VG München, Beschluss vom 14. Mai 2020 – M 3 K 19.2249
Zur Verhängung eines verschärften Verweis und einer Zeugnisbemerkung wegen schulischem Fehlverhalten
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf EUR 10.000,- festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Kläger besuchte im Schuljahr 2018/19 die Klasse 9b des D.-Gymnasiums in L. (im Folgenden: die Schule).
2
Seit Ende 2018 erhielt die Schule Mitteilungen von Eltern mit dem Inhalt, dass Alkoholkonsum an Schule stattfinde, dass ein Schüler Geld sammele für die Beschaffung und Verteilung von „Gras“ am „Lumpigen Donnerstag“, und dass Schüler bei REWE über den Seiteneingang, der in der Mittagspause nicht gesichert sei, Alkohol und Kaugummis stehlen würden. Nach Mitteilung eines Elternteils am 31. Januar 2019 sei hier ein Schüler „Drahtzieher“, der Kläger sei „Mitläufer“
3
Am 1. Februar 2020 fand ein Gespräch des Schulleiters und Beklagten zu 2) mit dem Kläger in Anwesenheit der Ständigen Vertreterin des Schulleiters statt. Der Kläger fertigte im Rahmen dieses Gesprächs eine handschriftliche Erklärung, in der er im Wesentlichen ausführte, er habe öfters bei REWE Waren mitgenommen, ohne zu bezahlen. Er sei Teil einer Gruppe, die das ca. fünfmal gemacht habe. Er wolle die Namen dieser Personen nicht nennen. Der REWE sei ein leichtes Ziel für sie gewesen, da es beim Ihle-Ausgang keine „Sicherheitsscanner“ gebe, die bei Diebstahl Alarm schlügen. Sie hätten sich gegenseitig gedeckt, um ungesehen Ware unter die Jacke zu schieben. Die Ware sei nie von großem Wert oder nicht für ihr Alter angemessen gewesen (kein Alkohol), das teuerste sei eine Packung Lollis im Wert von 2,50 Euro gewesen. Das erste Mal sei ein bis zwei Wochen nach den Herbstferien gewesen. Es sei nie so regelmäßig gewesen, als dass sie jedes Mal in der Mittagspause gestohlen hätten. Es sei immer ein Artikel bezahlt worden, da es unauffälliger gewesen sei. Es sei nicht darum gegangen, dem REWE Schlechtes zu tun, sondern Geld zu sparen.
4
Im Zwischenzeugnis des Klägers vom 15. Februar 2019 ist unter „Bemerkungen über Mitarbeit und Verhalten“ ausgeführt: Der Kläger „müsste beständiger und konzentrierte im Unterricht mitarbeiten. Sein Verhalten im Unterricht war lobenswert, außerhalb des Unterrichts gab es Anlass zur Beanstandung“.
5
Ein zwischen der Schule und der Mutter des Klägers vereinbarter Gesprächstermin am 18. März 2019 wurde vom Vater des Klägers am 14. März 2019 abgesagt.
6
Mit Schreiben vom 18. März 2019 an die Eltern des Klägers teilte der Schulleiter mit, dass der Kläger einen verschärften Verweis erhalte. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Kläger habe in einem der Schule nahe gelegenen und von den Schülern stark frequentierten Supermarkt mehrfach Süßigkeiten ohne Bezahlung entwendet. Diese Diebstähle hätten, nachdem sie Mitschülern nicht verborgen geblieben seien, massive negative Auswirkungen auf den Schulbetrieb und die Ordnung insbesondere in der neunten Jahrgangsstufe. Bei der Festlegung der Ordnungsmaßnahme sei zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass er geständig und reuig sei und persönlich Kontakt mit dem Besitzer des Supermarkts aufgenommen habe.
7
Mit Schreiben vom 19. März und 3. April 2019 beanstandete die Bevollmächtigte des Klägers unter anderem die Erteilung eines verschärften Verweises an den Kläger, da das sanktionierte Verhalten des Klägers keine schulischen Belange betreffe. Aus demselben Grund werde auch die Zeugnisbemerkung zum Verhalten beanstandet; zudem habe der Schulleiter die zunächst positive Bemerkung der Klassenlehrerin ohne Wissen der Klassenlehrerin geändert in „sein Betragen gab Anlass zu Beanstandungen“. Nachdem die Mutter des Klägers dies reklamiert habe, sei die Bemerkung erneut durch den Schulleiter geändert („schulisch lobenswert, außerhalb des Unterrichts gab das Verhalten von [Name des Klägers] Anlass zur Beanstandung“).
8
Mit Schreiben der Schule vom 10. April 2019 an die Bevollmächtigte des Klägers wurde näher begründet, aus welchen Gründen die Schule durch das Verhalten des Klägers schulische Belange berührt sehe. Im Hinblick auf die Zeugnisbemerkung ist ausgeführt, bei der Klassenkonferenz am 12. Februar 2019 seien die Mitglieder zwar über die Vorkommnisse allgemein, nicht jedoch über die Beteiligung des Klägers hieran informiert gewesen, so dass das schulische Gesamtverhalten des Klägers nicht diskutiert und die von der Klassenleitung entworfene Bemerkung („Sein Verhalten war lobenswert“) übernommen worden sei. Kurz vor Ausgabe des Zeugnisses sei bemerkt worden, dass diese Bemerkung aufgrund der Vorkommnisse nicht tragbar sei. Der Schulleiter habe sich entschieden, die Bemerkung zu ändern, die Klassenlehrer zu informieren und gegebenenfalls die Klassenkonferenz zu erneuter Beratung zusammenzurufen. Nach einem Gespräch mit der Mutter des Klägers habe der Schulleiter die nun im Zwischenzeugnis enthaltene Formulierung vorgeschlagen; die Mutter des Klägers habe sich damit einverstanden erklärt. Die im Schreiben vom 19. März 2019 genannte Formulierung sei falsch zitiert und treffe nicht den Sachverhalt. Im Rahmen der Lehrerkonferenz zum Halbjahr seien die Lehrkräfte der neunten Klassen informiert worden und hätten ihre Zustimmung bekundet. Durch neuerliche Beschlüsse der Klassenkonferenz der Klasse 9b werde unter Würdigung der gesamten Sachlage in das Zwischenzeugnis des Klägers keine Aussage über sein Verhalten aufgenommen. Das neu ausgestellte Zwischenzeugnis werde gegen Rückgabe des ausgegebenen Zwischenzeugnisses ausgehändigt.
9
Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2019, bei Gericht eingegangen am 10. Mai 2019, hat der Kläger durch seine Bevollmächtigte Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben mit dem Antrag, die Beklagten zu verurteilen, den verschärften Schulverweis vom 18. März 2019 aufzuheben und aus der Schülerakte des Klägers zu entfernen, sowie das Schreiben des Klägers vom 1. Februar 2019 (Geständnis) aus der Schülerakte zu entfernen (Nr. 1), und die Beklagten zu verurteilen, das Zwischenzeugnis Schuljahr 2018/19 des Klägers im Hinblick auf die Bemerkung über Mitarbeit und Verhalten dahingehend zu ändern, dass Aussagen über das Verhalten des Klägers außerhalb des Unterrichts nicht enthalten sind.
10
Hinsichtlich der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 7. Mai 2019 Bezug genommen.
11
Mit Schriftsatz vom 24. Juli 2019 beantragte der Beklagte zu 1) Klageabweisung. Auf die Begründung wird Bezug genommen. Der Beklagte zu 2) äußerte sich nicht.
12
Der Kläger wechselte zum Schuljahr 2019/20 an das Gymnasium B.
13
Im Rahmen des weiteren Schriftwechselns zwischen der Klagepartei und dem Beklagten zu 1) erfolgte ein Austausch des ausgehändigten Zwischenzeugnisses (mit Bemerkung zum Verhalten) gegen die von der Schule im April 2019 erstellte Fassung (ohne Bemerkung zum Verhalten). Weiter verwies der Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 15. Oktober 2019 und vom 30. Januar 2020 darauf, dass der verschärfte Verweis, die handschriftliche Stellungnahme des Klägers vom 1. Februar 2019 und Kopien davon nach Abschluss des Gerichtsverfahrens vernichtet würden.
14
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
15
Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom 6. Februar 2020 die Hauptsache für erledigt erklärt. Der Beklagte zu 1) hat mit Schriftsatz vom 12. Februar 2020 der Erledigung zugestimmt. Der Beklagte zu 2) hat sich zur Erledigungserklärung nicht binnen zwei Wochen geäußert (§ 161 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Das Verfahren ist daher in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Über die Kosten des Verfahrens ist gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands zu entscheiden. Die Verfahrenskosten sind grundsätzlich dem aufzuerlegen, der bei Fortsetzung des Verfahrens voraussichtlich unterlegen wäre (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 161 Rn. 16).
16
Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen, da die Klage voraussichtlich ohne Erfolg geblieben wäre.
17
1. Die gegen den Beklagten zu 2) gerichtete Klage war wegen fehlender Passivlegitimation (§ 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) unbegründet. Die vorliegenden Anträge waren gegen den Freistaat Bayern als Träger der Schule zu richten.
18
2. Auch die Klage gegen den Beklagten zu 1) wäre voraussichtlich ohne Erfolg geblieben.
19
a) Der Antrag auf Aufhebung des verschärften Verweises und auf Entfernung des verschärften Verweises und der handschriftlichen Stellungnahme des Klägers vom 1. Februar 2019 aus der Schülerakte war unbegründet.
20
aa) Bei der Ordnungsmaßnahme des verschärften Verweises (Art. 86 Abs. 2 Nr. 2 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen – BayEUG – in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000, GVBl. S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K, zuletzt geändert durch Gesetz vom 23. Dezember 2019, GVBl. S. 737) handelt es sich mangels Regelungswirkung nicht um einen Verwaltungsakt (BayVGH, U.v. 10. März 2010 – 7 B 09.1906 – juris Rn. 19). Da aber auch bei einer Qualifizierung des verschärften Verweises als schlicht-hoheitliche Maßnahme der Schule sowohl eine Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Maßnahme (§ 43 Abs. 1 VwGO; vgl. BayVGH, U.v. 10. März 2010, a.a.O. Rn. 21) wie auch eine Leistungsklage zur Geltendmachung eines Folgenbeseitigungsanspruchs auf Entfernung von Unterlagen aus Akten der Schule (VG Ansbach, U.v. 15.7.2010 – AN 2 K 09.01245 – juris Rn. 26) möglich ist, wäre der erhobene Antrag bei entsprechender Auslegung (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO) zulässig gewesen.
21
bb) Ein derartiger Feststellungs- und Leistungsantrag des Klägers war jedoch unbegründet. Der verschärfte Verweis vom 18. März 2019 war rechtmäßig (1). Es besteht daher auch kein Anspruch auf Entfernung der (laut Beklagtem zu 1) im Beiakt zur Schülerakte befindlichen Unterlagen (2).
22
(1) Nach Art. 86 Abs. 1 BayEUG können zur Sicherung des Bildungs- und Erziehungsauftrags oder zum Schutz von Personen und Sachen nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ordnungsmaßnahmen gegenüber Schülerinnen und Schülern getroffen werden, soweit andere Erziehungsmaßnahmen nicht ausreichen. Zu derartigen Ordnungsmaßnahmen zählt auch der verschärfte Verweis durch den Schulleiter (Art. 86 Abs. 2 Nr. 2 BayEUG). Unzulässig sind Ordnungsmaßnahmen aufgrund außerschulischen Verhaltens, soweit es nicht die Verwirklichung der Aufgaben der Schule gefährdet (Art. 86 Abs. 3 Nr. 5 BayEUG).
23
In formeller Hinsicht ist die Erteilung des verschärften Verweises durch den Schulleiter (Art. 88 Abs. 1 Nr. 2 BayEUG) nicht zu beanstanden. Insbesondere ist nicht zu beanstanden, dass die Befragung des Klägers hierzu ohne Vorinformation und ohne Beisein der sorgeberechtigten Eltern des Klägers stattfand. Eine Ordnungsmaßnahme ist eine Erziehungsmaßnahme und keine Strafe aufgrund der allgemeinen Strafgesetze (BayVGH, B.v. 26.6.2002 – 7 ZB 02.418 – juris Rn. 8). Das schulische Verfahren bei Ordnungsmaßnahmen ist ein eigenständiges Verwaltungsverfahren; die Grundsätze des Strafverfahrens sind daher weder direkt noch analog anwendbar. Nach Art. 88 Abs. 3 Nr. 1 BayEUG ist beim verschärften Verweis eine Anhörung des Schülers, nicht aber seiner Erziehungsberechtigten vorgeschrieben. Auch ist eine Anhörung des betroffenen Schülers zusammen mit einem Erziehungsberechtigten gesetzlich nicht vorgesehen (BayVGH, B.v. 18.5.2009 – 7 ZB 08.1801 – juris Rn. 10). Der klägerische Vortrag geht nicht darauf ein, worin die „unangemessenen Verhörmethoden“ des Schulleiters bestanden; dass ein Schüler ein Gespräch, mit dem er durch die Schule mit einem Fehlverhalten konfrontiert wird, als unangenehm empfindet, dürfte in der Natur der Sache liegen und bietet für sich keinen Anhalt für einen Verfahrensfehler.
24
Das schulische Vorgehen hält sich aber auch materiell im Rahmen der einschlägigen Rechtsgrundlagen.
25
Bei der Entscheidung, ob wegen der Gefährdung des Bildungs- und Erziehungsauftrags der Schule oder zum Schutz von Personen und Sachen im konkreten Einzelfall eine Erziehungsmaßnahme in Gestalt einer förmlichen Ordnungsmaßnahme und gegebenenfalls welche aus dem Katalog des Art. 86 Abs. 2 BayEUG getroffen werden soll, kommt der Schule sachnotwendigerweise ein pädagogischer Bewertungsspielraum zu. Die Gerichte können nur die Einhaltung der rechtlichen Grenzen des pädagogischen Spielraums durch die Schule überprüfen. Dies betrifft neben der Prüfung der Voraussetzungen für die Eröffnung des Bewertungsspielraums und der Verfahrensvorgaben insbesondere die Aspekte, ob die schulischen Feststellungen zum Sachverhalt einer sachlichen Überprüfung standhalten, ob in die Entscheidung sachfremde Erwägungen eingeflossen sind oder ob umgekehrt sachbezogen zu berücksichtigende Umstände übergangen worden sind und vor allem, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt worden ist.
26
Hinsichtlich der zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen haben sich keine Zweifel ergeben.
27
Die Schule konnte das dem Kläger zur Last gelegte Verhalten auch als Grundlage einer Ordnungsmaßnahme heranziehen. Dabei kann vorliegend offenbleiben, inwieweit es bei dem Verhalten des Klägers um ein schulisches und inwieweit um ein außerschulisches Fehlverhalten geht. Denn selbst wenn man das Fehlverhalten des Klägers (teilweise) als außerschulisch ansieht, hat es jedenfalls die Verwirklichung der Aufgaben der Schule gefährdet (Art. 88 Abs. 3 Nr. 5 BayEUG); auch bei einer verschärfenden Auslegung dahingehend, dass bei außerschulischen Verhalten die betreffenden Handlungen sich unmittelbar auf die Schule beziehen und deren Bildungsauftrag ernstlich gefährden müssen (BayVGH, U.v. 10.3.2010 – 7 B 09.1906 – juris Rn. 30), sind diese Voraussetzungen hier gegeben. Der Kläger hat Diebstähle während der Mittagspause und zusammen mit Mitschülern begangen. Aus seiner Stellungnahme ergibt sich, dass der Ablauf der Diebstähle im Supermarkt zwischen dem Kläger und seinen Mitschülern geplant und abgestimmt war (ungesicherter Seiteneingang; Schüler deckten sich während des Diebstahls gegenseitig; Kauf einer Ware, um unauffällig zu erscheinen). Der Kläger hat sich mehrfach an den Diebesgängen beteiligt, so dass auch nicht davon die Rede sein kann, dass er zufällig und einmalig in die eingespielten Diebstähle anderer Schüler hineingeraten wäre. Den Angaben anderer Personen gegenüber dem Schulleiter ist zu entnehmen, dass die Diebstähle in der Schule nicht nur an sich bekannt waren, sondern auch die gestohlene Ware und die Tatsache, dass während der Mittagspause der Seiteneingang des Supermarkts nicht gesichert war. Die Diebstähle müssen daher zu einem erheblichen Umfang Gesprächsthema an der Schule unter den (beteiligten und unbeteiligten) Schülern gewesen sein. Den Behördenakten zu entnehmen ist weiter, dass die Diebstähle – wie etwa die dokumentierten Anrufe von Erziehungsberechtigten anderer Schüler zeigen – für erhebliche Beunruhigung an der Schule gesorgt haben. Am schulischen Bezug des Fehlverhaltens besteht vor diesem Hintergrund kein Zweifel.
28
Die Schule hat die wesentlichen Aspekte zutreffend erkannt und gewürdigt und keine sachwidrigen Erwägungen angestellt. Insbesondere hat sie zugunsten des Klägers berücksichtigt, dass er die Diebstähle zugegeben und sich von sich aus an den Geschädigten gewandt hat. Der ausgesprochene verschärfte Verweis hält sich am unteren Rand der denkbaren Sanktionen. Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme bestehen daher nicht.
29
(2) Da die Erteilung des verschärften Verweises rechtlich nicht zu beanstanden war, bestehen auch keine rechtlichen Bedenken gegen die Aufnahme des verschärften Verweises und der ihm zugrundeliegenden Unterlagen in den Beiakt der Schule.
30
b) Soweit die Klage auf Änderung der Bemerkung über Anlagen, Mitarbeit und Verhalten im Zwischenzeugnis vom 15. Februar 2019 dahingehend gerichtet war, dass Aussagen über das Verhalten des Klägers außerhalb des Unterrichts nicht enthalten sind, wäre die Klage voraussichtlich ohne Erfolg geblieben.
31
aa) Die Klage war zulässig. Statthaft dürfte vorliegend die allgemeine Leistungsklage gewesen sein. Eine Verpflichtungsklage auf Änderung der Bemerkung dürfte nicht in Betracht kommen, da der vorliegenden Zeugnisbemerkung (Art. 52 Abs. 3 Satz 3 BayEUG i.V.m. § 40 Abs. 1 Satz 2 Gymnasialschulordnung – GSO – vom 23. Januar 2007, GVBl. S. 68, BayRS 2235-1-1-1-K, zuletzt geändert durch Verordnung vom 9. Juli 2019, GVBl. S. 420, in der nach § 68 Abs. 2 Satz 1 GSO maßgeblichen Fassung) keine eigenständige Regelungswirkung zukommen dürfte. Ob dies dann anders zu beurteilen wäre, wenn sich die beanstandete Zeugnisbemerkung auf einem Abschlusszeugnis (VG Augsburg, U.v. 21.12.2010 – Au 3 K 10.1721 – juris Rn. 14 ff.) oder einem Zeugnis, das den Nachweis des mittleren Schulabschlusses umfasst (VG München, B.v. 17.8.2004 – M 3 E 04.4293) befände, kann vorliegend dahinstehen. Denn dem Zwischenzeugnis kommt insgesamt keine Regelungswirkung zu, da die darin ausgewiesenen Noten nicht als solche in das Jahreszeugnis eingehen, sondern die Jahresfortgangsnoten aus den im gesamten Schuljahr erzielten Einzelnoten je Fach gebildet werden (§ 28 GSO). Kommt damit dem Zwischenzeugnis mit den darin ausgewiesenen Noten insgesamt lediglich die Funktion zu, zur Information des Schülers und der Erziehungsberechtigten den Stand der bislang gezeigten Leistungen abzubilden, kann für die angefügte Bemerkung zu Anlagen, Mitarbeit und Verhalten nichts Anderes gelten.
32
Jedenfalls im Hinblick auf § 40 Abs. 1 Satz 3, § 39 Abs. 3 Sätze 3, 4 GSO war der Kläger klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO in entsprechender Anwendung).
33
bb) Die Klage war voraussichtlich unbegründet, da die Zeugnisbemerkung voraussichtlich rechtlich nicht zu beanstanden war und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt.
34
Nach Art. 52 Abs. 3 Satz 2 BayEUG werden Zeugnisse erteilt, die neben den Leistungsbewertungen auch Bemerkungen oder Bewertungen über Anlagen, Mitarbeit und Verhalten des Schülers enthalten sollen. Diese Soll-Vorschrift wird durch § 39 Abs. 3 Satz 1 GSO dahingehend konkretisiert, dass in den Jahrgangsstufen fünf bis zehn Bemerkungen über Anlagen, Mitarbeit und Verhalten des Schülers in das Zeugnis aufzunehmen sind. Nach § 39 Abs. 3 Satz 3 GSO werden nur aus besonderen Anlass Ordnungsmaßnahmen erwähnt. In den Jahrgangsstufen neun und zehn darf das Jahreszeugnis keine Bemerkung enthalten, die den Übertritt in das Berufsleben erschwert (§ 39 Abs. 3 Satz 4 GSO). Nach § 39 Abs. 5 Satz 1 GSO wird das Zeugnis von der Klassleitung entworfen und von der Klassenkonferenz (Art. 53 Abs. 4 Satz 2 BayEUG) festgesetzt. Die Lehrerkonferenz trifft in den Fällen des Nichtvorrückens, des Vorrückens auf Probe oder des Notenausgleichs (§ 39 Abs. 5 Satz 2 GSO) sowie wenn der Vorsitzende der Klassenkonferenz oder ein Drittel ihrer Mitglieder einen entsprechenden Antrag stellt oder der Schulleiter es aus besonderen Gründen für erforderlich hält (§ 39 Abs. 5 Satz 3 GSO) auf Empfehlung der Klassenkonferenz die Entscheidung. Nach § 40 Abs. 1 Satz 3 GSO gilt für das Zwischenzeugnis § 39 GSO entsprechend.
35
(1) Die beanstandete Bemerkung dürfte nicht bereits wegen eines Verfahrensfehlers rechtswidrig sein. Vorliegend ist zwar die von der Klassenkonferenz festgesetzte Bemerkung durch den Schulleiter abgeändert, dann offenbar ausgehändigt und auf Vorsprache der Mutter des Klägers erneut durch den Schulleiter abgeändert und wieder ausgehändigt worden. Allerdings haben sich nach dem Vortrag im Schreiben des Schulleiters vom 10. April 2019 die Lehrkräfte der 9. Klassen (im Rahmen der Lehrerkonferenz zum Halbjahr) mit der Neufassung der Bemerkung einverstanden erklärt, so dass bei entsprechender Heranziehung von Art. 45 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG der Verfahrensfehler unbeachtlich sein dürfte. Eine weitere Aufklärung, ob alle Mitglieder der Klassenkonferenz bei der Lehrerkonferenz zugegen waren, sowie zur Frage, welche Folgen sich aus der etwaigen Abwesenheit einzelner Mitglieder ergeben würden, ist nach Hauptsacheerledigung nicht mehr zulässig (§ 161 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO). Der Vortrag im Schreiben vom 10. April 2019 wie auch die vorgelegten Akten bieten allerdings keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Zeugnisbemerkung innerhalb der die Klasse unterrichtenden Lehrer anders als zustimmend bewertet worden wäre, so dass viel dafür spricht, dass die Bemerkung nicht bereits wegen fehlender Festsetzung durch die Klassenkonferenz fehlerhaft war.
36
(2) Die Bemerkung dürfte auch in der Sache rechtlich nicht zu beanstanden sein.
37
Die Bemerkung über das Verhalten des Klägers ist nicht bereits deshalb rechtwidrig, weil sie außerschulisches Verhalten zum Gegenstand hätte. Das Verhalten, das Gegenstand der Bemerkung ist, umfasst nicht allein das Verhalten des Schülers während des Unterrichts, sondern zweifellos auch das Verhalten, das ein Schüler etwa auf den Gängen, während der Pausen oder bei sonstigen schulischen Veranstaltungen zeigt. Wie oben ausgeführt, können die beanstandeten Handlungen des Klägers, die zwar teilweise – was die Diebstähle anbelangt – außerhalb des Schulgeländes, jedoch in der Mittagspause stattfanden, an der Schule auch unter unbeteiligten Schülern bekannt waren und sich in der Schule durch die dort sich anschließenden Gespräche und Gerüchte auswirkten, nicht als außerschulisches Verhalten ohne schulischen Bezug angesehen werden. Eine Würdigung auch dieser Vorgänge im Rahmen der Bemerkung im Zwischenzeugnis ist daher nicht ausgeschlossen.
38
Die Bemerkung ist auch nicht im Hinblick auf § 40 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 39 Abs. 3 Satz 3 GSO zu beanstanden. Die Vorschriften behandeln ihrem Wortlaut nach allein die Erwähnung von Ordnungsmaßnahmen. Hieraus folgt nicht ohne weiteres, dass ein Verhalten, das auch Anlass einer Ordnungsmaßnahme war, nur aus besonderem Anlass bei der Abfassung der Bemerkung mitberücksichtigt werden dürfte. Denn die Bemerkung soll die Bewertung der Leistungen durch Noten in den einzelnen Fächern ergänzen; Persönlichkeit des Schülers, Mitarbeit und Verhalten sind kurz zu charakterisieren. Die Bemerkung muss sachlich richtig sein (VG Augsburg, U.v. 21.12.2010 – Au 3 K 10.1721 – juris Rn. 19). Dies schließt es aus, sanktioniertes Fehlverhalten bei der Würdigung des Verhaltens des Schülers in der Bemerkung gänzlich außer Betracht zu lassen; andernfalls würde bei Schülern, deren Verhalten (u.U. mehrfach) Gegenstand von Ordnungsmaßnahmen war, das Verhalten nur teilweise im Rahmen der Bemerkung gewürdigt, so dass die Bemerkung u.U. günstiger ausfiele als bei Schülern, deren Verhalten lediglich Gegenstand von sonstigen Erziehungsmaßnahmen war.
39
Die gerügte Bemerkung fällt nicht unter das Verbot des § 40 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 39 Abs. 3 Satz 4 GSO, da sie nicht im Sinne der Vorschrift den Übertritt in das Berufsleben erschwert. Denn bei der Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist mit zu berücksichtigen, dass nach § 39 Abs. 3 Satz 1 GSO in den Jahrgangsstufen fünf bis zehn das Zeugnis zwingend eine Bemerkung zu Anlagen, Mitarbeit und Verhalten enthalten muss und diese sachlich richtig (vgl. oben VG Augsburg, a.a.O.) sein muss. Aus der Zusammenschau beider Vorschriften folgt, dass unter das Verbot des § 39 Abs. 3 Satz 4 GSO nicht jegliche Bemerkung fällt, die nicht uneingeschränkt positiv ist; die Schule ist auch im Hinblick auf § 39 Abs. 3 Satz 4 GSO nicht etwa gehalten, eine im Ergebnis wahrheitswidrige Bemerkung abzufassen (VG München, B. v. 17.8.2004 – M 3 E 04.4293).
40
Die Bemerkung ist vor diesem Hintergrund nicht zu beanstanden. Die Bemerkung zum Verhalten des Klägers ist differenziert abgefasst und erwähnt ausdrücklich und an erster Stelle das positive Verhalten des Klägers im Unterricht. Die kritische Anmerkung zu seinem Verhalten außerhalb des Unterrichts ist sachlich formuliert und lässt erkennen, dass auch das Verhalten des Klägers außerhalb des Unterrichts nicht pauschal beanstandet wird. Dass die Schule auf die kritische Anmerkung nicht gänzlich verzichtet hat, erscheint vor dem Hintergrund, dass sich die mehrfachen Diebstähle des Klägers über mehrere Wochen hin erstreckten und erst nach der Intervention durch die Schule endeten, nicht unverhältnismäßig.
41
Auch im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Schule die Grenzen des Bewertungsspielraums überschritten hätte.
42
Da somit die Klage im Zeitpunkt der Erledigung voraussichtlich ohne Erfolg geblieben wäre, entspricht es der Billigkeit, die Kosten dem Kläger aufzuerlegen.
43
3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.1.1, 38.5. des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.