OLG München, Urteil vom 08.10.2009 – 29 U 2636/09 – REFODERM
REFODERM
Zur internationalen Zuständigkeit deutscher Gerichte für Ansprüche gegen schweizerische Beklagte wegen Markenverletzungen im Internet.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Landgerichts München I vom 5. März 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
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I. Der Rechtsstreit hat die Verletzung einer deutschen Marke durch den Internetauftritt eines schweizerischen Unternehmens zum Gegenstand.
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Der Kläger ist Inhaber der deutschen Wortmarke R (Nr. …) und der gleichlautenden IR-Marke Nr. …, die Schutz unter anderem Schutz für Kosmetika beanspruchen. Die Beklagte zu 1., eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, bot in einem deutschsprachigen Internetauftritt unter der Domain …ch , die dem in der Schweiz wohnenden Beklagten zu 2. gehört, mit R gekennzeichnete Kosmetika an, wobei der Preis in Schweizer Franken angegeben war. Die Seiten des Internetauftritts wiesen im oberen Teil den Text R und unmittelbar darunter in deutlich kleinerer Schrift Naturkosmetik International auf (vgl. Anlagen K 4, K 5 und K 7). Der Kläger sah in diesem Auftritt eine Verletzung seiner inländischen Markenrechte und hat nach erfolgloser Abmahnung Klage auf Unterlassung, Auskunft und Feststellung der Schadensersatzpflicht, jeweils bezogen auf Deutschland, sowie auf Ersatz der Abmahnkosten erhoben. Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt und unter anderem eingewandt, örtlich zuständig seien nicht die deutschen, sondern die schweizerischen Gerichte. Mit Urteil vom 5. März 2009, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Zur Frage der Zuständigkeit hat es im Wesentlichen ausgeführt, gemäß § 32 ZPO örtlich zuständig zu sein, weil der Internetauftritt auch in München abrufbar sei.
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Hiergegen wenden sich die Beklagten mit ihrer Berufung, weil die deutschen Gerichte mangels hinreichenden Inlandsbezugs des Internetauftritts örtlich unzuständig seien, und beantragen,
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das landgerichtliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil unter anderem damit, dass die örtliche Zuständigkeit gemäß § 513 Abs. 2 ZPO im Berufungsverfahren nicht mehr zu prüfen sei, und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Im Übrigen wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8. Oktober 2009 Bezug genommen.
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II. Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klage ist mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte unzulässig.
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1. Gemäß § 513 Abs. 2 ZPO kann eine Berufung nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Diese Vorschrift findet indes keine Anwendung auf die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch im Berufungsverfahren zu prüfen ist (vgl. BGH NJW 2004, 1456 f.; Ball in: Musielak , ZPO, 7. Aufl. 2009, § 513 Rz. 7; Heßler in: Zöller , ZPO, 27. Aufl. 2009, § 513 Rz. 8; Reichold in: Thomas/Putzo , ZPO, 30. Aufl. 2009, § 513 Rz. 3). Dass sowohl die Parteien als auch das Landgericht in diesem Zusammenhang unter Verkennung der Rechtslage von örtlicher Zuständigkeit sprechen, steht dem nicht entgegen.
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2. Die internationale Zuständigkeit für die gegen die in der Schweiz ansässigen Beklagten gerichtete Klage beurteilt sich nach dem Luganer Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. September 1988 (ABl. EG 1988 L 319, S. 9; BGBl. II 1994, S. 2660; LugÜ; vgl. Art. 54 b Abs. 2 lit. a) LugÜ; hierzu BGH GRUR 2007, 884 – Cambridge Institute Tz. 24 m. w. N.).
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Gemäß Art. 2 LugÜ sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, grundsätzlich vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen. Von den gemäß Art. 3 LugÜ zulässigen Ausnahmen hiervon kommt im Streitfall lediglich der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß Art. 5 Nr. 3 LugÜ in Betracht. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz – bei juristischen Personen: ihren Sitz (vgl. Art. 53 Satz 1 LugÜ) – in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Der Ort des schädigenden Ereignisses i. S. d. Art. 5 Nr. 3 LugÜ ist neben dem Handlungsort auch der Erfolgsort, d. h. der Ort, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist.
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Bei Rechtsverletzungen im Internet ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internetauftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll (vgl. GRUR 2006, 513 – Arzneimittelwerbung im Internet Tz. 20 f. m. w. N. in einem wettbewerbsrechtlichen Fall zum insoweit gleichlautenden EuGVÜ; vgl. auch BGH, a. a. O., – Cambridge Institute Tz. 24 in einem kennzeichenrechtlichen Fall; Geimer in: Zöller , ZPO, 27. Aufl. 2009, Anh I Art. 5 EuGVVO Rz. 28; ähnlich Hüßtege in: Thomas/Putzo , ZPO, 29. Aufl. 2008, Art. 5 EuGVVO Rz. 19 b; Lackmann in: Musielak , ZPO, 7. Aufl. 2009, Europäisches Zivilrecht, Art. 5 EuGVVO Rz. 24), weil dann eine Rechtsverletzung im Inland möglich ist. Die Ansicht, die bloße Abrufbarkeit eines als markenverletzend angegriffenen Internetauftritts im Inland begründe die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte (vgl. Senat, Urt. v. 15. November 2001 – 29 U 3769/01 – literaturhaus.de , juris, dort Tz. 44 (insoweit in GRUR-RR 2002, 109 f. nicht abgedruckt); Fezer , Markenrecht, 4. Aufl. 2009, Einl I Rz. 6; Hacker in: Ströbele/Hacker , Markengesetz, 9. Aufl. 2009, § 140 Rz. 11; Ekey in: Heidelberger Kommentar zum Markenrecht, 2. Aufl. 2009, § 14 MarkenG Rz. 402; Ingerl/Rohnke , Markengesetz, 2. Aufl. 2003, Einl. Rz. 48; jeweils mit Nachweisen weiterer instanzgerichtlicher Rechtsprechung) ist jedenfalls durch die dargestellte höchstrichterliche Rechtsprechung überholt.
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Der Gerichtsstand hängt nicht davon ab, dass tatsächlich eine Verletzung des nationalen Rechts erfolgt ist; erforderlich ist indes, dass eine Verletzung behauptet wird und diese nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann (vgl. BGH GRUR 2007, 871 – Wagenfeldleuchte Tz. 17 m. w. N. ebenfalls zum insoweit gleichlautenden EuGVÜ).
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2. Nach diesen Grundsätzen besteht im Streitfall keine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte.
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Zwar behauptet der Kläger, dass sich der angegriffene Internetauftritt bestimmungsgemäß im Inland habe auswirken sollen, was einen hinreichenden wirtschaftlich relevanten Inlandsbezug darstellte, ohne den nach dem im Immaterialgüterrecht maßgeblichen Territorialitätsprinzip eine inländische Markenverletzung nicht angenommen werden kann (vgl. BGH GRUR 2005, 431 (432 f.) – HOTEL MARITIME ). Das kann jedoch im Streitfall von vornherein ausgeschlossen werden, weil der vorgetragene Sachverhalt diese Behauptung nicht trägt; für eine Ausrichtung des Internetauftritts der Beklagten – auch – auf das Inland gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
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a) Trotz des ubiquitären Charakters des Internets kann nicht allein daraus, dass ein regional tätiges Unternehmen sich und sein Angebot im Internet darstellt, darauf geschlossen werden, der räumliche Tätigkeitsbereich des Unternehmens werde entsprechend auf das gesamte Gebiet seines Staates oder darüber hinaus ausgedehnt. Es ist weithin üblich, dass sich Unternehmen, die sich – aus welchen Gründen auch immer – auf einen bestimmten räumlichen Wirkungskreis beschränkt haben, im Internet darstellen, ohne dass damit eine räumliche Ausweitung des Tätigkeitsbereichs verbunden ist (vgl. BGH GRUR 2006, 159 – hufeland.de Tz. 18 m. w. N.). Die Annahme, ein Internetauftritt solle sich bestimmungsgemäß im Inland auswirken, bedarf daher gesonderter konkreter Anhaltspunkte.
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Im Streitfall stellt der bloße Umstand, dass der Internetauftritt in deutscher Sprache erfolgte, keinen solchen Anhaltspunkt dar, weil Deutsch auch in der Schweiz gesprochen wird.
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Die in der Art einer Geschäftsbetriebskennzeichnung gehaltene Angabe R – Naturkosmetik International weist gleichfalls nicht darauf hin, dass der Auftritt dazu bestimmt sei, sich im Inland auszuwirken. Ihr kann durch ihren Teil International allenfalls ein pauschaler Bezug zu anderen Ländern als der Schweiz entnommen werden. Es ist schon nicht ersichtlich, ob damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass Naturkosmetika in andere Länder geliefert würden, oder lediglich, dass Naturkosmetika aus anderen Ländern angeboten würden. Keineswegs erlaubt er den Schluss, dass gerade Interessenten im Inland angesprochen werden sollten.
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Sonstige Umstände, die für eine Ausrichtung des Auftritts auf Deutschland sprächen, liegen – anders als etwa in den vom Kläger angeführten Senatsentscheidungen GRUR-RR 2009, 85 – AnyDVD II und GRUR-RR 2004, 171 ff. – Cambridge Institut (vgl. auch BGH, a. a. O., – Cambridge Institute ) – nicht vor. Vielmehr spricht die Angabe der Preise ausschließlich in Schweizer Franken eher dafür, dass sich der Auftritt lediglich an schweizerische Verkehrskreise wendet.
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b) Da sich der angegriffene Internetauftritt nicht seinem Erscheinungsbild nach im Inland auswirken soll, kann dem Fehlen eines entsprechenden Disclaimers im angegriffenen Auftritt, mit dem erklärt würde, nicht ins Inland zu liefern, entgegen der Auffassung des Klägers keine zuständigkeitsbegründende Wirkung zugeschrieben werden. Funktion eines Disclaimers ist es in diesem Zusammenhang, das aus den übrigen Umständen bereits eröffnete Verbreitungsgebiet einzuschränken (vgl. BGH, a. a. O., – Arzneimittelwerbung im Internet Tz. 22). Einer derartigen Einschränkung bedarf es nicht, wenn es schon ohne den Disclaimer nicht anzunehmen ist, dass sich das Verbreitungsgebiet auf das Inland erstrecke.
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III. Zu den Nebenentscheidungen:
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1. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
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3. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache erfordert, wie die Ausführungen unter II. zeigen, lediglich die Anwendung gesicherter Rechtsprechungsgrundsätze auf den Einzelfall.