AG Ludwigslust, Beschluss vom 23.08.2011 – 5 C 52/11
Seine finanzielle Leistungsunfähigkeit und die darauf beruhende Nichterfüllung einer Leistungspflicht hat der Schuldner regelmäßig schon unabhängig von einem Verschulden zu vertreten; dieser Grundsatz ergibt sich aus dem unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung zugrundeliegenden und im Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht zum Ausdruck kommenden Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung. Es kann daher nicht zu Lasten des Vermieters gehen, dass der Mieter für die Begleichung der Miete auf Leistungen aus dritter Hand angewiesen ist, wobei es nach der zuvor dargestellten gesetzlichen Wertung keinen Unterschied macht, ob der Mieter sich diese dann etwa durch einen Privatkredit oder eben aufgrund einer Inanspruchnahme der Sozialverwaltung verschafft (Rn. 18).
Tenor
Der Antrag der Beklagten auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ihre Verteidigung gegen die Klage wird zurückgewiesen.
Gründe
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I. Die Parteien streiten über die Räumung einer Mietwohnung und aus dem Mietverhältnis bestehende Zahlungsansprüche.
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Die Beklagten haben von der Klägerin im November 2009 eine Wohnung unter der Anschrift Am K. .. in … P. angemietet; der Mietzins beläuft sich auf 310,75 € kalt zuzüglich einer Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 159,25 €, d. h. zusammen 470,00 €. Die Beklagten bezogen aufgrund einer entsprechenden Bewilligung bis zum 31.10.2010 Arbeitslosengeld II. Mietzahlungen an die Klägerin erfolgten für die Beklagten unmittelbar durch das Jobcenter, wobei die Beklagten nur einen Anteil von 17,05 € direkt zahlten. Nachdem zwischenzeitlich für den Monat Januar 2010 270,00 € sowie die Monatsmieten für April und Mai 2010 in voller Höhe offen waren, kündigte die Klägerin das Mietverhältnis mit Schreiben vom 02.06.2010 wegen des bestehenden Zahlungsrückstandes fristlos, hilfsweise ordentlich, und widersprach einer stillschweigenden Fortsetzung des Mietverhältnisses ausdrücklich. In der Folge gingen bei der Klägerin in den Monaten Juni bis August 2010 Zahlungen in einer Gesamthöhe von 2.734,01 € ein, wodurch sich auch unter Berücksichtigung einer Nachforderung aus einer Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2009 in Höhe von 66,59 € insgesamt ein Guthaben für die Beklagten in Höhe von 47,42 € ergab. Offen blieben sodann jedoch wieder die Kaltmiete für den Monat Oktober 2010 in Höhe von 170,74 € sowie die Mieten für die Monate November 2010 bis März 2011 in voller Höhe. Mit Schreiben vom 27.10.2010 wies die Klägerin die Beklagten auf ausstehende Zahlungen hin. Ein Auszug der Beklagten erfolgte nicht.
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Die Klägerin machte die Räumung der Wohnung sowie die offenen rückständigen Mieten in Höhe von 170,74 € der Kaltmiete für Oktober 2010 sowie der Gesamtmiete in Höhe von jeweils 470,00 € für die Monate November 2010 bis März 2011 und zukünftig fällig werdende Mieten bzw. Nutzungsentgelte ab April 2011 sodann gerichtlich geltend. Die Klägerin beantragte zunächst,
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1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die in … P. Am K. .., im Erdgeschoss links, Wohnung …, belegenen Mieträume, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad und Flur, den Stellplatz Nr. … sowie den Kellerraum, gelegen die Kellertreppe herunterkommend, durch die linke Feuerschutztür gehend, als erster Keller auf der linken Seite, zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben,
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2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 2.520,74 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und
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3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ab April 2011 bis zur Räumung und Herausgabe des in dem Klageantrag zu 1) genannten Mietobjektes an die Klägerin jeweils im voraus bis zum dritten Werktag eines Monats eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 470,00 € zu zahlen.
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Die Klage ging am 08.03.2011 bei Gericht ein und wurde den Beklagten jeweils am 02.04.2011 zugestellt. Nachdem am 31.05.2011 eine Zahlung der Beklagten in Höhe von 940.00 € ohne Tilgungsbestimmung bei der Klägerin einging, verrechnete diese den Betrag auf ihre ältesten Forderungen und macht in der Folge offene rückständige Mieten in Höhe von 170,74 € der Kaltmiete für Dezember 2010 sowie der Gesamtmiete in Höhe von jeweils 470,00 € für die Monate Januar bis Juni 2011 und zukünftig fällig werdende Mieten bzw. Nutzungsentgelte ab Juli 2011 zum Gegenstand der Klageanträge zu 2) und 3); mit Schreiben vom 23.06.2011 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen eines Zahlungsrückstandes in Höhe von 2.990,74 € erneut fristlos, hilfsweise ordentlich. Die Klageanträge zu 2) und 3) stellte die Klägerin entsprechend dem zuvor Gesagten um und beantragt insoweit nunmehr,
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2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 2.990,74 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, und
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3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, ab Juli 2011 bis zur Räumung und Herausgabe des in dem Klageantrag zu 1) genannten Mietobjektes an die Klägerin jeweils im voraus bis zum dritten Werktag eines Monats eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 470,00 € zu zahlen.
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Die Klageerweiterung wurde den Beklagten am 15.07.2011 zugestellt. Die Beklagten beantragen für ihre Verteidigung gegen die Klage
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die Gewährung von Prozesskostenhilfe.
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Die Beklagten behaupten, vor der Zustellung der Klage am 02.04.2011 hätten sie keine Kenntnis davon gehabt, dass das Jobcenter keine Leistungen mehr an die Klägerin erbracht habe. Sie hätten im Hinblick auf das Auslaufen ihrer Bewilligung von Arbeitslosengeld II zum 31.10.2010 rechtzeitig einen Antrag auf Weiterbewilligung gestellt, über den noch nicht entschieden worden sei. Sie hätten insofern ein Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei dem Sozialgericht angestrengt. In diesem Zusammenhang habe das Sozialgericht auf die Möglichkeit einer Darlehensgewährung zur Sicherung der Unterkunft gemäß § 22 Abs. 8 SGB II hingewiesen; die Klägerin habe auf entsprechende Rückfrage ein Einverständnis mit der Begleichung des Rückstandes mit dem Ziel der Erhaltung des Mietverhältnisses aber abgelehnt. Die Beklagten sind der Auffassung, das Ausbleiben von Zahlungen des Jobcenters vor der Kündigung der Klägerin vom 02.06.2010 sei ihnen nicht zuzurechnen; auf die nach der Kündigung eingetretenen Rückstände könnten diese und damit das Räumungsverlangen nicht mehr gestützt werden. Die Klägerin habe auch längst einen Ausgleich des Mietrückstandes verzeichnen können, wenn sie einer Sicherung des Mietverhältnisses gemäß § 22 Abs. 8 SGB II nicht widersprochen hätte. Der Zahlungsforderung als solcher werde nicht entgegengetreten.
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II. Der Antrag der Beklagte auf die Gewährung von Prozesskostenhilfe war zurückzuweisen, weil es ihrer Verteidigung gegen die Klage an der gemäß § 114 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht fehlt.
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1. Hinsichtlich des Räumungsanspruches ist die Klage zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf die Räumung und Herausgabe des Mietobjektes gemäß § 546 Abs. 1 BGB; der Mieter ist danach verpflichtet, die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses zurückzugeben. Der zwischen den Parteien bestehende Mietvertrag ist nicht schon durch die Kündigung vom 02.06.2010, jedenfalls aber durch diejenige vom 23.06.2011 beendet worden.
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a. Bezüglich der Kündigung vom 02.06.2010 lagen zwar die Voraussetzungen einer außerordentlichen Kündigung gemäß § 543 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB vor; sie ist als solche jedoch im weiteren Verlauf gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB wieder unwirksam geworden.
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aa. Nach den erstgenannten Vorschriften kann jede Vertragspartei das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen; ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Ein solcher wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. Maßgeblich ist danach ein Verzug des Mieters hinsichtlich der ausstehenden Mietzahlungen, d. h. dass er gemäß §§ 286 Abs. 4, 276 BGB den Zahlungsrückstand zu vertreten hat.
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(1) Soweit ein solcher hier bis zum Ausspruch der Kündigung vom 02.06.2010 mit 270,00 € für den Monat Januar 2010 sowie den vollen Mieten für die Monate April und Mai 2010 in einer zwei Monatsmieten übersteigenden Höhe zu Lasten der Beklagten durch eine ausbleibende Leistung des Jobcenters eingetreten ist, müssen sich die Beklagten dessen Verschulden einerseits nicht zurechnen lassen, weil es sich bei dem Jobcenter nicht um ihren Erfüllungsgehilfen im Verhältnis zu der Klägerin im Sinne von § 278 Satz 1 BGB handelte; der Schuldner hat danach ein Verschulden seines gesetzlichen Vertreters und der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie eigenes Verschulden. Diese Voraussetzungen sind indes bei einer Behörde, die im Rahmen der Daseinsvorsorge staatliche Transferleistungen an einen Bürger erbringt, nicht erfüllt. Der Anspruchsberechtigte schaltet das Jobcenter insoweit nicht als Hilfsperson zur Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinem Vermieter ein; vielmehr wendet er sich an die staatliche Stelle, um selbst die notwendigen Mittel für den eigenen Lebensunterhalt zu erhalten. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Jobcenter die Kosten der Unterkunft an den Hilfebedürftigen selbst zahlt oder direkt an den Vermieter überweist. In beiden Fällen nimmt das Jobcenter hoheitliche Aufgaben wahr, um die Grundsicherung des Hilfebedürftigen zu gewährleisten. Mit dieser Stellung ist die Annahme, die Behörde werde vom Leistungsempfänger als Erfüllungsgehilfe im Rahmen des Mietvertrages über seine Unterkunft eingesetzt, nicht vereinbar (vgl. BGH NJW 2009, 3781).
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(2) Wurde das Jobcenter jedoch nicht mit dem Willen der Beklagten bei der Erfüllung einer ihnen obliegenden Verpflichtung als ihre Hilfsperson gegenüber der Klägerin tätig, sondern handelte es sich insoweit um eine rein sozialrechtlich geprägte Rechtsbeziehung, die sozusagen unabhängig von dem zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits bestehenden Mietvertrag der Versorgung der Beklagten mit finanziellen Mitteln diente, können diesbezügliche Versäumnisse des Jobcenters die Beklagten andererseits auch nicht von einem Vertretenmüssen hinsichtlich des eingetretenen Zahlungsrückstandes entlasten. Denn seine finanzielle Leistungsunfähigkeit und die darauf beruhende Nichterfüllung einer Leistungspflicht hat der Schuldner regelmäßig schon unabhängig von einem Verschulden zu vertreten; dieser Grundsatz ergibt sich aus dem unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung zugrundeliegenden und im Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrecht zum Ausdruck kommenden Prinzip der unbeschränkten Vermögenshaftung (vgl. Palandt-Weidenkaff, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., 2010, § 276 Rn. 28 m. w. N.). Es kann daher nicht zu Lasten des Vermieters gehen, dass der Mieter für die Begleichung der Miete auf Leistungen aus dritter Hand angewiesen ist, wobei es nach der zuvor dargestellten gesetzlichen Wertung keinen Unterschied macht, ob der Mieter sich diese dann etwa durch einen Privatkredit oder eben aufgrund einer Inanspruchnahme der Sozialverwaltung verschafft (BGH a. a. O. steht dieser Folgerung nicht entgegen: Gegenstand der dortigen Entscheidung war lediglich eine Interessenabwägung im Rahmen von § 543 Abs. 1 BGB aufgrund jeweils um einige Tage verspäteter Mietzahlungen des Jobcenters, die die Schwelle des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB nicht überschritten, wobei zu Gunsten des beklagten Mieters Berücksichtigung fand, dass er wegen der eingetretenen Änderungen seiner persönlichen und finanziellen Verhältnisse auf Leistungen des Jobcenters angewiesen war, während er sich dessen Verschulden bei der Einhaltung der mietvertraglichen Fälligkeitstermine nicht gemäß § 278 BGB anrechnen lassen musste; im Ergebnis wie hier LG Berlin Grundeigentum 2010, 487; AG Frankfurt InfoM 2010, 325; AG Bernau WuM 2010, 31).
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bb. Nach der eingangs genannten letzteren Regelung wird die Kündigung jedoch wieder unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. Hier waren die bis zu der Kündigung vom 02.06.2010 aufgelaufenen Rückstände sowie die Mieten für die weiteren Monate bis einschließlich August 2010 durch die in der Folge bis dahin bei der Klägerin eingegangenen Zahlungen vollständig beglichen.
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b. Im Hinblick auf eine ordentliche Beendigung des Mietverhältnisses fehlte es bezüglich der Kündigung vom 02.06.2010 schon an den Voraussetzungen gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB; der Vermieter kann danach nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat, wobei ein solches berechtigtes Interesse des Vermieters insbesondere vorliegt, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.
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aa. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfordert insoweit im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges ein Verschulden des Mieters. Während der Mieter beim Zahlungsverzug schon für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat und sich deswegen nicht auf § 286 Abs. 4 BGB berufen kann, entlastet ihn im Rahmen von § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit; der Mieter hat Zahlungsverzögerungen aufgrund unverschuldeter wirtschaftlicher Schwierigkeiten wie Arbeitslosigkeit oder Krankheit in diesem Zusammenhang nicht zu vertreten und kann sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe berufen (vgl. KG DWW 2008, 379 m. w. N.).
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bb. Einem solchen unvorhersehbaren wirtschaftlichen Engpass steht es gleich, wenn der Mieter wie hier die Beklagten einen Bewilligungsbescheid über Leistungen des Jobcenters erhalten hat und dieses in der Folge ohne Kenntnis des Mieters keine Zahlungen mehr an den Vermieter erbringt. Dabei wird zum einen davon ausgegangen, dass der Bezug von SGB-II-Leistungen durch die Beklagten und die Übernahme der Mietkosten durch das Jobcenter in diesem Zusammenhang bis zum 31.10.2010 unstreitig ist; so weist nicht zuletzt der von der Klägerin als Anlage K 2 vorgelegte Mietkontoauszug in diesem Zeitraum Buchungen mit dem Vermerk: „AA S. Miete“ aus. Zum anderen hat die Klägerin selbst eine Mitteilung an die Beklagten offene Mietrückstände erst in Form eines Schreibens vom 27.10.2010, d. h. über vier Monate nach der Kündigung vom 02.06.2010 vorgetragen. Dahinstehen kann vor diesem Hintergrund, dass eine Unwirksamkeit einer ordentlichen Kündigung nicht analog § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB durch den nachträglichen Ausgleich eines Zahlungsrückstandes herbeigeführt werden kann (vgl. BGH NZM 2005, 334).
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c. Dagegen liegen hinsichtlich der Kündigung vom 23.06.2011 die Voraussetzungen des § 543 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB vor; die Beklagten befanden sich mit einem Betrag in Höhe von über sechs Monatsmieten in Rückstand, den sie nach den Ausführungen oben unter lit. a aa) auch im Sinne eines Zahlungsverzuges ganz unabhängig davon zu vertreten haben, ob sie rechtzeitig einen Antrag auf Weiterbewilligung von SGB-II-Leistungen bei dem Jobcenter gestellt oder sogar eine diesbezügliche einstweilige Anordnung bei dem Sozialgericht beantragt haben. Eine nachträgliche Unwirksamkeit dieser Kündigung ist nicht eingetreten, weil die ihr zugrundeliegenden Rückstände nicht beglichen worden sind; gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BGB könnte eine solche Rechtsfolge ohnehin nicht mehr eintreten, weil der Kündigung vor nicht länger als zwei Jahren mit derjenigen vom 02.06.2010 bereits eine solchermaßen unwirksam gewordene Kündigung vorausgegangen ist.
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d. Letztlich können die Beklagten die Klägerin auch etwa nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht darauf verweisen, dass diese durch ein Einverständnis mit einer Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses einen Ausgleich des Mietrückstandes über ein Darlehen nach § 22 Abs. 8 SGB II hätte erreichen können. Denn es steht der Klägerin gerade angesichts der bereits zweifach ausgesprochenen Kündigung im Rahmen ihrer Privatautonomie frei, ob sie das Mietverhältnis mit den Beklagten fortsetzen möchte; eine irgendwie geartete diesbezügliche Verpflichtung oder auch nur Obliegenheit lässt sich dagegen nicht begründen.
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2. Bezüglich der Zahlungsansprüche gemäß dem Zahlungsantrag zu 2) ist die Klage ebenfalls zulässig und begründet.
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a. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf die Zahlung von 2.990,74 € rückständiger Mieten gemäß §§ 535 Abs. 2 BGB für die Zeit von Dezember 2010 bis Juni 2011; der Mieter ist danach verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Die Höhe des insoweit eingeklagten Zahlungsrückstands haben die Beklagten ausdrücklich nicht bestritten.
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b. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagten auf die Zahlung von Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.580,74 € seit dem 03.04.2011 und aus 1.410,00 € seit dem 16.07.2011 gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB.
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aa. Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger außerdem Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung kann der Gläubiger nur unter der zusätzlichen Voraussetzung des § 286 BGB verlangen, d. h. beispielsweise, wenn der Schuldner auf eine Mahnung des Gläubigers nicht leistet, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt; der Mahnung stehen die Erhebung der Klage auf die Leistung sowie die Zustellung eines Mahnbescheids im Mahnverfahren gleich. Eine Geldschuld ist während des Verzugs zu verzinsen; der Verzugszinssatz beträgt für das Jahr fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz.
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bb. Die Beklagten kamen danach hinsichtlich der noch offenen Mieten für die Monate Dezember 2010 bis März 2010 spätestens mit der Zustellung der Klage am 02.04.2011 in Verzug und hinsichtlich der Monatsmieten für die Monate April bis Juni 2011 mit der Zustellung der betreffenden Klagerweiterung am 15.07.2011, wobei der Zinslauf unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens aus § 187 Abs. 1 BGB frühestens am auf die jeweilige Zustellung folgenden Tag zu laufen beginnt (vgl. BGH NJW-RR 1990, 519; zitiert bei Palandt-Ellenberger, Kommentar zum BGB, 69. Aufl., 2010, § 187 Rn. 1 a. E.).
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3. Auch bezüglich der Ansprüche auf zukünftige Zahlung einer Nutzungsentschädigung ab dem Monat Juli 2011 ist die Klage zulässig und begründet.
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a. Nach § 259 ZPO kann Klage auf künftige Leistungen erhoben werden, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. In diesem Sinne kann regelmäßig nach außerordentlicher Kündigung des Mietverhältnisses wegen langanhaltender Nichtentrichtung des Mietzinses die Räumungsklage verbunden werden mit der Klage auf künftige Nutzungsentschädigung (vgl. OLG Dresden NZM 1999, 173).
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b. Gibt der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurück, so kann der Vermieter gemäß § 546a Abs. 1 BGB für die Dauer der Vorenthaltung als Entschädigung die vereinbarte Miete verlangen.
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4. Hinsichtlich von Zahlungsansprüchen in Höhe von 170,74 € Kaltmiete für den Monat Oktober 2010, 470,00 € für den Monat November 2010 und einer Nebenkostenvorauszahlung in Höhe von 159,25 € sowie 140,01 € Kaltmiete für den Monat Dezember 2010 ist letztlich die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache festzustellen.
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a. Soweit die Klägerin nach dem Eingang einer Zahlung seitens der Beklagten ohne Tilgungsbestimmung in Höhe von 940,00 € am 31.05.2011 diese auf die ältesten Forderungen in dem eingangs genannten Umfang verrechnete und die Klage gleichzeitig hinsichtlich der Mieten für die Monate April bis Juni 2011 erweiterte, lag hierin bezüglich der erstgenannten Ansprüche eine konkludente und bislang einseitig gebliebene Erledigungserklärung der Klägerin. Denn die Parteien brauchen die Erledigungserklärung nicht wörtlich oder ausdrücklich abzugeben; vielmehr genügt es, wenn sich ihr auf eine Erledigung gerichteter Wille schlüssig im Wege der Auslegung ihres prozessualen Verhaltens ermitteln lässt. Dabei kann dem Umstand, dass die Klägerin nach Zahlung der Beklagten an den eingangs genannten Forderungen nicht mehr festgehalten hat, kein anderer Sinn als der einer Erledigungserklärung beigelegt werden; dass die Klägerin etwa die Klage insoweit mit der für sie ungünstigen Kostenfolge des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO hätte zurücknehmen wollen, kann demgegenüber nicht angenommen werden (vgl. BGH NJW-RR 1991, 1211).
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b. Die einseitige Erledigungserklärung ist eine nach § 264 Nr. 2 ZPO stets zulässige Beschränkung und damit Änderung des Klageantrages (vgl. Zöller-Vollkommer, Kommentar zur ZPO, 28. Aufl., 2010, § 91a Rn. 34 m. w. N.).
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c. Als Feststellungsantrag hat die einseitige Erledigungserklärung des Klägers Erfolg, wenn die Hauptsache in dem Sinne erledigt ist, dass die ursprüngliche Klage nach Eintritt der Rechtshängigkeit ohne Zutun des Klägers unzulässig oder unbegründet wird (vgl. BGHZ 83, 12). Die Klägerin hatte hier hinsichtlich der eingangs genannten Forderungen bei Klageerhebung am 02.04.2011 einen begründeten Anspruch gegen die Beklagten gemäß § 535 Abs. 2 BGB; mit der Zahlung der Beklagten vom 31.05.2011 und damit nach Eintritt der Rechtshängigkeit sind die Ansprüche gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch Erfüllung erloschen und die Klage ist insoweit unbegründet geworden.