Zur Leistung der Krankenversicherung bei medizinischer Behandlung in sog. gemischter Anstalt

AG Köln, Urteil vom 13.11.2008 – 129 C 140/08

Eine Bestimmung in den Allgemeinen Bedingungen für eine Krankenversicherung, wonach die tariflichen Leistungen für medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlungen in Krankenanstalten, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen, nur dann gewährt werden, wenn der Versicherer diese vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt hat, ist berechtigt, denn dem Versicherer soll aus Gründen der Risikobegrenzung die im Nachhinein oft schwierige Überprüfung erspart werden, um was für eine Maßnahme es sich konkret gehandelt hat. Daher ist es auch unerheblich, ob dem Versicherungsnehmer der Charakter der Einrichtung unbekannt war (Rn. 34).

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Krankheitskostenvollversicherung nach Tarif CV3H1 mit einer jährlichen Selbstbeteiligung von 1.000,00 Euro, die für das Jahr 2007 bereits ausgeschöpft ist. Dem Versicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten (AVB) und die entsprechenden Tarifbedingungen (Anlage B 1, Bl. 26 ff. d.A.) zugrunde.

2

Die Klägerin leidet seit ca. 7 Jahren an einer dauerhaften Erschöpfung mit Schlafstörung, nervöser Unruhe, Hitzewallungen und Schweißausbrüchen. Im Sommer 2007 stellte sich bei ihr eine vaginale Dauerschmierblutung nach einer Abrasio bei Uterusmyom ein. Hinzu kamen diffuse wandernde Schmerzen an verschiedenen Gelenken und ein entgleister arterieller Hypertonus, der unzureichend medikamentös eingestellt war.

3

Mit ärztlichem Attest vom 27.02.2007 (Anlage B 3, Bl. 34 d.A.), das die Klägerin der Beklagten unter dem 04.03.2007 (Anlage B 2, Bl. 33 d.A.) übersandte, empfahl die behandelnde Ärztin der Klägerin eine stationäre Rehabilitation und Revitalisierungsmaßnahme. Die Beklagte sagte der Klägerin mit Schreiben vom 26.03.2007 (Anlage B 4, Bl. 35 d.A.) Leistungen für eine Kur- und Sanatoriumsbehandlung (ärztliche Leistungen, Arzneien und Heilmittel) zu und wies darauf hin, dass andere Leistungen (z.B. Unterkunft und Verpflegung) nicht erstattungsfähig seien.

4

Mit Schreiben vom 28.05.2007 (Anlage B 5, Bl. 36 d.A.) teilte die Klägerin mit, sie beabsichtigte keinen Kur-, sondern einen Krankenhausaufenthalt, der – so ihre fernmündliche Mittelung an die Beklagte – in der Klinik T.. durchgeführt werden solle. Mit Schreiben vom 18.06.2007 (Anlage B 6, Bl. 37 d.A.) bat die Beklagte die Ärztin der Klägerin um einen Befund- und Behandlungsbericht, der unter dem 27.06.2007 (Anlage B 7, Bl. 39 d.A.) bei der Beklagten eingereicht wurde und auf dessen Inhalt Bezug genommen wird. Mit Schreiben vom 06.07.2007 (Anlage K 2, Bl. 6 d.A., Anlage B 8, Bl. 40 f. d.A.) lehnte die Beklagte Leistungen für einen Aufenthalt der Klägerin in der Klinik T. die über die tariflichen Kurleistungen hinausgehen, ab. Dabei wies sie darauf hin, dass es sich bei der Klinik T. um eine sog. gemischte Krankenanstalt handele und eine Leistungspflicht nur bei schriftlicher Zusage vor Behandlungsbeginn bestehe.

5

Mit Attest vom 24.07.2007 (Anlage K 1, Bl. 5 d.A.) bescheinigten die Ärzte Dres med. T. & B, der Klägerin die dringende Notwendigkeit einer akut-stationären Krankenhausaufnahme. Es ergäbe sich die Dringlichkeit einer baldigen stationären Behandlung.

6

Die Klägerin begab sich sodann am 06.08.2007 in die Klinik T. in stationäre Behandlung, brach ihren Aufenthalt dort indes am 10.08.2007 wieder ab.

7

Unter dem 27.08.2007 (Anlage K 3, Bl. 7 d.A.) stellte die Klinik T. der Klägerin für den stationären Aufenthalt 1.340,00 Euro in Rechnung, deren Erstattung die Beklagte ablehnte.

8

Wegen des Entlassungsberichts der Klinik wird auf Anlage K 4, Bl. 8 f. d.A., Bezug genommen.

9

Die Klägerin behauptet, bei ihrer Behandlung in der Klinik T. habe es sich um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung und um einen Akutfall gehandelt.

10

Die Klägerin beantragt,

11

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.340,00 Euro nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2008 sowie vorgerichtliche Mahnauslagen in Höhe von 186,24 Euro zu bezahlen.

12

Die Beklagte beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Die Beklagte behauptet, bei der Klinik T. handele es sich um eine gemischte Anstalt im Sinne des § 4 Abs. 5 AVB. Ferner habe es sich bei der streitgegenständlichen Behandlung um eine Kur- bzw. Sanatoriumsbehandlung oder eine Rehabilitationsmaßnahme im Sinne des § 5 Abs. 1 d) AVB gehandelt.

15

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 27.10.2008 hat die Klägerin ein durch das Amtsgericht München in dem Verfahren 155 C 22129/07 eingeholtes Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. U. zum Charakter der Klinik T. als Krankenhaus zur Akte gereicht.

16

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

17

Die Klage ist unbegründet.

18

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 1.340,00 Euro zu gemäß § 1 Abs. 1 VVG, § 1 Abs. 2 AVB.

19

Eine Leistungspflicht der Beklagten ist gemäß § 4 Abs. 5 AVB ausgeschlossen.

20

Nach § 4 Abs. 5 AVB werden die tariflichen Leistungen für medizinisch notwendige stationäre Heilbehandlungen in Krankenanstalten, die auch Kuren bzw. Sanatoriumsbehandlungen durchführen oder Rekonvaleszenten aufnehmen, nur dann gewährt, wenn der Versicherer diese vor Beginn der Behandlung schriftlich zugesagt hat.

21

Bei der Klinik T. handelt es sich um eine gemischte Anstalt in diesem Sinne.

22

Dies ist aufgrund des Rechtsstreits in der Sache 129 C 250/07 gerichtsbekannt, bezeichnet sich die Klinik T. in einem Informationsblatt, das einen Klinikaufenthalt im März und April 2007 betraf, bereits selbst als gemischte Anstalt im Sinne des § 4 Abs. 5 AVB und teilt mit, dass bei ihr auch Kuren – in Form von F.X. Mayr-Kuren – durchgeführt werden. Dass diese Bezeichnung in einem von ihr selbst herausgegebenen Informationsblatt ein Versehen wäre, ist nicht ersichtlich.

23

Aber auch ungeachtet der vorstehenden Umstände ist das Gericht bereits aufgrund einer Gesamtbetrachtung des äußeren Bildes unter Zugrundelegung aller erkennbaren Umstände überzeugt, dass in der Klinik T. zumindest auch Kuren und Sanatoriumsbehandlungen durchgeführt werden, sodass es einer entsprechenden Beweisaufnahme hierzu nicht bedarf.

24

Kuren sind Behandlungsmethoden, die typischerweise vorbeugend oder im Anschluss an die akute Phase einer Krankheit eingesetzt werden. Von Sanatoriumsbehandlung wird gesprochen, wenn Genesende oder chronisch Kranke mit Mitteln der physikalischen Therapie oder durch bestimmte Ernährungsformen behandelt werden. Dass solche Behandlungen in der Klinik T. durchgeführt werden, ergibt sich bereits aus deren Internetauftritt unter www… sowie aus dem Entlassungsbericht der Klägerin. In dem Entlassungsbericht der Klägerin gibt die Klinik T. selbst an, dass bei der Klägerin eine Ernährungsumstellung begonnen wurde sowie Physiotherapie durchgeführt wurde. Bei beidem handelt es sich um typische Behandlungsformen einer Sanatoriumsbehandlung. Auch auf ihrer Internetseite wirbt die Klinik T. mit ausgewogener Ernährung. Darüber hinaus wirbt sie mit großzügigen Räumen für die Freizeitgestaltung, Japanischem Bad, schöner Gartenanlage mit Pavillon, Panoramazimmer, Musizieren, Gestaltungsabenden und schönen Spaziergängen im Steigerwald. Hiermit bringt sie zum Ausdruck, dass sie jedenfalls auch Patienten aufnimmt, die nicht bettlägerig sind, sondern Spaziergänge und andere Freizeitaktivitäten unternehmen können. Auch dies spricht gerade für die Durchführung von Kuren und Sanatoriumsbehandlungen und gegen die Ausgestaltung als ausschließlichem Akut-Krankenhaus. Denn Patienten eines ausschließlichen Akut-Krankenhauses, die der ständigen ärztlichen Überwachung bedürfen, kann es aus ärztlicher Sicht keinesfalls gestattet werden, das Klinikgelände für Spaziergänge zu verlassen, die im vorliegenden Fall den Patienten geradezu angedient werden.

25

Dieser Bewertung steht auch das von der Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichte Gutachten des Sachverständigen Dr. U. in der Sache AG München 155 C 22129/07 nicht entgegen. Das Gutachten bestätigt vielmehr den Charakter der Klinik T.als gemischte Anstalt, auch wenn der Gutachter selbst aus seinen Feststellungen einen anderen Schluss zieht. Es obliegt aber dem Gericht und nicht dem Gutachter, die vorgefundenen Tatsachen rechtlich zu bewerten.

26

So hält die Klinik nach den Feststellungen des Gutachters nach wie vor an ihrem F.X.-Mayer-Konzept fest. Auf die Ernährung der Patienten, zu der einmal wöchentlich ein Vortrag gehalten wird, wird besonderer Wert gelegt. So unterrichtet der Koch alle 3 Wochen die Patienten. Dies ist für ein Krankenhaus völlig untypisch, nicht hingegen für ein Sanatorium.

27

Darüber hinaus werden in der Klinik – wenn auch selten – Anschlussheilbehandlungen nach Hüft- oder Bandscheibenoperation vorgenommen. Bei einer Anschlussheilbehandlung handelt es sich aber gerade um Rehabilitationsmaßnahmen der gesetzlichen Rentenversicherer. Wenn die Klinik T. mithin – wenn auch selten – Patienten zur Anschlussheilbehandlung aufnimmt, so nimmt sie auch Rekonvaleszenten auf. Dies genügt bereits, um den Charakter der Klinik als gemischte Anstalt zu begründen.

28

Ferner ist die Klinik nicht in der Lage, Patienten zu behandeln, die akut schwer erkranken und einer höherstufigen klinischen Versorgung bedürfen. In diesem Falle werden die Patienten in das N.-Krankenhaus in Würzburg verlegt. Dies zeigt aber, dass die Klinik T. nicht selbst ein Akutkrankenhaus ist. Sie ist dafür nach den Feststellungen des Sachverständigen nicht ausgestattet.

29

Auch das von dem Sachverständigen festgestellte Behandlungskonzept der Klinik T. spricht gegen den Charakter als Krankenhaus. Denn der Schwerpunkt der Behandlung liegt – neben der chinesischen Medikamentur – auf Physiotherapien, Akupunktur, Akupressur, Moxa, Schröpfen, Gua Sha, Einsatz von Blutegeln, Qi Gong, Kohlwickeln.

30

Der Umstand, dass nach den Feststellungen des Sachverständigen in der Klinik keine Musik-, Kunsttherapie o.Ä. und kein Fernsehen oder Radio sowie keine Einrichtungen für sportliche Betätigungen und kein unmittelbarer Anschluss an einen Kur- und Badeort zur Verfügung steht, bedeutet noch nicht, dass eine Erholung der Patienten nicht möglich wäre. Auch die Gewährung von Ruhe vermag dem Erholungsbedürfnis der Patienten Rechnung zu tragen. Im Übrigen stehen die diesbezüglichen Feststellungen des Sachverständigen in Widerspruch zu der aktuellen Internetseite der Klinik, auf der – wie ausgeführt – mit Musizieren und Gestaltungsabenden geworben wird. Zudem soll ein Arzt nach den Feststellungen des Sachverständigen einmal wöchentlich mit den Patienten am Abend Volkslieder singen. Dies ist für ein Krankenhaus völlig unüblich.

31

Die von dem Sachverständigen festgestellte landschaftlich reizvolle Lage der Klinik am Abhang des Steigerwaldes mit Blick in die Mainebene, auf die die Zimmer gerichtet sind, spricht ebenso für den Charakter der Klinik als Sanatorium wie der durch den Sachverständigen geschilderte Garten mit Liegestühlen, Goldfischteich und Barfußweg. Soweit die Patienten nach den Aufnahmeverträgen das Klinikgelände lediglich in Ausnahmefällen verlassen dürfen sollen, widerspricht dies der eigenen Werbung der Klinik T. auf ihrer Internetseite, wonach mit schönen Spaziergängen im Steigerwald geworben wird, die aufgrund der Lage der Klinik auch ohne weiteres zu realisieren sind.

32

Nach alledem sind die durch den Sachverständigen Dr. U. aus den von ihm gefundenen Tatsachen heraus getätigten Schlussfolgerungen aus rechtlicher Sicht nicht haltbar. Sie stützen vielmehr den Umstand, dass es sich bei der Klinik T. in H. um eine sog. gemischte Anstalt handelt.

33

Eine schriftliche Zusage der Gewährung tariflicher Leistungen für eine Krankenhausbehandlung seitens der Beklagten vor Beginn der Behandlung lag unstreitig nicht vor. Entsprechend hat die Beklagte der Klägerin auch keine tariflichen Leistungen zu gewähren.

34

Auf die Frage, ob der Aufenthalt im Einzelfall medizinisch notwendig war und ob es sich um einen stationären Krankenhausaufenthalt, eine Kur-, Sanatoriums- oder eine Rehabilitationsmaßnahme gehandelt hat, kommt es für den Leistungsausschluss nicht an. Dem Versicherer soll aus Gründen der Risikobegrenzung die im Nachhinein oft schwierige Überprüfung erspart werden, um was für eine Maßnahme es sich konkret gehandelt hat (vgl. Prölss/Martin , 27. Aufl. 2004, § 4 MB/KK 94 Rz. 23 ff.). Daher ist es auch unerheblich, ob der Klägerin der Charakter der Einrichtung unbekannt war, was vorliegend indes nicht der Fall war.

35

Der Leistungsausschluss des § 4 Abs. 5 MBKK verstößt nach ständiger Rechtsprechung nicht gegen die §§ 305 ff. BGB, weil das oben genannte Anliegen der Bestimmung berechtigt ist, und dem Versicherungsnehmer im Regelfall ein seinen Bedürfnissen gerecht werdendes Krankenhaus zur Verfügung steht (vgl. LG Köln r + s 1995, 313).

36

Die Beklagte ist auch nicht ausnahmsweise zu einer Leistung trotz eines Aufenthalts in einer gemischten Anstalt verpflichtet. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin etwa als Notfall in diese medizinische Einrichtung als das nächstgelegene Krankenhaus eingeliefert worden wäre oder der Behandlungserfolg nur in dieser Einrichtung erfolgreich hätte erreicht werden können. Zwar wurde der Klägerin mit ärztlichem Attest vom 24.07.2007 die dringende Notwendigkeit einer akut-stationären Krankenhausaufnahme bescheinigt. Der Umstand indes, dass die Klägerin sich tatsächlich erst am 06.08.2007 in die Klinik T. begab, zeigt bereits, dass kein aktueller Notfall vorlag. In einem akuten Notfall ist ein Zuwarten von nahezu zwei Wochen bis zum Beginn des Krankenhausaufenthalts nicht denkbar. Auch die Vorgeschichte zu dem Attest vom 24.07.2007 mit dem erstmaligen Begehren um eine Kostenübernahme durch die Beklagte am 04.03.2007 – für eine Rehabilitation und Revitalisierungsmaßnahme laut Attest vom 27.02.2007 – spricht gegen das Vorhandensein eines akuten Notfalls.

37

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

38

Streitwert: 1.340,00 Euro

Dieser Beitrag wurde unter Versicherungsrecht abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.