Zur Ordnungswidrigkeit eines langanhaltendes Bellens eines Hundes

VGH Bayern, Beschluss vom 28.06.2010 – 10 AS 10.1074

Zur Ordnungswidrigkeit eines langanhaltendes Bellens eines Hundes

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den
Bescheid der Antragsgegnerin vom 8. Dezember 2008 wird wieder
hergestellt.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Die Antragstellerin ist Besitzerin eines ca. drei Jahre alten Rüden der Rasse Fila Brasileiro mit Namen „Ezzo“, den sie als Familienhund hält. Der Hund wird zum Teil
im Haus gehalten, hält sich aber auch über längere Zeit hinweg im Garten des ca. 1700 m² großen Anwesens der Antragstellerin auf.

Seit langem gehen bei der Antragsgegnerin immer wieder Beschwerden von Nachbarn über lautes und lang anhaltendes Bellen des Hundes, insbesondere während der Mittags- und der Nachtzeit, ein. Gespräche mit der Antragstellerin und Anschreiben an diese haben zu keiner wesentlichen Besserung geführt. Im April 2008 hörte die Antragsgegnerin deshalb die Antragstellerin bezüglich eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens und sicherheitsrechtlicher Maßnahmen an. Aus Lärmprotokollen der Nachbarn sowie Stellungnahmen der Polizei aus dem Jahre 2008 gehe hervor, dass der Hund weiter erheblichen Lärm verursache.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 2008 ordnete die Antragsgegnerin an, die Antragstellerin habe sicherzustellen, dass „Ezzo“ von Montag bis Freitag sowie an Sonn- und Feiertagen jeweils in der Zeit von 12.00 Uhr bis 15.00 Uhr sowie von 19.00 Uhr bis 8.00 Uhr nur unter Aufsicht von einer dazu geeigneten und befähigten Person außerhalb des Wohnhauses der Antragstellerin gelassen wird, wobei geeignet im Sinne dieser Anordnung jede Person sei, die körperlich in der Lage ist, ausreichend auf den Hund einzuwirken. Die sofortige Vollziehung der Verfügung wurde angeordnet und der Antragstellerin für den Fall der Nichtbeachtung der Anordnung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro angedroht.

Zur Begründung wurde ausgeführt, Rechtsgrundlage für die Anordnung sei Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG, wonach rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichten, unterbunden werden könnten. Das dauerhafte und intensive Hundegebell von Ezzo gerade zu Mittags- und Nachtzeiten erfülle den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit. Es komme zu besonders eklatanten Ruhestörungen und Belästigungen der Nachbarn, wenn der Hund bei Abwesenheit von geeigneten Aufsichtspersonen im Garten oder Wintergarten gehalten werde. Auch müsse künftig mit Gesundheitsgefährdungen der Anwohner gerechnet werden, da bislang die Ermahnungen und Hinweise der Antragsgegnerin von der Antragstellerin nicht befolgt worden seien. Die getroffene Anordnung sei geeignet und erforderlich sowie angemessen. Bei der Androhung des Zwangsgeldes sei das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin berücksichtigt worden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde darauf gestützt, dass das Ruhebedürfnis der umliegenden Bewohner ohne Schonfrist in besonderem Maße schützenswert sei. Es sei Aufgabe der Behörden, den Menschen vor Beeinträchtigungen der Gesundheit durch ruhestörenden Lärm zu schützen. Gerade im Hinblick auf die heutigen enormen Belastungen im Alltag habe gerade die Mittags- und Nachtruhe für den Menschen eine überragende Bedeutung. Der damit verbundene Schutz der körperlichen Unversehrtheit von Menschen dulde keinen Aufschub durch die eventuelle Einlegung eines Rechtsmittels.
Das Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs müsse demgegenüber zurücktreten.

Die von der Antragstellerin erhobene Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 6. Oktober
2009 ab. Hiergegen hat die Antragstellerin Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Die Berufung ist vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof München mit Beschluss vom 28. Juni 2010 zugelassen worden.

Mit Schriftsatz vom 30. April 2010 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen die sofortige Vollziehung des Bescheides vom 8. Dezember 2008 und führte zur Begründung aus, der Bescheid sei rechtswidrig und zudem der Sofortvollzug nicht ausreichend begründet worden.

Der Bevollmächtigte der Antragsgegnerin beantragte mit Schriftsatz vom 26. Mai 2010 die Ablehnung des Antrags.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere die Ausführungen der Beteiligten im Zulassungsverfahren Az. 10 ZB 10.516, sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist zuständiges Gericht der Hauptsache i.S. von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO, weil bei ihm ein Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 6. Oktober 2009 (Az. 10 ZB 10.516) anhängig ist, über den mit Beschluss vom heutigen Tag entschieden und das Rechtsmittel der Berufung zugelassen worden ist (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., RdNr. 142 zu § 80; BayVGH vom 9.7.1999 BayVBl 2000, 88).
Der zulässige Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist auch begründet.

In den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung von der Behörde besonders angeordnet worden ist (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO), kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen.

Bei dieser Entscheidung, bei der eine lediglich summarische Überprüfung stattzufinden hat, sind die zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Interessen unter Einbeziehung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gegeneinander abzuwägen.

Im gegenwärtigen Stadium des Verfahrens spricht einiges dafür, dass der Bescheid nicht in vollem Umfang Bestand haben wird. Dieser Frage wird im Hauptsacheverfahren weiter nachzugehen sein. Allerdings hat der Senat ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 6. Oktober 2009, mit dem die Klage gegen diesen Bescheid abgewiesen worden ist. Die Zulassung der Berufung erfolgte deshalb, weil der Bevollmächtigte der Antragstellerin zutreffend die Bestimmtheit des Bescheides gerügt hat. Während allerdings im Zulassungsverfahren nur auf das Vorbringen der Begründung des Antrags abzustellen war, hatte der Senat im Antragsverfahren, wenn auch wie oben bereits dargelegt nur summarisch, die Sach- und
Rechtslage umfassend zu betrachten.

Bei summarischer Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anordnung zweifelt der Senat nicht daran, dass eine derartige Verfügung grundsätzlich auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG gestützt werden kann, da übermäßig lautes und lang anhaltendes Bellen eines Hundes insbesondere zur Mittags- oder Nachtzeit den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob dadurch eine Ordnungswidrigkeit nach § 3 der Verordnung der Antragsgegnerin vom 1. Dezember 1998 verwirklicht wird oder eine Ordnungswidrigkeit nach § 117 OWiG. Denn selbst wenn § 3 der Gemeindeverordnung als zu unbestimmt und deshalb nichtig anzusehen wäre, käme die Auffangvorschrift des § 117 OWiG zur Anwendung. (Göhler, OWiG, 15. Aufl., RdNr. 9 zu § 117 OWiG).

Der Senat hat nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage auch keine Zweifel daran, dass der nächtliche Lärm durch das Hundebellen vom Hund der Antragstellerin herrührt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin durfte auch das Verwaltungsgericht hiervon ausgehen. Zum Umfang gerichtlicher Aufklärung der Lästigkeit nächtlichen Hundegebells in einem allgemeinen Wohngebiet hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 20. Dezember 1991 (NVwZ 1993, 268) ausgeführt: „Das Berufungsgericht brauchte die vom Kläger benannten drei
Nachbarn nicht als Zeugen zur Lästigkeit des nächtlichen Hundegebells zu hören, und es brauchte auch keinen Augenschein von der Örtlichkeit einzunehmen. Es konnte sich aufgrund der Vielzahl der wiederholten Nachbarbeschwerden, der Aufzeichnungen der beklagten Behörde und der vorgelegten Lagepläne eine Überzeugung dazu bilden, ob das Bellen zweier Schäferhunde in einem allgemeinen Wohngebiet die Nachruhe stört“. Auch für den hier zu entscheidenden Fall liegen zahlreiche Beschwerden von Nachbarn vor, zudem Stellungnahmen der Polizei und ein Lageplan zur Situierung des Grundstückes.

Rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung hat der Senat jedoch im Hinblick auf die erforderlichen Ermessungserwägungen sowie hinsichtlich der Bestimmtheit des Bescheides.

Sowohl das Entschließungsermessen als auch die übrigen Ermessenserwägungen einschließlich der Erwägungen zur Anordnung des Sofortvollzugs sind außerordentlich knapp. Ob sie noch den Anforderungen genügen, kann jedoch deshalb dahin stehen, weil der Bescheid entgegen Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist.

Aus einem Bescheid muss der behördliche Wille vollständig und für die Beteiligten ohne Zweifel zum Ausdruck kommen, damit die Adressaten zum einen ihr Verhalten nach Maßgabe des Entscheidungssatzes in Verbindung mit der Begründung ausrichten können und zum anderen auch für die Behörde erkennbar ist, welche Vollstreckungsmaßnahmen getroffen werden können. Dies ist beim streitgegenständlichen Bescheid nicht der Fall.

Unter Nr. 1 des Bescheides wird die Antragstellerin verpflichtet sicherzustellen, dass ihr Hund „Ezzo“ nur unter Aufsicht von einer dazu geeigneten und befähigten Person außerhalb des Wohnhauses gelassen wird. Unklar ist bereits, was „außerhalb des Wohnhauses“ bedeutet. Insbesondere lässt sich dem Bescheid nicht entnehmen, ob der sog. Wintergarten noch zum Wohnhaus zählt oder nicht. In den Gründen heißt es hierzu: „Insbesondere die näheren Wohnbebauungen sind besonders eklatanten Ruhestörungen und Belästigungen ausgesetzt, wenn der Hund bei Abwesenheit von
ungeeigneten Aufsichtspersonen im Garten oder Wintergarten gehalten wird“. Daraus wäre zu schließen, dass auch für den Aufenthalt im Wintergarten die Anwesenheit einer geeigneten Person gefordert wird. Andererseits ist ein „Wintergarten“ normalerweise als Bestandteil des Wohnhauses anzusehen. Des Weiteren bleibt unklar, welche Verpflichtungen der Hundehalterin tatsächlich auferlegt werden. Nach dem Tenor des Bescheides hat sie lediglich zu bestimmten Zeiten, wenn der Hund im Garten ist, ebenfalls anwesend zu sein. Aus dem Bescheid ergibt sich jedoch keine Verpflichtung der Antragstellerin, den Hund entweder ins Haus zu nehmen oder zu ermahnen, wenn er tatsächlich länger bellt. Enthält der Bescheid aber lediglich eine Anwesenheitspflicht einer geeigneten Person, ist fraglich, ob das Zwangsgeld auch dann fällig würde, wenn der Hund in Anwesenheit dieser Person nächtens andauernd bellt. Dies kann aber nicht Sinn und Zweck des Bescheides sein. In diesem Fall wäre er zudem ungeeignet, weitere Lärmbelästigungen zu unterbinden. Schließlich lässt sich dem Bescheid auch nicht entnehmen, ob für den Samstag eine Regelung getroffen werden sollte und warum gegebenenfalls nicht. Dieser Tag wird nämlich unter Nr. 1 des Bescheides nicht erwähnt.

Aus allen diesen Gründen geht die Interessenabwägung im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO zu Lasten der Antragsgegnerin aus. Allerdings weist der Senat die Antragstellerin ausdrücklich darauf hin, dass sie, auch ohne dass der streitgegenständliche Bescheid sofort vollziehbar ist, eine Ordnungswidrigkeit begeht, wenn sie ihren Hund zu Mittags- bzw. Nachtzeiten im Garten andauernd bellen lässt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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