherungsträgers durchgeführt werden, die wegen des Unfalls notwendig geworden sei. Durch die Arthroskopie sei es zur Infektion gekommen.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.05.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 13.10.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2006 zu verurteilen, das Ereignis vom 05.07.2004 als Arbeitsunfall anzuerkennen und die Kniegelenksinfektion links sowie die daraus resultierenden Knorpelschäden als Folge des Arbeitsunfalles anzuerkennen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.05.2010 zurückzuweisen.
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Die Beklagte sehe nicht, dass der Eingriff bei dem Kläger tatsächlich als diagnostische und/oder therapeutische Maßnahme durchgeführt worden sei. Als Ursache der Schmerzen sei der erhöhte Anpressdruck der Kniescheibe wegen deren anatomischer Variante diskutiert worden. Selbst wenn der Kläger irrig der Auffassung gewesen sein sollte, es handele sich um die Behandlung von Unfallfolgen, ergebe sich aus den damaligen Behandlungsberichten eindeutig, dass der Kläger der Behandlung zur Beschwerdelinderung zugestimmte habe und nach allem davon auszugehen sei, dass diese Behandlung auch durchgeführt worden wäre, wenn kein Unfall vorgelegen hätte.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Behördenakte sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben (§§ 143, 144 Abs. 3, 151 SGG).
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Die Berufung ist auch begründet.
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Die Klage des Klägers ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig, insbesondere nach § 54 Abs. 1 SGG statthaft. Denn der Verletzte kann seinen Anspruch auf Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalls ist, nicht nur mit einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage i. S. des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG geltend machen. Er kann wählen, ob er stattdessen sein Begehren mit einer Kombination aus einer Anfechtungsklage gegen den das Nichtbestehen des von ihm erhobenen Anspruchs feststellenden Verwaltungsakt und einer Verpflichtungsklage verfolgen will (BSG vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R; vgl. zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage auf Feststellung eines Arbeitsunfalls BSG vom 27.04.2010, B 2 U 23/09 R, Juris RdNr. 9; BSG vom 2. 4. 2009, B 2 U 29/07 R, Juris RdNr. 14; a. A. BSG vom 15. 2. 2005, B 2 U 1/04 R, Juris RdNr. 13) zur Auslegung eines Antrags auf Verurteilung zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls als Feststellungsklage; vgl. zur Statthaftigkeit der Verpflichtungsklage für die Feststellung von Unfallfolgen Keller in Hauck/Noftz, Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), K § 8 RdNr. 15c, 51. Lfg., V/2011; Keller in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 54, RdNr. 20b).
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Die Berufung ist auch begründet, da der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Feststellung des Zustands nach Kniegelenksinfektion links mit nachfolgenden Knorpelschäden als Unfallfolge hat.
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Der Kläger hat am 05.07.2004 einen Arbeitsunfall erlitten, da er in Ausübung seiner versicherten Tätigkeit durch ein von außen auf seinen Körper einwirkendes Ereignis (Drücken des Treibbleches gegen sein linkes Knie), das durch die versicherte Tätigkeit objektiv verursacht wurde und dem Schutzzweck der Beschäftigtenversicherung zuzurechnen ist, einen Gesundheitserstschaden erfahren hat (Prellung des Knies). Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der Ausführungen in den vom SG eingeholten Gutachten der Dres. S. bzw. D. und Prof. T.. Der Zustand nach Kniegelenksinfektion mit nachfolgenden Knorpelschäden ist danach keine (sog unmittelbare) Unfallfolge im engeren Sinne (sogleich unter a).Sie stellt aber eine (sog. mittelbare) Unfallfolge im weiteren Sinne dar, hier aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII (hierzu unter b).
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a. Eine Gesundheitsstörung ist Unfallfolge (im engeren Sinne) eines Versicherungsfalls i. S. des § 8 SGB VII, wenn sie spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des (hier anerkannten) Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Der Anspruch setzt grundsätzlich das „objektive“, d. h. aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters gegebene Vorliegen einer Gesundheitsstörung voraus, die spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls wesentlich verursacht worden ist. Aufgrund der sich in den Akten befindlichen ärztlichen Stellungnahmen bzw. Gutachten, insbesondere der vom SG eingeholten Gutachten der Dres. S., T. und D. steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger am 05.07.2004 lediglich eine Prellung und Zerrung des linken Kniegelenks erlitten hat, die keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit nach sich gezogen hat.
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Ob ein Gesundheitsschaden (hier: der Zustand nach Kniegelenksinfektion links mit nachfolgenden Knorpelschäden) dem Gesundheitserstschaden des Arbeitsunfalls (hier: der Kniegelenksprellung und -zerrung) als Unfallfolge im engeren Sinn zuzurechnen ist (sog. haftungsausfüllende Kausalität), beurteilt sich nach der Zurechnungslehre der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG vom 17. 2. 2009, B 2 U 18/07 R, Juris RdNr. 12; BSG vom 9. 5. 2006, B 2 U 1/05 R = BSGE 96, 196; BSG vom 12. 4. 2005, B 2 U 11/04 R = BSGE 94, 262). Die Zurechnung erfolgt danach in zwei Schritten.
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Erstens ist die Verursachung der weiteren Schädigung durch den Gesundheitserstschaden im naturwissenschaftlich-naturphilosophischen Sinne festzustellen. Ob die Ursache-Wirkung-Beziehung besteht, beurteilt sich nach der Bedingungstheorie. Nach ihr ist eine Bedingung dann notwendige Ursache einer Wirkung, wenn sie aus dem konkret vorliegenden Geschehensablauf nach dem jeweiligen Stand der einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse (Erfahrungssätze) nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine-qua-non). Auf dieser ersten Stufe sind alle derartigen notwendigen Bedingungen grundsätzlich rechtlich gleichwertig (äquivalent). Alle festgestellten anderen Bedingungen (und kein Ereignis ist monokausal), die in diesem Sinn nicht notwendig sind, dürfen hingegen bei der nachfolgenden Zurechnungsprüfung nicht berücksichtigt werden.
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Ist der Gesundheitserstschaden in diesem Sinne eine notwendige Bedingung des weiteren Gesundheitsschadens, wird dieser ihm aber nur dann zugerechnet, wenn er ihn wesentlich (mit-) verursacht hat. „Wesentlich“ (zurechnungsbegründend) ist der Gesundheitserstschaden für den weiteren Gesundheitsschaden nach der in der Rechtsprechung des BSG gebräuchlichen Formel, wenn er eine besondere Beziehung zum Eintritt dieses Schadens hatte (vgl. nur BSG vom 9. 5. 2006, B 2 U 1/05 R = BSGE 96, 196). Darauf ist hier nicht weiter einzugehen, da die Kniegelenksprellung bzw. -zerrung links schon keine notwendige Bedingung des Zustandes nach Kniegelenksinfektion links mit nachfolgenden Knorpelschäden war.
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Es fehlt bereits an einem Kausalzusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne zwischen dem Erstschaden des Klägers, der Prellung des Kniegelenks links und der Kniegelenksinfektion, da die Prellung, wie alle gerichtlich bestellten Gutachter übereinstimmend festgestellt haben, folgenlos ausgeheilt ist.
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b. Der Zustand nach Kniegelenksinfektion ist indes aufgrund der besonderen Zurechnungsnorm des § 11 SGB VII dem anerkannten Arbeitsunfall vom 05.07.2004 als (sog. mittelbare) Unfallfolge im weiteren Sinn zuzurechnen.
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Nach § 11 SGB VII sind Folgen eines Versicherungsfalles auch solche Gesundheitsschäden (oder der Tod) eines Versicherten, die u. a. durch die Durchführung einer Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung wesentlich verursacht wurden, welche zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordnet wurde. Durch diese Vorschrift werden Gesundheitsschäden, die durch die Erfüllung der in ihr umschriebenen Tatbestände wesentlich verursacht wurden, dem Versicherungsfall „auch“ dann zugerechnet, wenn sie nicht spezifisch durch den Gesundheitserstschaden des Versicherungsfalls wesentlich verursacht wurden (BSG vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R, vgl. auch Keller in Hauck/Noftz, SGB VII, K § 11 RdNr. 1, 46. Lfg., III/10; Schwerdtfeger in Lauterbach, UV, § 11 RdNr. 3, 33. Lfg., April 2007). Anders als § 555 Abs. 1 RVO setzt § 11 Abs. 1 SGB VII nicht mehr voraus, dass bei der Heilbehandlungsmaßnahme etc. ein „Unfall“ vorliegt, sodass auch Gesundheitsstörungen ohne neues Unfallereignis erfasst werden (vgl. nur Krasney in Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky SGB VII-Kommentar, § 11 RdNr. 9; Stand August 2001). § 11 SGB VII stellt eine spezielle Zurechnungsnorm dar, die Gesundheitsschäden auch dann einem anerkannten Versicherungsfall zurechnet, wenn sie etwa durch die Durchführung einer berufsgenossenschaftlichen Heilbehandlung oder durch eine Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts wesentlich verursacht wurden. Aber auch diese gesetzliche Zurechnung, die an die Stelle einer fehlenden Zurechnung kraft Wesentlichkeit tritt, setzt voraus, dass die Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes des § 11 SGB VII durch das (behauptete oder anerkannte) Unfallereignis notwendig bedingt war (vgl. BSG, aaO, Juris RdNr. 33).
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Diese Voraussetzungen sind beim Zustand nach Kniegelenksinfektion erfüllt. Die Kniegelenksinfektion ist zwar nicht notwendig bedingt durch den Gesundheitserstschaden, aber durch eine Heilbehandlung i. S. von § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII bzw. durch eine zur Aufklärung des Sachverhalts angeordnete Untersuchung i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII verursacht worden.
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Die Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls i.S. des § 11 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII umfasst sinngemäß auch die Aufklärung von Unfallfolgen im engeren Sinn. Dieser Zurechnungstatbestand setzt ausdrücklich nicht voraus, dass überhaupt ein Versicherungsfall objektiv vorliegt. Die Zurechnung erfolgt allein aufgrund der grundsätzlich pflichtigen Teilnahme des Versicherten an einer vom Träger zur Sachverhaltsaufklärung angeordneten Untersuchung. Die durch die Teilnahme wesentlich verursachten Gesundheitsschäden werden letztlich dem Versicherungsträger zugerechnet, der für die Aufklärung des behaupteten Unfallhergangs und zur Entscheidung über das Vorliegen/Nichtvorliegen eines Versicherungsfalls und von Unfallfolgen verbandszuständig ist. Es kommt also grundsätzlich nur darauf an, ob eine solche Untersuchung gegenüber dem Versicherten angeordnet wurde und er an ihr teilgenommen sowie wesentlich dadurch Gesundheitsschäden erlitten hat.
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Die Durchführung einer Heilbehandlung i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII liegt vor, wenn der Träger dem Versicherten einen Anspruch auf eine bestimmte Heilbehandlungsmaßnahme nach den §§ 26 ff. SGB VII (nicht notwendig durch Verwaltungsakt in Schriftform) bewilligt oder ihn durch seine Organe oder Leistungserbringer zur Teilnahme an einer solchen (diagnostischen oder therapeutischen) Maßnahme aufgefordert hat und der Versicherte an der Maßnahme des Trägers gemäß den Anordnungen der Ärzte und ihres Hilfspersonals teilnimmt.
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Das Handeln des Durchgangsarztes muss sich die Beklagte in diesem Zusammenhang stets zuordnen lassen (BSG, aaO, Juris Rdnr. 55 ff). Auch hier beruht die gesetzliche Zurechnung auf der grundsätzlich pflichtigen Teilnahme des Versicherten an einer vom Unfallversicherungsträger (oder diesem zurechenbar) bewilligten oder angesetzten Maßnahme. Insbesondere kommt es rechtlich nicht darauf an, ob die Bewilligung oder Ansetzung der Heilbehandlungsmaßnahme durch den Träger objektiv rechtmäßig war oder ob objektiv ein Anspruch auf Heilbehandlung bestand (BSG, aaO, Juris RdNr. 43).
35
Bei den besonderen Zurechnungstatbeständen kommt es also nicht notwendig darauf an, dass objektiv, d.h. aus der nachträglichen Sicht eines optimalen Beobachters, die Voraussetzungen eines Versicherungsfalls oder einer Unfallfolge im engeren Sinne wirklich vorlagen (BSG aaO, Juris RdNr. 38). Erforderlich ist nur, dass der Träger die Maßnahmen gegenüber dem Versicherten in der Annahme des Vorliegens oder der Aufklärungsbedürftigkeit des Sachverhalts eines Versicherungsfalls oder einer Unfallfolge im engeren Sinne veranlasst hat. In diesem Sinne muss nur das angenommene, behauptete oder gegebene Unfallereignis notwendige Bedingung der Durchführung der Untersuchungs- oder der Heilbehandlungsmaßnahme gewesen sein. Für die Frage, ob eine derartige Durchführung einer gegenüber dem Versicherten angeordneten Maßnahme vorliegt, an der er grundsätzlich pflichtig teilnehmen muss, kommt es entscheidend darauf an, ob der Träger (durch seine Organe) oder seine Leistungserbringer dem Versicherten den Eindruck vermittelt haben, es solle eine solche Maßnahme des Unfallversicherungsträgers durchgeführt werden, an der er teilnehmen solle. Zwar reicht die bloß irrige Vorstellung des Versicherten, er nehme an einer solchen Maßnahme teil, nicht aus, einen Zurechnungstatbestand zu erfüllen. Anders liegt es jedoch, wenn der Träger oder seine Leistungserbringer für den Versicherten den Anschein gesetzt haben, es solle eine solche unfallversicherungsrechtliche Maßnahme durchgeführt werden. Das ist der Fall, wenn ein an Treu und Glauben orientierter Versicherter an der Stelle des konkret Betroffenen die Erklärungen und Verhaltensweisen der auf Seiten des Trägers tätig gewordenen Personen als Aufforderung zur Teilnahme an einer vom Unfallversicherungsträger gewollten Maßnahme verstehen durfte. Es kommt also nicht nur auf die „Innenseite“ des Trägers und seiner Hilfskräfte an, sondern maßgeblich auch darauf, was wie gegenüber dem Versicherten verlautbart wurde. Denn dieser ist kein bloßes Objekt hoheitlicher Maßnahmen des Trägers; vielmehr setzt jede „Durchführung“ einer Untersuchungs- oder Heilmaßnahme seine mitwirkende Teilnahme voraus.
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Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass die vom Durchgangsarzt Dr. P. veranlasste und von Dr. R. am 22.04.2004 durchgeführte Arthroskopie eine Maßnahme i.S. des § 11 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 SGB VII war. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob objektiv bei der ärztlichen Maßnahme die Durchführung einer Heilbehandlung bzw. die Durchführung einer zur Aufklärung des Sachverhalts (oder des Vorliegens einer Unfallfolge) angeordneten Untersuchung vorlag, da der Kläger aufgrund des Verhaltens des Durchgangsarztes Dr. P. bzw. des Operateurs Dr. R. jedenfalls berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass die Behandlung/Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhalts und/oder zur Durchführung einer Heilbehandlung i. S. des § 11 SGB VII durchgeführt wurde und er zur Mitwirkung daran aufgefordert war. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der Kläger von Dr. R. aufgefordert wurde, die Arthroskopie durchführen zu lassen und dass diese Aufforderung im Zusammenhang mit dem am 05.04.2004 erlittenen Unfall stand. Abzustellen ist vorliegend auf die Stellungnahme des Dr. R. und nicht auf die Sichtweise des Dr. P., da jener gegenüber dem Kläger als behandelnder Arzt aufgetreten ist. Dies ergibt sich aus den glaubhaften Angaben des Klägers vor dem Senat und den aktenkundigen Gesamtumständen der durchgeführten ärztlichen Maßnahmen. Die Beklagte muss sich die Erklärungen des Dr. R. zurechnen lassen, da dieser im Auftrag des Durchgangsarztes Dr. P. tätig geworden ist, welcher wiederum, wie die Durchgangsarztberichte zeigen, die Gesamtverantwortung für die durchgeführten Maßnahmen übernommen hatte. Dr. R. hat in seiner Stellungnahme vom 29.10.2009 festgestellt, dass bei der Operation aus seiner Sicht zwar therapeutisch die unfallunabhängigen Faktoren im Vordergrund gestanden hätten, dass die Arthroskopie aber gleichzeitig auch als Ergänzung des MRT zur Klärung der Traumafolgen durchgeführt worden sei. Dem Kläger gegenüber haben – wie sich aus den aktenkundigen ärztlichen Stellungnahmen und den glaubhaften Angaben des Klägers ergibt – weder Dr. R. noch Dr. P. eindeutig erklärt, die Arthroskopie sei (allein) aufgrund unfallunabhängiger Beschwerden notwendig geworden (vgl. zu dem Erfordernis der Klarstellung allgemein Sandbiller, Urteilsanmerkung SGb 2012, 346 f).
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In das Gesamtbild fügt sich, dass die Entscheidung des Durchgangsarztes Dr. P., die Behandlung durch die Berufsgenossenschaft abzubrechen, erst nach der Arthroskopie, nämlich am 29.07.2004 erfolgte, wie sich aus dem in der Unfallakte dokumentierten Vermerk des Durchgangsarztes ergibt. Deshalb durfte und musste der Kläger davon ausgehen, die Arthroskopie sei wegen des Unfalls erforderlich geworden und es handele sich um eine berufsgenossenschaftliche Maßnahme.
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Die Knieinfektion (Kniegelenksemphysem) und die weiteren geltend gemachten Gesundheitsschäden (Knorpelschäden im linken Knie) wurden durch die Arthroskopie auch rechtlich wesentlich verursacht, wie der Senat aufgrund der Ausführungen der gerichtlichen Gutachter feststellt. Eine eindeutige und alleinige Zuordnung zum lateralen release ist, wie Dr. D. überzeugend ausführt, nicht möglich, so dass die Entzündung der Arthroskopie zuzurechnen ist.
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c. Der Senat sah sich nicht gezwungen, dem Hilfsantrag der Beklagten nachzugehen, Dr. P. als Zeugen zu der Frage zu vernehmen, welche Erklärungen er gegenüber dem Kläger hinsichtlich der geplanten Arthroskopie abgegeben hat. Nach den glaubhaften Angaben des – nach dem Eindruck, den sich der Senat in der mündlichen Verhandlung verschaffen konnte – glaubwürdigen Klägers ist Dr. P. dem Kläger gegenüber gar nicht aufgetreten; dieser hatte vielmehr nur Kontakt zu Dr. R.. Dr. P. könnte bei einer Zeugeneinvernahme damit keine eigenen Wahrnehmungen berichten. Eine Einvernahme des Dr. R. war nach dessen schriftlicher Äußerung vom 29.10.2009 nicht mehr erforderlich.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.