Zur Mitwirkung des Jugendhilfe an einem begleiteten Umgang

VG Cottbus, Beschluss vom 22. April 2016 – VG 1 L 169/16

Solange die Anordnung eines begleiteten Umgangs i. S. v. § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB durch das Familiengericht aus Gründen des Kindeswohles nicht ernsthaft in Betracht kommt, besteht kein Anordnungsgrund dafür, den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vorab zur Mitwirkung an einem begleiteten Umgang zu verpflichten.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt der Antragsteller.

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

Gründe

1. Der Antrag des Antragstellers,

den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorläufig bei einem begleiteten 14tägigen Umgang für zwei Stunden mit seiner Tochter … durch Organisation und Übernahme der Kosten mitzuwirken,

hilfsweise, durch Beauftragung des …, und Übernahme der Kosten mitzuwirken

und jeweils seine Mitwirkungsbereitschaft gegenüber den Familiengerichten zu erklären,

ist gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat er aber keinen Erfolg.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der von dem Antragsteller geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) und die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung, also eine besondere Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) sind von ihm glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung. Erstrebt ein Antragsteller – wie hier – eine der Funktion des vorläufigen Rechtsschutzes grundsätzlich widersprechende teilweise oder gänzliche Vorwegnahme der Entscheidung der Hauptsache, kommt eine einstweilige Anordnung dabei nur ausnahmsweise in Betracht, wenn nämlich das Begehren in der Hauptsache schon auf Grund der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes anzustellenden summarischen Prüfung des Sachverhaltes mit größter Wahrscheinlichkeit Erfolg haben wird und dem Antragsteller ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schlechthin unzumutbare, nicht anders abwendbare Nachteile entstünden (vgl. Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2010 – 4 S 98.09 -, juris Rn. 17 ff.; Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 25. Juli 2012 – 1 M 65/12 -, juris Rn. 3).

Hier hat der Antragsteller jedoch schon das Vorliegen eines Anordnungsgrundes in diesem Sinne nicht glaubhaft gemacht.

1.1. Soweit er die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, einen 14tägigen Umgang mit seiner Tochter entweder selbst oder durch Beauftragung der ….. zu organisieren und die dabei entstehenden Kosten zu übernehmen, fehlt es bereits an einer entsprechenden familiengerichtlichen Anordnung eines solchen Umganges des Antragstellers mit seiner Tochter. Vielmehr hat das gemäß § 1684 Abs. 3 und 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hierfür zuständige Amtsgericht … – Familiengericht – den Umgang des Antragstellers mit seiner Tochter durch Beschluss vom 8. April 2013, Az. …., darauf beschränkt, dass der Antragsteller seiner Tochter über das Jugendamt des Antragsgegners monatlich einen Brief schreiben darf. Eine Abänderung dieses Beschlusses hat das Familiengericht mit Beschluss vom 22. März 2016, Az. ….., abgelehnt, so dass ein 14tägiges Umgangsrecht des Antragstellers derzeit nicht besteht, zu dessen Umsetzung der Antragsgegner mit besonderer Eilbedürftigkeit im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten wäre.

Im Hinblick hierauf fehlt es darüber hinaus insoweit auch an einem Anordnungsanspruch. Die als Anspruchsgrundlage einzig in Betracht kommende Regelung des § 18 Abs. 3 Satz 3 und 4 des Sozialgesetzbuches (SGB) VIII vermittelt keinen Anspruch auf Unterstützung bei der angestrebten Ausübung eines über die familiengerichtliche Anordnung hinausgehenden Umganges. Vielmehr bauen die kinder- und jugendhilferechtlichen Unterstützungsmaßnahmen nach § 18 Abs. 3 SGB VIII auf den auf erster Ebene zu treffenden familiengerichtlichen Anordnungen zum Bestehen und zum Umfang des Umgangsrechtes auf, was der in § 1684 Abs. 3 Satz 1 BGB zum Ausdruck kommenden gesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen den Familiengerichten und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe entspricht (vgl. Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. Juni 2014 – 12 B 579/14 -, juris Rn. 27).

1.2. Auch soweit der Antragsteller die Verpflichtung des Antragsgegners begehrt, gegenüber den Familiengerichten seine Mitwirkungsbereitschaft im Sinne des § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB zu erklären, fehlt es an einer besonderen Eilbedürftigkeit der gerichtlichen Entscheidung. Diese setzte vielmehr voraus, dass das zu einer Entscheidung berufene Familiengericht die Anordnung eines begleiteten Umganges für geboten erachtet, sich hieran aber mangels entsprechender Anordnungsbefugnis gegenüber dem zur Mitwirkung nicht bereiten Jugendhilfeträger außer Stande sieht (vgl. hierzu auch Oberlandesgericht Frankfurt, Beschluss vom 24. März 2015 – 5 UF 270/14 -, juris Rn. 9; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. März 2015 – 10 UF 6/15 -, juris Rn. 28; Oberverwaltungsgericht des Saarlandes, Beschluss vom 4. August 2014 – 1 B 283/14 -, juris Rn. 47).

So liegen die Dinge hier indes nicht. Das Amtsgericht …. hat die von dem Antragsteller begehrte Umgangsregelung mit Beschluss vom 22. März 2016, Az. …, nicht nur deshalb abgelehnt, weil es an einem mitwirkungsbereiten Dritten im Sinne des § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB fehle, sondern weil es darüber hinaus die Voraussetzungen des § 1696 Abs. 1 BGB als nicht gegeben erachtet hat, seiner Auffassung zufolge also eine Änderung der mit Beschluss vom 8. April 2013, Az. 21 F 54/11, getroffenen Umgangsregelung nicht aus triftigen, das Wohl des Kindes nachhaltig berührenden Gründen angezeigt sei. Entgegen der Auffassung des Antragstellers handelte es sich hierbei ersichtlich nicht lediglich um ein obiter dictum, sondern um einen selbständig tragenden Grund der Entscheidung.

Aus dem Umstand, dass das Brandenburgische Oberlandesgericht dem Antragsteller zuvor mit Beschluss vom 4. Januar 2016, Az. ….., Verfahrenskostenhilfe für das Verfahren …. vor dem Amtsgericht ….. bewilligt und zur Begründung ausgeführt hatte, dass die Frage, ob und inwieweit eine Abänderung der Umgangsrechtsentscheidung vom 8. April 2013 aus Gründen des Kindeswohls geboten ist, vorliegend nur durch ein kinderpsychologisches Gutachten hinreichend sicher aufzuklären sei, folgt nichts anderes. Zwar hat das Amtsgericht ….. dementgegen die Einholung eines solchen Gutachtens ersichtlich nicht für erforderlich erachtet, um über die von dem Antragsteller begehrte Änderung der Umgangsregelung zu entscheiden. Es dürfte angesichts dessen Einiges dafür sprechen, dass das Oberlandesgericht insoweit nach wie vor weiteren Aufklärungsbedarf sieht. Abgesehen davon, dass nach dem Vortrag des Antragstellers ein entsprechendes Beschwerdeverfahren bislang jedoch noch gar nicht anhängig ist, erscheint es unter den gegebenen Umständen zudem völlig offen, ob und inwieweit das Familiengericht im Ergebnis eines kinderpsychologischen Gutachtens die Anordnung eines begleiteten Umgangs für geboten erachten wird. Ebenso offen erscheint es, ob der Antragsgegner für den Fall, dass die Ausübung eines begleiteten Umganges nach den gutachterlichen Feststellungen dem Wohl der Tochter des Antragstellers entspricht, seine Weigerung, hieran mitzuwirken, weiter aufrecht hielte. Schließlich hat der Antragsteller vorgetragen, dass der Kinder- und Jugendhilfeverbund ….. seine Bereitschaft erklärt habe, an einem begleiteten Umgang mitzuwirken beziehungsweise mitwirkungsbereite andere Jugendhilfeträger zu vermitteln, so dass es für eine familiengerichtliche Umgangsregelung im Sinne des § 1684 Abs. 4 Satz 3 BGB auf die Mitwirkungsbereitschaft des Antragsgegners voraussichtlich gar nicht ankommen wird, weil andere mitwirkungsbereite Dritte zur Verfügung stehen.

In Anbetracht dieser Umstände vermag die Kammer eine besondere Eilbedürftigkeit der vorliegend angestrebten Anordnung derzeit nicht zu erkennen. Vielmehr ist der Antragsteller, soweit er seine Interessen weiter verfolgen will, gehalten, zunächst das familiengerichtliche Verfahren weiter zu betreiben. Sollte dort – was derzeit, wie dargelegt, völlig offen erscheint – die Anordnung eines begleiteten Umganges ernsthaft in Betracht kommen und einer entsprechenden Anordnung einzig die Weigerung des Antragsgegners entgegen stehen, daran mitzuwirken, wird das Familiengericht das Verfahren gemäß § 21 FamFG auszusetzen haben, um dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, seinen etwaigen Mitwirkungsanspruch gemäß § 18 Abs. 3 Satz 4 SGB VIII ggf. im Wege des gerichtlichen Eilrechtsschutzes durchzusetzen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 29. Juli 2015 – 1 BvR 1468/15 -, juris Rn. 6; Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 23. März 2015 – 10 UF 6/15 -, juris Rn. 34).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

2. Aus den dargelegten Gründen ist auch der Prozesskostenhilfeantrag des Antragstellers abzulehnen, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung im maßgeblichen Zeitpunkt keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, § 166 VwGO i. V. m. § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung.

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