Zur Verkehrssicherungspflicht bei Waldwegen (hier: erkennbares großes Loch im Boden)

OLG Frankfurt, Beschluss vom 30.10.2017 – 13 U 111/17

Bei einem 20 x 20 cm breiten und ebenso tiefen Loch im Boden eines Waldweges handelt es sich in der Regel um eine waldtypische Gefahr, für die die Haftung des Waldbesitzers ausgeschlossen ist.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Es wird darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 26.05.2017 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Darmstadt durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

Gründe

Die Berufung der Klägerin ist zwar zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache selbst verspricht die Berufung jedoch nach derzeitigem Sach- und Streitstand offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).

Die weiteren Zurückweisungsvoraussetzungen gemäß § 522 Abs. 1 Nr. 2 – 4 ZPO liegen ebenfalls vor: Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil. Eine mündliche Verhandlung ist auch unter Berücksichtigung von Umfang und Schwierigkeitsgrad der Sache nicht geboten.

Das Landgericht hat die Klage mit vollumfänglich zutreffender Begründung, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt, abgewiesen. Die in der Berufungsbegründung gegen das landgerichtliche Urteil erhobenen Einwendungen greifen allesamt nicht durch.

Das Landgericht hat insbesondere zu Recht hervorgehoben, dass eine Haftung des Waldbesitzers für waldtypische Gefahren ausgeschlossen ist, weil sich der Waldbesucher mit dem Betreten des Waldes bewusst derartigen Gefahren aussetzt (BGH, Urt. v. 02.10.2012, VI ZR 311/11, juris Rn. 12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen; Senat, Beschluss v. 24.03.2014, 13 U 56/12, juris Rn. 17). Dies gilt auch beim Betreten von Waldwegen, die mangels entsprechender Widmung ohnehin keine öffentlichen Straßen nach dem Straßen- und Wegerecht sind. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass der Waldbesitzer nicht für waldtypische Gefahren auf Waldwegen verantwortlich ist, kommt auch nicht dann in Betracht, wenn diese stark frequentiert werden (BGH, Urt. v. 02.10.2012, VI ZR 311/11, juris Rn. 18, Senat, Beschluss v. 24.03.2014, 13 U 56/12, juris Rn. 24). Waldtypische Gefahren sind solche, die sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Waldes unter Beachtung der jeweiligen Zweckbestimmung ergeben (BGH, Urt. v. 02.10.2012, VI ZR 311/11, juris Rn. 25). Vorliegend ist auf der Grundlage des Vortrags der Klägerin samt der vorgelegten Lichtbilder (Bl. 6 d. A.) davon auszugehen, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Loch im Weg um eine waldtypische Gefahr handelt. Es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass im bewaldeten Gelände Wege auf gewachsenem Boden durch Wurzelwerk und Auswaschungen infolge von Witterungseinflüssen erhebliche Unebenheiten, insbesondere auch Löcher, aufweisen können. Umstände, aus denen sich das Vorliegen einer atypischen Gefahr ergeben könnte, hat die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Klägerin (vgl. Oberlandesgericht Saarbrücken, Urt. v. 16.03.2017, 4 U 126/16, juris Rn. 22) nicht dargelegt. Da insofern schon schlüssiger Tatsachenvortrag fehlte, war das Landgericht – entgegen der Ansicht der Klägerin – auch nicht gehalten, hierüber Beweis zu erheben.

Selbst wenn eine atypische Gefahr vorgelegen hätte, käme eine Haftung des beklagten Landes – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht in Betracht, weil das streitgegenständliche Loch für die Verkehrsteilnehmer, und damit auch für die Klägerin, als Gefahrenquelle ausreichend erkennbar war.

Der Verkehr ist in der Regel nur vor den Gefahren zu schützen, die er selbst in der sich ihm konkret darbietenden Situation bei Anwendung der von ihm in dieser Situation zu erwartenden Sorgfalt erfahrungsgemäß nicht oder nicht rechtzeitig erkennen und vermeiden kann (vgl. BGH, Urt. v. 05.07. 2012, III ZR 240/11, juris Rn. 11; OLG München, Urt. v. 16.02.2012, 1 U 3409/11, juris Rn. 35, KG Berlin, Urt. v. 05.10.2009, 12 U 195/08, juris Rn. 8). Hingegen scheidet eine Pflichtverletzung des in Anspruch Genommenen und damit seine Schadenersatzverpflichtung dann aus, wenn die Gefahrenquelle mit einer „Selbstwarnung“ versehen ist, der Verletzte also bei von ihm zu erwartender vernünftiger Bewertung all dessen, was er – rechtzeitig – wahrnehmen konnte, die Verwirklichung der Gefahr vorauszusehen und zu vermeiden vermochte (Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urt. v. 13.09.2005, 11 U 20/05, juris Rn. 60). Eine Verkehrsfläche muss mithin nicht schlechthin gefahrlos und frei von allen Mängeln sein. Verkehrsteilnehmer haben vielmehr die gegebenen Verhältnisse grundsätzlich so hinzunehmen und sich ihnen anzupassen, wie sie sich ihnen erkennbar darbieten (BGH, Urt. v. 13.07.1989, III ZR 122/88, juris Rn. 11; KG Berlin, Urt. v. 08.11. 2013, 9 U 24/12, juris Rn. 11). Die Verkehrssicherungspflicht dient insbesondere nicht dazu, das allgemeine Lebensrisiko auf den Sicherungspflichtigen abzuwälzen (OLG Saarbrücken, Urt. v. 16.10.2014, 4 U 168/13, juris Rn. 44). Dass das Loch als Gefahrenquelle ausreichend erkennbar war, ergibt sich aus den von der Klägerin vorgelegten Lichtbildern (Bl. 6 d. A.). Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Landgericht sich die entsprechende Überzeugung von den optischen Gegebenheiten anhand der Lichtbilder gebildet und nicht den Unfallort selbst im Rahmen eines Ortstermins in Augenschein genommen hat. Ein dem Gericht vorgelegtes Lichtbild macht den Augenschein entbehrlich, wenn keine Partei dessen Unzulänglichkeit als Beweismittel konkret darlegt (Zöller/Greger, 30. A. 2014, § 371 Rn. 4 m.w.N.), was vorliegend nicht geschehen ist.

Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 24.11.2017 . Es wird darauf hingewiesen, dass die Berufungsrücknahme vor Erlass einer abschließenden Senatsentscheidung nach § 522 ZPO kostenrechtlich privilegiert ist (zwei statt vier Gerichtsgebühren).

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