Zur Zulässigkeit einer richterlichen Durchsuchungsanordnung zum Zwecke der Beschlagnahme eines lärmverursachenden Geräts

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.03.2010 – 14 Wx 9/10

1. Der mit der richterlichen Anordnung einer Wohnungsdurchsuchung zum Zwecke der Beschlagnahme eines lärmverursachenden Geräts verbundene schwerwiegende Eingriff in die nach Art. 13 Abs. 1 GG grundgesetzlich geschützte Lebenssphäre verlangt über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausgehende Verdachtsgründe sowie eine Rechtfertigung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.

2. Danach ist eine solche richterliche Anordnung jedenfalls dann zulässig, wenn feststeht, daß sich das lärmverursachende Gerät in der Wohnung befindet, daß es bereits seit Tagen über längere Zeiträume betrieben wurde und ohne eine Beschlagnahme weiterbetrieben werden würde, wenn ferner davon auszugehen ist, daß die andauernde Fortsetzung des Lärms das körperliche Wohlbefinden der Nachbarn erheblich beeinträchtigen sowie deren Gesundheit gefährden würde, und wenn der Betreiber nicht nur die Herausgabe oder das Abstellen des Geräts, sondern sogar die zeitliche Einschränkung von dessen Betrieb verweigert hat.

(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

1. Die Beschwerde des Beteiligten 2 gegen den Beschluß des Amtsgerichts Emmendingen vom 24.1.2010 (Ber-AR 3/10) wird zurückgewiesen.

2. Der Beteiligte 2 trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Der Geschäftswert wird auf € 1000.- festgesetzt.

Gründe

I.

1

Mit der Beschwerde wendet sich der Beteiligte 2 gegen eine vom Amtsgericht E. angeordnete Durchsuchung zum Zwecke der Beschlagnahme eines lärmverursachenden Geräts.

2

Am 23.1.2010 wurde den Beamten des Polizeireviers E. von den Bewohnern der an die Wohnung des Beteiligten 2 angrenzenden Nachbarwohnung eine Ruhestörung angezeigt. Seit mehreren Tagen gehe von der Wohnung des Beteiligten 2 ein dauerhafter lauter Brummton aus. Eine Überprüfung durch die Polizeibeamten ergab, daß das Geräusch von einer vom Beteiligten 2 betriebenen elektrischen Laubsäge stammte. Der Beteiligte 2 verweigerte das Abstellen des Geräts und erteilte den Polizeibeamten Hausverbot. Als das Geräusch auch am folgenden Tag zu hören war, beantragte die Polizeidirektion E. (Antragstellerin und Beteiligte 1) beim Amtsgericht E., die Durchsuchung der Wohnung zum Zwecke der Beschlagnahme des Geräts anzuordnen.

3

Mit Beschluß vom 24.1.2010 ordnete das Amtsgericht unter Hinweis auf § 31 Abs. 2 Nr. 2 PolG BW die Durchsuchung der Wohnung des Beteiligten 2 während des Tages an. Zur Begründung führte es aus, aus den Feststellungen der Beamten ergebe sich, daß das vom Beteiligten 2 auch während Abwesenheiten betriebene Gerät einen sehr lauten, sehr störenden Ton verursache, der einen Aufenthalt in der Nachbarwohnung schwierig oder unmöglich mache. Die von der Nachbarin geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen erschienen nach den Feststellungen der Polizeibeamten glaubwürdig. Es bestehe die Gefahr, daß das Gerät nicht nur kurzzeitig, sondern dauerhaft betrieben und die Gesundheit der Nachbarn erheblich gefährdet werde. Eine andere geeignete Maßnahme als die Durchsuchung sei nicht ersichtlich, der Beteiligte 2 weigere sich, das Gerät abzustellen.

4

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten 2, der den Betrieb des Geräts einräumt. Bedingt durch die Bauweise der 1935 gebauten Häuser ließen sich Geräusche nicht vermeiden. Seine Mieterin mit zwei Kindern habe sich durch die Arbeiten nicht gestört gefühlt. Die Anzeigeerstatter betrieben schon jahrelang Mobbing und Rufmord gegen ihn und seine Mieter. Die am 24.1.2010 an die Polizei ausgehändigte Dekupier-Laubsäge wolle er wieder haben. Eine Durchsuchung seiner Wohnung sei maßlos übertrieben.

5

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den angefochtenen Beschluß des Amtsgerichts Bezug genommen.

II.

6

Die gegen die Durchsuchungsanordnung gerichtete Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

A.

7

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 31 Abs. 5 S. 3 PolG BW statthaft. Der Senat ist für die Entscheidung zuständig (§ 31 Abs. 5 S. 2 PolG BW i.V.m. §119 Abs. 1 Nr.1b GVG). Die Beschwerdefrist (§ 63 FamFG) ist gewahrt; die Beschwerde gegen den am 24.1.2010 dem Beteiligten 2 bekanntgegebenen Beschluß ist am 3.2.2010 beim Amtsgericht E. eingegangen und damit rechtzeitig eingelegt worden. Der Umstand, daß sich die Durchsuchungsanordnung infolge Durchführung der Maßnahme in der Hauptsache erledigt hat, steht der Zulässigkeit nicht entgegen, da der Beteiligte 2 nach § 62 Abs. 1 und 2 Nr. 1 FamFG ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme hat (vgl OLG Hamm OLGR 2005, 22).

B.

8

Die Beschwerde ist in der Sache nicht begründet. Die Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Beteiligten 2 durch das Amtsgericht war rechtens.

9

1. Der Polizeibeamte POM S. hat den Sachverhalt im Durchsuchungsantrag vom 24.1.2010, telefonisch ergänzt gegenüber dem Amtsrichter (Aktenvermerk des Amtsgerichts), wie folgt geschildert:

10

Am 23.1.2010 wurde den Beamten des Polizeireviers Emmendingen von den Bewohnern der an die Wohnung des Beteiligten 2 angrenzenden Nachbarwohnung eine Ruhestörung angezeigt. Seit mehreren Tagen gehe von der Wohnung des Beteiligten 2 ein dauerhafter lauter Brummton aus. Das Geräusch sei von 7:00 bis 22:00 Uhr durchgängig zu hören, so daß die Kinder nicht schlafen könnten und auch die im Schichtdienst tätige Anzeigeerstatterin nicht die erforderliche Schlafruhe finden könne. Bei einer Überprüfung vor Ort stellte POM S.den Brummton fest, bei dem es sich nach seiner Einschätzung um einen sehr lauten, sehr störenden Ton handele, der einen Aufenthalt in der Wohnung der Anzeigeerstatter schwierig oder unmöglich mache und geeignet sei, das körperliche Wohlbefinden erheblich zu beeinträchtigen bzw Schlafstörungen hervorzurufen; die von der Anzeigeerstatterin geschilderten gesundheitlichen Auswirkungen erschienen glaubwürdig. Auf Klingeln habe der Beteiligte 2 nicht geöffnet, wohl weil er nicht zu Hause gewesen sei. Etwa eine Stunde später konnte der Beteiligte 2 angetroffen werden. Er erklärte, das Geräusch stamme von einer elektrischen Laubsäge, die er zum Basteln verwende und nicht abschalten werde; von 7:00 bis 22:00 Uhr sei ihm dies erlaubt. Weiter sprach er gegenüber den Polizeibeamten ein Betretungsverbot aus.

11

Am Sonntag, den 24.1.2010, gegen 9:00 Uhr, teilten die Anzeigeerstatter dem Polizeirevier mit, daß das Geräusch wieder zu hören sei, was auch der das Telefonat entgegennehmende Beamte durch das Telefon feststellen konnte. Eine dem Beteiligten 2 daraufhin gesetzte Frist, das Gerät bis 10:00 Uhr abzuschalten, blieb erfolglos.

12

Die Darstellung von POM S. ist glaubhaft und zugrundezulegen. Der Beamte hat die Angaben der Anzeigeerstatter vor Ort bestätigt gefunden. Der Beteiligte 2 widerspricht in seiner Darstellung den getroffenen Feststellungen nicht, sondern macht lediglich geltend, daß Geräusche durch die Bauweise der Häuser bedingt sich nicht vermeiden ließen und seine Mieter sich nicht gestört fühlten.

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2. Bei dieser Sachlage waren die Voraussetzungen für die Anordnung einer Durchsuchung nach § 31 Abs. 2 Nr. 2 PolG BW gegeben.

14

a) Nach dieser Vorschrift kann die Polizei eine Wohnung durchsuchen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sich eine Sache in der Wohnung befindet, die beschlagnahmt werden darf. Gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW kann eine Sache beschlagnahmt werden, wenn dies erforderlich ist zum Schutz eines einzelnen oder des Gemeinwesens gegen eine unmittelbar bevorstehende Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung oder zur Beseitigung einer bereits eingetretenen Störung. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfaßt unter anderem die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung und der subjektiven Rechtsgüter des Einzelnen, darunter Leben und Gesundheit (VG Bremen Beschluß vom 26.6.2009 -5 V 669/09-, in juris, dort Rn 21; Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 1992, unter E Rn 6, 7, 18).

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b) Diese Beschlagnahmevoraussetzungen lagen hier vor. Eine Verletzung der Rechtsordnung war bereits eingetreten, weil der Beteiligte 2 in einem unzulässigen und vermeidbaren Ausmaß Lärm erregte, der geeignet war, die Nachbarschaft erheblich zu belästigen und die Gesundheit anderer zu schädigen, und damit den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 117 Abs. 1 OWiG erfüllte. Darüberhinaus war, wenn nicht schon eine Störung, so auf jeden Fall eine unmittelbar bevorstehende Gefahr für die Gesundheit der Nachbarn gegeben, weil der von dem Gerät des Beteiligten 2 ausgehende sehr laute und sehr störende Brummton jedenfalls bei anhaltender Dauer geeignet war, über eine bloße Belästigung hinaus das körperliche Wohlbefinden der Nachbarn erheblich zu beeinträchtigen und zu schwerwiegender nervlicher Daueranspannung und Erschöpfung zu führen.

16

c) Der mit der Wohnungsdurchsuchung verbundene Eingriff war auch unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Grundrechts der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 13 Abs. 1 GG gerechtfertigt.

17

Allerdings greift eine Wohnungsdurchsuchung schwerwiegend in die nach Art. 13 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Lebenssphäre ein. Das Gewicht des Eingriffs verlangt deshalb Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen, und eine Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Durchsuchung muß in angemessenem Verhältnis zu dem verfolgten Zweck stehen und erfolgversprechend sein (BVerfG Beschluß vom 13.11.2005 -2 BvR 728/05- in juris Rn 22-24 = NStZ-RR 2006, 110). Sie muß auch erforderlich sein; andere, weniger einschneidende Mittel dürfen nicht zur Verfügung stehen (BVerfG DVBl 2006, 1178, 1179). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Daß sich das den Brummton verursachende Gerät in der Wohnung des Beteiligten 2 befand, stand aufgrund der Feststellungen der Polizeibeamten und der Angaben des Beteiligten 2 fest. Es war davon auszugehen, daß die andauernde Fortsetzung des sehr lauten und sehr störenden Brummtons das körperliche Wohlbefinden der Nachbarn erheblich beeinträchtigen und ihre Gesundheit gefährden würde. Es war weiter davon auszugehen, daß der Beteiligte 2 das Gerät rechtswidrig (§ 117 Abs. 1 OWiG) bereits seit Tagen über längere Zeiträume selbst bei Abwesenheitszeiten laufen ließ und es erklärtermaßen in dieser Weise weiter betreiben würde. Ein berechtigtes Interesse des Beteiligten 2 an der Fortsetzung dieses Verhaltens war nicht ersichtlich. Der Beteiligte 2 zeigte sich uneinsichtig und verweigerte sowohl die Herausgabe als auch das Abstellen des Geräts oder auch nur die zeitliche Einschränkung des Betriebs. Die Anordnung der Durchsuchung zum Zwecke der Beschlagnahme des Geräts war damit erforderlich, um weitere Störungen der öffentlichen Sicherheit zu verhindern; ein milderes Mittel war nicht gegeben. Die Anordnung der Durchsuchung der Wohnung des Beteiligten 2 durch das Amtsgericht war rechtens.

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3. Soweit der Beteiligte 2 mit dem Widerspruchsschreiben vom 2.2.2010 auch die Herausgabe der Dekupiersäge begehrt, ist der Senat nicht zur Entscheidung berufen. Eine dem § 31 Abs. 5 S. 2 PolG BW entsprechende Verweisung auf die Vorschriften des FamFG fehlt in den Regelungen über die Sicherstellung und Beschlagnahme (§§ 32, 33 PolG BW. Über eine Beschwerde gegen eine im Rahmen der Durchsuchung erfolgte Beschlagnahme hat deshalb der Verwaltungsrichter zu entscheiden (OLG Stuttgart Die Justiz 2004, 196, 198).

19

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 FamFG, die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 30 Abs. 2, 3 KostO.

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