Zur Zulässigkeit einer Berichterstattung über eine bekannte wahre Tatsache

BGH, Urteil vom 18.09.2012 – VI ZR 291/10 – Comedy-Darstellerin

Zur Zulässigkeit einer Berichterstattung über die in der Öffentlichkeit bekannte wahre Tatsache, eine (namentlich genannte) Entertainerin sei durch Krankheit aus ihrer Karriere herausgerissen worden.(Rn.10)(Rn.19)(Rn.27)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Kammergerichts vom 9. September 2010 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Von Rechts wegen

Tatbestand
1

Die Klägerin, eine bekannte Entertainerin, Comedy-Darstellerin und Kabarettistin, verlangt die Unterlassung einer Wort- und Bildberichterstattung in der von der Beklagten verlegten Zeitschrift “F. “. In der Ausgabe Nr. 5 vom 21. Januar 2009 wurde im Zusammenhang mit einem Bericht über die Erkrankung einer bekannten Sportmoderatorin darüber berichtet, dass die Klägerin ihrerseits ein Jahr zuvor durch eine schwere Erkrankung aus ihrer laufenden Tournee herausgerissen worden, seither nicht mehr vor die Kamera zurückgekehrt sei und man bis dato über ihren Gesundheitszustand nichts wisse.

2

Im Einzelnen beanstandet die Klägerin eine Fotomontage auf der Titelseite der Ausgabe, auf der ein Portraitfoto von ihr zusammen mit einem solchen der Sportmoderatorin zu sehen ist, sowie ein weiteres Portraitfoto von ihr auf Seite 3 der Ausgabe mit der Bildbeischrift “G. K. erkrankte im Januar 2008″ sowie folgende Berichterstattung über sich im Rahmen eines Artikels über eine aktuelle Erkrankung der Sportmoderatorin:

(1)

“Koma nach Routine-OP

erleidet sie das gleiche Schicksal wie G. K.?”,

(2)

“Droht ihr das gleiche Schicksal wie G. K.?”,

(3)

3

“Unwillkürlich denkt man an einen Parallelfall – an G. K. (47). (…) Die prominente Kölner Schauspielerin wurde vor genau einem Jahr von heute auf morgen aus ihrer Tournee “(…)” herausgerissen. Die Erklärung über ihre Erkrankung war ebenso dürftig (…). Schweigen. Schwer erkrankt, mehr war nicht zu erfahren. Zunächst hieß es, K.`s Tournee werde im Herbst 2008 fortgesetzt, doch dann wurden alle Termine abgesagt. Und fortan war von der Schauspielerin nichts mehr zu hören.

4

So etwas ist immer höchst beunruhigend. Bis heute weiß man nichts über ihren Gesundheitszustand. G. K. trat vor keine Kamera mehr – sie ist wie vom Erdboden verschluckt (…). Werden wir auf sie warten müssen wie auf G. K.?”

5

Das Landgericht hat der Klage auf Unterlassung der entsprechenden Wort- und Bildberichterstattung sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.196,43 € nebst Zinsen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die erneute Veröffentlichung des auf Seite 3 der Zeitschrift veröffentlichten Fotos der Klägerin mit Bildbeischrift im Zusammenhang mit der beanstandeten Wortberichterstattung untersagt wird.

6

Mit ihrer vom erkennenden Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

7

Nachdem die Klägerin ab 6. September 2011 – unstreitig – selbst mit umfangreichen Erklärungen und Interviews über ihre Erkrankung in die Öffentlichkeit getreten ist, hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die Klage ab dem 6. September 2011 für erledigt erklärt. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat sich der Erledigungserklärung nicht angeschlossen; er begehrt weiterhin Klageabweisung.

Entscheidungsgründe

I.

8

Das Berufungsgericht bejaht mit dem Landgericht einen Unterlassungsanspruch der Klägerin gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog, § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG hinsichtlich der Text- und Bildberichterstattung sowie einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten. Die Klägerin müsse nicht hinnehmen, dass in der von ihr beanstandeten Berichterstattung ihr Gesundheitszustand thematisiert werde, der zumindest zum Kernbereich der Privatsphäre eines Menschen gehöre. Ausgangspunkt der beanstandeten Berichterstattung sei zwar die ernsthafte Erkrankung einer Sportmoderatorin und nicht die Erkrankung der Klägerin. Die gesamten Umstände der Fragestellung, ob dieser Sportmoderatorin das gleiche Schicksal wie der Klägerin drohe, fielen jedoch in den Kernbereich ihrer Privatsphäre. Soweit die Beklagte meine, bei der Berichterstattung gehe es allein um den Umstand, dass die Klägerin aufgrund einer Erkrankung ihrem Beruf ebenfalls nicht mehr nachgehe und diese Information zur Sozial- oder Öffentlichkeitssphäre zähle, sei dies schon angesichts der beanstandeten Äußerungen nicht nachvollziehbar. Ein Zusammenhang der Berichterstattung mit der im Herbst 2008 abgesagten Tournee der Klägerin sei schon nach dem Inhalt des Artikels – der die schwere Erkrankung einer dritten Person betreffe – nicht erkennbar. Dass die Tournee der Klägerin aufgrund einer Erkrankung habe unterbrochen werden müssen und auch – entgegen anders lautenden Ankündigungen – im Herbst 2008 nicht fortgesetzt worden sei, diene im vorliegenden Zusammenhang lediglich der Erläuterung der Schwere der Krankheit der Klägerin, nicht jedoch der Information des an dem Tourneeprogramm und dessen Fortsetzung interessierten Publikums. Eine Berichterstattung über die Sportmoderatorin L. begründe kein neues Berichterstattungsinteresse bezüglich der Person der Klägerin, deren Interesse am Schutz ihres Persönlichkeitsrechts die Äußerungs- und Pressefreiheit der Beklagten überwiege. Der Klägerin stehe auch ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB iVm §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG hinsichtlich der Bildveröffentlichungen zu. Bei der Fotomontage auf der Titelseite, welche die Klägerin gemeinsam mit L. zeige, sei schon kein zeitgeschichtliches Ereignis vorhanden. Im Übrigen beschränke sich der Informationsgehalt der Bildberichterstattung auf die Illustrierung der unzulässigen Wortberichterstattung. Danach verbleibe im Hinblick auf die veröffentlichten Fotos der Klägerin kein “bereinigter Text”, der sich zulässigerweise mit einem zeitgeschichtlichen Ereignis beschäftige.

II.

9

Das angefochtene Urteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Erledigung der Klage kann schon deshalb nicht festgestellt werden, weil die Klage von Anfang an unbegründet war.

10

1. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog iVm Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der Wortberichterstattung über die Tatsache der Erkrankung der Klägerin.

11

a) Allerdings wird das durch Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich gewährleistete allgemeine Persönlichkeitsrecht der Klägerin durch die Veröffentlichung der angegriffenen Textpassagen in dem Artikel der Beklagten beeinträchtigt.

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aa) Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des erkennenden Senats umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht das Recht auf Achtung der Privatsphäre, das jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zugesteht, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört in diesem Bereich auch das Recht, für sich zu sein, sich selber zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen (vgl. BVerfGE 34, 238, 245; 35, 202, 220; BVerfG, AfP 2010, 562 Rn. 55 f.; Senatsurteile vom 19. Dezember 1995 – VI ZR 15/95, BGHZ 131, 332, 337; vom 9. Dezember 2003 – VI ZR 373/02, VersR 2004, 522; vom 26. Oktober 2010 – VI ZR 230/08, BGHZ 187, 200 Rn. 10, 13 und vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 10, jeweils mwN). Dabei ist der Schutz der Privatsphäre sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt. Er umfasst insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als “privat” eingestuft werden, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst, wie es etwa bei Auseinandersetzungen mit sich selbst in Tagebüchern (BVerfGE 80, 367), bei vertraulicher Kommunikation unter Eheleuten (BVerfGE 27, 344), im Bereich der Sexualität (BVerfGE 47, 46; 49, 286), bei sozial abweichendem Verhalten (BVerfGE 44, 353) oder bei Krankheiten (BVerfGE 32, 373) der Fall ist. Fehlte es hier an einem Schutz vor der Kenntniserlangung durch andere, wären die Auseinandersetzung mit sich selbst, die unbefangene Kommunikation unter Nahestehenden, die sexuelle Entfaltung oder die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe beeinträchtigt oder unmöglich, obwohl es sich um grundrechtlich geschützte Verhaltensweisen handelt (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 15 und vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 10; vgl. auch BVerfGE 101, 361, 382).

13

bb) Nach diesen Grundsätzen beeinträchtigt die beanstandete Wortberichterstattung die Klägerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, denn in dem von der Beklagten veröffentlichten Artikel werden Informationen über ihre privaten Angelegenheiten, nämlich über ihre Erkrankung wiedergegeben, deren Verbreitung in den Medien sie nicht wünschte.

14

b) Diese Beeinträchtigung hatte die Klägerin aber hinzunehmen.

15

aa) Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind (vgl. Senatsurteile vom 9. Dezember 2003 – VI ZR 373/02, aaO S. 523; vom 11. März 2008 – VI ZR 189/06, VersR 2008, 695 Rn. 13 und – VI ZR 7/07, VersR 2008, 793 Rn. 12; vom 3. Februar 2009 – VI ZR 36/07, VersR 2009, 555 Rn. 17; vom 22. September 2009 – VI ZR 19/08, VersR 2009, 1545 Rn. 16; vom 20. April 2010 – VI ZR 245/08, NJW 2010, 2728 Rn. 12; vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 13; BVerfGE 114, 339, 348 mwN; 120, 180, 200 f.; BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61). Eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (vgl. Senatsurteile vom 21. Juni 2005 – VI ZR 122/04, VersR 2005, 1403, 1404; vom 17. November 2009 – VI ZR 226/08, VersR 2010, 220 Rn. 20 ff. mwN; vom 15. Dezember 2009 – VI ZR 227/08, BGHZ 183, 353 Rn. 11 – Onlinearchiv I; vom 9. Februar 2010 – VI ZR 243/08, VersR 2010, 673 Rn. 14 – Onlinearchiv II und vom 20. April 2010 – VI ZR 245/08, aaO; vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 13).

16

bb) Im Streitfall sind das Interesse der Klägerin am durch Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 EMRK gewährleisteten Schutz ihrer Persönlichkeit einerseits und die durch Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK geschützten Äußerungsinteressen der Beklagten andererseits abzuwägen (vgl. EGMR, NJW 2012, 1053 und 1058). Diese Abwägung fällt unter den Umständen des Streitfalles zugunsten der Beklagten aus.

17

cc) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind verschiedene Kriterien entwickelt worden, die Leitlinien für den konkreten Abwägungsvorgang vorgeben (vgl. BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17; AfP 2009, 480 Rn. 61 f., jeweils mwN). Danach müssen wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel hingenommen werden, auch wenn sie nachteilig für den Betroffenen sind, unwahre dagegen nicht. Allerdings kann auch eine wahre Darstellung das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzen, insbesondere wenn die Privatsphäre betroffen ist. Zur Privatsphäre – auch einer Person des öffentlichen Interesses – gehört grundsätzlich die eigene Erkrankung, wobei Ausnahmen allenfalls bei einem besonderen Personenkreis wie beispielsweise wichtigen Politikern, Wirtschaftsführern oder Staatsoberhäuptern bestehen können (vgl. Senatsurteile vom 5. Dezember 1995 – VI ZR 332/94, VersR 1996, 339, 340; vom 14. Oktober 2008 – VI ZR 272/06, VersR 2009, 78 Rn. 20; – VI ZR 256/06, VersR 2009, 76 Rn. 20 und – VI ZR 260/06, VersR 2009, 511 Rn. 19).

18

dd) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. EGMR NJW 2012, 1053 Rn. 108 ff. und 1058 Rn. 186 ff., jeweils zur Wort- und Bildberichterstattung) sind bei der Abwägung insbesondere der Beitrag zu einer Debatte von allgemeinem Interesse, die Bekanntheit der betroffenen Person und der Gegenstand der Berichterstattung, das frühere Verhalten der betroffenen Person, die Art der Erlangung von Informationen und ihr Wahrheitsgehalt sowie der Inhalt, die Form und die Auswirkungen der Veröffentlichung zu berücksichtigen.

19

ee) Nach diesen Grundsätzen hat im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung das Interesse der Klägerin am Schutz ihrer Persönlichkeit hinter dem von der Beklagten verfolgten Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung zurückzutreten.

20

(1) Die Klägerin ist eine in der Öffentlichkeit insbesondere durch viele Fernsehauftritte bekannte Kabarettistin, Comedy-Darstellerin und Entertainerin und damit eine Person des öffentlichen Interesses.

21

(2) Im Streitfall beschränkte sich die Berichterstattung der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin auf die Wiedergabe der damals in der Öffentlichkeit längst bekannten wahren Tatsache, dass die Klägerin im Januar 2008 ihre Tournee krankheitsbedingt abbrechen musste (“Schwer erkrankt, mehr war nicht zu erfahren”), sie entgegen einer Ankündigung im Herbst 2008 nicht wieder aufgenommen hat und seither – ohne weitere Informationen an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen – “von der Bildfläche verschwunden ist”. Es wurden keinerlei konkrete Aussagen zu Art und Ursache der Erkrankung der Klägerin gemacht, vielmehr wurde sogar ausdrücklich mitgeteilt, dass man nichts über ihren Gesundheitszustand wisse. Aus den Umständen wurde lediglich die – naheliegende – Schlussfolgerung gezogen, dass die Erkrankung vermutlich schwer sein muss (“So etwas ist immer höchst beunruhigend”).

22

(3) Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall maßgeblich von den vom Berufungsgericht zur Begründung seiner Auffassung herangezogenen Senatsurteilen (Senatsurteile vom 5. Dezember 1995 – VI ZR 332/94, VersR 1996, 339 und vom 14. Oktober 2008 – VI ZR 272/06, VersR 2009, 78; – VI ZR 256/06, VersR 2009, 76 und – VI ZR 260/06, VersR 2009, 511), denen Berichte über (medizinische) Einzelheiten über (angebliche) Erkrankungen der dortigen Kläger zugrunde lagen.

23

(4) Die Grenze zu einer unzulässigen Presseberichterstattung wurde im Streitfall – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – auch nicht dadurch überschritten, dass die Berichterstattung über die Erkrankung der Klägerin im Zusammenhang mit einem Bericht über einen aktuellen Fall einer schweren Erkrankung einer bekannten Sportmoderatorin erfolgte und – wie das Berufungsgericht meint – sich daraus kein neues Berichterstattungsinteresse herleiten lasse. Für die Wortberichterstattung als solche gilt der durch Art. 5 GG gewährleistete Grundsatz der freien Berichterstattung, wobei dem Persönlichkeitsschutz im Rahmen der auch dort erforderlichen Abwägung nicht schon deshalb regelmäßig der Vorrang gebührt, weil eine weder unwahre noch ehrenrührige Berichterstattung bloße Belanglosigkeiten über eine prominente Person zum Gegenstand hat, ohne einen wesentlichen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten (vgl. Senatsurteile vom 25. Oktober 2011 – VI ZR 332/09, VersR 2012, 66 Rn. 27; vom 26. Oktober 2010 – VI ZR 230/08, VersR 2011, 130 Rn. 19 und vom 1. Juli 2008 – VI ZR 243/06, VersR 2008, 1506 Rn. 23; BVerfG AfP 2010, 562; Müller, VersR 2008, 1141, 1148 f.). Abgesehen davon hatte die von der Klägerin beanstandete Berichterstattung über ihre Person nicht bloße Belanglosigkeiten zum Gegenstand, sondern diente auch der Unterrichtung der interessierten Öffentlichkeit und ihrer “Fangemeinde” darüber, dass es ein Jahr nach ihrer Erkrankung und Tourneeabsage immer noch keinerlei Informationen über ihren Gesundheitszustand und eine mögliche Rückkehr in ihren Beruf gab. Dadurch konnte die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung über die Informationspolitik beliebter Künstler leisten, die sich nach einer plötzlichen Erkrankung völlig aus der Öffentlichkeit zurückziehen und ihr besorgtes Publikum über ihr weiteres Schicksal im Ungewissen lassen.

24

(5) Nach alledem ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den aktuellen Fall der Sportmoderatorin L. zum Anlass genommen hat, sich erneut mit dem – ihrer Ansicht nach Parallelen aufweisenden – Fall der Klägerin zu beschäftigen, zumal sich dieser Fall zum damaligen Zeitpunkt gerade jährte. Die betreffenden Äußerungen weisen keinen eigenständigen Verletzungsgehalt auf und die Intensität der Beeinträchtigung ist gering. Sie sind in keiner Weise herabsetzend oder gar ehrverletzend.

25

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte die Klägerin gegen die Beklagte auch keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB iVm §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG auf Unterlassung der erneuten Veröffentlichung der beanstandeten Bildnisse.

26

a) Die Zulässigkeit von Bildveröffentlichungen ist nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Senats nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 KUG zu beurteilen (vgl. grundlegend Senatsurteile vom 6. März 2007 – VI ZR 51/06, BGHZ 171, 275 Rn. 9 ff. und zuletzt vom 18. Oktober 2011 – VI ZR 5/10, VersR 2012, 116 Rn. 8 f. und vom 22. November 2011 – VI ZR 26/11, VersR 2012, 192 Rn. 23 f., jeweils mwN), das sowohl mit verfassungsrechtlichen Vorgaben (vgl. BVerfGE 120, 180, 201 ff.) als auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Einklang steht (vgl. EGMR NJW 2004, 2647; 2006, 591 sowie NJW 2012, 1053 und 1058). Danach dürfen Bildnisse einer Person grundsätzlich nur mit deren Einwilligung verbreitet werden (§ 22 Satz 1 KUG). Hiervon besteht allerdings gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme, wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt. Diese Ausnahme gilt aber nicht für eine Verbreitung, durch die berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

27

b) Nach diesen Grundsätzen war die von der Klägerin angegriffene Bildberichterstattung als solche über ein zeitgeschichtliches Ereignis zulässig.

28

aa) Das erforderliche Informationsinteresse ist hier zu bejahen. Der Artikel behandelte, soweit für diesen Rechtsstreit von Interesse, das Verschwinden einer bekannten Entertainerin, Schauspielerin und Kabarettistin aus der Öffentlichkeit nach einer schweren Erkrankung, die geheim gehalten wurde. Die Berichterstattung war, wie oben dargelegt, vom öffentlichen Informationsinteresse gedeckt, ohne dass es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, ob sie auch Darstellungen enthielt, die man je nach der Einstellung zu weitgehend unterhaltenden Medienprodukten als belanglos oder spekulativ bewerten kann. Es ist nicht zulässig, Medienprodukte, die das Zeitgeschehen darstellen, ausschließlich an derartigen weitgehend subjektiven Wertungen zu messen. Entscheidend ist, dass der Artikel sowohl hinsichtlich der Wortberichterstattung als auch hinsichtlich des veröffentlichten Fotos einen noch ausreichenden Bezug zu der Wortberichterstattung hatte und dieses Thema unter den Umständen des Falles von öffentlichem Interesse und demgemäß als zeitgeschichtliches Ereignis im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zu beurteilen war. Davon ist hier auszugehen, denn der Begriff der Zeitgeschichte wird nicht gegenstandsbezogen, etwa allein auf Vorgänge von historischer oder politischer Bedeutung, verstanden, sondern vom Informationsinteresse der Öffentlichkeit her bestimmt (BVerfGE 101, 361, 392; BVerfG, NJW 2001, 1921, 1922 f.).

29

bb) Die veröffentlichten Fotos hatten nach der Art ihrer Gewinnung und Darstellung auch keinen eigenständigen Verletzungsgehalt. Es handelt sich um kontextneutrale Porträtfotos, deren Veröffentlichung nach den Grundsätzen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Senatsurteil vom 14. Mai 2002 – VI ZR 220/01, BGHZ 151, 26, 32 f.) und des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG NJW 2001, 1921, 1924 f.; NJW 2006, 2835 Rn. 13) unbedenklich ist und die berechtigte Interessen der Klägerin (§ 23 Abs. 2 KUG) nicht verletzt. Der Umstand, dass eines der Fotos auf der Titelseite im Wege einer – als solche ohne Weiteres erkennbaren – Fotomontage mit einem Foto der Sportmoderatorin L. verbunden worden ist, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern, zumal sich die Klägerin gegen die Fotos als solche auch gar nicht wendet, sondern lediglich gegen ihre Veröffentlichung im Zusammenhang mit der – allerdings erlaubten – Wortberichterstattung.

30

3. Nach alledem unterliegt die Klage insgesamt der Abweisung und zwar auch nachdem die Klägerin die Klage ab dem 6. September 2011 für erledigt erklärt hat. Da sich der Prozessbevollmächtigte der Beklagten der Erledigungserklärung nicht angeschlossen und weiterhin Klageabweisung beantragt hat, ist nunmehr in der “Hauptsache” darüber zu entscheiden, ob die ursprüngliche Klage (tatsächlich) erledigt ist (vgl. etwa Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 91a Rn. 34 mwN). Dies ist nicht der Fall, weil die Klage von Anfang an unbegründet war. Da es keiner weiteren Feststellungen mehr bedarf, konnte der erkennende Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst entscheiden.

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