Zur Kündigung einer Wohnung wegen Nichtzahlung einer titulierten Monatsmiete

LG Wiesbaden, Urteil vom 14. Februar 2003 – 3 S 94/02

Zur Kündigung einer Wohnung wegen Nichtzahlung einer titulierten Monatsmiete

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Idstein vom 16.8.2002, Az. 3 C 343/02 (3) wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 30.6.2003 bewilligt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

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Die Beklagte und Berufungsklägerin begehrt die Aufhebung eines Urteils, durch das sie zur Räumung der Wohnung Nr. … des Hauses I d E …, 65510 Idstein, verpflichtet worden ist.

2
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird zunächst Bezug genommen auf das angefochtene Urteil das Urteil des Amtsgerichts Idstein vom 16.8.2002, Az. 3 C 343/02 (3) (Bl. 70ff. d.A.).

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Das Amtsgericht Idstein hat der Klage mit der Begründung stattgegeben, dass die Kündigung vom 09.10.2001 das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis beendet habe, während die frühere Kündigung vom 18.06.2001 mangels Vorliegen einer verschuldeten Pflichtverletzung nicht wirksam gewesen sei.

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Das Urteil ist der Beklagten am 22. August 2002 zugestellt worden (Bl. 76 d. A.). Hiergegen hat sie mit Schriftsatz vom 23.09.2002, eingegangen beim Landgericht Wiesbaden am 23.09.2002, Berufung eingelegt (Bl. 79ff. d. A.). Mit Beschluss vom 28.10.2002 (Bl. 90 d. A.) wurde die Frist zur Berufungsbegründung um einen Monat verlängert. Mit Schriftsatz vom 22.11.2002, eingegangen beim Landgericht Wiesbaden am 22.11.2002 (Bl. 95 d. A.), hat die Beklagte die Berufung begründet.

5
Die Beklagte und Berufungsklägerin trägt vor, dass die Kündigung des Mietverhältnisses vom 18.06.2001 nicht wirksam gewesen sei. Es habe insoweit an einem berechtigten Interesse der Kläger gefehlt. Die Beklagte hätte die von Seiten der Klägerin erhobenen Forderungen voll umfänglich ausgeglichen. So sei der in Hinblick auf die Forderungen erlangte Titel nach Aufforderung vom 19.02.2002 durch die Kläger auch entwertet zurückgesandt worden. Im übrigen sei zum Ausgleich der rückständigen Forderungen eine Ratenzahlungsvereinbarung ausgehandelt worden, an die sich die Beklagte gehalten habe. Auch sei den Klägern die damals schwierige wirtschaftliche Situation der Beklagten bekannt gewesen; es habe sich insoweit nur um einen einmaligen Zahlungsrückstand gehandelt. Ferner sei auch die zweite Kündigung vom 09.11.2001 unwirksam gewesen. Im Übrigen wohne die im Jahr 1956 geborene Beklagte seit 1976 in der Wohnung, so dass es ihr nicht zuzumuten sei, aus dem Viertel wegzuziehen. Auch bestehe für die Beklagte als Sozialhilfeempfängerin die Schwierigkeit, eine angemessene Wohnung zu finden, bei der auch Tierhaltung zulässig sei.

6
Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt:

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Unter Abänderung des am 16. August 2002 verkündeten und am 22. August 2002 zugegangenen Urteil des Amtsgerichts Idstein Az.: 3 C 343/02 (3) wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

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Für den Fall einer Zurückweisung der Berufung beantragt die Beklagte und Berufungsklägerin,

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der Beklagten eine angemessene Räumungsfrist zu gewähren.

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Die Kläger und Berufungsbeklagten beantragen,

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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

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Die Kläger und Berufungsbeklagten machen geltend, dass bereits die erste Kündigung vom 18.06.2001 wirksam gewesen sei. Sie berufen sich darauf, dass der Rückstand, wegen dem die Kündigung ausgesprochen wurde, seit 26.05.2000 tituliert war und die Beklagte und Berufungsklägerin nicht substantiiert dargelegt habe, dass die Nichtbegleichung der Forderung unverschuldet war. Zahlungen durch die Beklagte seien insofern nach der Kündigung erfolgt. Eine ordentliche Kündigung wegen titulierter Mietrückstände, die trotz Zwangsvollstreckung nicht geleistet würden, sei zulässig. Weiterhin bestreiten die Kläger und Berufungsbeklagten, dass es eine Ratenzahlungsvereinbarung gegeben habe. Im übrigen sei das Mietverhältnis spätestens durch die Kündigung vom 09.11.2001 beendet worden.

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Zur Ergänzung der Gründe wird auf den schriftsätzlichen Vortrag der Parteien und die sonstigen Aktenbestandteile Bezug genommen.

II.

14
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

15
1. Die Berufung ist zulässig, sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt.

16
2. Die Berufung ist jedoch unbegründet, da das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis durch die Kündigung vom 18.06.2001 beendet worden ist (§ 564 BGB alter Fassung). Somit steht den Klägern ein Anspruch auf Herausgabe der Mietsache zu.

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a) Ein ausreichender Grund für die Kündigung vom 18.06.2001 war gegeben, da die Mieter wegen einer nicht unerheblichen schuldhaften Verletzungen vertraglicher Pflichten ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hatten (§ 564 b Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 1).

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aa) Die Beklagte hat bis zum Ausspruch der Kündigung vom 18.06.2001 und deren Wirksamwerden durch Zugang bei der Beklagten den rückständigen Mietzins für Dezember 1995 trotz eines vorliegenden Vollstreckungstitels nicht gezahlt. Da angesichts der Titulierung des Anspruchs für die Beklagte erkennbar die Möglichkeit der Zwangsvollstreckung bestand, stellt die Nichtzahlung der rückständigen Miete einen Verstoß gegen vertragliche Verpflichtungen dar, der über einen einfachen Verzug mit einer Mietzinszahlung erheblich hinausging. Bei Nichtzahlung auf einen gerichtlichen Vollstreckungstitel besteht auch ein grundsätzlich berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses, da in einem solchen Fall in gesteigertem Maße zu besorgen ist, dass der Mieter auch in Zukunft seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Dies gilt unabhängig von der Titulierung solcher Verpflichtungen. Die von der Beklagten geleistete Zahlung erfolgte erst nach Wirksamwerden der Kündigung und kann den Kündigungsgrund bezogen auf den Zugang der Kündigungserklärung nicht rückwirkend beseitigen. Unstreitig erfolgte die Zahlungen auf die titulierte Forderung erst am 20.08.2001 bzw. am 28.09.2001. Für eine Zahlung vor Zugang der Kündigung ist nichts dargetan. Auch die Tatsache, dass anschließend keine weiteren Rückstände auftraten, macht die Kündigung zum Zeitpunkt ihres Wirksamwerdens durch Zugang nicht unwirksam. In der Nichtzahlung auf eine titulierte Forderung, die seit 1995 bestand, kann auch kein leichter Fall einer unterlassenen Zahlung oder eine unterlassene Zahlung aus Irrtum oder Unkenntnis tatsächlicher Umstände mehr gesehen werden, was unter Umständen das Vorliegen einer erheblichen Pflichtverletzung ausschließen kann.

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Dass die Mieten regelmäßig durch das Sozialamt gezahlt wurden schließt im vorliegenden Fall ein berechtigtes Interesse der Kläger an der Beendigung des Mietverhältnisses nicht aus. Die Zahlung durch das Sozialamt kann die Pflichtverletzung, die in der Nichtzahlung auf eine titulierte Forderung liegt, nicht ausgleichen. In der Nichtzahlung auf eine titulierte Forderung liegt ein elementarer Verstoß gegen die Verpflichtungen des Mieters, der bereits für sich gesehen die Vertrauensgrundlage zwischen den Vertragsparteien nachhaltig stört und das Festhalten der Kläger an dem Mietverhältnis unzumutbar macht. Auch konnten weder Beklagte noch Kläger auf eine dauerhafte Zahlung der Miete durch das Sozialamt vertrauen.

20
Auch wurde weder das Bestehen einer Ratenzahlungsvereinbarung substantiiert vorgetragen noch wurde Beweis für deren Bestehen angeboten, so dass insofern der Darlegungs- und Beweislast nicht genügt ist.

21
Auf die Frage, ob auch die Rückstände mit der Betriebskostenrechnung die Kündigung rechtfertigten, kommt es daher insoweit nicht mehr an, nachdem die Kündigung wegen des Rückstandes mit der eigentlichen Mietzahlung bereits ausreichend begründet war.

22
bb) Das Verhalten der Beklagten ist auch als schuldhaft anzusehen, da die Beklagte sich insoweit nicht entlastet hat. Zwar war § 279 BGB alter Fassung im Rahmen des § 564b Abs. 2 Nr. 1 alter Fassung nicht anwendbar (vgl. Palandt-Weidenhoff BGB 59. Auflage § 564b BGB Rd.-Nr. 35). Dies hat jedoch nur zur Folge, dass die verschärfte Haftung nach § 279 BGB alter Fassung nicht greift, entbindet jedoch nicht von der Darlegungs- und Beweislast für fehlendes Verschulden in Hinblick auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Diese obliegt der Beklagten, da ihr wirtschaftliche Unvermögen ihrer Sphäre zuzurechnen ist (Palandt-Weidenhoff BGB 59. Auflage § 564b Rd.-Nr. 41). Die Beklagte hat insoweit jedoch nicht substantiiert vorgetragen, worauf ihr Unvermögen zur Zahlung auf den Titel beruhte. Ein Verweis auf wirtschaftliche Schwierigkeiten ist insoweit nicht ausreichend. Vielmehr hätte es der Darlegung bedurft, dass dieses wirtschaftliche Unvermögen nicht von ihr verschuldet war.

23
b) Die Kündigung ist formwirksam erklärt worden. Die Kündigung ist in schriftlicher Form erklärt worden; überdies wurde die Beklagte auf die Möglichkeit des Widerspruchs nach § 556a BGB alter Fassung hingewiesen (§ 564a alter Fassung). Angesichts der bestehenden Titulierung der Forderung bedurfte es keiner vorhergehenden Abmahnung mehr.

24
c) Entgegen der Auffassung der Beklagten stellte die Kündigung des Mietverhältnisses auch keine der Beklagten unzumutbare Härte dar. Infolgedessen scheitert die Wirksamkeit der Kündigung auch nicht an § 556a BGB alter Fassung.

25
Angesichts des Lebensalters der Beklagten ist auch bei einer Dauer des Mietverhältnisses von mehr als 25 Jahren in der Beendigung des Mietverhältnisses keine unzumutbare Härte zu sehen. Dies kann nach ständiger Rechtsprechung nur zusammen mit dem hohen Lebensalter eines Mieters als unzumutbare Härte angesehen werden (vgl. Staudinger 13. Auflage § 556a BGB Rd.-Nr. 38). Die Verwurzelung der Beklagten in Hausgemeinschaft und Umgebung reicht insoweit alleine nicht aus.

26
Schwierigkeiten bei der Suche nach angemessenem Ersatzwohnraum rechtfertigen im vorliegenden Fall ebenfalls nicht die Annahme einer unzumutbaren Härte. Die Beklagte hat insoweit nicht substantiiert vorgetragen, dass sie sich um entsprechenden Ersatzwohnraum bemüht hat (Staudinger BGB 13. Auflage § 556a BGB Rd.-Nr. 45).

27
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10 analog, 711, 713 ZPO und § 26 Nr. 8 EGZPO. Der Beklagten war gemäß § 721 ZPO eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist zu gewähren, damit sie Gelegenheit hat, sich eine andere Wohnung zu suchen. Bei der Bemessung der Frist wurde von der Erfahrungstatsache ausgegangen, dass es auf dem Wohnungsmarkt in der Region der Beklagten möglich ist, sich in über mehr als vier Monaten eine angemessene Wohnung zu beschaffen. Die Revision war nicht zuzulassen, nachdem die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 543 II ZPO vorliegend nicht gegeben sind.

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