VG München, Urteil vom 27. Juli 2021 – M 4 K 19.401
Zur Neubewertung von Arbeiten in der Ersten Juristische Staatsprüfung bei wiederholtem Nichtbestehen
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Neubewertung seiner schriftlichen Arbeiten zu Aufgabe 3 und 6 im Rahmen der Ersten Juristischen Staatsprüfung 2018/2 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.
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Der Kläger nahm im Termin 2018/2 als Wiederholer an der Ersten Juristischen Staatsprüfung teil.
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Mit Bescheid vom 2. Januar 2019 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er habe die Erste Juristische Staatsprüfung wiederholt nicht bestanden. Die schriftlichen Prüfungsarbeiten wurden wie folgt bewertet:
Aufgabe 1 2 3 4 5 6
Punktzahl 2,0 3,0 4,0 2,0 6,0 5,5
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Gesamtnote der schriftlichen Prüfung: 3,75.
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Damit habe der Kläger in der schriftlichen Prüfung nicht den erforderlichen Gesamtdurchschnitt von mindestens 3,80 Punkten erreicht (§ 31 Abs. 2 JAPO). Eine weitere Wiederholung der Prüfung sei auch nach einem erneuten Studium nicht möglich ( § 36 Abs. 1 JAPO).
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Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29. Januar 2019, per Telefax bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ der Kläger unter Ankündigung einer Begründung
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Klage erheben
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und teilte mit, dass das verwaltungsinterne Nachprüfungsverfahren gemäß § 14 JAPO durchgeführt werde.
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Mit Schreiben vom 19. Februar 2019 beschränkte der Bevollmächtigte des Klägers gegenüber dem Beklagten das Nachprüfungsverfahren auf die Prüfungsaufgaben Nr. 3 und Nr. 6.
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Das Nachprüfungsverfahren ist ausweislich des Schreibens des Beklagten vom 14. Mai 2019 an das Gericht ohne eine Änderung der Bewertung abgeschlossen worden.
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Der Bevollmächtigte des Klägers präzisierte die Klageanträge mit Schriftsatz vom 4. Mai 2019 wie folgt:
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1. Der Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2019 – Az.: … – wird aufgehoben.
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2. Der Beklagte wird verpflichtet, die schriftlichen Prüfungsarbeiten Nummer 3 und Nummer 6 der Ersten Juristischen Staatsprüfung des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu korrigieren, zu bewerten und den Kläger anschließend erneut zu verbescheiden.
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Auch unter Berücksichtigung der Ergebnisse des Nachprüfungsverfahrens sowie des den Prüfern nach ständiger Rechtsprechung zukommenden Bewertungsspielraums beruhten die Bewertungen der Aufgaben Nr. 3 und Nr. 6 auf Bewertungsfehlern. Der Kläger habe daher einen Anspruch auf Neukorrektur unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts sowie auf Neuverbescheidung, § 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO. Auf die Begründung im Übrigen wird Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.
15
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 14. Juni 2019,
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die Klage abzuweisen.
17
Die Bewertungen der Prüfer seien nicht zu beanstanden. Auf die Stellungnahmen der Prüfer im Nachprüfungsverfahren werde Bezug genommen. Auf die Begründung wird Bezug genommen, § 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO.
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Mit Schriftsatz vom 21. Juli 2021 nahm der Beklagte weiter Stellung zur Klage.
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Am 27. Juli 2021 wurde in der Sache mündlich verhandelt. Der Bevollmächtigte des Klägers stellte in der mündlichen Verhandlung zwei unbedingte Beweisanträge, die das Gericht per Beschluss ablehnte.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichtsakte, die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 27. Juli 2021 sowie die vorgelegte Behördenakte.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
22
Der Prüfungsbescheid des Beklagten vom 2. Januar 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Bewertungen der vom Kläger angefertigten Bearbeitungen (Klausuren) der Aufgaben 3 und 6 sind nicht zu beanstanden. Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf Neubewertung dieser Klausuren und Neuverbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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I. Prüfungsentscheidungen sind nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar.
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Nach dem das Prüfungsrecht beherrschenden Grundsatz der Chancengleichheit müssen für vergleichbare Prüflinge so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungskriterien gelten. Mit diesem Grundsatz wäre es unvereinbar, wenn einzelne Kandidaten, indem sie einen Verwaltungsgerichtsprozess anstrengen, die Chance einer vom Vergleichsrahmen unabhängigen Bewertung erhielten. Die gleichmäßige Beurteilung aller vergleichbaren Kandidaten ist nur erreichbar, wenn den Prüfungsbehörden bei prüfungsspezifischen Wertungen ein Entscheidungsspielraum verbleibt und die gerichtliche Kontrolle insoweit eingeschränkt wird (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34, 52).
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Dieser prüfungsspezifische Bewertungsspielraum erstreckt sich auch auf die Notenvergabe bei Prüfungen wie der streitgegenständlichen: Die Prüfer müssen bei ihrem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer Examenspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben und allgemein anwenden. Auch die Bestehensgrenze lässt sich nicht starr und ohne den Blick auf durchschnittliche Ergebnisse bestimmen. Daraus folgt, dass die Prüfungsnoten nicht isoliert gesehen werden dürfen, sondern in einem Bezugssystem zu finden sind, das durch die persönlichen Erfahrungen und Vorstellungen der Prüfer beeinflusst wird. Da sich die komplexen Erwägungen, die einer Prüfungsentscheidung zugrunde liegen, nicht regelhaft erfassen lassen, würde eine gerichtliche Kontrolle zu einer Verzerrung der Maßstäbe führen (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34, 51 f.).
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Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraumes sind etwa die Punktevergabe und Notengebung, soweit diese nicht mathematisch determiniert sind, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels (BVerwG, U.v. 12.11.1997 – 6 C 11.96 – juris Rn. 22; B.v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – juris Rn. 11; Niehues/Fischer, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, Rn. 635). Ebenso handelt es sich um eine den Prüfern vorbehaltene prüfungsspezifische Wertung, ob im Hinblick auf eine entsprechend determinierte Notenstufe bzw. zugeordnete Punktzahl eine Prüfungsleistung als „brauchbar“ zu bewerten ist (BVerwG, U.v. 12.11.1997, a.a.O.). In diesen Bereich des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes dürfen die Gerichte grundsätzlich nicht eindringen, sondern haben nur zu überprüfen, ob die Prüfer die objektiven, auch rechtlich beachtlichen Grenzen ihres Bewertungsspielraumes überschritten haben (vgl. BVerwG, B.v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – juris; BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34).
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Der Bewertungsspielraum ist überschritten, wenn die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Ein in diesem Sinne allgemeingültiger Bewertungsgrundsatz ist es, dass zutreffende Antworten und brauchbare Lösungen im Prinzip nicht als falsch bewertet werden und zum Nichtbestehen führen dürfen. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, gebührt zwar dem Prüfer ein Bewertungsspielraum, dem aber ein Antwortspielraum des Prüflings gegenübersteht. Eine vertretbare und mit gewichtigen Argumenten folgerichtig begründete Lösung darf nicht als falsch gewertet werden. Überschritten wird der Beurteilungsspielraum ferner, wenn eine Bewertung auf einer wissenschaftlich-fachlichen Annahme des Prüfers beruht, die einem Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34, 53 ff.; BVerwG, B.v. 13.5.2004 – 6 B 25/04 – juris Rn. 11). Die wissenschaftlich-fachlichen Wertungen können vom Gericht stärker, wenn auch nicht vollständig, überprüft werden. Eine fachliche Antwort lässt sich bei entsprechendem Fachwissen als „richtig“, „falsch“ oder bei bestehenden Unklarheiten zumindest als „vertretbar“ bezeichnen. Ob eine als „falsch“ bewertete Lösung diese Voraussetzungen erfüllt, muss das Gericht gegebenenfalls durch Sachverständige klären. Bei der Beurteilung juristischer Fachfragen, insbesondere bei juristischen Staatsprüfungen, ist allerdings in aller Regel von der erforderlichen Qualifikation und Fachkompetenz der Verwaltungsgerichte auszugehen (BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 38/92 – juris; B.v. 21.7.1998 – 6 B 44/98 – juris).
28
Das Gericht hat die zu Grunde liegenden Prüfungsbewertungen nur insoweit zu überprüfen, als vom Prüfling dagegen substantiierte Einwendungen vorgebracht werden. Der Prüfling muss also auf vermeintliche Irrtümer und Rechtsfehler wirkungsvoll hinweisen (BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 – BVerfGE 84, 34, 48). Dazu genügt es nicht, dass er sich generell gegen eine bestimmte Bewertung seiner Prüfungsleistungen wendet und etwa pauschal eine zu strenge Korrektur bemängelt. Vielmehr muss er konkret darlegen, in welchen Punkten die Korrektur bestimmter Prüfungsleistungen nach seiner Auffassung Bewertungsfehler aufweist, indem er substantiierte Einwände gegen Prüferbemerkungen und -bewertungen erhebt. Macht er geltend, dass etwa eine als falsch bewertete Antwort in Wahrheit vertretbar sei und auch so vertreten werde, so hat er dies unter Hinweis auf entsprechende Fundstellen näher darzulegen (BVerwG, U.v. 24.2.1993 – 6 C 35/92 – juris Rn. 27).
29
Ist die vom Prüfling gerügte Bewertung einer Prüfungsaufgabe fehlerhaft und hat dieser Fehler Einfluss auf das Prüfungsergebnis, so führt dies zur Aufhebung des Bescheides über die Prüfungsendnote und zur Verpflichtung der Prüfungsbehörde, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung der betreffenden Aufgabe fortzusetzen (BVerwG, U.v. 16.3.1994 – 6 C 5/93 – juris Rn. 22). Können allerdings Auswirkungen dieser materiellen Prüfungsfehler auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung ausgeschlossen werden, so folgt – wie bei unwesentlichen Verfahrensfehlern – aus dem Grundsatz der Chancengleichheit, dass ein Anspruch auf Neubewertung nicht besteht, weil sich die Prüfungsentscheidung im Ergebnis als zutreffend und damit als rechtmäßig darstellt (BVerwG, B.v. 13.3.1998 – 6 B 28/98 – juris Rn. 7).
30
II. Unter Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ergibt sich für den vorliegenden Fall, dass die gegen die Klausurbewertungen der Aufgabe 3 und Aufgabe 6 erhobenen Einwendungen nicht durchgreifen.
31
1. Die zivilrechtliche Klausur (Aufgabe 3) wurde von beiden Korrektoren mit 4 Punkten bewertet. Der Zweitkorrektor schloss sich dem Erstkorrektor auch im Nachprüfungsverfahren umfassend an.
32
Es liegen keine materiellen Bewertungsfehler vor. Die Prüfer haben die objektiven Grenzen des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums nicht überschritten. Sie haben bei ihrer jeweiligen Bewertung weder Verfahrensfehler begangen noch das anzuwendende Recht verkannt, sind nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen (1.1.), haben allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe nicht verletzt (1.2.) und sich auch nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen.
33
1.1. Die Prüfer sind nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Es liegt kein Sachverhaltsirrtum dergestalt vor, dass die Prüfer von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wären, weil sie Teile der Leistung nicht zur Kenntnis genommen hätten.
34
1.1.1. Der Einwand des Klägers, die Prüfer hätten seine Ausführungen auf Seite 8 der Aufgabe 3 zur Vorschrift des § 2268 BGB nicht zur Kenntnis genommen, da die Erstkorrektor in ihrer zusammenfassenden Würdigung schreibt, „2268 Abs. 1 und Abs. 2 wird nicht erkannt“, greift nicht durch.
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Der Bevollmächtigte des Klägers wendete im Nachprüfungsverfahren ein, diese Bemerkung des Erstkorrektors sei „schlicht unzutreffend“. Der Kläger schreibe auf Seite 8 seiner Klausur:
„bbb) Unwirksamkeit gem. § 2268 I iVm. 2077 BGB
Das gemeinschaftliche Testament könnte seinem ganzen Inhalt nach unwirksam sein, wenn ein Fall des § 2077 BGB vorliegt.“
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Der Erstkorrektor nahm im Nachprüfungsverfahren dahingehend Stellung, dass er lediglich anmerken habe wollen, dass § 2268 Abs. 1 und Abs. 2 „inhaltlich“ nicht erkannt worden sei. Es ergebe sich aus seiner Unterstreichung der Überschrift „bbb) Unwirksamkeit gem. § 2268 I i.V.m. 2077 BGB“ auf Seite 8 der Klausur und aus seinen Anmerkung im Begründungsblatt (Seite 2, unten), wo neben „4. Folge: a) Testa v. 28.10.2002 grds. gänzl. unwirks., § 2268 I BGB, b) aber 2268 II BGB: AufrechterhaltgWille von E u. D“ und zwei weiteren Zeilen ein senkrechter Strich mit der Anmerkung „fehlt; nicht erkannt“ zu finden sei, dass er die Erwähnung von § 2268 Abs. 1 BGB bei der Korrektur nicht übersehen habe.
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Der Erstkorrektor ging somit nicht von einem unrichtigen Sachverhalt aus. Das Gericht folgt dem Korrektor dabei insoweit, als dass die Unterstreichung der Überschrift einschließlich des § 2268 Abs. 1 BGB auf Seite 8 deutlich macht, dass die Norm gesehen wurde. Objektive Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Darstellung des Korrektors, § 2268 BGB werde lediglich inhaltlich nicht erkannt, sind nicht ersichtlich. Vor diesem Hintergrund geht das Gericht nicht davon aus, dass der Bewertung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt.
38
1.1.2. Ferner rügt der Kläger die Anmerkung des Erstkorrektors auf Seite 2 seiner Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren, wonach die vom Kläger auf Seite 3 seiner Prüfungsarbeit unter „b) Übergang der Berechtigung auf A und B“ gemachten Ausführungen erst später den Bogen zu einer möglichen Erbenstellung von A und B schlagen würden.
39
Der Bevollmächtigte des Klägers wendet diesbezüglich ein, dass „bei Lichte betrachtet“ die Ausführungen des Klägers auf Seite 3 der Klausur den Bogen zur möglichen Erbenstellung unter der Überschrift „b) Übergang der Berechtigung auf A und B“ drei Sätze später schlagen würden. Die Kritik sei daher nicht nachvollziehbar und basiere auf einem unzutreffenden Sachverhalt.
40
Der Erstkorrektor hat seiner Bewertung auch in diesem Zusammenhang keinen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt. Das Gericht hat keinen Anhaltspunkt davon auszugehen, dass der Erstkorrektor den entsprechenden Satz des Klägers auf Seite 3 seiner Prüfungsarbeit („Möglicherweise sind A und B als Erben im Wege der Universalsukzession, also der Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 I BGB Inhaber des Vorkaufsrechts geworden“) übersehen hat bzw. unzutreffend seiner Bewertung zugrunde gelegt hat. Soweit der Erstkorrektor monierte, dass die bei „b) Übergang der Berechtigung auf A und B“ gemachten Ausführungen „erst später den Bogen“ zu einer möglichen Erbeneinstellung von A und B schlagen, ist dies auch zutreffend. Der Kläger erwähnt in seinen Ausführungen auf Seite 3 nach der Überschrift („Übergang der Berechtigung auf A und B“) in den ersten drei Sätzen A und B und deren Erbenstellung zunächst nicht. Erst nach einem dazwischenliegenden neuen Absatz bildet der Kläger im vierten Satz nach der Überschrift den Obersatz bezüglich der möglichen Erbenstellung von A und B. Insofern sieht das Gericht nicht, dass der Korrektor von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgeht, wenn er schreibt, dass der Kläger erst „später“ den Bogen zur Erbenstellung von A und B schlage.
41
1.2. Die Prüfer haben mit ihren Bewertungen auch nicht allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt.
42
1.2.1. Der Kläger wendet sich gegen die Stellungnahme des Erstkorrektors im Nachprüfungsverfahren, der in Bezug auf den Aufbau des Gutachtens anmerkt, die Möglichkeit werde nicht erwähnt, dass sich ein Anspruch auf Übereignung aus einem ganz normalen zwischen W und A/B geschlossenen Kaufvertrag ergeben könnte oder A und B selbst ein Vorkaufsrecht mit W vereinbart haben könnten.
43
In der Klagebegründung argumentiert der Bevollmächtigte des Klägers, von einem derartigen Kaufvertrag sei im gesamten Sachverhalt mit keiner Silbe die Rede, sodass sich derartige „theoretische“ Ausführungen mangels jeder Fallrelevanz verböten. Gleiches hält der Bevollmächtigte dem Erstkorrektor hinsichtlich der vermissten Ausführungen zum Vorkaufsrecht entgegen. Auch hier würde der Erstkorrektor Ausführungen als fehlend bemängeln, die fachlich nicht angezeigt gewesen seien.
44
Diese Rügen haben keinen Erfolg. Die Einschätzungen des Erstkorrektors sind vom prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum gedeckt. Es entbehrt nicht jeder Fallrelevanz in einem Gutachten im Ersten Juristischen Staatsexamen zunächst die naheliegende Möglichkeit des direkt zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags bzw. die direkte Vereinbarung eines Vorkaufsrechts kurz anzusprechen und in Folge abzulehnen. Dies kann als Merkmal für eine strukturierte Vorgehensweise im Gutachten erachtet werden. Das Gericht verweist diesbezüglich auch auf die zutreffenden Ausführungen des Beklagten auf Seite 4 der Klageerwiderung vom 14. Juni 2019 (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Zumindest verletzt eine solche Bewertung nicht allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe.
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1.2.2. Der Kläger rügt weiter den nach seiner Auffassung zu Unrecht bemängelten Aufbau seiner Prüfungsarbeit, insbesondere die Anmerkung des Erstkorrektors auf Seite 2 seiner Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren („Der Verfasser prüft also die „Berechtigung“ aus einem Recht, dessen „Existenz“, d.h. dessen wirksames Zustandekommen, noch gar nicht geprüft und festgestellt wurde. [Absatz] Aber selbst wenn E „Berechtigte“ aus einem wirksamen vereinbarten Vorkaufsrecht war, wäre an einen Übereignungsanspruch „noch nicht einmal zu denken“, solange der Vorkaufsfall nicht eingetreten ist. Aus diesem Grunde wäre es viel „geschickter“, mit der Prüfung des Bestehens eines Vorkaufsrechts zu beginnen, […]“).
46
Der Bevollmächtige des Klägers nimmt in der Klagebegründung insbesondere Bezug auf die Formulierung des Erstkorrektors auf Seite 2 seiner Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren, an einen Übereignungsanspruch sei „noch nicht einmal zu denken“, solange der Vorkaufsfall nicht eingetreten sei. Daran zeige sich beim Erstkorrektor ein „gravierendes Fehlverständnis“ bezüglich der Rechtsnatur eines schuldrechtlichen Vorkaufsrechts. Bei diesem handele es sich nach ständiger Rechtsprechung des Reichsgerichtshofs und des Bundesgerichtshofs um einen doppelt bedingten Kaufvertrag. Die beiden Bedingungen lägen im Abschluss des Kaufvertrags zum einen und zum anderen in der Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Berechtigten. Der Übereignungsanspruch bestehe dem Grundsatz nach sogar schon vor dem Vorkaufsfall, deswegen sei dieser schon bestehende und nur bedingte Anspruch nach § 883 Abs. 2 BGB auch vormerkungsfähig. Daher sei der klägerische Aufbau, zunächst die Berechtigung zur Ausübung und im Anschluss daran das Bestehen des Vorkaufsrechts zu prüfen, entgegen der Stellungnahme des Erstkorrektors, es sei „geschickter“ mit der Prüfung des Bestehens eines Vorkaufsrechts zu beginnen, auch der bessere „geschicktere“ Aufbau im Vergleich zur Lösungsskizze. Diese Rüge hat keinen Erfolg.
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Die Einschätzung des Erstkorrektors, die von der Lösungsskizze vorgegebene Prüfreihenfolge sei „geschickter“, ist vorliegend vom prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum umfasst. Der Erstkorrektor hat insbesondere keine brauchbare Lösung als „falsch“ bewertet.
48
Die Bewertung des Erstkorrektors beruht in diesem Punkt auch nicht auf einer wissenschaftlich-fachlichen Annahme, die einem Fachkundigen als unhaltbar erscheinen muss. Dies folgt nicht aus der in Anführungszeichen gesetzten Aussage der Stellungnahme des Erstkorrektors, an einen Übereignungsanspruch sei „noch nicht einmal zu denken“, solange der Vorkaufsfall nicht eingetreten sei. Für das Gericht ergibt sich alleine aus der Aussage, ob an einen Übereignungsanspruch aus einem Vorkaufsrecht schon „zu denken“ ist, noch kein als unhaltbar erscheinendes Fehlverständnis der Rechtsnatur des dem Übereignungsanspruch zugrundeliegenden schuldrechtlichen Vorkaufsrechts. Zumal, ungeachtet der genauen dogmatischen Konstruktion des schuldrechtlichen Vorkaufsrechts (vgl. BeckOGK/Daum BGB § 463 Rn. 20 m.w.N.), ein Übereignungsanspruch zweifellos erst nach Ausübung des Vorkaufsrechts geltend gemacht werden kann. Auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten auf Seiten 5 und 6 der Klageerwiderung vom 14. Juni 2019 wird ergänzend verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
49
1.2.3. Der Kläger wendet sich gegen die Stellungnahme des Erstkorrektors im Nachprüfungsverfahren, wonach die Ausführungen des Klägers zur ursprünglich Berechtigten auf Seite 2 ohne erkennbaren Zusammenhang „in der Luft hängen“.
50
In der Klagebegründung wendet der Bevollmächtigte des Klägers ein, dass der Kläger bereits im ersten Satz seiner Ausführungen darstelle, dass der streitgegenständliche Anspruch von A und B sich nur aus einem übergegangenen Vorkaufsrecht ergeben könne. Wenn der Kläger dann im Rahmen seines „richtigen“ ersten Prüfungspunkts der Berechtigung zum Vorkauf auf derselben Seite als ersten Gliederungspunkt die ursprüngliche Berechtigung bei E prüfe, hänge das nicht „in der Luft“, sondern nehme unmittelbar Bezug zur Klarstellung, dass die Berechtigung von A und B nicht originär, sondern nur übergegangen „(eben von E!)“ sein könne. Auch diese Rüge führt nicht zum Erfolg der Klage.
51
Der Erstkorrektor überschreitet nicht die Grenzen seines prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums. Der Kläger spricht auf Seite 1 unten seiner Prüfungsarbeit die mögliche Berechtigung von A und B zum Vorkauf an. Sodann geht er ohne überleitenden Obersatz dazu über, die Berechtigung des E zur Ausübung des Vorkaufsrechts zu prüfen. Zwar erwähnt der Kläger auf derselben Seite oben die Möglichkeit eines Anspruchs aus einem übergegangen Recht. Damit erklärt sich jedoch nicht umfassend die Prüfreihenfolge inklusive Standorts der Prüfung der Berechtigung des E. Für das Gericht ergibt sich daher nicht, dass die Einschätzung des Prüfers, die Ausführungen zur „ursprünglich Berechtigten“ hingen „in der Luft“, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzen würde. Auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten auf den Seiten 6 und 7 der Klageerwiderung vom 14. Juni 2019 wird ebenfalls ergänzend verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
52
1.2.4. Der Kläger rügt die Bemerkung des Erstkorrektors zu seinen Ausführungen zum Erfordernis der notariellen Beurkundung des Vorkaufsrechts auf Seite 1 unten und Seite 2 oben der Prüfungsarbeit. Diese lauten im Wortlaut: „Der Streit über das Erfordernis notarieller Beurkundung von Vorkaufsvereinbarungen bei Grundstücken kann dementsprechend dahinstehen, da eine solche vorlag, vgl. § 311 I 1 BGB.“ Dazu merkte der Erstkorrektor an, „es wird weder klar dargestellt, dass es einen Streit gibt und worüber gestritten wird, noch ist erkennbar, welche Relevanz die verschiedenen, nicht vorgestellten Meinungen für die ursprünglich Berechtigte haben könnten.“
53
Hierzu wendet der Bevollmächtigte des Klägers in der Klagebegründung ein, es werde vom Kläger erstens die Voraussetzung einer Vorkaufsberechtigung der E genannt: Die notariell beurkundete Vorkaufsvereinbarung mit W vom 9.3.2012. Zweitens werde klargestellt, dass es einen Streit gebe: „Der Streit“. Drittens werde klargestellt, worüber gestritten werde: „über das Erfordernis notarieller Beurkundung von Vorkaufsvereinbarungen bei Grundstücken“. Viertens werde klargestellt, welche Relevanz die unterschiedlichen Meinungen hätten, nämlich keine, da der Streit eben dahinstehen könne, da eine Beurkundung vorgelegen habe.
54
Mit Schriftsatz vom 23. Juli 2021 ergänzte der Bevollmächtigte des Klägers, dass der Kläger die eben genannten Punkte nicht nur „sehr wohl klargestellt“, sondern auch „klar dargestellt“ habe, dass es einen Streit gebe.
55
Auch mit dieser Rüge gegen die Erstkorrektur dringt der Kläger nicht durch. Eine Überschreitung der objektiven Grenzen des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums durch den Erstkorrektor ist nicht ersichtlich. Dieser führt aus, dass der Kläger die entsprechenden Punkte nicht „klar dargestellt“ habe. Die Rügen des klägerischen Bevollmächtigten gehen daher ins Leere, soweit er argumentiert, der Kläger habe diese Punkte eben doch „klargestellt“, denn eine „Klarstellung“ stellt noch keine „klare Darstellung“ dar. Der Erstkorrektor verletzt aber auch nicht allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe, wenn sie zur Darstellung des Meinungsstreits anmerkt, es werde vom Kläger nicht „klar dargestellt“ dass einen Streit gebe, worüber gestritten werde und welche Relevanz die verschiedenen Meinungen für die ursprünglich Berechtigte haben könnte. Auch das ist zutreffend. Damit bewertet der Erstkorrektor insbesondere keine brauchbare Lösung als falsch. In diesen Bewertungsspielraum des Prüfers darf das Gericht aber vorliegend nicht eingreifen. Eine über die zulässigen objektiven Grenzen dieses Bewertungsspielraums hinausgehende Bewertung erkennt das Gericht nicht. Auf die Erwiderung des Beklagten auf Seite 7 des Schriftsatzes vom 14. Juni 2019 wird im Übrigen ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO analog).
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1.2.5. Ferner wendet sich der Kläger gegen die Rüge in der zusammenfassenden Würdigung des Erstkorrektors, wonach der Kläger es unterlasse, klar zwischen einzelnen „letztwilligen Verfügungen“ und einem „Testament“ als Ganzem zu differenzieren.
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Der Bevollmächtigte des Klägers wendet dagegen in der Begründung zum Nachprüfungsantrag ein, es gebe keinen Grund dafür, zwischen den einzelnen Verfügungen und dem Testament als Ganzem zu differenzieren, da das Testament seinem ganzen Inhalt nach unwirksam sei. Es sei daher „richtig“ und Ausdruck eines „geschärften Problembewusstseins“ des Klägers, wenn dieser zutreffend eine weitere Differenzierung zwischen der Unwirksamkeit des Testaments als Ganzem und der Unwirksamkeit einzelner Verfügungen unterlasse.
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Der Erstkorrektor legt in seiner Stellungnahme im Nachprüfungsverfahren dar, der Rügevortrag, es gebe keinen Grund dafür, zwischen den einzelnen Verfügungen und dem Testament als Ganzem zu differenzieren, gehe „ins Leere“ angesichts des Zwischenergebnisses des Klägers auf Seite 12 der Klausur: „Das Testament vom 28.10.2002 ist gemäß § 2077 I 3 BGB unwirksam.“ § 2077 Abs. 1 Satz 3 BGB spreche aber von einer „letztwilligen Verfügung“ und nicht von einem „Testament“. Die Norm des § 2268 Abs. 1 BGB, die bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Unwirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments seinem „ganzen Inhalt nach“ führe, erwähne der Kläger nicht. Dabei handele es sich auch nicht um einen Flüchtigkeitsfehler, da der Kläger bereits auf Seite 8 der Prüfungsarbeit unter der Zwischenüberschrift „aaaa) § 2077 I 1 BGB“ festgestellt habe, dass „das Testament hieraus [gemeint sei § 2077 I 1 BGB] nicht unwirksam ist.“
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Die Rüge bleibt ohne Erfolg. Der Erstkorrektor überschreitet mit dieser Bewertung nicht die objektiven Grenzen des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums. Der Kläger kommt anhand der Vorschrift des § 2077 BGB zu einer Unwirksamkeit des „Testaments“. Eine weitergehende Auseinandersetzung des Klägers mit der Problematik, ob das Testament § 2268 Abs. 1 BGB seinem ganzen Inhalt nach unwirksam ist oder gemäß § 2268 Abs. 2 BGB einzelne Verfügungen dennoch wirksam bleiben, ist nicht erfolgt. Indem der Erstkorrektor vor diesem Hintergrund die mangelnde Differenzierung zwischen den einzelnen Verfügungen und dem Testament als Ganzem bemängelte, bewertete der Erstkorrektor keine brauchbaren Antworten als „falsch“ und verletzte keine allgemein gültigen Bewertungsmaßstäbe.
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2. Die öffentlich-rechtliche Klausur (Aufgabe 6) wurde vom Erstkorrektor mit 5 Punkten und von der Zweitkorrektorin mit 6 Punkten bewertet.
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Es liegen keine materiellen Bewertungsfehler vor. Die Prüfer haben die objektiven Grenzen des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums nicht überschritten. Sie haben bei ihrer jeweiligen Bewertung weder Verfahrensfehler begangen noch das anzuwendende Recht verkannt, sind nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen (2.1.), haben allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe nicht verletzt (2.2.) und sich auch nicht von sachfremden Erwägungen leiten lassen.
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2.1. Die Prüfer sind nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Es liegt kein Sachverhaltsirrtum dergestalt vor, dass die Prüfer von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wären, weil sie Teile der Leistung nicht zur Kenntnis genommen hätten.
63
Der Kläger wendet sich dahingehend gegen die Rüge des Erstprüfers auf Seite 2 der Begründung der Erstbewertung unter Punkt „Hoheitliches Handeln“ zu Frage 2, es fehle hier, wie auch an späterer Stelle, eine Klarstellung, dass eine Haftung des Freistaats Bayern ausscheide, „weil“ die Stadt im übertragenen Wirkungskreis gehandelt habe, dass diese Ausführungen in der Prüfungsarbeit vorlägen. Im Nachprüfungsverfahren ergänzt der Erstkorrektor, eine wenigstens kurze „Erläuterung (= Klarstellung)“ fehle, dass die Stadt, obwohl sie im übertragenen Wirkungskreis handele, dennoch selbst passivlegitimiert sei (vgl. zB Art. 8 Abs. 1 GO).
64
In der Klagebegründung führt der Bevollmächtigte des Klägers aus, dass diese Ausführungen in der Arbeit des Klägers nicht fehlten. Der Kläger führe bereits im Rahmen der Passivlegitimation in Frage 1 auf Seite 9 seiner Klausur aus:
65
„Die Vernichtung wurde durchgeführt vom städtischen Beamten B der Fahrerlaubnisbehörde der kreisfreien Stadt Rosenheim. Kreisfreie Städte erfüllen gem. Art. 9 I 1 BayGO alle Aufgaben, die sonst vom Landratsamt erfüllt werden als Staatsaufgaben im übertragenen Wirkungskreis, vgl. Art. 8 I BayGO. Gem. § 8 I ZustVVerk sind die Kreisverwaltungsbehörden die zuständigen unteren Verwaltungsbehörden. Rechtsträger der Fahrerlaubnisbehörde ist hier die kreisfreie Stadt R. Folglich ist diese auch passivlegitimiert.“
66
Auf diese Erläuterungen verweise der Kläger auch bei Frage 2 auf Seite 14 der Prüfungsarbeit in der Prüfung der Amtspflichtverletzung. Weiter schreibe der Kläger auf Seite 18 der Klausur unter dem Punkt Rechtsfolge:
67
„Nach Art. 34 S.1 GG trifft die Verantwortlichkeit im Wege einer Haftungsüberleitung den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Beamte steht. Die kreisfreie Stadt ist gem. Art. 1 S.1, 3 BayGO eine originäre Gebietskörperschaft, in deren Dienst B als städtischer Beamter beschäftigt war.“
68
Die Bewertung des Erstkorrektors gehe daher an dieser Stelle von einem unrichtigen Sachverhalt aus, sodass ein Bewertungsfehler vorliege.
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Der Erstkorrektor überschreitet hier nicht die Grenzen seines prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums, denn er geht nicht von einem unrichtigen Sachverhalt aus. Der Kläger verweist auf Seite 14 der Prüfungsarbeit nicht auf Seite 9, sondern nur auf „wie bereits oben erläutert“. Daraus ergibt sich kein konkreter Verweis auf den Prüfungspunkt der Passivlegitimation. Ebenso wenig ergibt sich die gewünschte Klarstellung aus oben zitierter Passage auf Seite 18, hier fehlen Erläuterungen, warum das Handeln des städtischen Beamten trotz Tätigwerden im Staatsbereich dennoch nicht dem Freistaat zugerechnet wird.
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2.2. Die Prüfer haben mit ihren Bewertungen allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe nicht verletzt.
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2.2.1. Der Kläger wendet sich auch insoweit gegen die Rüge des Erstkorrektors bei Frage 2 im Prüfungspunkt „Hoheitliches Handeln“, dass es an einer Klarstellung fehle, dass eine Haftung des Freistaats Bayern ausscheide, weil die Stadt im übertragenen Wirkungskreis gehandelt habe, als diese Klarstellungen nicht nötig gewesen seien.
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Im Nachprüfungsantrag wendete der Bevollmächtigte des Klägers ein, dass die Arbeit überhaupt keine Ausführungen zur möglichen Haftung des Freistaats Bayern enthalten müsse, denn danach sei im Bearbeitervermerk überhaupt nicht gefragt gewesen. Die Fragestellung habe gelautet: „Kann Garcia von der Stadt Rosenheim Ersatz für die Flugkosten in Höhe von 700,- € verlangen?“ Die Frage, ob anstelle der Stadt Rosenheim auch der Freistaat Bayern haften müsse, sei ein reiner Exkurs, der angesichts des Bearbeitervermerks gar nicht hätte erfolgen dürfen.
73
Im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nimmt der Erstkorrektor dahingehend Stellung, dass eine solche Klarstellung angezeigt gewesen wäre, dies ergebe sich bereits ohne weiteres aus dem Sachverhalt, wo es heiße, dass die Stadt Rosenheim argumentiere: „Zudem sei das Fahrerlaubniswesen Staatsaufgabe, weshalb sich Garcia mit seinem Anspruch an den Freistaat Bayern wenden müsse“. Es gehe nicht darum, einen Anspruch gegen den Freistaat Bayern zu prüfen, sondern die Passivlegitimation der Stadt klarzustellen.
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Der Erstkorrektor überschreitet damit nicht die Grenzen seines prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums. Insbesondere aufgrund der zitierten Sachverhaltspassage, die auf die Thematik hinweist, verletzt der Prüfer keine allgemeingültigen Bewertungsmaßstäbe, wenn er eine fehlende Auseinandersetzung damit bemängelt.
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2.2.2. Zuletzt wendet sich der Kläger dagegen, dass seine „ausführlichen und naheliegenden“ Ausführungen zur Frage einer möglichen analogen Anwendung des § 690 BGB (S. 15 der Klausur) auf das vorliegende öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis überhaupt nicht bzw. nicht hinreichend gewürdigt worden seien und stattdessen in den Korrekturbemerkungen ausgeführt werde, der Verfasser habe das Institut der öffentlichen Verwahrung nicht erkannt bzw. angesprochen.
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Im Nachprüfungsverfahren äußert sich der Erstkorrektor dahingehend, dass vom Kläger § 690 BGB analog als Haftungsprivilegierung innerhalb der Amtshaftung geprüft werde. Zudem werde zu Beginn von Frage 2 ein öffentlich-rechtlicher Vertrag angesprochen. Das öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis als selbstständiges Rechtsinstitut sei damit nicht explizit als denkbare Anspruchsgrundlage geprüft worden. Daran würden auch Ausführungen zu § 690 BGB in einem völlig anderen Kontext (Amtshaftung) nichts ändern.
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Der Erstkorrektor überschreitet damit nicht die Grenzen seines prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums. Der Kläger hat das öffentlich-rechtliche Verwahrungsverhältnis nicht als eigene Anspruchsgrundlage angesprochen. Die Anwendung des § 690 BGB analog wurde im Kontext der Amtshaftung problematisiert. Der Erstkorrektor verletzt keine allgemein gültigen Bewertungsmaßstäbe, indem er die Ausführungen dazu nicht entsprechend würdigt.
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Nachdem sich die Bewertungen der Prüfer als bewertungsfehlerfrei erweisen, ist die Klage abzuweisen.
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III. Der Kläger hat als unterliegender Teil die Kosten zu tragen.
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IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss:
81
Der Streitwert wird auf EUR 7.500 festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG- i.V.m. dem Streitwertkatalog).