Zur Wirksamkeit der Räumungsmitteilung bei Nichtbeachtung der Räumungsfrist durch den Gerichtsvollzieher

LG Baden-Baden, Beschluss vom 12. Juli 2018 – 4 T 31/18

Zur Wirksamkeit der Räumungsmitteilung bei Nichtbeachtung der Räumungsfrist durch den Gerichtsvollzieher

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bühl vom 09.07.2018, Az. M 844/18, wird zurückgewiesen.

2. Der Schuldner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe
I.

1
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird vollumfänglich auf die angefochtene Entscheidung verwiesen. Der Schuldner begehrt mit seiner Erinnerung vom 29.06.2018 die Aufhebung des auf Freitag 13.07.2018 angesetzte Räumungstermins der von ihm bewohnten Wohnung … . Er wendet ein, die Terminsanberaumung durch den Gerichtsvollzieher vom 21.06.2018, zugestellt am 22.06.2018, sei dem Schuldner nicht rechtzeitig zugegangen, da nach § 128 Abs. 2 S. 5 GVGA zwischen dem Tag der Zustellung und dem Tag des Vollstreckungstermins wenigstens 3 Wochen liegen müssten. Diese Frist Ende erst mit Ablauf des als Räumungstermins vorgesehenen Tages.

2
Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 09.07.2018 zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Bei der genannten Vorschrift handele es sich lediglich um eine Verwaltungsvorschrift mit Binnenwirkung, die im Außenverhältnis ohne Bedeutung sei. Maßgeblich sei lediglich die Frist des § 765a Abs. 3 ZPO, die vorliegend eingehalten sei. Eine Rechtsverkürzung des Schuldners habe nicht stattgefunden. Er habe ausreichend Zeit gehabt, Rechtsmittel gegen das der Räumung zugrundeliegende Urteil vom 18.05.2018 einzulegen, was auch geschehen sei.

3
Den Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Amtsgericht mit Verweis auf die Entscheidung in der Sache selbst mit demselben Beschluss zurückgewiesen. Da über die Erinnerung vor dem Räumungstermin entschieden werde, bedürfe es keiner einstweiligen Anordnung von Schuldnerschutzmaßnahmen.

4
Der Schuldner hat am 11.07.2018 sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts eingelegt, wobei er sein ursprüngliches Vorbingen aufrechterhalten und zusätzlich die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt hat. Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 12.07.2018 nicht abgeholfen.

II.

5
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die amtsgerichtliche Entscheidung, auf deren Begründung ergänzend Bezug genommen wird, ist richtig. Sie verletzt den Schuldner auch nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör.

1.

6
Die Erinnerung gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung ist begründet, wenn der Gerichtsvollzieher den ihm erteilten Auftrag nicht auftrags- bzw. ordnungsgemäß durchführt bzw. er gegen vollstreckungsrechtliche Vorschriften verstößt. Die GVGA zählen nicht zu diesen Vorschriften. Verstöße gegen Bestimmungen der Geschäftsanweisung für GV und gegen sonstige Dienstanweisungen können für sich nicht mit Erinnerung beanstandet werden. Diese Dienstanweisungen der Justizverwaltung begründen zwar Amtspflichten für den GV (RGZ 145, 204, 215), auf deren Einhaltung die Dienstaufsicht zu achten hat (Karlsruhe MDR 76, 54), sie enthalten jedoch keine selbständigen Verfahrensvorschriften, sondern sollen dem GV nur das Verständnis der gesetzlichen Vorschriften erleichtern (§ 1 GVGA). Verstöße gegen Bestimmungen solcher Dienstanweisungen rechtfertigen daher Einwendungen nur, wenn damit zugleich die erläuterten Verfahrensvorschriften der ZPO (oder sonstige gesetzliche Regelungen des Vollstreckungsrechts) verletzt sind (Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 766 ZPO, Rn. 11).

7
Ein solcher Verstoß liegt nicht vor. § 885 ZPO als für die Zwangsvollstreckung zur Herausgabe von unbeweglichen Sachen maßgebliche Norm enthält keine Frist für die Ankündigung der Vollziehung eines Räumungstitels. Eine solche ergibt sich allenfalls indirekt aus § 765a Abs. 3 ZPO. Eine Räumungsfrist wird daher in der Regel mehr als zwei Wochen betragen müssen, um den Schuldner nicht die Möglichkeit abzuschneiden, Vollstreckungsschutzmaßnahmen zu beantragen. Diese Frist ist vorliegend gewahrt.

2.

8
Die amtsgerichtliche Entscheidung verletzt den Schuldner auch nicht in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die amtsgerichtliche Entscheidung auf dem behaupteten Gehörsverstoß beruht, d.h. anders ausgefallen wäre, wenn der Schuldner vor ihrem Erlass Kenntnis von der Stellungnahme des Gerichtsvollziehers erhalten hätte. Insofern bedarf es der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Gehörsverletzung (vgl. BGH NJW 2008, 378 Rn. 3), an der es bereits fehlt. Es fehlt bereits an der Darlegung, welches ansonsten entscheidungserhebliche Vorbringen durch die Gehörsverletzung abgeschnitten worden ist. So ist nicht dargetan, dass der Schuldner in anderer oder erweiterter Form auf die Stellungnahme reagiert und sein Vorbringen erweitert hätte, wenn ihm die Stellungnahme vor Erlass der amtsgerichtlichen Entscheidung vorgelegen hätte. Schließlich ist sie ihm nach eigenem Vortrag gemeinsam mit der amtsgerichtlichen Entscheidung zugegangen, ohne dass die Beschwerdebegründung auf sie Bezug nimmt, sodass möglicherweise übergangener Vortrag nicht ersichtlich ist.

3.

9
Da die Erinnerung unbegründet ist, hat das Amtsgericht zurecht von der Anordnung einstweiliger Maßnahmen abgesehen.

III.

10
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat, noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Beschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO).

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