Zur Verkehrssicherungspflicht eines Theaterbetreibers beim Abfeuern eines Schreckschusses in einer Theateraufführung

BGH, Urteil vom 08. November 2005 – VI ZR 332/04

Zur Verkehrssicherungspflicht eines Theaterbetreibers beim Abfeuern eines Schreckschusses in einer Theateraufführung

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. Juli 2004 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Verpflichtung des beklagten Landes (künftig: des Beklagten) zum Ersatz des Schadens, den der Kläger durch einen Schreckschuss in der Aufführung des „Faust“ von Johann Wolfgang von Goethe im Staatstheater W. am 4. April 1999 erlitten haben will.

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Der Kläger litt seit 1. März 1997 an einem chronischen Tinnitus (Ohrgeräusch) infolge eines Knalltraumas durch einen Pistolenschuss. Er war deshalb bis 26. Mai 1997 in ohrenärztlicher Behandlung.

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Während der Aufführung am 4. April 1999 – es war die 74. Aufführung dieser Inszenierung – setzte ein Schauspieler kurz vor der Pause einen Gehörschutz auf und feuerte dann einen Schuss aus einer 9 mm-Schreckschusspistole ab, der am Sitzplatz des Klägers zwischen 128 und 129 dB (A) laut war. Der Kläger erkundigte sich, ob mit weiteren Schüssen zu rechnen war, wartete nach der Pause außerhalb des Zuschauerraums einen zweiten Schuss ab und nahm dann den Rest der Aufführung wahr.

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Er hat vorgetragen, sein Tinnitus habe sich seit 1997 soweit gebessert gehabt, dass er nahezu beschwerdefrei gewesen sei. Seine Beschwerden hätten sich durch den Schuss in der Aufführung vom 4. April 1999 wesentlich verschlimmert. Er hat deshalb Klage auf Zahlung eines Schmerzensgeldes und Feststellung der Ersatzverpflichtung des Beklagten für sämtliche materiellen und immateriellen Schäden erhoben.

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Das Landgericht, dessen Urteil u.a. in NJW-RR 2004, 887 veröffentlicht ist, hat der Klage überwiegend stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Ziel einer Zurückweisung der Berufung des Beklagten weiter.

Entscheidungsgründe
I.

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Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner – u.a in VersR 2005, 1406 veröffentlichten – Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, es komme nicht darauf an, ob sich das vorbestehende Tinnitus-Leiden des Klägers durch den Schuss verschlimmert habe. Die Bediensteten des Beklagten hätten jedenfalls nicht fahrlässig gehandelt. Ein vollkommener Schutz der durch § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechtsgüter sei praktisch nicht zu erreichen. Eine zur Bestimmung der Sorgfaltsanforderungen im Einzelfall erforderliche Interessenabwägung führe zu dem Ergebnis, dass die Fahrlässigkeit eines Verhaltens zu verneinen sei, wenn derjenige Sicherheitsgrad erreicht worden sei, den die in diesem Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich erachte. Ein Hinweis auf Gefahr- und Sicherheitserwartungen des Verkehrs könne sich zwar aus den in den betreffenden Verkehrskreisen üblichen Vorsichtsmaßregeln ergeben. Auch habe für einen besonders empfindlichen Theaterbesucher die Gefahr einer erheblichen und unheilbaren Gehörschädigung durch Minderung des Hörvermögens oder durch ein Ohrgeräusch bestanden. Der Eintritt eines entsprechenden Schadens sei aber außerordentlich unwahrscheinlich („unterhalb des Promillebereichs“) gewesen. Dementsprechend habe nur der Kläger als einziger von mehr als 23.000 Besuchern der Inszenierung über Beschwerden geklagt. Auch deutschlandweit seien von den anderen 150 öffentlich-rechtlichen Theatern mit über 20 Mio. Besuchern jährlich und den privatrechtlich organisierten Bühnen Streitigkeiten über die Haftung für Gehörschäden bislang nicht bekannt geworden, obwohl auch an diesen in ähnlicher Weise wie am Hessischen Staatstheater Schreckschüsse abgefeuert würden. Jeder Theaterbesucher wisse, dass es im Theater nicht immer leise zugehe und dass ein Regisseur nicht wegen besonderer Empfindlichkeiten von vereinzelten Besuchern auf einen „Knalleffekt“ verzichte. Die weitgehende Üblichkeit derartiger Geräuschimmissionen und die völlige Unüblichkeit hierauf bezogener Warnhinweise ließen eine Verletzung der den Theaterbesuchern gegenüber erforderlichen Sorgfalt nicht erkennen. Der vorgeschädigte und überempfindliche Kläger sei mit dem Besuch des Theaters ein Risiko eingegangen. Die Folgen einer Verwirklichung dieses Risikos müsse er selbst tragen.

II.

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Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand.

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1. Zutreffend geht das Berufungsgericht von einer zivilrechtlichen Pflicht des Theaterträgers aus, Theaterbesucher vor Körper- und Gesundheitsschäden zu schützen, die aus dem Theaterbetrieb resultieren, mit denen aber bei einem Theaterbesuch nicht gerechnet werden muss. Das gilt in gleicher Weise für Rutschgefahren vor dem wie auch im Theater (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1985 – III ZR 137/84VersR 1985, 973; OLG München VersR 1988, 740; OLG Karlsruhe VersR 1985, 1196) wie für sonstige Schädigungen durch den Betrieb des Theaters. Für etwaige Pflichtverletzungen hat der Theaterbetreiber entweder unmittelbar aus eigenem Verschulden wegen mangelnder Instruktion seiner Bediensteten oder über §§ 31, 831 BGB einzustehen. Das gilt sowohl wenn ein Besucher etwa durch eine herunterfallende Kulisse geschädigt wird, gilt aber grundsätzlich auch für Lärmschädigungen durch den Betrieb.

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Derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, ist grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Das entspricht ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 – VI ZR 182/89VersR 1990, 498, 499; vom 4. Dezember 2001 – VI ZR 447/00VersR 2002, 247, 248 und vom 15. Juli 2003 – VI ZR 155/02VersR 2003, 1319, jeweils m.w.N.; vgl. auch BGHZ 121, 367, 375 und BGH, Urteil vom 13. Juni 1996 – III ZR 40/95VersR 1997, 109, 111). Die rechtlich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren.

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Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch (vgl. Senatsurteil vom 15. April 1975 – VI ZR 19/74VersR 1975, 812). Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar (vgl. Senatsurteil vom 21. April 1964 – VI ZR 39/63VersR 1964, 746). Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 – VI ZR 19/74 – aaO; vom 10. Oktober 1978 – VI ZR 98/77 – und – VI ZR 99/77VersR 1978, 1163, 1165; vom 5. Mai 1987 – VI ZR 181/86VersR 1987, 1014, 1015; vom 4. Dezember 2001 – VI ZR 447/00 – aaO; vom 15. Juli 2003 – VI ZR 155/02 – aaO). Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur die Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (vgl. Senatsurteile vom 10. Oktober 1978 – VI ZR 98/77 – und – VI ZR 99/77 – aaO; vom 15. Juli 2003 – VI ZR 155/02 – aaO; BGHZ 14, 83, 85). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F., jetzt § 276 Abs. 2 BGB n.F.) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (vgl. Senatsurteil vom 16. Februar 1972 – VI ZR 111/70VersR 1972, 559, 560; vom 15. Juli 2003 – VI ZR 155/02 – aaO). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger dieser Berufsgruppe für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind; Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können (vgl. Senatsurteile vom 12. Februar 1963 – VI ZR 134/62VersR 1963, 532; vom 19. Mai 1967 – VI ZR 162/65VersR 1967, 801; vom 4. Dezember 2001 – VI ZR 447/00 – aaO und vom 15. Juli 2003 – VI ZR 155/02 – aaO).

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Kommt es in Fällen, in denen hiernach keine Schutzmaßnahmen getroffen werden mussten, weil eine Gefährdung anderer zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber nur unter besonders eigenartigen und entfernter liegenden Umständen zu befürchten war, ausnahmsweise doch einmal zu einem Schaden, so muss der Geschädigte – so hart dies im Einzelfall sein mag – den Schaden selbst tragen. Er hat ein „Unglück“ erlitten und kann dem Schädiger kein „Unrecht“ vorhalten (vgl. Senatsurteile vom 15. April 1975 – VI ZR 19/74 – aaO und vom 15. Juli 2003 – VI ZR 155/02 – aaO).

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2. Nach diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht eine Haftung des Beklagten verneint. Das beanstandet die Revision ohne Erfolg.

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a) Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme angenommen, dass der von einem Schuss verursachte Impulslärm an sich geeignet ist, die Sinneshärchen im Innenohr „umzuknicken“, weil der Körper dagegen nicht schnell genug mit einem Selbstschutzmechanismus reagieren könne. Eine derartige „Schädigung“ ist nicht mehr rückgängig zu machen, wird allerdings häufig in kaum wahrnehmbarer Weise erfolgen. Feststellungen dazu, dass vorliegend ein solches Umknicken von Sinneshärchen tatsächlich erfolgt ist, hat das Berufungsgericht jedoch nicht treffen können.

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b) Selbst wenn eine derartige Schädigung des Klägers zu Gunsten der Revision unterstellt wird, ergab sich jedoch für ein sachkundiges Urteil nicht vorausschauend die nahe liegende Gefahr einer solchen Verletzung von Rechtsgütern. Das Berufungsgericht hat vielmehr festgestellt, der Eintritt eines erheblichen Gesundheitsschadens sei außerordentlich unwahrscheinlich gewesen; das greift die Revision im Ergebnis erfolglos an.

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(1) Zwar macht die Revision zu Recht geltend, dass die Feststellung des Berufungsgerichts, der Sachverständige habe den potentiell gefährdeten Personenkreis auf etwa 25 % der Bevölkerung geschätzt, in dessen Ausführungen keine Stütze findet. Dieser hat vielmehr ausgeführt, die Schwelle des Risikos für den Normalhörenden sei überschritten, wenn der Schalldruck 84 dB (A) übersteige. Daraus folgt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, dass jeder Besucher am Platz des Klägers bei einem Schalldruck von 128 dB (A) potentiell gefährdet war. Nach den Ausführungen des Sachverständigen waren sogar 25 % der Bevölkerung in gesteigertem Maße gefährdet, nämlich 20 % Vorgeschädigte (wie der Kläger) und 5 % Überempfindliche ohne Schwerhörigkeit.

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(2) Auf dieser zumindest missverständlichen Wiedergabe der Sachverständigenäußerungen beruht das Berufungsurteil jedoch nicht. Wie das Berufungsgericht – von der Revision unbeanstandet – ausführt, hat der Sachverständige in der Berufungsverhandlung des Weiteren erläutert, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadenseintritts hänge von Ausmaß, Zeit und Geschwindigkeit des Anstiegs des Lärmpegels ab. Für den hier zu beurteilenden Sachverhalt hat der Sachverständige die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts unterhalb des Promillebereichs angesiedelt; das steht im Einklang mit der Aussage des Zeugen J., von den 23.000 Besuchern dieser Inszenierung habe allein der Kläger Beschwerden wegen einer Gehörschädigung geführt.

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(a) Die Revision rügt zwar, das Berufungsgericht habe sich nicht damit auseinandergesetzt, dass der Zeuge J. als verantwortlicher Direktor des Theaters einem Regressanspruch ausgesetzt sei und dass seinerzeit nicht alle Post über seinen Schreibtisch gelaufen sei, sondern auch über den seines Vertreters. Sie lässt dabei jedoch außer Betracht, dass das Berufungsgericht ausdrücklich auch die Aussage des Zeugen berücksichtigt hat, dass er über entsprechende Beschwerden wegen ihrer außerordentlichen Bedeutung in jedem Fall unterrichtet worden wäre. Damit durfte das Berufungsgericht davon ausgehen, dass keine weiteren Beschwerden von Theaterbesuchern über Lärmschädigungen eingegangen waren, die dem Zeugen etwa unbekannt geblieben wären. Auch die Gefahr eines Regresses gegen den Zeugen musste entgegen der Auffassung der Revision keine durchgreifenden Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage wecken, zumal der Fall vereinzelt geblieben ist.

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(b) Der auf die Aussage des Zeugen J. gestützte Schluss des Berufungsgerichts, andere Theaterbesucher hätten keinen Hörschaden durch die Inszenierung davon getragen, beruht nicht auf einer Verletzung des § 286 ZPO. Zwar kann der Revision darin gefolgt werden, dass die Durchsetzung eines Anspruchs erhebliche zeitliche und auch finanzielle Mühen mit sich bringt, die manchen Geschädigten von der Durchsetzung seiner Ansprüche abhalten mögen. Dieser Aspekt tritt jedoch mit zunehmender Schwere des Schadens zurück. Der auch von der Revision nicht in Zweifel gezogene Umstand, dass kein anderer Theaterbesucher derartige Ansprüche geltend gemacht hat, ist daher ein Indiz dafür, dass keine erheblichen Schädigungen erfolgt sind.

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(c) Der von der Revision geltend gemachte Widerspruch in der Begründung des Berufungsurteils besteht nicht. Wenn das Berufungsgericht im Ergebnis dazu gelangt, die Theaterbesucher hätten den Schreckschuss hinnehmen müssen, dann ersichtlich deshalb, weil es im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen die Gefahr einer Hörschädigung nicht für nahe liegend hält. Das begründet keinen Widerspruch dazu, dass Beschwerden anderer Besucher nicht feststellbar sind. Die Revision weist selbst auf die weiteren Erläuterungen des Sachverständigen hin, die von ihr in den Vordergrund ihrer Erwägungen gestellte Schädigung der Sinneshärchen durch Umknicken sei für die Geschädigten im allgemeinen wegen der geringen Anzahl solcher Schädigungen „kaum wahrnehmbar“, werde also regelmäßig nicht zu Beschwerden führen.

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(3) Gegenteiliges ergibt sich entgegen der Auffassung der Revision auch nicht daraus, dass der den Schuss abgebende Schauspieler unmittelbar vor Abfeuern des Schusses einen Gehörschutz aufgesetzt hat. Das Berufungsgericht stellt – unbeanstandet von der Revision – fest, dass der Schalldruck im Bereich des Schützen deutlich höher war als im Bereich des Publikums. Auf die von der Revision als spekulativ bezeichneten Erwägungen des Berufungsgerichts, dass der Gehörschutz aus künstlerischen Gründen verwendet worden sein könne, kommt es deshalb nicht an.

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3. Letztlich verhilft es der Revision auch nicht zum Erfolg, dass der Verkehrssicherungspflichtige typischen Gefahren, auch wenn sie selten eintreten, jedenfalls dann begegnen muss, wenn sie zu nicht unerheblichen Schäden führen können (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 1989 – VI ZR 258/88VersR 1989, 1307). Zwar hat der Sachverständige die vom Kläger geltend gemachte Schädigung als typisches Risiko bezeichnet, weil bereits ab 84 dB (A) die Schwelle des Risikos für einen Normalhörenden überschritten sei und es zu einem Umknicken der Sinneshärchen kommen könne.

22
Entgegen der Ansicht der Revision haben die Bediensteten des Beklagten aber keine dem Theaterbetreiber obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt. Jeder Verkehrssicherungspflichtige hat Sicherungsmaßnahmen nämlich nur dann zu treffen, wenn eine nicht nur theoretische Möglichkeit besteht, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden, sondern wenn dies nahe liegt. Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Sachverständige hat lediglich die besondere Eignung des Schusses zur Schädigung von Sinneshärchen im Innenohr eines Theaterbesuchers durch den Schuss mit der Schreckschusspistole bejaht. Zugleich hat er aber die Wahrscheinlichkeit eines Hörschadens durch den Schuss für sehr gering gehalten. Hiernach kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich im damaligen Zeitpunkt vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr einer Schädigung von Rechtsgütern anderer ergeben hat, die in Abwägung von Art. 5 Abs. 3 und 2 Abs. 2 GG einen Schuss als Mittel künstlerischer Gestaltung verboten hätte.

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4. Allein der Umstand, dass die geringe Gefahr einer Schädigung mit minimalem Aufwand durch den Einsatz einer leiseren Waffe hätte vermieden werden können, verhilft der Revision nicht zum Erfolg. Zum einen ergeht sich die Revision hierzu in Spekulationen und vermag nicht auf konkreten Vortrag des Klägers in den Tatsacheninstanzen zu verweisen. Zum anderen ist der Aufwand kein geeigneter Maßstab, den Umfang der Verkehrssicherungspflicht zu bestimmen. Dabei kann es im vorliegenden Fall dahinstehen, ob der Aufwand im Rahmen der Abwägung zu Art. 5 Abs. 3 und 2 Abs. 2 GG eine entscheidende Rolle spielen könnte.

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5. Schließlich verweist die Revision ohne Erfolg auf Regelwerke wie die Vorschriften des deutschen Instituts für Normung (DIN) oder Unfallversicherungsverordnungen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger (UVV). Eine einschlägige Vorschrift für Theateraufführungen vermag sie nicht darzulegen. Dass das Berufungsgericht die Überlegungen des Sachverständigen zu einer entsprechenden Anwendung von Arbeitsplatzschutzvorschriften und von Vorschriften für Großveranstaltungen (vgl. Senatsurteil vom 13. März 2001 – VI ZR 142/00VersR 2001, 1040, 1041; BGH, Urteil vom 26. September 2003 – V ZR 41/03VersR 2004, 1141, 1142), die – teilweise – von 70 bis 98 dB (A) und damit von deutlich unterhalb des hier erzeugten Schallpegels von 128 dB (A) liegenden Werten ausgehen, nicht zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht hat, begegnet aus revisionsrechtlicher Sicht keinen Bedenken. Nach seinen – insoweit nicht angegriffenen Feststellungen – fehlen Vorschriften für den hier streitgegenständlichen Bereich. Es ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Berufungsgericht – auch unter Hinweis auf die üblichen Lärmemissionen von Kinderspielzeug – zu der Auffassung gelangt ist, dass die Übung, auch in klassischen Theaterstücken ohne vorherige Warnung mit „Knalleffekten“ zu arbeiten, nach der Verkehrserwartung im Jahre 1999 noch keine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht darstellte.

25
6. Nach allem ist jedenfalls für das Jahr 1999 keine objektive Pflicht der Theaterbetreiber festzustellen, beim Einsatz von Schusswaffen darauf zu achten, dass allenfalls ein Lärm erzeugt wird, der im Zuschauerraum einen Schallpegel von 128 dB (A) erheblich unterschreitet.

26
7. Einer abschließenden Klärung, ob den Bediensteten des Beklagten bei diesem ersten Fall ein rechtswidriges Verhalten (§ 831 Abs. 1 Satz 1 BGB) oder gar ein Verschulden (für das der Beklagte im Rahmen positiver Vertragsverletzung einzustehen hätte, § 278 BGB) zur Last fiele (zu einem Fall erstmaliger Schädigung vgl. Senatsurteil vom 14. März 1995 – VI ZR 34/94VersR 1995, 672, 674), bedarf es nach allem nicht.

27
8. Die Revision des Klägers ist daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

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