Zur Unfallschadensregulierung nach niederländischem Recht

AG Krefeld, Urteil vom 07.07.2017 – 10 C 535/16

Zur Unfallschadensregulierung nach niederländischem Recht

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 2 % aus 2.674,63 Euro vom 01.12.2016 bis 05.01.2017, in Höhe von 2 % aus 100,- Euro vom 06.01.2017 bis 06.04.2017 abzüglich am 07.04.2017 gezahlter 1,05 Euro sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 47,84 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % aus 382,59 Euro vom 17.01.2017 bis 19.01.2017 und in Höhe von 2 % aus 47,84 Euro seit dem 20.01.2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand
1
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz anlässlich eines Verkehrsunfalls in den Niederlanden.

2
Bei der Beklagten handelt es sich um eine niederländische Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung. Am 16.10.2016 befuhr die nichtvorsteuerabzugsberechtigte Klägerin die Straße H. in L./Niederlande. Infolge Unaufmerksamkeit fuhr der Fahrer des bei der Beklagten versicherten Pkw mit dem niederländischen Kennzeichen … auf das Fahrzeug der Klägerin auf. Der Klägerin entstanden hierdurch ein Fahrzeugschaden in Höhe von 2.050,- Euro (Wiederbeschaffungswert 4.100,- Euro brutto abzgl. 2.050,- Euro Restwert) sowie Sachverständigenkosten im Umfang von 624,53 Euro, insgesamt 2.674,63 Euro.

3
Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.11.2016 zeigte die Klägerin den Schaden der Regulierungsbeauftragten der Beklagten an und forderte diese in diesem Schreiben unter Fristsetzung bis zum 18.11.2016 sowie mit weiteren Schreiben vom 22.11.2016, 01.12.2016, 05.12.2016 und 14.12.2016 erfolglos zur Zahlung auf.

4
Ursprünglich hat die Klägerin mit ihrer am 29.12.2016 bei Gericht eingegangenen und am 17.01.2017 zugestellten Klage beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.674,63 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % seit dem 01.12.2016 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 382,59 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Nachdem die Beklagte am 06.01.2017 2.574,63 Euro gezahlt hat, hat die Klägerin die Klage mit Schriftsatz vom 12.01.2017 in dieser Höhe zurückgenommen und hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 100,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % aus 2.674,63 Euro vom 01.12.2016 bis 05.01.2017 sowie in Höhe von 2 % aus 100,- Euro seit dem 06.01.2017 sowie eine Nebenforderung in Höhe von 382,59 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Nachdem die Beklagte am 20.01.2017 auf die Nebenforderung 334,75 Euro und am 07.04.2017 weitere 100,- Euro auf die Hauptforderung sowie 1,05 Euro auf die Zinsen gezahlt hat, haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in dieser Höhe für erledigt erklärt.

5
Die Klägerin beantragt nunmehr,

6
die Beklagte zu verurteilen, an sie Zinsen in Höhe von 2 % aus 2.674,63 Euro vom 01.12.2016 bis 05.01.2017 sowie in Höhe von 2 % aus 100,- Euro vom 06.01.2017 bis 06.04.2017 abzüglich am 07.04.2017 gezahlter 1,05 Euro sowie eine Nebenforderung in Höhe von 47,84 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 % aus 382,59 Euro vom 17.01.2017 bis 19.01.2017 sowie in Höhe von 2 % aus 47,84 Euro seit dem 20.01.2017 zu zahlen.

7
Die Beklagte beantragt,

8
die Klage abzuweisen.

9
Sie ist der Ansicht, die auf Basis einer 1,5 Geschäftsgebühr abgerechnete Nebenforderung sei überhöht. Die Kosten des Rechtsstreits seien der Klägerin aufzuerlegen, da die Beklagte keine Veranlassung zur Klage gegeben habe. Es gelte eine Frist von drei Monaten ab Anmeldung der Ansprüche gemäß der 4. KH-Richtlinie. Bei Fällen mit Auslandsberührung müsse zudem eine Prüffrist von zwei Monaten zugebilligt werden.

Entscheidungsgründe
10
Die Klage ist zulässig und in ihrem noch rechtshängigen Umfang begründet.

I.

11
Nachdem die Klägerin die Klage in Höhe von 2.574,63 Euro zurückgenommen hat und die Parteien den Rechtsstreit hinsichtlich der gezahlten 334,75 Euro auf die Nebenforderung, 100,- Euro auf die Hauptforderung sowie 1,05 Euro auf die Zinsen übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war in der Hauptsache nunmehr nur noch über Zinsen und einen Teil der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu entscheiden.

II.

12
Das erkennende Gericht ist als Wohnsitzgericht der geschädigten Klägerin international zuständig. Bei Verkehrsunfällen kann der Geschädigte die Kfz-Haftpflichtversicherung an seinem Wohnsitz verklagen, wenn das anzuwendende Recht einen Direktanspruch des Geschädigten gegen die Versicherung vorsieht. So liegt der Fall hier. Der streitgegenständliche Verkehrsunfall unterliegt gemäß Art. 4 Abs. 1 i.V.m. Art. 18 der sog. Rom Il-Verordnung (Verordnung EG Nr. 864/2007) niederländischem Recht. Ein Direktanspruch des Geschädigten ist dort in Art. 6 Abs. 1 S. 1 Wet aansprakelijkheidsverzekering motorrijtuigen (WAM) vorgesehen (vgl. LG Neuruppin, Urteil vom 08. März 2017 – 1 O 120/14 -, juris).

III.

13
Die Klage ist auch in der Sache begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zinsen im zuerkannten Umfang sowie auf den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 47,84 Euro.

1.

14
Auf den Rechtsstreit ist niederländisches materielles Recht anwendbar. Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Rom II-Verordnung ist auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind. Der unmittelbare Schaden am klägerischen Fahrzeug ist am Unfallort in den Niederlanden eingetreten.

2.

15
Die Klägerin hatte gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.674,63 Euro. Nach niederländischem Recht hat der Geschädigte eines Verkehrsunfalls gemäß Art. 6:162 ff. i.V.m. Art. 6:96 Abs. 1 des Burgerlijk Wetboek (BW) einen Anspruch auf Erstattung des Bruttowiederbeschaffungswerts abzüglich des Restwerts, wenn die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigen. Indem die Beklagte zunächst 2.574,63 Euro und sodann weitere 100,- Euro gezahlt und damit den Schaden vollständig reguliert hat, hat sie zu erkennen gegeben, dass sie ihren ursprünglichen Einwand in der Klageerwiderung, es sei ein Wiederbeschaffungswert in Höhe von 4.000,- Euro netto abzüglich eines Restwertes in Höhe von 2.050,- Euro anzusetzen, nicht mehr aufrecht erhält und selbst von einem ersatzfähigen Fahrzeugschaden in Höhe von 2.050,- Euro ausgeht.

16
Diese mittlerweile erfüllte Schadensersatzforderung ist gemäß Art. 6:119 BW im beantragten Umfang zu verzinsen (vgl. auch LG Neuruppin, Urteil vom 08. März 2017 – 1 O 120/14 -, juris). Einwendungen gegen die Zinsforderung sind von der Beklagten nicht erhoben worden.

3.

17
Ferner sind gemäß Art 6:96 Abs. 2 BW die Kosten für die vorgerichtliche Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin als Folge des eingetretenen Primärschadens erstattungsfähig. Der Höhe nach richten sich hier wegen der Beauftragung eines deutschen Rechtsanwalts die Kosten nach RVG (LG Kleve, Urteil vom 16.01.2015, 3 O 140/13; LG Neuruppin, Urteil vom 08. März 2017 – 1 O 120/14, juris). Bei einem Verkehrsunfall, dessen Abwicklung sich nach niederländischem Recht richtet, ist schon wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten der Ansatz einer 1,5-fachen Gebühr nach Nr. 2300 VV-RVG (301,50 Euro) zuzüglich Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV-RVG (20,- Euro) und Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG (61,09 Euro) in Höhe von insgesamt 382,59 Euro nicht zu beanstanden. Abzüglich der bereits gezahlten 334,75 Euro verbleibt ein ebenfalls zu verzinsender Anspruch in Höhe von 47,84 Euro.

IV.

18
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Soweit die Klägerin die Klage infolge der Teilzahlung der Beklagten zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit in Höhe von 2.574,63 Euro zurückgenommen hat, folgt die Kostenentscheidung aus § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt haben, fußt die Kostenentscheidung auf § 91a Abs. 1 S. 1 ZPO. In beiden Fällen bestimmt sich die Kostentragungspflicht nach billigem Ermessen. Unter Berücksichtigung der unter Ziffer III. gemachten Ausführungen waren die Kosten des Rechtsstreits der Beklagten aufzuerlegen, da die Klage im Zeitpunkt ihrer Einreichung bei Gericht zulässig und begründet war. Die Klägerin hätte vollumfänglich obsiegt, wenn die Beklagte zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit der Klage keine Teilzahlung sowie nach Rechtshängigkeit eine weitere Teilzahlung geleistet hätte. Eine abweichende Kostenentscheidung zulasten der Klägerin ist nicht angezeigt. Soweit die Beklagte eine Kostentragungspflicht der Klägerin aus § 93 ZPO herleiten möchte, fehlt es für die Anwendung dieser Norm an dem erforderlichen sofortigen Anerkenntnis der Beklagten. Ein solches ist von dieser zu keinem Zeitpunkt im Prozess erklärt worden.

19
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.

20
Streitwert: bis zum 13.01.2017 2.674,63 Euro, ab dem 14.01.2017 bis 500,- Euro.

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