OLG Dresden, Beschluss vom 08.08.2018 – 4 W 577/18
1. Nutzungsbedingungen des Anbieters eines sozialen Netzwerkes sind keine bloßen Leistungsbeschreibungen, sondern kontrollfähige Allgemeine Geschäftsbedingungen.(Rn.17)
2. Eine Klausel, die „Hassrede“ auf der Plattform untersagt und hierunter auch Meinungsäußerungen unterhalb der Schwelle zur Schmähkritik und außerhalb von § 1 Abs. 2 NetzDG versteht, ist nicht überraschend.(Rn.20)
3. Eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer liegt hierin zumindest dann nicht, wenn sich aus den Bedingungen ergibt, dass Löschungen nicht willkürlich vorgenommen und Nutzer nicht vorschnell oder dauerhaft gesperrt werden.(Rn.22)(Rn.25)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
I. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 17.05.2018, Az. 6 O 176/18, wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 € festgesetzt.
Gründe
I.
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Der Antragssteller wendet sich gegen die Löschung eines von ihm verfassten Beitrags auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Plattform F… und seine – zwischenzeitlich abgelaufene – Teilsperre von Einzelfunktionen. Bei der Antragsgegnerin ist er mit der E-Mail Anschrift w…@aol.com angemeldet. Dem Nutzungsvertrag liegen u.a. die als Anlagen AG 1 und AG 2 mit Stand vom 19.04.2018 vorgelegten Nutzungsbedingungen sowie die Gemeinschaftsstandards zugrunde; letztere enthalten unter Teil III Ziff. 12 eine Definition der sog. Hassrede folgenden Inhalts:
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,,Wir lassen Hassrede auf F… grundsätzlich nicht zu. Hassrede schafft ein Umfeld der Einschüchterung, schließt Menschen aus und kann in gewissen Fällen Gewalt in der realen Welt fördern.
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Wir definieren Hassrede als direkten Angriff auf Personen aufgrund geschützter Eigenschaften: ethnische Zugehörigkeit, nationale Herkunft, religiöse Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, Geschlecht, Geschlechtsidentität, Behinderung oder Krankheit. Auch Einwanderungsstatus ist in gewissem Umfang eine geschützte Eigenschaft. Wir definieren Angriff als gewalttätige oder entmenschlichende Sprache, Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe, Personen auszuschließen oder zu isolieren. Wir teilen Angriffe wie unten beschrieben in drei Schweregrade ein.
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Manchmal teilen Menschen Inhalte, die Hassrede einer anderen Person enthalten, um für ein bestimmtes Thema zu sensibilisieren oder Aufklärung zu leisten. So kann es vorkommen, dass Worte oder Begriffe, die ansonsten gegen unsere Standards verstoßen könnten, erklärend oder als Ausdruck von Unterstützung verwendet werden. Dann lassen wir die Inhalte zu, erwarten jedoch, dass die Person, die solche Inhalte teilt, ihre Absicht deutlich macht, so dass wir den Hintergrund besser verstehen können. Ist diese Absicht unklar, wird der Inhalt unter Umständen entfernt.
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Wir lassen Humor und Gesellschaftskritik in Verbindung mit diesen Themen zu. Wir sind außerdem der Ansicht, dass die Nutzerinnen und Nutzer, die solche Kommentare teilen, verantwortungsbewusster handeln, wenn sie ihre Klarnamen verwenden.‘‘
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Danach folgen Beispiele von Angriffen mit dem Schweregrad 1-3. Für Angriffe mit dem Schweregrad 3 heißt es dort:
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,, Angriffe mit dem Schweregrad 3 sind Angriffe, die zum Ausschluss oder der Isolation einer Person oder Personengruppe aufgrund der oben aufgeführten Eigenschaften aufrufen. Wir lassen Kritik an Einwanderungsgesetzen und Diskussionen über die Einschränkung dieser Gesetze zu. Inhalte, die Personen verunglimpfend beschreiben oder sie mit Verunglimpfungen angreifen. Verunglimpfungen werden als Ausdrücke bzw. Wörter definiert, die üblicherweise als beleidigende Bezeichnungen für die oben aufgeführten Eigenschaften verwendet werden. .‘‘.
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In der Einleitung behält sich die Antragsgegnerin das Recht vor, bei Verstößen gegen ihre Gemeinschaftsstandards u. a. die Postings zu löschen und die Rechte des Nutzers einzuschränken.
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Der Antragsteller hat zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt den Post „Nach den bisher gemachten Erfahrungen mit den Islam, der eine mehr andere weniger, ist wohl sehr klar zu erkennen, dass diese Menschenrasse nicht zur Europäischen Kultur passen“ veröffentlicht, den die Antragsgegnerin am 21.4.2018 gelöscht hat; zugleich wurde das Nutzerkonto des Antragstellers auf die Funktion Read-only für 30 Tage beschränkt.
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Seinen Antrag, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung die Löschung zu untersagen und die Sperre aufzuheben hat das Landgericht mit Beschluss vom 17.5.2018 abgelehnt. Die Kommentierung verstoße gegen die Standards der Antragsgegnerin, die die Förderung eines respektvollen Umgangs miteinander fordere. Es fehle zudem an einem Verfügungsgrund, weil es genügend andere Plattformen gebe, auf denen der Antragsteller seine Auffassung verbreiten könne. Der sofortigen Beschwerde des Antragstellers vom 30.05.2018 hat es nicht abgeholfen.
II.
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Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Frist des § 569 ZPO eingelegt worden.
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Der Antrag auf Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung ist zulässig. Die internationale und örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Görlitz, die auch im Beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen ist, folgt aus Art. 7 Nr. 1 a), 17 Abs. 1 lit c), 18 der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Zivil,- und Handelssachen (EuGVVO) und Ziff. 4 Nr. 4 der Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin. Die Klage eines Verbrauchers kann gegenüber der anderen Vertragspartei, die – wie die Antragsgegnerin – ihre Tätigkeit auf den Mitgliedsstaat, in dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, ausrichtet, vor dem Gericht seines Wohnsitzes erhoben werden (Art. 18 Abs. 1 EuGVVO). Auf den Vertrag findet gem. Art. 1,3 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom 1) i.V.m. Nr. 4.5 der Nutzungsbedingungen deutsches Recht Anwendung. Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die Nutzung von F… handelt es sich um einen schuldrechtlichen Vertrag, den auch die Antragsgegnerin mit Rechtsbedingungswillen eingegangen ist; ob die vom Antragsteller nach Ziff. 3.3 der Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin eingeräumten weitreichenden Berechtigungen zur Verwendung der eingestellten Inhalte, sowie des Nutzernamens,- und Profilbildes einschließlich der Informationen über Interaktionen mit Werbeanzeigen und gesponserten Inhalten zur Entgeltlichkeit dieses Vertrages führt, bedarf für die Frage der Rechtswahl keiner Entscheidung. Maßgeblich ist insofern allein, dass ein Vertrag mit Rechtsbindungswillen vorliegt.
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Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Ein Verfügungsanspruch gegen die zeitweilige Sperrung sowie die Löschung des streitgegenständlichen Beitrages nach § 241 BGB i.V.m. dem Nutzungsvertrag besteht nicht.
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1. Der Antragsteller hat sich unstreitig im sozialen Netzwerk F… mit einem persönlichen Profil angemeldet. Hierdurch ist zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis zustande gekommen, das den Antragsteller dazu berechtigt, u.a. „Status-Updates, Fotos, Videos und Stories über die … genutzten F…-Produkte“ zu teilen, Nachrichten „an eine/n enge/n Freund/in oder mehrere Personen“ zu senden, Veranstaltungen oder Gruppen zu erstellen oder Inhalte zu seinem Profil hinzuzufügen (Nr. 1 der Nutzungsbedingungen). Hierunter fällt auch das streitgegenständliche Posting. Dem steht eine mit Rechtsbindungswillen eingegangene Verpflichtung der Antragsgegnerin gegenüber, die o.a. Leistungen anzubieten und den Antragsteller hierzu zuzulassen, von der sie sich nur unter den vertraglich geregelten Vorgaben lösen kann.
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2. Die Löschung dieses Beitrages und dessen zeitweilige Sperrung hat die Antragsgegnerin gegenüber dem Antragsteller nicht begründet. Sie beruht jedoch, wie die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren nunmehr klargestellt hat, auf einem Verstoß gegen die in den Gemeinschaftsstandards festgelegten Grundsätze zur sog. Hassrede (Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards) i.V.m. Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen, der die Antragsgegnerin ermächtigt, Verstöße gegen „diese Bestimmungen“ durch Löschung oder Sperrung zu sanktionieren.
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Der streitgegenständliche Beitrag stellt einen Verstoß gegen das in Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards geregelte Verbot der Hassrede dar. Die Bezeichnung des Islam als „diese Menschenrasse“, die „nicht zur Europäischen Kultur passen [sic]“ stellt einen direkten Angriff auf Personen aufgrund ihrer religiösen Zugehörigkeit im Sinne dieser Regelung dar. Anders als der Antragsteller meint, ist der Begriff „Menschenrasse“ im hier vorliegenden Kontext keinesfalls lediglich eine völlig wertfreie Kategorisierungsmöglichkeit der Humanbiologie. Unabhängig von der dort streitigen Frage, ob es überhaupt charakteristische Großgruppen gibt, die sich anhand spezifischer Merkmale ihres Genoms so unterscheiden, dass hierfür der biologische Begriff „Menschenrasse“ Verwendung finden könnte (vgl. hierzu etwa http://www.faz.net/aktuell/wissen/leben-gene/gibt-es-menschliche-rassen-13917542.html, abgerufen am 6.8.2018) liegt der den Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards begründende „direkte Angriff“ hier darin, dass dieser biologische Begriff mit der Zugehörigkeit zu einem Glaubensbekenntnis verkoppelt wird. In Verbindung mit der Einschätzung, diese Glaubensrichtung passe nicht zur „Europäischen Kultur“ werden dadurch alle Mitglieder jeder islamischen Glaubensrichtung pauschal als minderwertig gegenüber dieser „Europäischen Kultur“ eingestuft. Allein „der Islam“ wird nämlich mit einer ausschließlich biologischen Klassifikation verbunden, wodurch ihm zugleich jede zivilisatorische Leistung etwa im Bereich Bildung, Malerei, Architektur u. ä. abgesprochen wird. Im Kontrast hierzu steht nach Meinung des Antragstellers die „Europäische Kultur“, mit der ein primär soziologischer Terminus aufgegriffen wird, der beim durchschnittlichen Leser den Eindruck eines hochstehenden zivilisatorischen Niveaus erwecken soll. Die Bezeichnung von Muslimen als Angehörige einer „Menschenrasse“ enthält darüber hinaus die Unterstellung, diese behauptete Minderwertigkeit hänge mit ihrer einheitlichen genetischen Disposition zusammen und sei damit unveränderlich. Damit wird den Muslimen ihre Individualität abgesprochen. Entmenschlichende Sprache, wie sie hierin zum Ausdruck kommt, definiert indes Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards ebenso als Hassrede wie „Aussagen über die Minderwertigkeit“ einer Personengruppe. Dass verschiedene Gesetze u.a. das AGG (vgl. § 1 AGG) an den Begriff der Rasse anknüpfen, führt entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu einer anderen Bewertung. Zum einen liegt der spezifische Unrechtsgehalt vorliegend in der Verkoppelung des Begriffes „Menschenrasse“ mit Islam und Europäischer Kultur (s.o.) zum anderen beruht die Aufnahme des Rassebegriffs in das AGG gerade auf der negativ konnotierten Signalwirkung dieses Begriffs, der infolgedessen als relevanter Diskriminierungstatbestand aufgenommen werden sollte (vgl. BT-Drucks. 16/1780, S. 30).
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3. Die auf der Grundlage der Nutzungsbedingungen verhängte Löschung des Beitrages nebst einer 30-tägigen Sperre sind auch nicht nach § 306 BGB unwirksam. Bei den Nutzungsbedingungen handelt es sich um für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen und damit um AGB i.S.d. §§ 305ff. BGB, was auch die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren nicht bestreitet (so auch Elsaß/Labusga/Tichy, CR 2017, 234 (237); LG Mosbach, Beschluss vom 1.6.2018, 1 O 108/18). Die Bedingungen hat die Antragsgegnerin durch Veröffentlichung auf ihrer Homepage wirksam einbezogen. Weder die in Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards niedergelegte Definition von „Hassrede“ noch die hieran anknüpfende Sanktion in Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen verstoßen zudem gegen § 307 Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 BGB, der auch für die Satzungsbestimmungen der Antragsgegnerin gilt, bei denen es sich nicht um kontrollfreie Leistungsbeschreibungen handelt (Holznagel, CR 2018, 369 (372); vgl. BGH, Urteil vom 9.4.2014 – VIII ZR 404/12, Rn 44 bei juris).
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a. Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen knüpft die Entfernung von Beiträgen und die anderen dort geregelten Sanktionen nicht mehr – wie noch die Vorgängervorschrift (Ziff. 5.2, vgl. hierzu OLG München Beschluss vom 17.7.2018, 41 O 7430/18)) – an ein einseitiges Bestimmungsrecht der Antragsgegnerin, sondern an einen Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen, die Gemeinschaftsstandards und sonstige Bedingungen und Richtlinien von F… und damit an im Grundsatz objektivierbare Kriterien an (von Holznagel aaO FN 53 als „nutzerfreundlichste Lösung“ klassifiziert). Die Verweisung in die weiteren, ebenfalls auf der Homepage von F… abrufbaren Bedingungswerke macht die Klausel nicht intransparent. Eine – auch dynamische – Verweisung auf weitere Regelwerke steht der Transparenz einer Regelung nicht entgegen (BGH NJW 1996, 2374; Palandt-Grüneberg, BGB, 77. Aufl. § 307 Rn 22).
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b. Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards enthält eine ausführliche, in leicht verständlicher Sprache verfasste Definition des aus dem angloamerikanischen Sprachraum übernommenen Begriffes der Hassrede. Dass die hierzu zählenden Angriffe nicht lediglich Formalbeleidigungen und Schmähkritik, sondern auch Meinungsäußerungen, die als Ausfluss der Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG zulässig sind, umfasst, lässt die Transparenz der Regelung unberührt (a.A. LG Mosbach aaO.). Der Nutzer, der Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards zur Kenntnis nimmt, wird erkennen, dass jede Art von gewalttätiger und entmenschlichender Sprache, eingeschlossen „Aussagen über Minderwertigkeit oder Aufrufe Personen auszuschließen“ mit einer Sanktion geahndet werden kann, weil Ziff. 3.2. der Nutzungsbedingungen insofern keine Einschränkung vorsieht (a.A. LG Köln Urteil vom 27.7.2018 – 24 O 187/18 n.v.). Dabei wird sich ihm möglicherweise der Sinn der Einteilung in drei Schweregrade nicht erschließen, weil weder nach den Gemeinschaftsstandards noch nach den Nutzungsbedingungen ein nach diesen Schweregraden abgestuftes Sanktionsregime vorgesehen ist. Er wird daraus aber allein den Rückschluss ziehen, dass die in Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen vorgesehenen Sanktionen unabhängig von diesen Schweregraden verhängt werden können.
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Dies stellt auch keine überraschende Klausel im Sinne des § 305c BGB dar. Es mag für den Durchschnittsnutzer insbesondere auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um die durch soziale Netzwerke ausgelöste „Verrohung der Sitten“ nicht auf der Hand liegen, dass bei der Antragsgegnerin ein Gemeinschaftsstandard existiert, durch den er angehalten wird, auch von drastisch formulierten Werturteilen über andere Personen, die noch unter der Strafbarkeitsschwelle liegen und keine Schmähkritik darstellen, Abstand zu nehmen. Wenn er die Klausel, insbesondere die Erläuterungen zu den „Schweregraden 1-3“ zur Kenntnis nimmt, wird sich ihm dies jedoch ohne weiteres erschließen, zumal die Klausel drucktechnisch so angeordnet ist, dass sie unschwer wahrgenommen werden kann. Insbesondere ist sie aber nicht ungewöhnlich im Sinne des § 305c BGB. Ob dies der Fall ist, beurteilt sich nach den Gesamtumständen des Vertrages insbesondere danach, ob eine Klausel vom Leitbild des Vertragstyps oder von den üblichen Vertragsbedingungen oder dem dispositiven Recht erheblich abweicht (vgl. BGH NJW 1992, 1236; BGHZ 121, 113 Palandt-Grüneberg, aaO. § 305c Rn 3). Eine solche Abweichung ist hier indes nicht ersichtlich. Der abstrakt generelle Ausschluss bestimmter Inhalte durch Community Richtlinien sozialer Netzwerke ist als Ausübung der von Art. 2, 12, 14 GG geschützten Freiheiten der Anbieter ohne weiteres zulässig, und zwar gerade auch dann, wenn bestimmte Inhalte verboten werden sollen, die nach der Rechtsordnung legal sind (Holznagel aaO, S. 371). Soweit ersichtlich sehen auch alle Anbieter von Telemediendiensten in Deutschland seit langem Verhaltensregeln für die Nutzungen ihrer Plattformen vor (vgl. etwa die Verhaltensregeln von Twitter zu hasschürendem Verhalten abrufbar unter https://help.twitter.com/de/rules-and-policies/hateful-conduct-policy, abgerufen am 7.8.2017). Angemessene Kommunikation im Internet wird überdies schon seit langem unter dem Stichwort „Netiquette“ diskutiert (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Netiquette, abgerufen am 7.8.2018). Es entspricht zwar möglicherweise der sozialen Realität, nicht aber dem Leitbild eines sozialen Mediums, das es als Forum für „Aussagen über die Minderwertigkeit einer Personengruppe, die implizieren, dass eine Person oder Gruppe körperliche, geistige oder moralische Defizite aufweist“ oder „Ausdrücke der Verachtung oder ihre bildliche Entsprechung“ genutzt wird. Auf derartige Nutzungsmöglichkeiten dürfen sich die Nutzer daher nicht einstellen, ihr Verbot durch AGB ist weder ungewöhnlich noch überraschend.
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Dass § 3 NetzDG die Anbieter eines sozialen Netzwerkes nur zur Entfernung offensichtlich rechtswidriger Inhalte i.S.d. in § 1 Abs. 2 NetzDG aufgeführten Straftatbestände verpflichtet, steht strengeren Verhaltensregeln der Anbieter nicht entgegen. Es ist nicht Ziel dieses Gesetzes, auf den Plattformen der sozialen Netzwerke begangene Ordnungswidrigkeiten oder bloße unerlaubte Handlungen zu erfassen. Vielmehr machen der Begriff und die abschließende Aufzählung der einschlägigen Straftatbestände deutlich, dass die Rechtsdurchsetzung bei der Bekämpfung von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten in sozialen Netzwerken geregelt werden soll. Erfasst werden also ausschließlich Handlungen, die den Tatbestand eines oder mehrerer der in Absatz 3 genannten Strafgesetze erfüllen und rechtswidrig, aber nicht notwendigerweise schuldhaft begangen werden (vgl. Regierungsentwurf des NetzDG BR-Drs. 315/17 S. 16 zu § 1 Abs. 3). Das Gesetz gibt daher nur Mindestanforderungen für ein Einschreiten der Anbieter vor, überlässt diesen aber darüber hinaus die Befugnis, durch eigene Standards zulässiges und unzulässiges Verhalten selbst zu regeln.
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4. Der Senat verkennt nicht, dass sich das Verbot von Hassrede in Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards auf die Meinungsfreiheit der Nutzer auswirkt. Eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer im Sinne des § 307 BGB, die eine Unwirksamkeit dieser Klausel nach sich zöge, liegt hierin indes nicht.
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a. Grundrechte verpflichten die Privaten grundsätzlich nicht unmittelbar untereinander selbst. Sie entfalten jedoch auch auf die privatrechtlichen Rechtsbeziehungen Ausstrahlungswirkung und sind von den Fachgerichten, insbesondere über zivilrechtliche Generalklauseln und unbestimmte Rechtsbegriffe, bei der Auslegung des Fachrechts zur Geltung zu bringen. Die Grundrechte entfalten hierbei ihre Wirkung als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und strahlen als „Richtlinien“ in das Zivilrecht ein. Sie zielen hier nicht auf eine möglichst konsequente Minimierung von freiheitsbeschränkenden Eingriffen, sondern sind als Grundsatzentscheidungen im Ausgleich gleichberechtigter Freiheit zu entfalten. Die Freiheit der einen ist dabei mit der Freiheit der anderen in Einklang zu bringen. Dabei kollidierende Grundrechtspositionen sind hierfür in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (BVerfG, Beschluss vom 11. April 2018 – 1 BvR 3080/09 -, Rn. 32, juris, ähnlich bereits BVerfGE 7, 198, 205 ff. – Lüth). Diese mittelbare Drittwirkung ist auch bei der Auslegung von AGB zu berücksichtigen (vgl. für § 307 BGB Fuchs in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 12. Aufl. 2016, § 307 BGB Rn 161 m.w.N.). Hieraus wird teilweise abgeleitet, Äußerungen in sozialen Netzwerken, die nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützt seien, dürften auch nicht zum Anlass für eine Sperrung oder Löschung genommen werden (vgl. etwa LG Karlsruhe, Beschluss vom 12.6.2018, 11 O 54/18; LG Frankfurt, Beschluss vom 14.5.2018, 1-03 O 182/18; VG München, Urteil vom 27.10.2017 – M 26 K 16.5928 Rn 17-juris; LG Köln, Urteil vom 4.5.2005, 9 S 17/05 – juris). Diese Auffassung berücksichtigt indes nicht hinreichend, dass das Grundrecht der Meinungsfreiheit gegenüber den Grundrechten der Anbieter nicht schlechthin vorrangig ist. Auf Seiten der Anbieter ist namentlich deren „virtuelles“ Hausrecht zu berücksichtigen. Es findet seine Grundlage zum einen im Eigentumsrecht des Anbieters, sofern dieser das Eigentum an der Hardware hat, auf der die Beiträge der Nutzer gespeichert werden. Gem. §§ 903 S. 1 Alt. 2, 1004 BGB kann daher der Betreiber jeden anderen von der Nutzung der Hardware durch das Speichern von Inhalten auf dieser abhalten. Hat der Betreiber die Hardware nur gemietet, so kann er aufgrund des Besitzes und seines Rechtes zum Besitz andere von jeder Einwirkung ausschließen, §§ 858, 862 BGB. Zum anderen findet sich die Grundlage eines virtuellen Hausrechts auch darin, dass der Anbieter der Gefahr ausgesetzt ist, als Intermediär für Beiträge anderer zu haften und auf etwa auf Unterlassung in Anspruch genommen zu werden. Dem Betreiber muss daher das Recht zustehen, Beiträge zu löschen oder den Zugang zu ihnen zu sperren (LG München I, Urteil vom 25. Oktober 2006 – 30 O 11973/05 -, Rn. 108, juris LG Bonn v. 16.11.1999 – 10 O 457/99, CR 2000, 245). Darüber hinaus ist auch die allgemeine Handlungsfreiheit des Anbieters betroffen, auf die sich auch die Antragsgegnerin als juristische Person berufen kann. Grundsätzlich gehört es zur Freiheit jeder Person, nach eigenen Präferenzen darüber zu bestimmen, mit wem sie wann unter welchen Bedingungen welche Verträge abschließen will. Ebenso wenig wie eine Zeitung verpflichtet wäre, alle ihr eingesandten Leserbriefe abzudrucken, ist die Antragsgegnerin daher verpflichtet, die Nutzungsbedingungen für ihre Plattform so auszugestalten, dass alle Meinungsäußerungen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle dort verbreitet werden dürften.
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Diese Belange der Anbieter sind nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz bei der Auslegung der Bedingungen des Anbieters eines sozialen Netzwerkes heranzuziehen. Bei der hier konkret vorzunehmenden Abwägung mit den Gemeinschaftsstandards der Antragsgegnerin ist zusätzlich einzustellen, dass diese in Deutschland im Bereich der sozialen Netzwerke eine Quasi-Monopolstellung aufweist. Nach aktuellen Zahlen weist F… im ersten Quartal 2018 wöchentliche Nutzerzahlen von 30 Millionen aktiven Nutzern auf und ist damit mit weitem Abstand vor Instagram das größte soziale Netzwerk (Quelle https://www.kontor4.de/beitrag/aktuelle-social-media-nutzerzahlen.html, abgerufen am 7.8.2018). Seine Stellung als Quasi-Monopolist wird dadurch noch verstärkt, dass von den anderen in Deutschland vertretenen Netzwerken einige (Xing, LinkedLin) vorrangig die berufliche Vernetzung im Blick haben, während andere (Instagram) überwiegend von jüngeren Nutzern in Anspruch genommen werden. Bei der F…-Plattform der Antragsgegnerin handelt es sich aufgrund der Nutzerzahlen und der Inanspruchnahme in allen Bereichen des öffentlichen Lebens um einen öffentlichen Kommunikationsraum, der dadurch charakterisiert wird, dass auf ihm eine Vielzahl von verschiedenen Tätigkeiten und Anliegen verfolgt werden kann, wodurch ein vielseitiges und offenes Kommunikationsgeflecht entsteht (BVerfG, Urteil vom 22. Februar 2011 – 1 BvR 699/06 -, Rn. 70, juris). Die Auffassung des Landgerichts, das angenommen hat, dem Antragsteller stünden genügend andere Plattformen zur Verfügung, auf denen er seine Ansichten verbreiten könne, trifft vor diesem Hintergrund schon aus tatsächlichen Gründen nicht zu. Ein privates Unternehmen, das wie die Antragsgegnerin in derartig weitgehendem Ausmaß die Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation übernimmt, tritt damit in Funktionen ein, die früher dem Staat als Aufgabe der Daseinsvorsorge zugewiesen waren. Dies muss bei der Auslegung der Nutzungsbedingungen mitberücksichtigt werden.
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b. Hieraus folgt, dass eine Sperrung und/oder Löschung nach den Nutzungsbedingungen der Antragsgegnerin sich zum einen nicht gegen bestimmte Meinungen richten darf und zum anderen sichergestellt sein muss, dass diese Sanktionen nicht willkürlich festgesetzt und dass Nutzer nicht vorschnell und dauerhaft gesperrt werden. Demgegenüber ist auch die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, auf ihrer Plattform einschränkungslos Meinungsäußerungen zu dulden, die sie nach Inhalt und Form der Gefahr einer Inanspruchnahme entweder nach dem NetDG oder als Störer nach §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB aussetzen. Eine solche Gefahr ist bei den Tatbeständen, die in Ziff. 12 der Gemeinschaftsstand geregelt sind, nicht von der Hand zu weisen. Zugleich ist auch das berechtigte Interesse der Antragsgegnerin anzuerkennen, der u.a. in der Begründung des Regierungsentwurfs zum NetzDG beklagten „Verrohung der Sitten“ durch sog. Hass-Postings entgegen zu wirken, weil diese sich mittlerweile generell auf den über soziale Netzwerke erfolgenden Meinungsaustausch negativ auswirken und damit nicht zuletzt auch das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin in Frage stellen. Angesichts dieser berechtigten Interessen ist es nicht zu beanstanden, dass das Verbot der Hassrede in Ziff. 12 der Gemeinschaftsstandards auch Meinungsäußerungen betrifft, die unterhalb der Schwelle zur Schmähkritik bleiben. Unzulässig wäre allerdings eine Regelung, die ohne objektive Anknüpfungspunkte die Sperrung und Löschung in das nicht nachvollziehbare Belieben der Antragsgegnerin stellen würde. Diese Gefahr ist jedoch durch Ziff. 3.2 der Nutzungsbedingungen im Gegensatz zu der vorherigen Fassung in Ziff. 5.2 a.F. ausgeräumt (s.o.). Der mittelbaren Grundrechtsbindung der Antragsgegnerin trägt diese Vorschrift überdies zum einen dadurch Rechnung, dass Postings, die unter dem Begriff der Hassrede erfasst werden, nach Ziff. 12, 3. und 4. Absatz der Gemeinschaftsrichtlinien dann zulässig sind, wenn sie entweder „erklärend oder unterstützend“ oder als „Gesellschaftskritik“ geübt werden. In dieser Regelung kommt der auch in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verankerte Grundsatz zum Ausdruck, dass Meinungen, die einen Beitrag zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit besonders berührenden Frage leisten, in verstärktem Umfang geschützt sind. Das Gebot praktischer Konkordanz kommt zum anderen in den Gemeinschaftsstandards auch dahingehend zum Ausdruck, dass Sanktionen nur abhängig „von der Schwere des Verstoßes und dem bisherigen Verhalten der Person“ getroffen werden sollen (Einleitung Gemeinschaftsstandards S. 3). Aufgeführt werden dort die Verwarnung, die Einschränkung der Posting-Rechte bei einem Folgeverstoß und in letzter Konsequenz die Deaktivierung des Kontos. Dem darin zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsprinzip hat die Antragsgegnerin auch vorliegend Rechnung getragen, indem sie den klaren Verstoß des Posts gegen Ziff. 12 neben der Löschung lediglich mit einer 30-tägigen Sperre für Einzelfunktionen (sog. Read-Only Modus) begegnet ist.
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5. Ob der streitgegenständliche Post auch unter § 1 Abs. 2 NetzDG fällt und damit die Antragsgegnerin zum Eingreifen verpflichtet wäre, kann unter diesen Umständen dahinstehen. Auch die Frage, ob in dem Antrag, der Antragsgegnerin auch eine weitere Sperre zu untersagen, eine unzulässige Vorwegnahme in der Hauptsache läge, bedarf hier gleichfalls keiner Entscheidung mehr.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.