Zur Mindestuntergrenze für eine Geldentschädigung wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild

OLG Dresden, Urteil vom 30.01.2018 – 4 U 1110/17

1. Die Möglichkeit, auch gegen die Veröffentlichung eines Bildnisses eine Gegendarstellung erwirken zu können, schließt den Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen der Verletzung des Rechtes am eigenen Bild nicht aus.(Rn.9)

2. Die Mindestuntergrenze für eine Geldentschädigung beträgt in der Regel 2.500,00 €.(Rn.10)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Leipzig abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2600,- € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 2.8.2016 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 5100 EUR festgesetzt.

Gründe
I.

1
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO)

II.

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Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat indes nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass dem Kläger aufgrund der unverpixelten Wiedergabe seines Bildnisses auf der von der Beklagten betriebenen Webseite www.XXX.de und dem im Zusammenschau mit dem Text des Begleitartikels hervorgerufenen Eindruck ein Anspruch auf eine Geldentschädigung zusteht (1). Dieser war aber im Anschluss an die Anhörung des Klägers vor dem Senat auf die Hälfte des zugesprochenen Betrages zu reduzieren (2.).

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1. Die Veröffentlichung des Bildnisses in den Artikeln vom 29.6. und 13.7.2016, auf dem der Kläger jeweils unverpixelt zu sehen ist, stellt eine Verletzung seines Rechts am eigenen Bild dar, das Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) ist und durch §§ 22 ff. KUG konkretisiert wird. Nach § 22 S. 1 KUG dürfen Bildnisse einer Person nur mit deren Einverständnis verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Unstreitig ist ein solches Einverständnis hier weder beantragt noch erteilt worden. Eine Ausnahme vom grundsätzlichen Erfordernis des Einverständnisses besteht, wie das Landgericht zutreffend erkannt hat, im Streitfall nicht. Das Foto bebilderte insbesondere kein Ereignis der Zeitgeschichte im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, weil es nicht anlässlich der Schießerei in der E…straße, sondern ein Jahr zuvor bei einer Beerdigung im Rockermilieu aufgenommen wurde. Selbst wenn man annähme, dass es sich um ein kontextneutrales Bild des Klägers handelt, weil die Beerdigungssituation dort nicht zu erkennen ist, bestand kein irgendwie gearteter Anlass, den Kläger in Zusammenhang mit den Ereignissen in der E…straße abzubilden, an denen er unstreitig nicht beteiligt war.

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Für einen Anspruch auf immaterielle Geldentschädigung reicht dies indes allein nicht aus. Dieser Anspruch setzt vielmehr voraus, dass ihm ein schwerwiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht zugrunde liegt und die hiervon ausgehende Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend aufgefangen werden kann. Dabei hängt die Entscheidung, ob eine hinreichend schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, insbesondere von der Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner auch von Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie von dem Grad seines Verschuldens ab (BGHZ 132, 13; BVerfG NJW-RR 2007, 1055). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.

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Eine hinreichende Eingriffsschwere kann hier allerdings nicht daraus hergeleitet werden, dass der Kläger infolge der Berichterstattung mit dem Chef der H… Leipzig verwechselt werden könnte. Gerade aus dem Umstand, dass er als einziger unverpixelt auf dem Bild zu sehen ist und sich am äußersten Bildrand befindet, wird der Leser vielmehr schlussfolgern, dass es sich bei dem Kläger nicht um M. M. handelt. Denn dem Leser ist die auf den Richtlinien des Presserates beruhende allgemeine Handhabung bei den Printmedien bekannt, verdächtige Straftäter grundsätzlich zu verpixeln und zu anonymisieren. Hiervon darf nur dann abgewichen werden, wenn für die Mitteilung über die Person ein berechtigtes, in der Sache begründetes Interesse besteht (BGH NJW 2006, 599; Senat, Beschluss vom 27. November 2017 – 4 W 993/17 -, Rn. 4, juris). Vor diesem Hintergrund wird auch der durchschnittliche Leser des Webauftritts der Beklagten, der sich die Aufnahme auf der Anlage K 1 ansieht, nicht automatisch annehmen, dass es sich bei der unverpixelten Person am äußersten Bildrand (= dem Kl.) um den Verdächtigen handelt. Aus dem Umstand, dass der Kläger sich nicht nur am Bildrand, sondern deutlich im Hintergrund befindet, wird er vielmehr folgern, dass es sich bei dem Präsidenten der H…, auf den die Bildunterschrift verweist, um die verpixelte Person im Vordergrund handelt. Erst recht gilt dies für die Berichterstattung vom 13.7.2016 (K2), bei der bereits die Bildunterschrift (H… Chef M… M. (r.)) eine eindeutige Zuordnung in diesem Sinne ermöglicht.

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Im Zusammenspiel des Bildnisses, das den unverpixelten Kläger zusammen mit dem Chef der H… und einem nicht näher bezeichneten Mitglied der H… zeigt, mit der Titelüberschrift („Präsident der H… nach Schießerei verhaftet“), dem weiteren Foto, auf dem mehrere am Boden sitzende Rocker unter Polizeibewachung zu sehen sind und dem Begleittext

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„Am 26. Juni war es auf der E…straße in L… zu einer Auseinandersetzung gekommen. Die „H…“ hatten sich ins „Hoheitsgebiet“ der „U…“ vorgewagt. Die fühlten sich provoziert. Als die Gruppen aufeinandertrafen, fielen plötzliche mehrere Schüsse.“

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drängt sich indes zumindest dem Leser des ersten Artikels unabweislich der Eindruck auf, auch der Kläger sei an dieser Schießerei beteiligt gewesen. Ob dies auch für den zweiten Artikel gilt, in dem nicht die Berichterstattung über die Schießerei, sondern die Entlassung des H… Chefs aus der Untersuchungshaft im Mittelpunkt steht, kann angesichts dessen dahinstehen. Ebenfalls bedarf die Frage keiner Vertiefung, ob der Kläger tatsächlich in dem von ihm behaupteten Ausmaß auf die Berichterstattung der Beklagten angesprochen und mit der Schießerei in der E…straße in Verbindung gebracht wurde. Eine solche aus dem Zusammenspiel von Bild und Text resultierende verdeckte Aussage ist nämlich – wie das Landgericht zu Recht angenommen hat – jedenfalls abstrakt geeignet, eine nachhaltige Interessen- und Rufschädigung des Klägers zu bewirken und ihm beruflich und privat schwer zu schaden. Dies gilt in besonderem Maße, wenn diese von einem Portal verbreitet wird, das wie die Seite www.XXX.de über eine bundesweit hohe Abrufquote und erhebliche Breitenwirkung sowohl im lokalen als auch im überregionalen Bereich verfügt.

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Ebenso wie das Landgericht geht auch der Senat davon aus, dass diese Beeinträchtigung nicht anderweitig aufgefangen werden kann. Die von der Beklagten am 1.8.2016 abgegebene Unterlassungserklärung (K 4) war hierzu nicht geeignet. Auch unter Berücksichtigung der darin aufgenommenen Vertragsstrafeverpflichtung kann sie die weitere Abrufbarkeit des angegriffenen Beitrags oder von Teilen desselben nicht zuverlässig verhindern. Es ist allgemein bekannt, dass eine in das Internet gestellte Meldung, auch wenn sie von ihrem Urheber gelöscht wurde, jedenfalls für gewisse Zeit weiter zugänglich bleiben kann, weil sie in der Zwischenzeit von Dritten kopiert und auf einer neuen Webseite eingestellt oder von Bloggern zum Gegenstand eines eigenen Beitrags gemacht wurde (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2013 – VI ZR 211/12 -, BGHZ 199, 237-270, Rn. 43). Auch die Möglichkeit einer Gegendarstellung schließt den Anspruch auf eine Geldentschädigung nicht aus (so bereits Senat, Urteil vom 27. November 2003 – 4 U 991/03 -, Rn. 34, juris). Erst recht gilt die bei Ansprüchen wegen der Verletzung des Rechts am eigenen Bild, bei denen an die Zubilligung eines Geldentschädigungsanspruches ohnehin nur maßvolle Anforderungen hinsichtlich der Subsidiarität zu stellen sind (Paschke/Berlit/Mayer-Wanckel, Hamburger Kommentar zum Medienrecht, 3. Aufl. Kap. 43 Rn 39 m.w.N.). Im vorliegenden Fall, der dadurch gekennzeichnet ist, dass sich die erhebliche Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts erst aus dem Zusammenspiel von Bildnisabdruck und Begleittext ergibt, stieße eine solche Gegendarstellung auch auf erhebliche praktische Schwierigkeiten. Will der Anspruchsberechtigte einem mit der Erstmitteilung erweckten Eindruck entgegentreten, muss dies in nämlich einer entsprechenden Formulierung der begehrten Gegendarstellung zum Ausdruck kommen (OLG Köln, Beschluss vom 25. Juli 2013 – I-15 U 87/13 -, Rn. 69, juris; Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 4. Aufl. Kap. 5 Rn 134). Darüber hinaus ist der beanstandete Kern der Erstmitteilung wiederzugeben und anzugeben, von welcher konkreten Behauptung dieser Eindruck ausgeht (Senat, Beschluss vom 28. August 2017 – 4 U 1191/17 -, Rn. 11). Dies würde hier aber, was auch die Berufung nicht verkennt, den erneuten Abdruck des Bildnisses des Klägers erfordern, zu dessen Löschung sich die Beklagte mit der Unterlassungserklärung vom 1.8.2016 doch gerade verpflichtet hatte. Dies ist dem Kläger auch in Verbindung mit einem erläuternden Begleittext indes nicht zuzumuten, schon weil infolge dessen sein Bildnis auf Dauer im Internet abrufbar wäre.

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2. Der Anspruch ist jedoch nur in Höhe der für eine Geldentschädigung anzusetzenden Mindestuntergrenze (vgl. insofern Paschke/Berlit/Meyer-Wanckel. aaO. Kap 43 Rn 58: regelmäßig 2500,- €) gerechtfertigt. Hierbei hat der Senat berücksichtigt, dass der Abdruck des Bildnisses zum einen unstreitig auf einem Versehen bei der Übernahme aus der Printausgabe beruhte, ein grobes Verschulden insofern nicht ersichtlich ist. Der Kläger hat zum anderen bei seiner Anhörung vor dem Senat glaubhaft bekundet, ursprünglich selbst einmal beabsichtigt zu haben, sich den Hells Angels anzuschließen. Durch sein Kfz-Kennzeichen hat er zudem bis in das Jahr 2016 hinein für einschlägige Kreise eindeutig seiner Sympathie mit dieser Gruppierung Ausdruck verliehen, als Mitglied der R…, die er als Supporter und Vorfeldgruppe der H… bezeichnet hat (so auch http://www.xxx.de/xxxxxxxxxxxx), hat er selbst langjährig die Zugehörigkeit zu deren Milieu gesucht. Eine Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts, die eine Geldentschädigung in Höhe der Klageforderung rechtfertigen würde, hat er angesichts dessen dem Senat nicht glaubhaft vermitteln können.

III.

11
Die Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 und 11, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

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