Zur Verkehrssicherungspflicht des Betreibers einer Skipiste

OLG Stuttgart, Urteil vom 30.11.2009 – 5 U 72/09

1. Den Betreiber einer Skipiste trifft eine Pistensicherungspflicht. Er hat im Pistenbereich oder aber in deren Einzugsbereich befindliche Stützen und Lichtmasten durch Anbringung von aufpralldämpfendem Material zu sichern (Rn.38).

2. Einen Snowboardfahrer, der im Zuge eines „back-side-turns“ gegen einen Lichtmast gerät, trifft ein Mitverschulden. Er hat sein Fahrverhalten so einzurichten, dass er ständig auf Sicht fährt und sich auf Hindernisse einstellen und einen Sicherheitsabstand zu diesen einhalten kann (Rn.41)(Rn.43).

Ist er alkoholisiert (hier: zwischen 1,15 und 2,05 Promille), so beträgt der Mitverschuldensanteil 75 % auch dann, wenn nicht von einer Helmpflicht, gegen die er verstoßen hätte, ausgegangen wird (Rn.37)(Rn.45)(Rn.49)(Rn.51)(Rn.52).

(Leitsätze des Gerichts)

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird das Schlussurteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Rottweil – Az. 3 O 340/08 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 837,52 nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.12.2008 zu bezahlen.

2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.

3. Die weitergehende Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen werden der Klägerin auferlegt.

5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

6. Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert der Berufung: bis € 13.000,00

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt aus gem. § 116 SGB X übergegangenem Recht ihres Versicherungsnehmers, Herrn F… L…, anteiligen Ersatz für erbrachte Versicherungsleistungen und die Feststellung der zumindest hälftigen Ersatzpflicht des Beklagten für alle Schäden, die ihr als Kranken- und Pflegekasse aus einem Snowboardunfall vom 18. Dezember 2005 entstehen werden.

2

1. Der am … März 1984 geborene Versicherungsnehmer der Klägerin hielt sich am Unfalltag zum Snowboardfahren auf einer vom Beklagten betriebenen Skipiste am R… in B… auf. Gegen 18.00 Uhr, also bei Dunkelheit, kollidierte er dort, aus Talsicht am linken Rand der Piste fahrend, bei der Ausführung eines sogenannten „Back-Side-Turns“ mit der rückwärtigen Seite seines Snowboards mit einem Flutlichtmasten, der sich ca. 150 m oberhalb der Talstation am Pistenrand befand. Durch den Anstoß wurde er nach hinten geschleudert und prallte mit dem rechten Hinterkopf gegen einen scharfkantigen Eisenträger des Flutlichtmasts. Eine Polsterung bzw. ein Auffahrschutz war am Flutlichtmasten nicht angebracht, weshalb sich F… L…, der ohne Sturzhelm fuhr, erhebliche Kopfverletzungen zuzog. Eine Blutuntersuchung, die im Anschluss an den Unfall durchgeführt wurde, ergab, dass er in erheblichem Maße alkoholisiert war. Der im Strafverfahren zugezogene gerichtliche Sachverständige ermittelte für den Zeitpunkt des Unfalles einen Blutalkoholgehalt zwischen 1,15 und 2,4 Promille. Der Sachverständige führte außerdem aus, dass eine Polsterung des Flutlichtmastes und/oder das Tragen eines Sturzhelms die schweren Kopfverletzungen des Versicherungsnehmers der Klägerin hätten verhindern oder jedenfalls mindern können.

3

Die Klägerin leistete als gesetzliche Krankenversicherung von F… L… für Bergung, Krankenhausaufenthalt, Krankentagegeld und Rehabilitierungsmaßnahmen bislang Zahlungen in Höhe von € 43.745,50. Weitere Behandlungskosten sind zu erwarten.

4

Mit Schreiben vom 19. August 2007 forderte die Klägerin den Beklagten unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils ihres Versicherungsnehmers von 25 % zur Zahlung von € 32.809,13, entsprechend 75 % ihrer Aufwendungen auf. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten zahlte daraufhin einen Betrag von € 10.936,38, entsprechend 25 % der angefallenen Kosten. Mit Schreiben vom 21.12.2007 forderte die Klägerin den Haftpflichtversicherer des Beklagten erneut zur Zahlung weiterer 50 % ihrer Aufwendungen auf.

5

In dem Schreiben heißt es:

6

„Bislang sind unserer Mandantin wegen des Unfalls Aufwendungen in Höhe von € 43.745,50 entstanden, worauf Sie erst eine Quote von 25 % vorbehaltlos anerkannt haben. Unsere Mandantin hat zutreffend eine Haftungsquote von 75 % zulasten Ihres Versicherungsnehmers angesetzt …“

7

Der Haftpflichtversicherer der Beklagten teilte in seinem Antwortschreiben vom 07.01.2008 (Anl. K 5, Bl. 45 d. A.) mit, „ dass wir die Haftungsquote gerne gerichtlich klären lassen möchten “.

8

2. Mit Klageschrift vom 13.11.2008 hat die Klägerin Klage mit dem Ziel der Feststellung der Haftung des Beklagten zu zwei Dritteln und der Verurteilung zu weiteren Zahlungen entsprechend dieser Haftungsquote erhoben. Der Beklagte hat zum Feststellungsantrag eine Haftung von einem Viertel anerkannt, worauf das Landgericht am 30.12.2008 ein entsprechendes Anerkenntnis-Teil-Urteil (Bl. 37/38 d.A.) erlassen hat.

9

3. Die Klägerin hat vorgetragen, dem Beklagten sei als Pistenbetreiber bekannt gewesen, dass insbesondere jüngere Snowboardfahrer den Pistenrand beführen, um die Piste in voller Breite für ihre Schwünge zu nutzen. Da für solche Nutzer ein erhebliches Gefährdungspotential bestanden habe, sei der Beklagte unter dem Gesichtspunkt der Pistensicherungspflicht verpflichtet gewesen, die insgesamt vier dort vorhandenen Flutlichtmasten bis zu einer Höhe von 2,50 Metern abzupolstern. Diese Pflicht habe er schuldhaft verletzt. Der Flutlichtmast habe sich innerhalb der Piste befunden, denn es habe zum Pistenrand hin keine Pistenabgrenzung gegeben. Zumindest habe er in einem regelmäßig von Ski- und Snowboardfahrern befahrenen Bereich gestanden. Er sei deshalb jedenfalls rechtlich dem Pistenbereich zuzuordnen.

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Ein etwaiges Mitverschulden ihres Versicherungsnehmers sei, so die Klägerin, mit höchstens einem Drittel zu bewerten. Dass er im Zeitpunkt des Unfalls alkoholisiert gewesen sei, könne sich nicht auf ihre Haftungsquote auswirken. Es gebe kein Verbot, mit Alkohol im Blut Snowboard zu fahren. Auch sei nicht erwiesen, dass sich die Alkoholisierung ihres Versicherungsnehmers auf das Unfallgeschehen ausgewirkt habe. Der Umstand, dass er keinen Sturzhelm getragen habe, könne sich ebenfalls nicht zulasten der Klägerin auswirken, denn es bestehe keine Verpflichtung zum Tragen von Schutzhelmen für Ski- und Snowboardfahrer.

11

Die Klägerin hat beantragt,

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1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 19.560,62 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 19.12.2007 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.085,04 zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

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2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über das Anerkenntnis-Teilurteil des Landgerichts Rottweil vom 30. Dezember 2008 hinaus weitere 41,67 % aller weiteren Schäden zu erstatten, die dieser als Krankenkasse und Pflegekasse des am 02.05.1984 geborenen F… L… aus dem Unfall vom 18. Dezember 2005 am Skihang am R… in (PLZ) B… in Zukunft noch entstehen werden.

14

Der Beklagte hat beantragt:

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Die Klage wird abgewiesen.

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Er hat vorgetragen, der Flutlichtmast habe sich in einer Entfernung von 4 Metern zum Rand der präparierten Piste befunden. Er habe daher nicht im Nahbereich der Piste gestanden. Die Anbringung einer Polsterung oder eines sonstigen Auffahrschutzes sei deshalb unter dem Gesichtspunkt der Verkehrssicherungspflicht nicht geboten gewesen.

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Jedenfalls aber treffe den Versicherungsnehmer der Klägerin ein überwiegendes Mitverschulden am Unfall zu mindestens 75 %. Dieser habe vor der Abfahrt diverse alkoholische Getränke zu sich genommen; im Unfallzeitpunkt habe er einen Blutalkoholgehalt von 2,2 Promille aufgewiesen. Aus den Kollisionsspuren ergebe sich außerdem, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin rückwärts gefahren sei und dabei ihm obliegende besondere Sorgfaltspflichten verletzt habe. Darüber hinaus sei er ohne Helm gefahren. Hätte er einen Sturzhelm getragen, wären seine aufgrund des Unfalls entstandenen schweren Kopfverletzungen zu vermeiden gewesen. Es sei ferner davon auszugehen, dass er auf einem gesperrten Weg durch den Wald und von dort aus wieder zurück auf die Piste gefahren sei. Vor der Kollision sei er vom dunklen Wald in den flutlichtbeleuchteten Pistenbereich gelangt. Die Veränderung der Lichtverhältnisse habe dazu geführt, dass seine Sehfähigkeit eingeschränkt gewesen sei.

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4. Das Landgericht hat nach einer Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen L…, B…, S… und K… die Haftung des Beklagten dem Grunde nach bejaht. Dem Versicherungsnehmer der Klägerin hat es ein hälftiges Mitverschulden angelastet und der Klage nach Maßgabe dieser Haftungsquote mit folgendem Tenor teilweise stattgegeben:

19

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 10.936,37 nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29. September 2007 und außergerichtlichen Mahnkosten in Höhe von € 649,74 nebst Jahreszinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6. Dezember 2008 zu bezahlen.

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2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin über das Teilanerkenntnisurteil vom 30. Dezember 2008 hinaus weitere 25 % (insgesamt also 50 %) aller weiteren Schäden zu erstatten, die dieser als Krankenkasse und Pflegekasse des am 02. Mai 1984 geborenen F… L… aus dem Unfall vom 18. Dezember 2005 am Skihang am R… in (PLZ) B… in Zukunft noch entstehen werden.

21

3. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

22

Es hat ausgeführt, der Beklagte hafte dem Versicherungsnehmer der Klägerin dem Grunde nach wegen Verletzung der ihm obliegende Pistensicherungspflicht auf Schadensersatz gem. § 823 Abs. 1 BGB. Der Klägerin stünden diese Zahlungsansprüche aus übergegangenem Recht zu, soweit ihr als Versicherer Aufwendungen entstanden seien oder in Zukunft zu erwarten seien. Der Unfall des F… L… habe sich in einem Bereich ereignet, in welchem der Beklagte am Lichtmast einen Aufprallschutz hätte anbringen müssen. Die Beweisaufnahme habe ergeben, dass sich der Lichtmast im Bereich des zur Unfallzeit regelmäßig befahrenen Pistenrands befunden habe. Aufgrund der Ausführungen des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Prof. Dr. H… im Strafverfahren stehe auch fest, dass mit einem Aufprallschutz wenigstens die schwerwiegenden Unfallfolgen beim Versicherungsnehmer der Klägerin hätten vermieden werden können.

23

Den Versicherungsnehmer der Klägerin treffe allerdings ein Mitverschulden, das zu einer Mithaftungsquote von 50 % führe. Das der Klägerin anzulastende Mitverschulden ihres Versicherungsnehmers beruhe zum einen auf einem Verstoß gegen die FIS-Regel 2, wonach jeder Ski- und Snowboardfahrer auf Sicht fahren müsse. Darüber hinaus habe dieser beim Unfall keinen Sturzhelm getragen, wodurch er die schweren Kopfverletzungen hätte vermeiden können. Dagegen habe eine zur Fahruntüchtigkeit führende Alkoholisierung nicht festgestellt werden können. Alkoholbedingte Auffälligkeiten des Verunglückten seien von den Zeugen S…, K… und W… nicht beschrieben worden. Soweit der Sachverständige aufgrund des festgestellten Mindestalkoholgehalts vorrangig psychische Wirkungen des Alkohols, also eine Enthemmung, eine Eigenkritikminderung und eine Selbstüberschätzung angenommen habe, hätten möglicherweise gerade diese psychischen Alkoholwirkungen zu einem Verstoß des Verunglückten gegen die FIS-Regeln geführt. Weitere, die Mithaftung der Klägerin erhöhende Obliegenheitsverletzungen des Versicherungsnehmers der Klägerin seien nicht festzustellen. Insbesondere habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass F… L… verbotenerweise die Piste verlassen gehabt habe oder gar vom Wald kommend wieder auf die Piste eingefahren gewesen sei, bevor sich der Unfall ereignet habe.

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5. Mit seiner am 11.04.2009 bei Gericht eingegangenen Berufung wendet sich der Beklagte gegen die vom Landgericht angenommene Haftung zu 50 %. Der Klägerin stünden über den anerkannten Haftungsanteil des Beklagten von 25 % hinaus keine weiteren Ersatzansprüche zu.

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Er rügt, das Landgericht habe unzutreffend angenommen, dass gerade bei einfach zu bewältigenden Skipisten, welche naturgemäß auch durch ungeübte Skifahrer frequentiert würden, ein besonderer Aufprallschutz an neben der Piste befindlichen Masten angebracht werden müsse. Die Beweisaufnahme habe nicht erbracht, dass der Bereich neben der Piste, in welchem sich der Sturz ereignet habe, eine „pistenähnliche Beschaffenheit“ gehabt habe, die besondere Verkehrssicherungspflichten des Beklagten nach sich zögen. Aus dem Umstand allein, dass der geschädigte Versicherungsnehmer der Klägerin neben der Piste gefahren sei, könne nicht geschlossen werden, dass dieser Bereich häufig von Skifahrern befahren werde. Im übrigen habe die Beweisaufnahme ergeben, dass zwischen dem gewalzten Teil der Piste und dem Pistenrand ein eindeutig wahrnehmbarer Unterschied bestanden habe. Der gewalzte Bereich sei ca. 1,5 bis 2 Meter von dem Masten entfernt gewesen.

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Das Landgericht habe auch das dem Versicherungsnehmer der Klägerin anzulastende Mitverschulden fehlerhaft gewichtet. Die Beweisaufnahme habe erbracht, dass die Piste einschließlich des Randbereichs durch die Flutlichtanlage gut ausgeleuchtet gewesen sei. FIS-Regel 2 schreibe vor, dass jeder Ski- und Snowboardfahrer auf Sicht fahren müsse. Da der Lichtmast deutlich erkennbar gewesen sei, sei offenkundig, dass die entscheidende Ursache für die Kollision im Umstand der Alkoholisierungen von F… L… zu sehen sei. Dies gelte insbesondere mit Rücksicht auf die Ausführung des Sachverständigen im Strafverfahren, wonach der festgestellte Mindestalkoholgehalt von 1,15 Promille eine gravierende Einschränkung der Reaktionsfähigkeit, der Einsichtsfähigkeit und ein extremer Hang zu einer Selbstüberschätzung bewirkt habe. Nach den FIS-Regeln sei das Tragen eines Helms derzeit zwar keine Pflicht. Wer es unterlasse, einen Schutzhelm zu tragen, trage jedoch gleichwohl in erhöhtem Maße Mitschuld für die aufgrund eines Skiunfalls eingetretenen Kopfverletzungen. Dies gelte insbesondere mit Rücksicht auf die im Strafverfahren getroffene Feststellung des gerichtlichen Sachverständigen, wonach die streitgegenständlichen, schwerwiegenden Kopfverletzungen des Versicherungsnehmers der Klägerin mit einem Schutzhelm hätten vermieden werden können.

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Der Beklagte beantragt:

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1. Das Schlussurteil des Landgerichts Rottweil vom 14.04.2009 – Az. 3 O 340/08 – wird dahingehend abgeändert, dass die Klage in vollem Umfang abgewiesen wird.

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2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

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6. Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrags und beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

32

Der Mithaftungsanteil ihres Versicherungsnehmers betrage allenfalls 50 %. Dessen Alkoholisierung habe sich auf das Unfallgeschehen nicht ausgewirkt und sei im Übrigen auch deshalb rechtlich unerheblich, weil es kein Alkoholverbot auf Pisten gebe. Im Übrigen habe der Beklagte selbst als Monopolinhaber alkoholische Getränke auf der Piste ausgeschenkt. Die vom Landgericht herangezogene FIS-Regel 2 diene der Vermeidung von Unfällen zwischen mehreren Pistenbenutzern, nicht dem Schutz des pistensicherungspflichtigen Betreibers der Pisten. Eine Verletzung von FIS-Regel 2 könne bei der Abwägung der beiderseitigen Haftungsanteile daher ebenfalls nicht berücksichtigt werden. Schließlich führe auch das Nichttragen eines Helms nicht zu einer Erhöhung des Mitverschuldensanteils ihres Versicherungsnehmers, weil es keine Rechtspflicht zum Tragen eines Schutzhelms gebe.

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Im Rahmen ihrer am 15.06.2009 vor Ablauf der Berufungserwiderungsfrist eingegangenen Anschlussberufung verfolgt sie eine über das Landgerichtsurteil hinausgehende Verurteilung des Beklagten zur Zahlung außergerichtlicher Mahnkosten in Höhe von insgesamt € 899,40. Hinsichtlich des Feststellungsantrags sei das Landgericht unzutreffend von einem Streitwert von € 5.000,00 ausgegangen. Die Klägerin selbst habe das Zukunftsrisiko jedoch – insoweit unbestritten – auf € 8.000,00 geschätzt. Entsprechend sei bei einer Haftungsquote von 50 % von einem als berechtigt anzusehenden Gegen-standswert von € 14.936,37 (€ 10.936,37 + € 4.000,00) statt vom Landgericht zugrunde gelegter € 10.936,37 auszugehen. Darüber hinaus habe das Landgericht lediglich eine 1,0 Geschäftsgebühr gem. §§ 3, 13 RVG Ziff. 2300 VV zugrunde gelegt. Tatsächlich stehe der Klägerin eine 1,3 Geschäftsgebühr zu. Damit ergebe sich folgende Berechnung:

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735,80 €

1,3 Geschäftsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Ziff. 2300 VV
(Streitwert: € 14.936,37)
Auslagen gem. § 2 RVG Ziff. 7002 VV 20,00 €
Summe: 755,80 €
19 % MwSt. gem. § 2 RVG, Ziff. 7008 VV 143,60 €
zuzusprechen damit 899,40 €

 

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Für den weiteren Sachvortrag der Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen. Im Übrigen wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie auf die Aktenbestandteile der beiden Instanzen Bezug genommen. Die Akten des Amtsgerichts Freudenstadt (Az. 4 Cs 22 Js 935/2006) wurden zu Beweiszwecken beigezogen.

II.

36

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und im Wesentlichen auch begründet.

37

Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob der Beklagte eine ihm obliegende Pistensicherungspflicht verletzt hat, indem er es unterlassen hat, den „unfallträchtigen“ Flutlichtmasten mit einem Aufprallschutz zu versehen. Die Klägerin hat schon deshalb keine über die vom Beklagten anerkannte Haftungsquote von 25 % hinausgehenden Ersatzansprüche gegen den Beklagten, weil auch bei unterstellter Pflichtverletzung des Beklagten ihren Versicherungsnehmer wegen Nichtbeachtung des aus seiner Sicht rückwärtigen Pistenbereichs in Verbindung mit seiner erheblichen Alkoholisierung im Zeitpunkt des Unfalls ein erhebliches Mitverschulden (§ 254 BGB) trifft, das der Senat mit mindestens 75 % bewertet. Auf die erstinstanzlich zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Versicherungsnehmer – möglicherweise – einen nicht zugelassenen Weg durch den Wald befahren hat, kommt es deshalb ebenso wenig an wie auf ein mögliches weiteres Mitverschulden wegen Nichttragens eines Sturzhelms.

38

1. Es ist anerkannt, dass den Schleppliftunternehmer und Pistenbetreiber wegen Eröffnung und Unterhaltung zur Abfahrt geeigneter Skipisten grundsätzlich eine Pistensicherungspflicht trifft. Danach sind unfallträchtige Stützen und Flutlichtmasten, die sich auf der Piste befinden, jedenfalls dann im Rahmen des Möglichen und wirtschaftlich Vertretbaren durch aufpralldämpfendes Material zu sichern, wenn sie atypische Gefahren für die Pistenbenutzer begründen, mit denen der Skifahrer nicht ohne weiteres zu rechnen braucht (Fritzweiler in Fritzweiler/Pfister/Summerer, Praxishandbuch Sportrecht, 2. Aufl. 2007 V 3 Rdnr. 106; Hagenbucher, NJW 1985, 177 jew. m.w.N.). Der Bundesgerichtshof (NJW 1985, 620; zustimmend Dambeck, Piste und Recht, 3. Aufl. 1996, Rdnr. 203 ff.; Hagenlocher NJW 1985, 177) hat eine Verkehrsicherungspflicht, scharfkantige Stützen von Schleppliften abzupolstern, darüber hinaus für den Fall angenommen, dass gefahrenträchtige Hindernisse in einen Übungshang integriert sind und ihr Standort aufgrund häufiger Frequentierung – auch durch wenig erfahrene Skiläufer – „pistenähnliche“ Beschaffenheit hat. Dabei soll es, so der Bundesgerichtshof, nicht entscheidend darauf ankommen, ob der Bereich im unmittelbaren Umfeld des Hindernisses gewalzt ist. Eine pistenähnliche Beschaffenheit soll schon aufgrund des Umstands zu bejahen sein, dass der nicht gewalzte Abschnitt von Skiläufern befahren wird, die entweder ihre Fahrkünste im Tiefschnee üben oder die Lifttrasse überqueren wollen.

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b) Nachdem der Beklagte seine Haftung dem Grunde nach zu einem Viertel anerkannt hat, kann die Richtigkeit der Feststellung des Landgerichts Rottweil, wonach sich der am Rande der Piste befindliche Lichtmast, auf den der Versicherungsnehmer der Klägerin aufgefahren ist, in einem solchen pistenähnlichen Bereich befunden haben soll, im Ergebnis offen bleiben. Schon im Hinblick darauf, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin entgegen FIS-Regel 2 ohne Beachtung des vor ihm liegenden Geländes und somit nicht auf Sichtweite gefahren ist und darüber hinaus in erheblichem Maße alkoholisiert war, ist das Mitverschulden des F… L… gem. § 254 Abs. 1 BGB mit mindestens 75 % zu bewerten. Der weitere Umstand, dass bei Tragen eines Sturzhelms möglicherweise nicht zu den entstandenen, erheblichen Verletzungen gekommen wäre, ist insoweit nicht von entscheidungserheblicher Bedeutung.

40

a) Der Versicherungsnehmer der Klägerin hat den Aufprall auf den Flutlichtmasten durch einen Verstoß gegen FIS-Regel 2 mitverursacht.

41

(1) Die gewohnheitsrechtlich anerkannten sog. FIS-Regeln, in deren Anwendungsbereich seit 2002 auch Snowboarder einbezogen sind (Sichler, Neues von den FIS-Regeln für Skifahrer und Snowboarder SpuRT 2003, 1; Wagner, SpuRT 1996, 9), konkretisieren das allgemein bestehende Rechtsgebot, wonach jeder Pistennutzer sich so zu verhalten hat, dass andere nicht gefährdet oder geschädigt werden (BayObLG ST 2003, 146 mit weiteren Hinweisen). In diesem Sinne können sie – ähnlich wie technische Regelwerke – zur Bestimmung des im Einzelfall maßgeblichen Sorgfaltsmaßstabs im Skisport herangezogen werden (Löwisch/Caspers in Staudinger, Bearbeitung 2009, § 276 BGB Rdnr. 45 m.w.N.) und beinhalten im Grundsatz eine Konkretisierung des allgemeinen Rechtsgebots, wonach sich jeder so zu verhalten hat, dass andere nicht gefährdet oder geschädigt werden (Siedhoff, VersR 1996, 34 m.w.N.). Zwar dienen die FIS-Regeln vorrangig dem Schutz anderer Skifahrer. Naturgemäß schützen sie aber nicht nur Dritte, sondern mittelbar auch den betroffenen Skifahrer selbst vor Unfällen. Sie sind insoweit auch Maßstab für den Umfang der in eigenen Angelegenheiten gebotenen Sorgfalt, zumal ein Mitverschulden im Sinne von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB – entgegen der Auffassung der Klägerin – gerade nicht voraussetzt, dass ein Verstoß gegen eine im Interesse des Anspruchsgegners bestehende, besondere Rechtspflicht gegeben ist (Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, § 254 Rdnr. 36 m.w.N.), weshalb der Bundesgerichtshof die FIS-Regeln auch in Fällen wie dem streitgegenständlichen heranzieht. Notwendig, aber auch ausreichend ist es, wenn der Geschädigte vorsätzlich oder fahrlässig diejenigen Maßnahmen unterlässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Schadensabwendung und -minderung nach Treu und Glauben ergreifen würde und die nach Lage der Sache erforderlich erscheinen, um sich selbst vor Schaden zu bewahren (BGH NJW-RR 2006, 965).

42

(2) Nach FIS-Regel 2, aber auch bereits schon nach den angeführten allgemeinen Grundsätzen hat jeder Ski- und Snowboardfahrer ständig auf Sicht zu fahren. Dabei muss er das in Fahrtrichtung vor ihm liegende Gelände genau beobachten, alle sich daraus ergebenden möglichen Hindernisse einkalkulieren und sich insbesondere vor Einleitung eines Fahrmanövers vergewissern, ob die gesamte von ihm zu befahrende Strecke frei ist. Sind die Sichtverhältnisse beschränkt, muss die Fahrtgeschwindigkeit den örtlichen Gegebenheiten angepasst und so „auf Sicht“ gefahren werden (Dambeck, Piste und Recht, 1996 Rdnr. 83).

43

Aufgrund des – unstreitigen – Umstands, dass der Anstoß des rückwärts fahrenden Versicherungsnehmers der Klägerin mit dem hinteren Teil seines Snowboards erfolgte, besteht schon ein erster Anschein dafür, dass dieser ohne hinreichende Beachtung des Geschehens auf dem Pistenabschnitt, der sich vor ihm (in seinem Rücken) befand, gefahren ist und dabei den Flutlichtmasten „übersehen“ oder jedenfalls in seinem Fahrverhalten nicht genügend berücksichtigt hat (vgl. zum Anscheinsbeweis bei Kopfverletzungen Brandenburgisches OLG NJW-RR 2006, 1458). Bei unterstellter Richtigkeit seines Vortrags, er habe am Unfalltag nicht den verbotenen Weg durch den Wald genommen, sondern sei durchgehend im linken Pistenbereich gefahren, hätte er den Flutlichtmasten am Rande der Piste bei hinreichender Vorausschau jedenfalls rechtzeitig erkennen müssen und hätte mit einem jedes Risiko ausschließenden Abstand an ihm vorbeifahren können. Im Unfallzeitpunkt herrschte Dunkelheit. Der Lichtkegel im Umfeld des Lichtmasts war deshalb schon von weitem sichtbar, so dass auch dieser selbst vom Versicherungsnehmer der Klägerin ohne weiteres hätte bemerkt werden müssen.

44

b) Erschwerend kommt hinzu, dass der Versicherungsnehmer der Klägerin im Zeitpunkt des Unfalls in erheblichem Maße alkoholisiert war.

45

(1) Der Versicherungsnehmer der Klägerin hatte im Zeitpunkt des Unfalls einen Blutalkoholgehalt von mindestens 1,15 Promille und maximal 2,05 Promille; er hatte die im Straßenverkehr maßgebliche 1,1 Promille-Grenze zur absoluten Fahruntüchtigkeit mithin überschritten. Dies hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 27.01.2009 weitgehend eingeräumt (Bl. 42 d.A.: 1,0 bis 1,15 Promille) und ergibt sich im Übrigen aus den überzeugenden Feststellungen des im Strafverfahren zugezogenen Sachverständigen Prof. Dr. H… (vgl. Beiakte, Bl. 89 bis 92), dessen Gutachten das Landgericht im ersten Rechtszug gem. § 411 a ZPO verwertet hat (vgl. Zöller/ Greger, ZPO, 27. Aufl. 2009 § 411 a Rdnr. 3), nachdem beide Parteien die Beiziehung der Strafakten beantragt hatten.

46

(2) Dass es kein Alkoholverbot auf Pisten gibt, steht der Annahme eines auf alkoholbedingte Fahrunsicherheit zurückzuführenden Mitverschuldens nicht entgegen. Eine Mithaftung gem. § 254 BGB ist, wie schon ausgeführt, nicht nur beim Verstoß gegen besondere Rechtspflichten im Verhältnis zum Anspruchsgegner begründet. Schon das schuldhafte Unterlassen schadensabwendender oder -mindernder Maßnahmen kann zur Mithaftung unter dem Gesichtspunkt des Mitverschuldens führen.

47

(3) Der Sachverständige hat zu den psychischen Auswirkungen der Alkoholisierung ausgeführt (S. 9 des Protokolls vom 01.08.2006, Bl. 95 der Beiakte):

48

„Alkohol wirkt sehr viel schneller psychisch als körperlich und die Ausfallerscheinungen, die auftreten, sind dergestalt, dass eben eine Enthemmung zustande kommt, d.h. es kommt zu einer Eigenkritikminderung, es kommt zu einer veränderten Selbsteinschätzung, man traut sich viel mehr zu als man sich im nüchternen Zustand zutrauen würde, zu einer gewissen Sorglosigkeit. Und das führt dazu, dass natürlich das Verhalten auch sehr viel riskanter ist als im nüchternen Zustand. Das ist auch das, was im Straßenverkehr beispielweise das Problematische ist….Diese psychischen Auswirkungen, die sind natürlich zwischen 1 und 2 Promille auf jeden Fall zu erwarten…“

49

Es kann dahinstehen, ob ein Blutalkoholgehalt von mehr als 1,1 Promille bei Skiunfällen auf Skipisten – wie im Straßenverkehrsrecht (vgl. Henschel, Straßenverkehrsrecht, 37. Aufl., § 316 Rdnr. 69) – generell zur Annahme absoluter Fahruntüchtigkeit und zu einem Anscheinsbeweis für die Mitursächlichkeit der alkoholbedingten Fahrunsicherheit führt. Jedenfalls führen die Feststellungen des Landgerichts zu den psychischen Auswirkungen des Alkoholkonsums in Verbindung mit dem Umstand, dass es zu einem gravierenden Fahrfehler gekommen ist, zu einem ersten Anschein dafür, dass eine beim Versicherungsnehmer der Klägerin eingetretene Enthemmung, Eigenkritikminderung und Selbstüberschätzung mitursächlich für das Unfallgeschehen war und seinen Verantwortungsanteil entsprechend erhöhte. Dass er unter Missachtung des gebotenen Abstands gezielt in der Nähe des Mastes gefahren ist und sich dabei überschätzt hat, während er in nüchternem Zustand die Gefahr, die von dem ungeschützten Mast ausging, gesehen und ohne weiteres hätte meiden können, ist alkoholtypisch. Der Annahme eines Anscheinsbeweises für die Mitursächlichkeit der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit des Versicherungsnehmers der Klägerin steht insbesondere nicht entgegen, dass die vom Landgericht vernommenen Zeugen S…, K… und W… alkoholbedingte Auffälligkeiten des Verunglückten nicht beschrieben haben. Keiner dieser Zeugen konnte Angaben zu dessen Fahrverhalten unmittelbar im Vorfeld des Unfalls machen und damit den bestehenden Anschein für seine alkoholbedingte Fahrweise und deren Ursächlichkeit für den Unfallhergang erschüttern.

50

(4) Unerheblich ist der Einwand der Klägerin, der Beklagte habe auf der Piste ein Monopol für den Ausschank von Alkohol. Der Ausschank von Alkohol auf der Piste ändert von vornherein nichts an der Eigenverantwortlichkeit des Alkohol konsumierenden Skifahrers. Umstände, aufgrund derer dem Beklagten oder seinen Mitarbeitern im Zusammenhang mit dem Ausschank von Alkohol die Verletzung besonderer Schutzpflichten anzulasten wären, etwa weil er oder seine Mitarbeiter es unterlassen hätten, den erkennbar alkoholisierten F… L… vom Skifahren abzuhalten (zu einem ähnlichen Sachverhalt vgl. Oberster Gerichtshof Wien vom 28.06.1990, Az. 7 Ob 524/90, zitiert nach JURIS), hat die Klägerin nicht vorgetragen und sind nach Aktenlage auch nicht ersichtlich.

51

cc) Bei der Abwägung der jeweiligen Haftungsquoten der Parteien hat der Senat berücksichtigt, dass die Vermeidung von Gefahren, die typischerweise mit dem Ski- und Snowboardsport verbunden sind, grundsätzlich in der Eigenverantwortung und dem Eigenrisiko des Sportlers liegt (Fritzweiler/Pfister/Summerer, a.a.O. V. 3 Rdnr. 106; Dambeck, a.a.O. Rdnr. 276; BGH NJW 1985, 620; OLG München, SpuRT 2003, 23). Die Anforderungen der Allgemeinheit an die Gefahrenvermeidung dürfen mithin nicht überspannt werden. Gerade weil der Lichtmast, auf den der Versicherungsnehmer der Klägerin aufgefahren ist, weithin sichtbar war und sich am Rand der Piste, zumindest aber in deren Nahbereich befand, war es vorrangig dessen Sache, sich selbst vor dem Auffahren und den dadurch bedingten Verletzungsfolgen zu schützen. Auch wenn man eine Pistensicherungspflicht des Beklagten annimmt, führen der festgestellte Fahrfehler des Versicherungsnehmers der Klägerin und dessen Alkoholisierung deshalb zu einem weit überwiegenden Mitverschulden des F… L…, das der Senat mit mindestens 75 % bewertet.

52

d) Ob die Tatsache, dass F… L… sich darüber hinaus nicht selbst durch das Tragen eines Sturzhelms vor möglichen Kopfverletzungen geschützt hat, zu einer weiteren Erhöhung der Haftungsquote der Klägerin führt, braucht nach den vorstehenden Ausführungen nicht abschließend beurteilt werden. Zutreffend weist die Klägerin in diesem Kontext darauf hin, dass auf Skipisten keine Pflicht zum Tragen eines Helmes besteht. Allerdings spricht einiges für die Annahme des Landgerichts, dass von einem verständigen und auf Vermeidung von Verletzungen bedachten Ski- und Snowboardfahrer, wenn er riskant oder mit höherem Tempo fährt, aus heutiger Sicht, nachdem schwere und spektakuläre Skiunfalle mit tödlichen Kopfverletzungen in der öffentlichen Diskussion waren, erwartet werden kann, dass er einen Helm trägt (vgl. auch OLG Karlsruhe, VersR 1977, 869; Jahnke, jurisPR-Verk.R 6/2009, Anm. 2; Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl. 2009, § 254 Rdnr. 20 für Radrennfahrer). Ob diese Erwartung so weit geht, dass nach allgemeiner Auffassung von einem Verstoß gegen eigene Sorgfaltspflichten ausgegangen werden kann, kann hier jedoch aus den angeführten Gründen dahinstehen.

III.

53

Die Anschlussberufung der Klägerin hat teilweise Erfolg.

54

Der Kläger hat Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen Anwaltskosten, soweit sich diese auf die Geltendmachung von Ersatzansprüchen in Höhe der festgestellten Haftungsquote von einem Viertel beziehen. Dabei kann offen bleiben, ob der Beklagte sich im Zeitpunkt der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe in einer Verzugslage befand und ob ihm unter dem Gesichtspunkt des Verzugsschadensersatzes Rechtsverfolgungskosten zustehen. Außergerichtliche Anwaltskosten im Zusammenhang mit der Abwicklung von Körper- und Sachschäden kann die Klägerin gem. § 249 Abs. 2 BGB jedenfalls als Teil des übergeleiteten deliktischen Schadensersatzanspruchs ersetzt verlangen (BGHZ 30, 154; 39, 60; 127, 348).

55

Ausgehend von einer Haftungsquote von einem Viertel und berechtigten Forderungen in Höhe eines Gesamtstreitwerts bis € 13.000,00 (bezifferte € 10.936,38 zuzügl. Feststellungsantrag) ergibt sich dabei die folgende Berechnung:

56

1,3 Geschäftsgebühr gem. §§ 2, 13 RVG, Ziff. 2300 VV 683,80 €
Auslagen gem. § 2 RVG Ziff. 7002 VV 20,00 €
Summe: 703,80 €
19 % MwSt. gem. § 2 RVG, Ziff. 7008 VV 133,72 €
zuzusprechen damit 837,52 €

57

Ob der Streitwert des Feststellungsantrags, wie das Landgericht meint, bei der geltend gemachten 2/3-Haftung € 5.000,00, bezogen auf 100 % also € 7.500,00 beträgt (davon 1/4 = 1.875,00) oder ob auf der Grundlage der Ausführungen der Klägerin von einem Gesamtwert des Feststellungsantrags von € 8.000,00 auszugehen ist (davon 1/4 = € 2.000,00), kann offen bleiben, denn die Differenz löst keinen Gebührensprung in der Gebührentabelle zu § 13 Abs. 1 RVG aus.

IV.

58

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 93, 97 ZPO. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stellte das Anerkenntnis des Beklagten im Schriftsatz vom 29.12.2008 (Bl. 23/35 d.A.) ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO dar; der Beklagte hat keine Veranlassung zur Klage gegeben. Ausweislich des außergerichtlichen Schreibens des Klägervertreters vom 21.12.2007 (Anl. K 3 Bl. 12 d. A.) hatte der Haftpflichtversicherer des Beklagten vor Klageerhebung seine Haftung dem Grunde nach zu 25 % vorbehaltlos anerkannt. Soweit der Haftpflichtversicherer des Beklagten in seinem Schreiben vom 07.01.2008 (Anlage K 5, Bl. 45 d.A.) mitgeteilt hat, man möge die Haftungsquote gerichtlich klären lassen, ist der Erklärungsgehalt gem. § 133 BGB im Lichte der vorangegangenen Korrespondenz deshalb dahin auszulegen, dass nur über eine 25 % übersteigende Haftungsquote eine gerichtliche Klärung erfolgen sollte. Etwas anderes würde sich im Übrigen auch dann nicht ergeben, wenn sich das vorgerichtlich erklärte Anerkenntnis des Beklagten nur auf den Zahlungsanspruch der Klägerin bezogen hätte. Die Klägerin wäre im Hinblick auf die erfolgte Regulierung und auf das entsprechende Anerkenntnis dann jedenfalls gehalten gewesen, den Beklagten vor Erhebung der Feststellungsklage nochmals zur grundsätzlichen Anerkennung der 25%igen Haftung auch für zukünftige Schäden aufzufordern. Dies hat sie nach Aktenlage nicht getan. Die hinsichtlich des anerkannten Teils der Klage angefallenen Kosten des Rechtsstreits sind gem. § 93 ZPO deshalb von der Klägerin zu tragen.

V.

59

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.

VI.

60

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Fragen von einer über den vorliegenden Einzelfall hinausgehenden Bedeutung sind nicht ersichtlich. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht.

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