Zur winterlichen Streupflicht auf einem der größten U-Bahnhöfe Deutschlands

AG Charlottenburg, Urteil vom 31.10.2012 – 215 C 116/10

Zu den Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht eines mit dem Winterdienst an einem der grössten U-Bahnhöfe Deutschlands beauftragten Unternehmens (Rn.30).

Zu den Anforderungen an die Überwachungs- und Aufsichtspflichten den Winterdienst in Auftrag gebenden Verkehrsmittelbetriebes (Rn.31).

Zum Mitverschulden eines Passanten an einem Unfallschaden, wenn er beim Begehen einer Treppe nicht einen der Handläufe benutzt hat (Rn.32),

Tenor

1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein vorläufiges Schmerzensgeld in Höhe von 2.625,– € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 2.000,– € seit dem 07. Juli 2010 und auf 625,– € seit dem 19. September 2011 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden, die aus dem Unfall vom 16. Januar 2010 in Berlin – U-Bahnhof … entstanden sind oder noch entstehen werden, mit einer Quote von 75 % zu ersetzen.

3. Die Beklagten werden ferner verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 713,69 € zu zahlen.

4. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 22 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 78 %.

6. Das Urteil ist unter Ausnahme des Tenors zu Ziffer 2. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
1

Gegenstand des Rechtsstreits sind auf einen Unfall der Klägerin gestützte Forderungen der Klägerin auf Ersatz von materiellen und immateriellen Schäden sowie auf Feststellung derartiger Schadensersatzpflichten gegen die Beklagten.

2

Die Beklagte zu 1) ist ein Berliner Nahverkehrsunternehmen, die Beklagte zu 2) erbringt u. a. Winterdienstleistungen und war von der Beklagten zu 1) jedenfalls im Januar 2010 insofern auch bezüglich des U-Bahnhofs …, Abgang auf Höhe Hausnummer 231, … Berlin beauftragt.

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Am 16. Januar 2010, dem Datum des streitgegenständlichen Vorfalls, lag der letzte Schneefall in Berlin schon einige Tage zurück. An diesem Tag benutzte die Klägerin gegen 17.05 Uhr den U-Bahnabgang …, um zum U-Bahnsteig zu gelangen. Dabei hielt sich die Klägerin nicht an einem der Handläufe fest. Ob und wenn ja aus welchen Gründen die Klägerin dann zu Fall geraten ist, ist zwischen den Parteien streitig. Jedenfalls begab sich die Klägerin noch am 16. Januar 2010 ins … Krankenhaus, wo bei der Klägerin Druck- und Belastungsschmerzen sowie Schwellungen im linken Handgelenk, Druckschmerzen mit Bewegungseinschränkungen jeweils linksseitig an der Mittelhand, dem Ellenbogen über dem Radiuskopf und am Mittelfußknochen sowie eine Prellmarke am Hinterkopf diagnostiziert wurden.

4

Am 19. Januar 2010 ließ sich die Klägerin in der Praxis … behandeln, wobei Druckschmerzen im gesamten Lendenwirbelsäulenbereich, endgradiger Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule sowie Bewegungsschmerzen in der Hüfte diagnostiziert wurden. Am 29. Januar 2010 wurde dann in der Radiologiepraxis … . … u. a. nach einer computertomographischen Untersuchung ein knöcherner Abriss am Dreiecksbein (os triquetrum) diagnostiziert. In der Zeit vom 16. Januar bis 25. Februar 2010 erfolgte eine Ruhigstellung des linken Handgelenks durch – aufeinander folgend – eine Gipslonguette, einen Unterarmgips und einen Unterarmkunststoffgips, danach erhielt die Klägerin, die Linkshänderin ist, eine elastische Handgelenksorthese, die sie jedenfalls im Juli 2011 noch trug. Zwischen den Parteien ist allerdings streitig, ob die diagnostizierten Verletzungen aus dem Sturz vom 16. Januar 2010 herrühren.

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Die Klägerin behauptet, dass die Treppe am Abgang des U-Bahnhofs … am Vorfallstag gegen 17.05 Uhr weder von Schnee und Eis befreit noch mit abstumpfenden Mitteln bestreut gewesen sei, weswegen sie noch auf einer der oberen Treppenstufen ausgeglitten und gestürzt sei. Sie habe sich dabei sowohl die am selben Tag im … Krankenhaus als auch die am 19. und am 29. Januar 2010 ärztlicherseits diagnostizierten Verletzungen, insbesondere auch den knöchernen Abriss im linken Handgelenk, zugezogen. Die Beweglichkeit des Handgelenks sei nach wie vor nicht vollständig hergestellt. Darüber hinaus habe sie angesichts ihrer Tätigkeit als Betreuerin eines Kindes mit einem Aufmerksamkeitsdefizithyperaktivitätssyndrom, für die sie zuvor bei einer monatlichen Arbeitszeit von 108 Stunden 778,48 € netto erzielt habe, in den Monaten März bis Juli 2010 einschließlich einen Verdienstausfall von 671,52 € erlitten. Des weiteren habe sie zur Versorgung ihres Haushalts mit zwei Kindern im Alter von damals 17 und 20 Jahren und einer 168 qm großen Wohnung eine Haushaltshilfe zum Kochen, Putzen, Bügeln und Einkaufen beschäftigen müssen, die im Zeitraum vom 12. Februar bis 20. Mai 2010 insgesamt 63 Stunden zu einem Stundenlohn von 8,– € geleistet und dafür im Oktober 2011 insgesamt 504,– € erhalten habe. Schließlich habe sie, so die Klägerin weiter, aufgrund der unfallbedingten Verletzungen im ersten bis dritten Quartal 2010 jeweils die Praxisgebühr von 10,– €, darüber hinaus 4,50 € für Kopien von Behandlungsunterlagen, 27,52 € für die Übersendung eines Befundberichtes und 49,80 € an Zuzahlung für die unfallbedingte Behandlung in der Praxis Dres. … aufbringen müssen. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten verpflichtet seien, ihr diese Schäden zu ersetzen sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 3.000,– € zu zahlen, weil die Beklagte zu 2) ihre Winterdienstleistungen nicht ordnungsgemäß erbracht habe und die Beklagte zu 1) ihren Kontrollpflichten nicht ausreichend nachgekommen sei. Im Hinblick auf drohende noch nicht absehbare Spätfolgen, insbesondere ein gesteigertes Arthroserisiko, sei außerdem die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten hinsichtlich etwaiger zukünftiger materieller oder immaterieller Schäden der Klägerin berechtigt.

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Die Klägerin beantragt,

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1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes vorläufiges Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, wobei die genaue Betrag des Schmerzensgeldes in das Ermessen des Gerichts gestellt wird und hierbei von einem Betrag nicht unter 3.000,– Euro ausgegangen wird,

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2. festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin sämtlichen materiellen und immateriellen weiteren Schaden zu ersetzen, der dieser aus dem Unfall vom 16. Januar 2010 in Berlin – U-Bahnhof … entstanden ist oder noch entstehen wird,

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3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1.287,34 EUR zu zahlen.

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Die Beklagten beantragen,

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die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte zu 1) behauptet, dass sie die von ihr zum streitgegenständlichen Zeitpunkt mit der Erledigung der Winterdienstleistungen bezüglich des U-Bahnhofs Abgang … beauftragte Beklagte zu 2) regelmäßig überwacht und kontrolliert habe. Für die Kontroll- und Überwachungspflichten bestehe ein detaillierter Winterdienstplan. So gehöre es zu den Pflichten der jeweiligen Bahnhofsmanager, die zu ihrem Einsatzgebiet gehörenden Auf- und Abgänge zu den U-Bahnhöfen pro Schicht jeweils einmal zu kontrollieren, wobei im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet werde. Für den 16. Januar 2010 seien keine besondere Vorkommnisse und außer dem Sturz der Klägerin keine weiteren Unfälle für den streitgegenständlichen U-Bahn-Abgang gemeldet worden; die Treppe sei daher nicht mit Schnee und Eis belegt und ungestreut gewesen. Jedenfalls am 09. Januar 2010 sei die fragliche Treppe von Personal der Beklagten zu 1) mit abstumpfenden Mitteln gestreut worden. Die Beklagte zu 1) treffe vor diesem Hintergrund, so deren Ansicht, keine für den Unfall der Klägerin ursächliche Pflichtverletzung, so dass sie, die Beklagte zu 1), nicht hafte. Unabhängig davon sei der Klägerin jedenfalls ein erhebliches Mitverschulden anzulasten, weil diese den Handlauf nicht benutzt habe, der selbst bei fehlender Schneebeseitigung eine sichere Benutzung der Treppe ermöglicht hätte. Auch sei die Schmerzensgeldforderung der Klägerin, auch vor dem Hintergrund des Mitverschuldens, erheblich überhöht. Im Rahmen des Feststellungsantrags sei zu berücksichtigen, dass sich ein spezielles Arthroserisiko der Klägerin aus der medizinischen Begutachtung nicht ergebe. Hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten Haushaltsführungsschadens behauptet die Beklagte zu 1), dass die Klägerin keinesfalls in dem von ihr behaupteten Umfang arbeitsunfähig gewesen sei und dass die von der Klägerin benannte Hilfskraft Frau … jedenfalls keine Arbeiten verrichtet habe, die die Klägerin aufgrund ihrer unfallbedingten Verletzung nicht habe erledigen können. Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, dass die Klägerin diese Schadensposition, auch unter Berücksichtigung der Bezahlung der Frau … erst im Oktober 2011, nicht substantiiert dargelegt habe. Darüber hinaus sei auch der Verdienstausfall nicht nachvollziehbar vorgetragen, hinsichtlich der geltend gemachten Zuzahlungen sei die Unfallbedingtheit nicht ersichtlich.

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Die Beklagte zu 2) behauptet, dass die streitgegenständliche Treppe zum Vorfallszeitpunkt von Schnee und Eis befreit und nicht glatt gewesen sei. Nachdem Mitarbeiter der Beklagten am 14. Januar 2010 zwischen 21.30 Uhr und 3.30 Uhr dort letztmalig vor dem Vorfallszeitpunkt Winterdienstleistungen erbracht hätten, hätten sie die Treppe bis zum Vorfallszeitpunkt insgesamt sieben Mal kontrolliert, ohne dass sich die Notwendigkeit weiterer Schnee- und Eisbeseitigungsmaßnahmen ergeben habe. Die Klägerin sei zudem, sofern sie tatsächlich am 16. Januar 2010 auf der streitgegenständlichen Treppe zu Fall gekommen sei, was die Beklagte zu 2) mit Nichtwissen bestreite, jedenfalls nicht wegen Glätte auf der Treppe gestürzt. Im übrigen, so die Ansicht der Beklagten zu 2), sei ein etwaiger Sturz der Klägerin keinesfalls auf eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 2) zurückzuführen. Eine plattengrundtiefe Reinigung sei nicht geschuldet, die Räum- und Streupflicht bestehe nur im Rahmen des technisch Machbaren, wobei nicht erwartet werden könne, dass etwaige durch Passanten hereingetragene Schnee- und Eisreste jeweils unmittelbar entfernt würden. Im übrigen treffe die Klägerin wegen der fehlenden Benutzung des Handlaufs jedenfalls ein so erhebliches eigenes Verschulden, das dahinter das etwaige Verschulden der Beklagten zu 2) zurücktrete. Die Beklagte zu 2) behauptet, dass die am Vorfallstag und insbesondere auch später diagnostizierten Verletzungen der Klägerin nicht auf den Sturz auf der U-Bahntreppe zurückzuführen seien. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass bei der Klägerin degenerative Vorerkrankungen vorhanden seien. Die Klägerin sei auch keinesfalls vorfallsbedingt bis zum Juli 2010 bzw. sogar darüber hinaus arbeitsunfähig gewesen. Das geforderte Schmerzensgeld sei, so die Ansicht der Beklagten zu 2), in jedem Fall überhöht. Auch der geltend gemachte Haushaltsführungsschaden sei nicht gegeben, da die Haushaltskraft, so behauptet die Beklagte zu 2), auch ohne den streitgegenständlichen Vorfall von der Klägerin beschäftigt worden wäre. Die Darlegung der Klägerin zum Haushaltsführungsschaden sei jedenfalls, so die Ansicht der Beklagten zu 2), unsubstantiiert, der behauptete Verdienstausfall nicht nachvollziehbar, die Zuzahlungen bei ärztlichen Leistungen seien nicht vorfallsbedingt.

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Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen … und …, Passanten, die sich zum Vorfallszeitpunkt ebenfalls auf dem U-Bahn-Abgang befanden, im Termin vom 27. Oktober 2010, sowie durch Vernehmung der Zeugen …, am 16. Januar 2010 für den U-Bahn-Abgang zuständiger Mitarbeiter der Beklagten zu 2), und …, am 16. Januar 2010 im Bereich des Bahnhofsmanagements für den U-Bahn-Abgang Kurfürstendamm zuständiger Mitarbeiter der Beklagten zu 1), im Termin vom 15. Dezember 2010. Wegen des Ergebnisses der Zeugenvernehmungen wird auf die entsprechenden Terminsprotokolle verwiesen. Im übrigen hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. … vom 21. Juli 2011 sowie ergänzender schriftlicher Stellungnahmen des Sachverständigen zu dem Gutachten vom 25. Oktober 2011 und 30. Dezember 2011. Wegen des Inhalts des Gutachtens sowie der ergänzenden Stellungnahmen wird auf die bei den Akten befindlichen entsprechenden Unterlagen Bezug genommen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und in Höhe von 2.625,– € hinsichtlich des Antrags zu Ziffer 1., einer Quote von 75 % hinsichtlich des Feststellungsantrags zu Ziffer 2. und in Höhe von 713,69 € hinsichtlich des Antrags zu Ziffer 3. begründet; im übrigen ist sie unbegründet.

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1. Im Rahmen der Zulässigkeit ist zunächst auszuführen, dass die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gemäß § 23 Ziffer 1 GVG gegeben ist, da der Wert des Gegenstandes auch unter Berücksichtigung der Klageerweiterung zur Höhe des Schmerzensgeldes mit Schriftsatz vom 31. August 2011 und der Bezifferung eines Teils der ursprünglich vom Feststellungsantrag erfassten materiellen Schadenspositionen mit Schriftsatz vom 02. April 2012 5.000,– € nicht übersteigt, sondern 4.787,34 € beträgt. Insofern wird auf den gerichtlichen Hinweis vom 20. August 2012 verwiesen. Im Hinblick darauf, dass die Problematik der sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts in der Folge der klägerischen Antragsstellung mit Schriftsatz vom 02. April 2012 ausführlich Gegenstand von Erörterungen und gerichtlichen Hinweisen mit nachfolgender Gewährung rechtlichen Gehörs für die Parteien war, wäre die amtsgerichtliche sachliche Zuständigkeit angesichts des Einverständnisses aller Parteien mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren in dem Wissen, dass eine Verweisung an das Landgericht nicht beabsichtigt war, aber jedenfalls auch durch rügelose Verhandlung gemäß § 39 ZPO gegeben.

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Weiterhin ist anzumerken, dass der mit der Klageschrift als Antrag zu Ziffer 2 angekündigte und auch nach einem Übergang wegen eines Teils der Ansprüche zur Leistungsklage verbliebene Feststellungsantrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig ist, weil die Klägerin ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten bezüglich weiterer materieller und immaterieller Schäden hat. Ein Schadensereignis, bei dem es zu einer Körperverletzung gekommen ist, birgt durchaus die Gefahr weiterer Schäden, die zunächst nicht erkennbar sind oder sich sogar erst später realisieren. Mit der Geltendmachung des Feststellungsanspruchs bereits mit der gerichtlichen Durchsetzung der schon bekannten Schäden umgeht der Geschädigte jedoch zum einen eine etwaige spätere Auseinandersetzung um die Verjährung, zum anderen aber insbesondere auch eine erneute Prüfung der Haftung des Schädigers dem Grunde nach und damit eine komplette erneute Aufrollung des Vorfalls. Insofern ist das rechtliche Interesse an einer solchen Feststellung ohne weiteres zu bejahen.

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Schließlich steht der Zulässigkeit der Klage bezüglich des Schmerzensgeldantrags auch nicht das Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Ziffer 2 ZPO entgegen. Es ist allgemein anerkannt und in der Rechtsprechung bestätigt, dass der Kläger bei Geltendmachung einer Schmerzengeldzahlung mit der Angabe eines Mindestbetrages, den das Scherzensgeld nicht unterschreiten soll, dem Bestimmtheitserfordernis gerecht wird. Dabei wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es für die Höhe eines Schmerzensgeldes keine eindeutigen Zumessungskriterien gibt, so dass der Geschädigte, müsste er das Schmerzensgeld genau beziffern, sich entweder der Gefahr eines gegebenenfalls erheblichen Unterliegens mit entsprechender Kostenbeteiligung oder der Gefahr des Abschneidens höherer berechtigter Schmerzensgeldansprüche wegen des Grundsatzes des § 308 Abs. 1 ZPO aussetzen würde. Der vom Kläger in der Form des Schriftsatzes vom 31. August 2011 gestellte Schmerzensgeldantrag ist daher zulässig.

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2. Die Klage ist auch in dem schon eingangs unter Aufgliederung auf die einzelnen Anträge dargestellten Umfang begründet, lediglich im übrigen ist sie unbegründet.

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a) Die Beklagten haften zunächst dem Grunde nach für die der Klägerin bei dem Unfall vom 16. Januar 2012 auf der Treppe zum U-Bahnhof … entstandenen Schäden. Diese Haftung ergibt sich für die Beklagte zu 1) aus §§ 280 Abs. 1, 278, 823 Abs. 1 BGB, für die Beklagte zu 2) aus § 823 Abs. 1 BGB. Das Gericht geht nämlich aufgrund des Ergebnisses der durch die Vernehmung der Zeugen … sowie … und … durchgeführten Beweisaufnahme davon aus, dass die streitgegenständliche Treppe zum Vorfallszeitpunkt glatt war, weil sie mit Eis und Schnee belegt und nicht mit abstumpfenden Mitteln bestreut war, wobei die Beklagte zu 1) auch ihrer Aufsichtspflicht gegenüber der Beklagten zu 2) nicht in ausreichendem Maße nachgekommen ist, und dass die Klägerin durch die Glätte auf der Treppe zu Fall gekommen ist.

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Die Zeugin … hat bei ihrer Vernehmung im Termin vom 27. Oktober 2010 ausgesagt, dass sie am Vorfallstag gegen 17.00 Uhr mit ihrem Mann die Treppe zur U-Bahn am … auf Höhe des C&A-Kaufhauses begangen habe. Diese Treppe sei zu dieser Zeit mit einem Matschbelag wohl aus Schnee und einem Streumittel belegt gewesen, was ihr sofort aufgefallen sei. Unter dem Matsch habe sich eine harte glatte Fläche, ihrer Ansicht nach Eis, befunden, was aber erst beim Gehen bemerkbar gewesen sei. Möglicherweise habe es im oberen Bereich der Stufen kleinere Stellen gegeben, die freigelaufen gewesen seien, letztlich sei es aber nicht möglich gewesen, über die oberen Stufen hinwegzukommen, ohne auf Matsch zu treten. Sie sei dann an die rechte Seite gegangen und habe den Handlauf benutzt, weil ihr Mann etwas unsicherer sei und sie das Gefühl gehabt habe, dass es etwas sicherer sei, wenn sie sich festhalten könne, auch wenn das Hinabgehen weiterhin rutschig gewesen sei. Etwa auf Höhe der zweiten oder dritten Stufe sei dann die Klägerin, die zunächst hinter ihr, der Zeugin, gegangen sei, ausgerutscht und seitlich vor ihr zum Liegen gekommen. Die Klägerin habe sofort über Schmerzen an der Hand und im Rückenbereich und später auch an der Schulter und am Hinterkopf geklagt. Sie und ihr Mann hätten dann die Beklagte zu 1) verständigt, woraufhin nach etwa 15 Minuten zwei Männer gekommen seien. Sie, die Zeugin, habe einem der Männer die Stelle gezeigt, an der die Klägerin ausgerutscht sei. Genau zu diesem Zeitpunkt sei dort wieder ein Mann ausgerutscht, der sich aber noch habe abfangen können.

23

Der Zeuge … hat bekundet, dass er schon bei Annäherung an die Treppe zur U-Bahn … am Vorfallstag gegen 17.00 Uhr gesehen habe, dass die Treppe mit Schneematsch belegt gewesen sei. Dies habe jedenfalls für die ersten fünf Stufen auch in der kompletten Breite gegolten. Seine Frau habe ihn dann gleich gewarnt, dass es wohl glatt sei, was er selbst beim Begehen der Treppe auch bemerkt habe, und dass er den Handlauf benutzen solle. Das habe er dann auch getan, obwohl er sonst nicht das Geländer benutze. Nach zwei oder drei Stufen habe er wahrgenommen, dass die zu dieser Zeit auf seiner Höhe oder eine Stufe hinter ihm befindliche Klägerin ausgerutscht sei. Sie sei dann auf dem Rücken zu Liegen gekommen und habe jedenfalls sofort über Schmerzen in der Hand geklagt. Ob sie auch über Schmerzen im Rücken oder am Kopf geklagt habe, wisse er nicht mehr. Er habe jedenfalls angenommen, dass sie auf den Steiß gefallen sei, und habe einen Schock befürchtet. Über eine Notrufsäule hätten sie dann die Beklagte zu 1) alarmiert, woraufhin einige Zeit später zwei Männer gekommen seien, von denen einer mit seiner Frau zur Unfallstelle gegangen sei. Er selbst sei seiner Erinnerung nach nicht befragt worden, habe der Klägerin aber seine Visitenkarte gegeben.

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Diese Aussagen konnten der rechtlichen Würdigung zugrunde gelegt werden. Die Zeugen … und … waren glaubwürdig. Sie haben ihre Aussagen in einer ruhigen und äußerst sachlichen und um Genauigkeit bemühten Weise abgegeben, wobei der Zeuge … bezüglich der Frage, ob die Klägerin auch über Schmerzen an Rücken und Kopf klagte, ausdrücklich auf seine fehlende Erinnerung verwiesen hat, um nicht für ihn naheliegende Schlussfolgerungen als seine Erinnerung darzustellen. Auch der Umstand, dass sich die Zeugin … nach dem Vorfall zwei Mal telefonisch bei der Klägerin nach deren Zustand erkundigt hat, begründete keine Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit, weil die Zeugin zum einen diesen Umstand unumwunden bestätigt hat und es zum anderen nur als Ausdruck von Höflichkeit und Mitgefühl anzusehen ist, sich bei einem Menschen, dem man in einer Unfallsituation geholfen hat, später noch einmal nach seinem Befinden zu erkundigen.

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Die Aussagen der Zeugen … waren auch glaubhaft. Beide Zeugen haben das Geschehen am Vorfallstag gegen 17.00 Uhr zunächst in einer in sich geschlossenen Aussage geschildert und haben nachfolgend auf Nachfragen bestimmte Umstände vertieft, wobei sie sich dabei nicht in Widerspruch zu ihrer vorherigen Darstellung gesetzt, sondern diese sogar bekräftigt haben. Dabei ist hervorzuheben, dass beide Zeugen inhaltlich gleichbedeutend den Matschbelag auf der Treppe und die untergründige, beim Begehen bemerkbare Glätte geschildert und auch zum Ausrutschen der Klägerin gleichlautende Angaben gemacht haben. Die Schilderungen ergeben einen plausiblen Geschehensablauf, wobei das Gericht den Vorfall einschließlich des nachfolgenden Geschehens (Alarmieren der Beklagten zu1), Befragung der Klägerin, Aufsuchen der Unfallstelle durch die Zeugin … mit einem Mitarbeiter der Beklagten zu 1)) ohne weiteres nachvollziehen konnte.

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Den Aussagen der Zeugen … standen auch die Bekundungen der Zeugen … und … nicht entgegen.

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Der Zeuge …, am Vorfallstag u. a. für den U-Bahnhof … zuständiger Mitarbeiter der Beklagten zu 2), hat ausgesagt, dass er aus dem entsprechenden Eintrag im Bahnhofsbuch ersehen könne, dass er am 16. Januar 2010 zwischen 13.00 Uhr und 13.45 Uhr am U-Bahnhof … auf Höhe des C&A-Kaufhauses die normale Bahnhofsreinigung und die Winterdienstkontrolle vorgenommen habe. Das ergebe sich aus den entsprechenden Kürzeln zu seinem Namen. Die Winterdienstkontrolle bedeute, dass er sich die Treppen darauf ansehen müsse, ob ein gefahrloses Begehen möglich sei. Sofern Schnee oder Eis vorhanden wären, müsse er diese auch entfernen. Im Unterschied dazu bedeute Winterdienst, dass konkrete Winterdienstleistungen erbracht worden seien und die normale Bahnhofsreinigung, d.h. das Entleeren der Mülleimer, deswegen unterblieben sei. Wenn keine konkrete Meldung von der Beklagten zu 1) erfolge, fahre er die Bahnhöfe, so der Zeuge A. weiter, turnusmäßig an, was je nach Bahnhof einmal pro Tag oder auch etwa alle drei Stunden bedeuten könne. Bei der von ihm für den 16. Januar 2010, 13.00 Uhr bis 13.45 Uhr eingetragenen Winterdienstkontrolle handele es sich um eine turnusmäßige Kontrolle. Was er am 16. Januar 2010 zwischen 13.00 Uhr und 13.45 Uhr konkret geleistet habe, wisse er nicht mehr. Er habe aber die Treppe nicht mit Schnee- und Eisbelag hinterlassen, das könne er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren. Er könne es sich daher nicht erklären, wenn die Treppe am 16. Januar 2010 gegen 17.00 Uhr tatsächlich mit Schneematsch und Eis belegt gewesen sein soll, ausschließen könne er es aber auch nicht, weil ein etwas kälterer Wind zu Anfrierungen führen könne.

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Der Zeuge …, der Gruppenleiter beim Bahnhofsmanagement der Beklagten zu 1) ist, hat bekundet, dass es für den 16. Januar 2010 zwar die Unfallmeldung bezüglich der Klägerin, aber keine Meldung, dass sich die Treppe nicht in einem begehbaren Zustand befände, gegeben habe. Für die Kontrolle der Auf- und Abgänge sei der Bahnhofsmanager zuständig, dessen Posten im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr besetzt sei. Jeder Bahnhofsmanager habe eine Zuständigkeit von 10 bis 12 Bahnhöfen mit jeweils mehreren Auf- und Abgängen und sei gehalten, während seiner Schicht jeden Auf- und Abgang mindestens ein Mal zu kontrollieren. Davon könne es aber z.B. aufgrund konkreter Ereignisse wie Störungsfällen Abweichungen geben. Ob der zuständige Bahnhofsmanager die Treppe am 16. Januar 2010 kontrolliert habe, könne er, so der Zeuge … weiter, nicht konkret sagen. Es könne aber trotz der Kontrollen durchaus sein, dass eine Treppe mit rutschigem Matsch belegt sei, weil dieser Matsch auch von den Benutzern unter den Schuhen herangetragen werden und nicht hinter jedem Nutzer hergefegt werden könne. Nach dem Unfall der Klägerin sei, so lasse es sich den Unterlagen entnehmen, Restschnee beseitigt und die Treppe mit Sand bestreut worden.

29

Diese Aussagen der Zeugen … und … widersprechen den Angaben der Zeugen … nicht. Die Zeugen … und … hatten zunächst einmal keine konkreten Feststellungen zum Zustand der Treppe und des Unfallortes zur Vorfallszeit getroffen, und beide Zeugen hatten auch keine aktuelle Erinnerung mehr an den Vorfallstag und den Zustand der Treppe. Soweit der Zeuge … ausgesagt hat, er habe die Treppe nicht mit Schnee- oder Eisbelag hinterlassen, weil er dies nicht mit seinem Gewissen vereinbaren könne, steht dies den Angaben der Zeugen … zum glatten Zustand der Treppe nicht entgegen. Abgesehen davon, dass es sich dabei lediglich um eine allgemeine Annahme des Zeugen Ahmet ohne konkrete Erinnerung handelte, betraf der von den Zeugen … geschilderte Zustand eine Zeit von mehr als zwei Stunden später. Der Zeuge … hat aber selbst bekundet, dass er nicht ausschließen könne, dass die Treppe um 17.00 Uhr mit Schneematsch belegt und an einigen Stellen eisig gewesen sei, was durch Wind geschehen könne. Auch der Zeuge … hat ausdrücklich bekundet, dass eine Treppe mit rutschigem Matsch belegt sein könne, was er auf das Herantragen über die Schuhe der Nutzer zurückgeführt hat. Dem entspricht auch seine Angabe, dass nach dem Unfall der Klägerin zumindest “Restschnee” entfernt und die Treppe mit Sand bestreut wurde.

30

Aus dem damit zur Überzeugung des Gerichts geschilderten Zustand der Treppe zum Vorfallszeitpunkt gegen 17.00 Uhr am 16. Januar 2010, nämlich Belag der jedenfalls oberen Treppenstufen mit rutschigem Matsch und stellenweise darunter befindlicher Eisglätte, ergibt sich jedoch die Haftung beider Beklagter dem Grunde nach. Dabei sei zunächst für die Beklagte zu 2) festgestellt, dass diese der ihr von der Beklagten zu 1) vertraglich für den Zustand u. a. des fraglichen U-Bahnhofs übertragenen Verkehrssicherungspflicht nicht gerecht geworden ist. So sei der Beklagten zu 2), wie von dieser u. a. im Schriftsatz vom 23. Dezember 2010 ausführlich ausgeführt, durchaus zugestanden, dass die Verkehrssicherungspflichten bei winterlichen Wetterverhältnissen unter dem “Vorbehalt des Zumutbaren” stehen und auch das allgemeine Lebensrisiko des Nutzers einzubeziehen ist. Im Gegensatz zu beispielsweise privaten Hauseigentümern ist aber hier zu berücksichtigen, dass es sich bei der Beklagten zu 2) um ein speziell Winterdienste anbietendes Unternehmen handelt, das vorliegend auch nicht für ein privates Eigenheimgrundstück, sondern für einen der größten U-Bahnhöfe der größten Stadt Deutschlands zuständig war. Diesen U-Bahnhof betreten die Nutzer auch nicht zufällig beispielsweise im Vorbeigehen, sondern bestimmungsgemäß im Rahmen eines Vertragsverhältnisses mit der Beklagten zu 1) zur Wahrnehmung der von ihnen vergüteten Leistung der Beklagten zu 1). Die Beklagte zu 2) muss daher in einem anderen Maße als ein Eigenheimbesitzer in der Lage sein, den sicheren Zustand der U-Bahnzugänge zu gewährleisten, andernfalls darf sie einen entsprechenden Auftrag der Beklagten zu 1) nicht annehmen. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass die Beklagte zu 2) den Notwendigkeiten des Winterdienstes jedenfalls unter den Bedingungen am Vorfallstag mit einem möglicherweise dreistündigen Turnus nicht gerecht geworden ist. Am Vorfallstag lag in Berlin unabhängig davon, dass es schon einige Tage zuvor nicht mehr neu geschneit hatte, viel Schnee. Dafür ist es geradezu naturgemäß, dass, wie es auch die Zeugen … und … anschaulich bekundet haben, Schnee u. a. durch die Nutzer auf die Treppe getragen wird, der dort z.B. durch Wind auch anfrieren kann. Gerade angesichts dieser letztlich zu erwartenden Entwicklung genügt es aber bei einem U-Bahnhof von der Frequentierung desjenigen am … nicht, diesen etwa alle drei Stunden anzufahren, zu kontrollieren und gegebenenfalls Arbeiten zu erledigen. Unabhängig davon, dass es zwischen einem dreistündigen Turnus und dem Hinterherfegen hinter jedem Nutzer, wie es der Zeuge … wohl hyperbelartig darstellen wollte, durchaus noch dazwischen liegende Möglichkeiten gibt, kann es im Einzelfall bei extremen Witterungsbedingungen an einem sehr stark benutzten Abgang sogar geboten sein, während der Stoßzeiten, zu denen 17.00 Uhr durchaus noch gehört, sogar einen Mitarbeiter vor Ort zu belassen, damit dieser bei Bedarf unmittelbar eingreifen kann. Im Endeffekt muss nicht entschieden werden, ob am Vorfallstag tatsächlich ein Mitarbeiter auf Dauer für den U-Bahnhof Kurfürstendamm hätte abgestellt werden müssen; jedenfalls genügte der gewählte Rhythmus von möglicherweise drei Stunden (seit der letzten Kontrolle waren zum Vorfallszeitpunkt jedenfalls 2 ¼ Stunden vergangen) den Anforderungen am Vorfallstag nicht.

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Auch die Haftung der Beklagten zu 1) ist jedoch gemäß §§ 280 Abs. 1, 278, 823 Abs. 1 BGB gegeben. Im Rahmen des Schuldverhältnisses zwischen der Klägerin und der Beklagen zu 1), das gegenüber einem potentiellen Nutzer der von der Beklagen zu 1) betriebenen öffentlichen Verkehrsmittel besteht, haftet die Beklagte zu 1) für Verschulden ihrer Erfüllungsgehilfen und damit auch der Beklagten zu 2), derer sie sich zur Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflicht als Betreiberin der öffentlichen Verkehrsmittel gegenüber den Kunden bedient hat, gemäß § 278 BGB. Im übrigen haftet die Beklagte zu 1) auch gemäß § 823 Abs. 1 BGB, weil auch nach Delegierung der Verkehrssicherungspflicht eine restliche Aufsichts- und Überwachungspflicht bei ihr verbleibt. Dieser Aufsichts- und Überwachungspflicht ist sie aber nicht gerecht geworden. So konnte der Zeuge … nicht aus eigener Erkenntnis bestätigen, dass der U-Bahn-Abgang Kurfürstendamm am 16. Januar 2010 überhaupt kontrolliert worden wäre. Selbst sein Verweis auf die Aufgabe der Bahnhofsmanager, alle Auf- und Abgänge ihres Zuständigkeitsbereichs mindestens ein Mal pro Schicht, also innerhalb von acht Stunden, zu kontrollieren, genügt der verbliebenen Überwachungspflicht aber nicht generell. So ist zu beachten, dass der Zeuge … ausgeführt hat, dass einzelne Kontrollen unterbleiben können, wenn konkrete Störungen dazwischen treten. Daraus ergibt sich bereits, dass in einem solchen Störfall je nach Fortschreiten der Kontrolltour zum Zeitpunkt der Störung einer oder mehrere U-Bahnhöfe bzw. Auf- und Abgänge für 16 Stunden unkontrolliert bleiben können. Auch ergab sich aus dem maßgeblichen Bahnhofsmeldebuch nach Aussage des Zeugen … nicht, ob der streitgegenständliche Abgang am 16. Januar 2010 überhaupt kontrolliert worden ist. Damit bleibt aber offen, wie sichergestellt werden soll, dass ein Bahnhof/Abgang, der in einer Schicht aufgrund eines Störfalls nicht kontrolliert wurde, wenigstens in der nachfolgenden Schicht bevorzugt kontrolliert würde. Letztlich könnte damit die Kontrolle bestimmter Auf- und Abgänge aufgrund in den Wintermonaten durchaus möglicher verschiedener Störfälle auch mehrere Schichten hintereinander unterbleiben. Schließlich gilt es zu beachten, dass nach dem vom Zeugen … geschilderten System der unterschiedlichen Bedeutung der U-Bahnhöfe bzw. Auf- und Abgänge keine Rechnung getragen wird. Es ist aber erforderlich, dass ein U-Bahnhof von der Bedeutung und Frequentierung desjenigen am … häufiger kontrolliert wird als ein U-Bahnhof, den weitaus weniger Menschen nutzen. Zusammenfassend ergibt sich, dass angesichts des Umstandes, dass nicht bewiesen werden konnte, dass der U-Bahnhof … am Vorfallstag überhaupt kontrolliert wurde, wobei dieser U-Bahnhof sogar eine besondere Aufmerksamkeit erforderte, so dass die Beklagte zu 1) auch ihrer im Rahmen der delegierten Verkehrssicherungspflicht bei ihr verbliebenen Überwachungs- und Aufsichtspflicht nicht gerecht geworden ist. Die Beklagte zu 1) haftet daher dem Grunde nach auch aus § 823 Abs. 1 BGB.

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Die Klägerin muss sich aber ein 25 %iges Mitverschulden zurechnen lassen, weil sie beim Begehen der Treppe nicht einen der Handläufe benutzt hat. Dem liegt zugrunde, dass die Treppe, wie die Klägerin selbst ausführt, nicht von Schnee- und Eismatschresten befreit war. Dieser Zustand war aber für einen herannahenden Passanten erkennbar. Soweit die Klägerin einwendet, es sei zum Vorfallszeitpunkt gegen 17.00 Uhr bereits dunkel gewesen, ist darauf zu verweisen, dass der … am Unfallort während der dunklen Tageszeiten stark ausgeleuchtet ist, so dass der Zustand der Treppe durchaus zu erkennen gewesen sein muss. Das ergibt sich auch aus der Aussage der Zeugin …, die bekundet hat, dass sie schon beim Herannahen an die Treppe gesehen habe, dass diese mit einem Gemisch aus Schneematsch und möglicherweise Streumittel belegt gewesen sei. Nach der Lebenserfahrung ist aber bei einem derartigen Zustand davon auszugehen, dass eine Rutschgefahr bestehen könnte. Auch dies ergibt sich im übrigen aus der Aussage der Zeugin …, die ausgeführt hat, dass sie bemerkt habe, dass es rutschig sein könne, und dass sie deswegen, auch zur Sicherheit ihres Mannes, am Handlauf gegangen sei. Die Klägerin hätte daher angesichts der Erkennbarkeit eines möglicherweise rutschigen Zustands der Treppe besondere Vorsicht walten lassen und insofern den Handlauf benutzen müssen. Entgegen der von ihr vertretenen Ansicht ist auch nicht davon auszugehen, dass die Benutzung des Handlaufs keine größere Sicherheit geboten hätte. Es ist ohne weiteres nachzuvollziehen, dass bei Benutzung eines Handlaufs selbst dann, wenn das Ausrutschen selbst nicht zu verhindern ist, die Möglichkeit besteht, sich durch das Festhalten zu stabilisieren und daher den eigentlichen Sturz abzumildern oder zu verhindern. Das aus der fehlenden Handlaufbenutzung resultierende Mitverschulden ist aber weder als derart erheblich, dass das Verschulden der Beklagten dadurch verdrängt wird, noch überhaupt als überwiegend einzustufen, sondern nur auf 25 % zu bemessen. Zu berücksichtigen ist nämlich zum einen, dass die Beklagte zu 1) selbst in der Klageerwiderung vom 23. Juli 2010 vorgetragen hat, dass nach dem Unfall der Klägerin noch auf den oberen fünf Stufen vorhandene seitlich festgetretene Schneereste beseitigt worden seien. Daraus ergibt sich aber, dass die Benutzung der Treppenseiten, an denen die Handläufe entlanggehen, trotz der erhöhten Sicherheit durch das Festhalten auch eine zusätzliche Gefahr durch die gerade auch dort vorhandenen Schneereste bot. Die damit notwendige Abwägung zwischen der Sicherheit der Handläufe und der Gefahr durch die Schneeränder kann der Klägerin daher nicht überwiegend angelastet werden. Zum anderen ist angesichts der schon mehrfach erwähnten erheblichen Frequentierung dieses Abgangs zu beachten, dass eine Verlagerung des gesamten Fußgängerstroms an die Handläufe zu einer nicht unerheblichen Benutzbarkeitseinschränkung des Abgangs führen würde. Die Treppenmitte müsste völlig ungenutzt bleiben, alle Fußgänger würden sich hinter möglicherweise langsam hinabgehenden Passanten “stauen”, wie es auch die Zeugin … als möglich und von ihr in Kauf genommen beschrieben hat. Die Beklagten können sich daher durch die Verweisung auf die Handläufe nicht ihrer Verantwortung, die Treppe in voller Breite von rutschigem Belag zu befreien, entziehen. Insgesamt erscheint daher eine wegen der aus den Aussagen der Zeugen … zu entnehmenden größeren Sicherheit durch Benutzung der Handläufe gegebene Mitverschuldensquote von 25 % als sachgerecht.

33

Als Konsequenz aus diesem Unfall geht das Gericht davon aus, dass die Klägerin die von ihr beschriebenen und bereits am Vorfallstag diagnostizierten Druck- und Belastungsschmerzen an weiten Teilen der linken Körperhälfte mit Bewegungseinschränkungen und einer Prellmarke am Hinterkopf sowie die drei Tage später festgestellten Beeinträchtigungen an der Hals- und Lendenwirbelsäule und der Hüfte und insbesondere auch den erst am 29. Januar 2010 diagnostizierten knöchernen Abriss am Dreiecksbein des linken Handgelenks erlitten hat und dadurch eine Arbeitsunfähigkeit bis Mitte Mai 2010 gegeben war. Des weiteren geht das Gericht für den aktuellen und zukünftigen Zustand davon aus, dass im linken Handgelenk eine leichte, wahrscheinlich dauerhafte Bewegungs- und Kraftentwicklungseinschränkung verblieben ist und dass Spätfolgen in Form von Arthritis jedenfalls nicht generell auszuschließen sind, auch wenn die Unfallbedingtheit einer etwaig eintretenden Arthritis derzeit nicht beurteilt werden kann.

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Das Gericht stützt seine Überzeugung bezüglich der schon eingetretenen Unfallfolgen auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. … vom 21. Juli 2011 sowie dessen ergänzende Stellungnahmen vom 25. Oktober 2011 und 30. Dezember 2011.

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Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ausgeführt, dass sich aus den von der Klägerin vorgelegten Krankenunterlagen und Befundberichte sowie Röntgenbildern und Computertomographien ergebe, dass sich die Klägerin eine Prellmarke am Hinterkopf sowie Druck- und Bewegungsschmerzen in verschiedenen Bereichen der linken Körperhälfte zugezogen habe. Darüber hinaus hat der Sachverständige speziell zur Frage des erst verspätet festgestellten knöchernen Abrisses am Dreiecksbein der linken Hand ausgeführt, dass “gut nachvollziehbar” sei, dass dieser trotz sachgemäßer ärztlicher Versorgung am Vorfallstag und in den Tagen danach erst 13 Tage später durch ein CT ermittelt worden wäre, da zunächst keine Indikation für ein CT bestanden habe und der knöcherne Abriss durch die anfänglichen Untersuchungsmethoden auch nicht feststellbar gewesen sei. In der Zeit vom 19. Januar bis 25. Februar 2010 sei das linke Handgelenk der Klägerin eingegipst gewesen; eine elastische Handgelenksorthese habe sie ab dem 09. März 2010 und jedenfalls noch bei der Begutachtung am 21. Juli 2011 getragen. Von der knöchernen Ausheilung der Verletzung sei nach üblicherweise 3 bis 4 Monaten auszugehen; festzustellen sei sie vorliegend aufgrund eines CT vom 13. Juli 2010. Spätestens zu diesem Zeitpunkt habe auch wieder die Arbeitsfähigkeit der Klägerin bestanden. Bei den Weichteilveränderungen sei üblicherweise nach 6 bis 8 Monaten ein vorläufiger Endzustand erreicht, so dass der bei Begutachtung der Klägerin gegebene Zustand vermutlich ab September 2010 vorgelegen habe. Die nunmehr vorhandene geringfügige Beweglichkeits- und Kraftentwicklungseinschränkung sei vermutlich endgültig. Degenerative Vorerkrankungen über das altersübliche Maß hinaus seien aufgrund der vorliegenden Krankenunterlagen nicht festzustellen.

36

Diese gutachterlichen Ausführungen konnte das Gericht seiner rechtlichen Würdigung zugrunde legen. Bedenken gegen die Glaubwürdigkeit des Sachverständigen bestehen nicht. Seine gutachterlichen Ausführungen sind darüber hinaus auch glaubhaft. Der Sachverständige hat für das Gericht nachvollziehbar ausgeführt, aus welchen Gründen er die bei der Klägerin im Nachgang zum streitgegenständlichen Unfall diagnostizierten Verletzungen und insofern auch den vor allem maßgeblichen knöchernen Abriss für unfallbedingt erachtet. Darüber hinaus hat er sich mehrfach und auch auf Nachfragen widerspruchsfrei zur Dauer der Arbeitsunfähigkeit geäußert und hat dabei auch die Einschränkung seiner Erkenntnismöglichkeiten herausgestellt. Schließlich hat der Sachverständige auch zur Frage feststellbarer degenerativer Vorerkrankungen plausibel Stellung genommen.

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Damit geht das Gericht davon aus, dass die von der Klägerin angegebenen und vom Sachverständigen bestätigten Verletzungen auf dem Sturz vom 16. Januar 2010 beruhen, weil ein Großteil dieser Verletzungen direkt nach dem Vorfall im … Krankenhaus diagnostiziert wurde und sich die weiteren am 19. Januar 2010 festgestellten Beeinträchtigungen schlüssig auf den Vorfall (Sturz auf die linke Körperhälfte) zurückführen lassen und zu den direkt nach dem Vorfall diagnostizierten Verletzungen passen. Darüber hinaus sieht das Gericht auch den knöchernen Abriss am Dreiecksbein des linken Handgelenks als unfallbedingt an, auch wenn dieser erst 13 Tage nach dem Vorfall festgestellt wurde. Das Gericht hat keinerlei Veranlassung zu der Annahme, dass die Klägerin zwischen dem Vorfallstag und der Diagnose des Abrisses des Dreiecksbeins in einen weiteren schlüssig dazu passenden Vorfall verwickelt gewesen sein könnte, wobei für die Beweisführung die durch das Gutachten gestützte Überzeugung des Gerichts von der Unfallbedingtheit der Schädigung ausreicht. Der Sachverständige hat auch, wie bereits wiedergegeben, schlüssig ausgeführt, dass es gut nachvollziehbar sei, dass der knöcherne Abriss durch den Sturz entstanden und dennoch erst 13 Tage später diagnostiziert worden sei. Für die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin geht das Gericht von einem Zeitraum bis Mitte Mai 2010 aus. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die ausreichend stabile knöcherne Ausheilung nach medizinischer Ansicht nach drei bis vier Monaten erreicht sei. Vorliegend sei sie erstmals mit dem CT vom 13. Juli 2010 dokumentiert worden, so dass jedenfalls längstens bis Juli 2010 Arbeitsunfähigkeit bestanden habe. Diese Ausführungen des Sachverständigen führen aber zu einer nach Auffassung des Gerichts bereits ab Mitte Mai 2010 gegebenen Arbeitsfähigkeit. Wie sich den wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen entnehmen lässt, hat er die knöcherne Ausheilung zur Grundlage der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erhoben. Danach hat er das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit auf längstens bis Juli 2010 bestimmt, weil bei der Klägerin eben erst am 13. Juli 2010 ein erneutes CT gefertigt wurde, auf dem die knöcherne Ausheilung zu erkennen ist. Die Klägerin hat damit aber nicht bewiesen, dass die knöcherne Ausheilung nicht schon, wie medizinisch anzunehmen, spätestens nach vier Monaten und damit Mitte Mai 2010 vorgelegen hätte. Der Beweis weitergehender Unfallfolgen obliegt aber der Klägerin, der es nicht über die sachverständige Wahrscheinlichkeit hinausgehend zugute gehalten werden kann, dass zwischenzeitliche Befunde fehlen. Im übrigen sei nur ergänzend angeführt, dass diese Annahme auch zu den eigenen Verhaltensweisen der Klägerin passt. So hat die Klägerin selbst ausgeführt, dass sie bis letztmalig am 20. Mai 2010 eine Haushaltshilfe beschäftigt habe. Die Klägerin hat sich demnach nach diesem Zeitpunkt imstande gesehen, ihren Haushalt wieder selbst zu organisieren. Dieser Umstand dient aber lediglich der Untermauerung; die Überzeugung des Gerichts stützt sich auf die gutachterlichen Ausführungen. Schließlich sieht das Gericht keine Veranlassung, von einer Beeinflussung der Verletzungen durch bestimmte Vorerkrankungen der Klägerin auszugehen. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass er über das altersbedingte Maß hinaus den Unterlagen keine Anzeichen für degenerative Vorerkrankungen der Klägerin entnommen habe. Diese Feststellung erachtet das Gericht als ausreichend. Der Sachverständige hat in keinem Punkt seiner Ausführungen Anlass zu der Annahme gegeben, dass die vorliegenden Unterlagen zur Beurteilung degenerativer Vorerkrankungen nicht ausreichend sein könnten. Vielmehr hat er lediglich dargestellt, dass er diese Beurteilung nur aufgrund der ihm vorliegenden Unterlagen treffen könne. Anlass dazu, der Klägerin die Vorlage eines vollständigen Vorerkrankungsverzeichnisses nebst entsprechenden Unterlagen aufzugeben, bestand daher nicht und hätte die Darlegungspflicht der Klägerin – auch unter Gesichtspunkten des Schutzes ihres Persönlichkeitsrechts – auch weit überschritten.

38

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes ist daher von einer Arbeitsunfähigkeit von vier Monaten auszugehen. Des weiteren war zu berücksichtigen, dass die weiteren Verletzungen der Klägerin, insbesondere die unmittelbaren nach dem Unfall diagnostizierten Prellungen großer Bereiche der linken Körperhälfte und des Hinterkopfes, ohne Zweifel sehr schmerzhaft waren. Auch hatte in die Bemessung einzufließen, dass das linke Handgelenk der Klägerin in der Zeit vom 19. Januar bis 25. Februar 2010 eingegipst war. Insgesamt musste schließlich zum Tragen kommen, dass die Klägerin Linkshänderin ist und nach den Feststellungen des Sachverständigen wohl dauerhaft eine wenn auch leichte Bewegungs- und Kraftentwicklungseinschränkung im linken Handgelenk verblieben ist. Die aus dem Umstand, dass die Klägerin Linkshänderin ist, resultierenden zusätzlichen Beeinträchtigungen müssen die Beklagten gegen sich gelten lassen, weil der Schädiger nicht einen durchschnittlichen Geschädigten zugrunde legen, sondern die konkrete Person mit ihren speziellen Gegebenheiten akzeptieren muss.

39

Insgesamt erschien dem Gericht danach bei einer vollen Haftung ein Schmerzensgeld von 3.500,– € sachgerecht. Dem stand nicht entgegen, dass die Klägerin selbst das Schmerzensgeld mit einem Betrag von nicht unter 3.000,– € beziffert hat. Unabhängig von der schon erörterten Zulässigkeit eines solchen Antrags verstößt das Gericht bei der Bemessung von Schmerzensgeld wegen der für den Kläger mit der Einschätzung verbundenen erheblichen Unwägbarkeiten nicht gegen den Grundsatz des § 308 Abs. 1 S. 1 ZPO, wenn der als berechtigt ausgeurteilte Schmerzensgeldbetrag die Mindestvorstellung des Klägers überschreitet. Vorliegend war der bei voller Haftung der Beklagten als berechtigt angesehene Schmerzensgeldbetrag dann jedoch aufgrund des 25 %igen Mitverschuldens der Klägerin auf 2.625,– € zu reduzieren.

40

Insoweit war der Klage mit dem Antrag zu Ziffer 1. stattzugeben, im übrigen war sie abzuweisen.

41

Die diesbezügliche Zinsentscheidung beruht auf §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 S. 2, 288 Abs. 1 BGB.

42

Die Begründetheit des Feststellungsantrags zu Ziffer 2. bezüglich sämtlicher weiterer materieller oder immaterieller Schäden aus dem streitgegenständlichen Vorfall, reduziert jedoch auf eine Quote von 75 % wegen des bereits erörterten Mitverschuldens der Klägerin, ergibt sich aus der bereits dargestellten Haftung der Beklagten dem Grunde nach sowie dem nicht möglichen Ausschluss von weiteren, derzeit noch nicht erkennbaren oder auch noch gar nicht entstandenen Schäden aus dem Sturz vom 16. Januar 2010. Bei Unfallereignissen, die zu Körperverletzungen geführt haben, ist ein solcher Feststellungsanspruch regelmäßig begründet; Bedenken könnten allenfalls dann bestehen, wenn aus medizinischer Sicht weitere nicht erkennbare Spätschäden definitiv auszuschließen wären wie möglicherweise bei Bagatellverletzungen. Bei einer knöchernen Verletzung ist ein solcher Ausschluss aber keinesfalls möglich; vielmehr hat die Klägerin sogar plausibel dargelegt, dass bei Knochenverletzungen ein späteres erhöhtes Arthroserisiko durchaus besteht. Nach allem ist die Begründetheit des Feststellungsantrags zu Ziffer 2. für eine Haftungsquote von 75 % hier ohne weiteres gegeben.

43

Im Rahmen des mit dem Antrag aus dem Schriftsatz vom 02. April 2012 mit 1.287,34 € bezifferten derzeitigen materiellen Schadens waren der Klägerin schließlich insgesamt 713,69 € zuzusprechen. Dabei resultieren 378,– € aus dem mit 504,– € geltend gemachten Haushaltsführungsschaden. Das Gericht sieht es aufgrund der sachverständig bestätigten Verletzungen der Klägerin und der vom Gutachter jedenfalls für den Zeitraum von bis zu vier Monaten für üblich erachteten und vom Gericht angenommenen Arbeitsunfähigkeit der Klägerin für erwiesen an, dass die Klägerin vom Unfall an jedenfalls bis Mitte Mai 2010 nicht in der Lage war, ihren Haushalt komplett selbst zu erledigen. Dabei kann die Klägerin auch nicht auf die Mithilfe ihrer Kinder verwiesen sind, da der Geschädigte nicht verpflichtet ist, bestimmte Schadenspositionen durch überobligationsmäßigen Einsatz seiner selbst oder seiner Familienangehörigen zu vermeiden. Soweit die Beklagten bestreiten, dass die von der Klägerin angegebene Frau … an den angeführten Tagen Haushaltshilfsleistungen in dem benannten Umfang erbracht hat, war das Gericht berechtigt, diesen Schadenseintritt gemäß § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO zu schätzen. Angesichts der Überzeugung des Gerichts, dass die Klägerin mit ihrer verletzten Hand ihren Haushalt nicht selbst erledigen konnte, sah das Gericht aber auch keine begründeten Zweifel daran, dass die Hilfsleistungen erbracht worden sind. Auch der Umfang der daraus resultierenden Forderung war für das Gericht plausibel. So hat die Klägerin vorgetragen, dass Frau … im Zeitraum von Mitte Februar 2010 bis Mitte Mai 2010 Haushaltshilfsleistungen im Umfang von 63 Stunden erbracht hätte. Daraus resultieren durchschnittlich 21 Stunden im Monat, was keinesfalls als zu umfangreich erscheint. Dabei ist auch anzuführen, dass die Hilfsleistungen gemäß der klägerischen Aufstellung zu Beginn einen größeren Umfang eingenommen und zum Ende hin zeitlich weniger geworden sind. Auch das ist schlüssig, weil davon auszugehen ist, dass die Hand der Klägerin zum Ende hin eben wieder besser einsetzbar war als am Anfang. Schließlich ist auch der von der Klägerin angegebene Stundensatz von 8,– € angemessen, wobei das Gericht auch keine begründeten Zweifel daran hatte, dass die Klägerin den daraus resultierenden Gesamtbetrag von 504,– € auch an Frau … gezahlt hat. Dass dies erst mehr als ein Jahr nach Ende der Hilfsleistungen erfolgt sein soll, steht dieser Überzeugung nicht entgegen, weil die Klägerin dies schlüssig mit einer entsprechenden Absprache und ihrer eingeschränkten finanziellen Leistungsfähigkeit begründet hat. Unter Berücksichtigung ihres Mitverschuldens von 25 % konnte die Klägerin davon somit 378,– € von den Beklagten beanspruchen.

44

Die Klägerin hat darüber hinaus auch Anspruch auf insgesamt 83,87 € für Kopien von Behandlungsunterlagen, einen Befundbericht, eine von ihr geleistete Zuzahlung und dreifache Praxisgebühren. Diese Positionen sind nachvollziehbar, die Klägerin hat auch entsprechende Quittungen vorgelegt. Das Gericht hatte unter Heranziehung von § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO keinen Zweifel, dass diese Zahlungen unfallbedingt entstanden sind. Soweit die Praxisgebühren angesetzt werden, können die Beklagten der Klägerin auch nicht entgegenhalten, dass diese möglicherweise auch ohne den Vorfall in den entsprechenden Quartalen zum Arzt gegangen wäre. Vorliegend steht fest, dass die Klägerin im ersten bis dritten Quartal 2010 unfallbedingt Arztbesuche vornehmen musste. Dieser Kausalität stehen hypothetische Überlegungen nicht entgegen, insbesondere kann nicht von sogenannten Sowieso-Kosten ausgegangen werden. Von dem daraus resultierenden Schadensbetrag von 111,82 € sind damit 75 %, d.h. 83,87 €, ersetzbar.

45

Schließlich steht der Klägerin ein unfallbedingter Verdienstausfall von 251,82 € zu. Wie sich schon aus der Klageschrift und der als Anlage dazu eingereichten Lohn- und Gehaltsabrechnung ergibt, hat die Klägerin vor dem Unfall monatlich 778,48 € netto verdient. Unfallbedingt hat sie von ihrer Krankenversicherung, der …, ab 01. März 2010 ein Krankentagegeld von 21,19 € pro Tag erhalten. Dabei kann der Klägerin der Verdienstausfallschaden jedoch nur bis Mitte Mai 2010 zuerkannt werden, weil das Gericht vom Nachweis der Arbeitsunfähigkeit nur bis zu diesem Zeitpunkt ausgeht. Der Hinweis der Beklagten, der Zeitraum der Zahlung des Krankentagegeldes sei aus dem vorgelegten Bescheid nicht absehbar, greift nicht, weil sich die Klägerin das Krankentagegeld schadensmindernd anrechnen lässt. Angesichts der vom Gericht angenommenen Arbeitsunfähigkeit bis Mitte Mai 2010 ist daher der Differenzbetrag zwischen Nettoverdienst und Krankentagegeld für diesen Zeitraum als Verdienstausfall zuzuerkennen. Von dem sich daraus ergebenden Betrag von 335,76 € (Nettoverdienst für 2 ½ Monate von 1.946,20 € abzüglich Krankentagegeld für 76 Tage von insgesamt 1.610,44 €) konnten der Klägerin allerdings wiederum nur 75 % und damit 251,82 € zuerkannt werden.

46

Damit ergibt sich im Rahmen des Antrags zu Ziffer 3. ein Anspruch der Klägerin in Höhe von 713,69 €, hinsichtlich dessen der Klage mit diesem Antrag stattzugeben war, während im übrigen die Abweisung erfolgte.

47

Insgesamt war der Klage daher hinsichtlich eines vorläufigen Schmerzensgeldes von 2.625,– €, der Feststellung einer Haftungsverpflichtung der Beklagten für weitere Schäden zu 75 % und einem bereits bezifferbaren materiellen Schaden von 713,69 € stattzugeben, im übrigen war sie abzuweisen.

48

3. Die Kostenentscheidung resultiert unter Bildung der Kostenquote auf der Basis des im gerichtlichen Schreiben vom 20. August 2012 angenommenen Streitwerts von 4.787,34 € auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und 2 ZPO.

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