OLG Hamm, Urteil vom 6. Juni 2014 – 26 U 60/13
Stößt eine Radfahrerin, die den Radweg einer bevorrechtigten Straße entgegen der Fahrtrichtung befährt, mit einem aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf den Radweg einbiegenden Radfahrer zusammen, kann eine Haftungsquote von 2/3 zu Lasten des Radfahrers und 1/3 zu Lasten der Radfahrerin gerechtfertigt sein.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 15. Januar 2013 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Münster wie folgt abgeändert:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2012 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 863,41 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 855,91 EUR seit dem 21.03.2012 und aus 7,50 EUR seit dem 06.09.2012 zu zahlen.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 2/3 ihrer künftigen materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 28.09.2010 in P zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialleistungsträger oder sonstige Dritte im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs übergegangen sind oder übergehen.
4. Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe 233,59 EUR freizustellen.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung und die Anschlussberufung werden zurückgewiesen.
Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin 74 % und der Beklagte 24 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 57 % und der Beklagte zu 43 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 28.09.2010.
Die zum Unfallzeitpunkt 59 Jahre alte Klägerin fuhr am 28.09.2010 in P auf dem Fahrradweg neben der C Straße entgegen der Fahrtrichtung. In diese Richtung war der Radweg für sie nicht freigegeben. Der zum Unfallzeitpunkt 14 Jahre alte, inzwischen volljährige, Beklagte kam ebenfalls mit dem Fahrrad, für die Klägerin von links, aus dem verkehrsberuhigten Bereich der Straße „B“, um nach rechts auf den Fahrradweg der C Straße abzubiegen. Die Sicht im Einmündungsbereich, in dem sich ein Mädchen auf einem Einrad aufhielt, war durch Sträucher eingeschränkt. Dort stießen die Parteien zusammen, wodurch die Klägerin zu Fall kam. Die Klägerin zog sich eine Tibiakopffraktur und eine Fibulaköpfchenfraktur links zu. Sie musste stationär behandelt werden und sich anschließend einer Reha-Behandlung unterziehen. Ihre Tätigkeit als Hauswirtschafterin auf Minijob-Basis gab sie nach dem Unfall auf. Die Klägerin verlangte vorprozessual ein Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 13.000 EUR sowie materiellen Schadensersatz. Der Haftpflichtversicherer des Beklagten erkannte unter dem 16.02.2012 die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche mit einer Haftungsquote von 50 % teilweise an und zahlte 603,93 EUR vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, 4.500 EUR Schmerzensgeld, 1.700 EUR Verdienstausfall, 500,00 EUR Haushaltsführungsschaden und 212,04 EUR weiteren materiellen Schadensersatz.
Die Klägerin hat ein weiteres Schmerzensgeld, materiellen Schadensersatz und die Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden mit der Begründung verlangt, sie sei auch bei einer Fahrt entgegen der Fahrtrichtung vorfahrtberechtigt gewesen.
Durch die angefochtene Entscheidung ist der Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes von 1.000 ‚EUR, Schadensersatz in Höhe von 87,35 EUR, vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 171,71 EUR, jeweils nebst Zinsen verurteilt worden. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Beklagte habe den Unfall verursacht, in dem er ohne ausreichend auf den vorfahrtberechtigten Verkehr zu achten, auf den Fahrradweg an der C Straße eingebogen sei. Die Klägerin treffe ein Mitverschulden von 50 %, da sie den Fahrradweg in die falsche Fahrtrichtung benutzt habe. Dieser Verkehrsverstoß sei mindestens gleichwertig. Sie habe zwar die Vorfahrt gehabt, sich aber selbst verbotswidrig verhalten. Daher sei von ihr ein erhöhtes Maß an Rücksichtnahme zu erwarten gewesen. Sie hätte im Einmündungsbereich erhöhte Vorsicht walten lassen müssen, da es sich um eine wegen des Bewuchses schlecht einsehbare Stelle gehandelt habe. Dass der Beklagte mit unangemessener Geschwindigkeit gefahren sei, habe die Klägerin nicht nachgewiesen. Aufgrund ihrer Verletzungen sei ein Schmerzensgeld von 5.500 EUR gerechtfertigt, auf das die Versicherung bereits 4.500 EUR gezahlt habe. Darüber hinaus könne sie Schadensersatz in Höhe von 7,50 EUR für Attestkosten verlangen. Ein weitergehender Schadensersatzanspruch bestehe nicht. Die Versicherung des Beklagten habe den Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls und des Haushaltsführungsschadens erfüllt. Nach der Entlassung aus der Reha habe die Klägerin den Haushalt selbst wieder führen können. Ein Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten bestehe nur in Höhe von 114,47 EUR. Wegen der weitergehenden Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Hiergegen richtet sich die zulässige Berufung der Klägerin, die ihr erstinstanzliches Begehren weiter verfolgt und eine vollständige Haftung des Beklagten anstrebt. Zur Begründung trägt sie vor, das Landgericht habe im Rahmen der Abwägung verkannt, dass der Beklagte den Unfall allein verschultet habe, da ihn gem. § 10 StVO besonders hohe Sorgfaltspflichten getroffen hätten. Er hätte eine Gefährdung anderer ausschließen müssen. Der Beklagte hätte auch mit Radfahrern rechnen müssen, die für ihn von rechts kommen. Das Landgericht habe das Befahren des Radweges in falscher Richtung zu Unrecht zu ihren Lasten bewertet, obwohl der Beklagte nicht in den Schutzbereich des § 2 Abs. 4 S. 2 StVO einbezogen gewesen sei. Fehlerhaft sei die Annahme des Landgerichts, die Klägerin hätte wegen der Sichtbehinderung im Einmündungsbereich anhalten müssen. Vielmehr hätte diese Verpflichtung für den Beklagten bestanden, der sich in den Einmündungsbereich hätte hineintasten müssen. Das Landgericht habe die dauerhafte Beeinträchtigung der Klägerin nicht berücksichtigt und hätte deshalb ein höheres Schmerzensgeld zusprechen müssen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts stehe fest, dass eine Knieteilendoprothese erforderlich werde.
Die Klägerin beantragt,
teilweise abändernd,
5. den Beklagten zu verurteilen, an sie über den erstinstanzlich zuerkannten Schmerzensgeldbetrag hinaus ein weiteres Schmerzensgeld, mindestens weitere 7.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2012 zu zahlen,
6. den Beklagten zu verurteilen, an sie über bereits erstinstanzlich zuerkannte 87,35 EUR hinaus weitere 2.147,39 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.139,89 EUR seit dem 21.03.2012 und aus 7,50 EUR seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
7. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr über die anerkannte Haftungsquote hinaus die gesamten künftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 28.09.2010 in P zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialleistungsträger oder sonstige Dritte im Wege des gesetzlichen Forderungsübergangs übergegangen sind oder übergehen,
8. den Beklagten zu verurteilen, an sie über bereits erstinstanzlich zuerkannte 171,71 EUR hinaus weitere vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 247,52 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, hilfsweise die Klägerin von diesem Gebührenanspruch ihrer Bevollmächtigten freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt der Beklagte abändernd,
ihn zu verurteilen, an die Klägern 7,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.09.2012 zu zahlen.
Die Klägerin beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und trägt ergänzend vor, es sei von der Klägerin eine erhöhte Rücksichtnahme zu erwarten gewesen, weil sie den Radweg verbotswidrig benutzt habe. Das Landgericht habe fehlerhaft auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den unfallbedingten Verletzungen verzichtet. Die Schätzung des Landgerichts zur Höhe des Haushaltsführungsschadens sei nicht nachvollziehbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akte 73 Js 4470/10 StA Münster war zu Informationszwecken beigezogen und lag vor.
Der Senat hat die Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 14.01.2014 nebst Berichterstattervermerk Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die Anschlussberufung ist unbegründet.
1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Schadensersatz sowie Schmerzensgeld gem. §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB, § 253 Abs. 2 BGB in Höhe einer Quote von 2/3.
a) Der Beklagte haftet der Klägerin unstreitig wegen einer fahrlässigen Körperverletzung gem. §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 229 StGB auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Er ist beim Abbiegen mit dem Fahrrad aus der Straße „B“ mit der Klägerin zusammengestoßen, so dass diese zu Fall kam und sich dadurch körperlich verletzt hat. Die für eine Haftung des zum Unfallzeitpunkt 14 Jahre alten Beklagten erforderliche Einsichtsfähigkeit i.S.d. § 828 Abs. 3 BGB ist von keiner Seite in Frage gestellt worden.
aa) Der Beklagte hat auch schuldhaft gehandelt, indem er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen hat, § 276 Abs. 2 BGB. Der Beklagte hat gegen die Vorschrift des § 10 StVO verstoßen, die von demjenigen, der aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf die Straße einfahren will verlangt, dass er eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausschließt. Dadurch, dass der Beklagte die Klägerin durch sein unachtsames Einbiegen auf den Radweg der Bentheimer Straße zu Fall gebracht hat, hat er gegen diese Sorgfaltspflicht verstoßen. Angesichts der Schwere dieses Verkehrsverstoßes kommt es nicht darauf an, ob der Beklagte zugleich der Regelung des § 3 Abs. 1 S. 2 StVO zuwidergehandelt hat, weil er im Einmündungsbereich mit unangepasster Geschwindigkeit gefahren ist. Er hat sich jedenfalls nicht so verhalten, dass er eine Gefährdung der Klägerin ausgeschlossen hat.
bb) Allerdings fällt auch der Klägerin ein Mitverschulden gem. § 254 BGB zu Last. Sie hat sich ihrerseits verkehrswidrig verhalten, indem sie den für sie nicht freigegebenen Radweg entlang der C Straße in entgegen gesetzter Fahrtrichtung benutzt hat. Dadurch hat die Klägerin gegen § 2 Abs. 4 StVO verstoßen, der eine Benutzung des für sie linken Radweges nur erlaubt, wenn dies durch Zusatzzeichen erlaubt wird. Dies war hier indessen unstreitig nicht der Fall.
cc) Nach Auffassung des Senats trifft den Beklagten ein höheres Verschulden an dem Zusammenstoß. Das Verschulden der Klägerin tritt indessen nicht vollständig zurück, so dass bei Abwägung der beiderseitigen Verschuldensanteile eine Haftungsquote von 2/3 zu 1/3 zu Lasten des Beklagten angemessen erscheint.
(1) Die überwiegende Haftung des Beklagten ist deshalb gerechtfertigt, weil ihn ein besonders schwerer Sorgfaltspflichtverstoß trifft. Er hätte gem. § 10 StVO nicht nur eine Verletzung der Klägerin verhindern müssen, sondern schon ihre Gefährdung ausschließen müssen, indem er besonders vorsichtig auf den Radweg an der C Straße hätte einbiegen müssen. Er war verpflichtet, auf den bevorrechtigten Verkehr auf dem Radweg zu achten und hätte sich dementsprechend umsichtig verhalten müssen. Dabei kam es nicht darauf an, aus welcher Richtung der bevorrechtigte Querverkehr kam. Der Schutz des § 10 StVO entfiel für die Klägerin nicht etwa deshalb, weil sie den Radweg entlang der C Straße in falscher Richtung befahren hat. Ihr Verstoß gegen § 2 Abs. 4 StVO war für ihr Vorfahrtsrecht unerheblich. Der Vorrang des fließenden Verkehrs steht in den Fällen des § 10 StVO grundsätzlich den Benutzern der gesamten Fahrbahn zu. Selbst der einen Radweg in verkehrter Richtung benutzende Radfahrer hat deshalb Vorrang (KG, DAR 1993, 257; Burmann/Heß/Jahnke/Janker, StVR, 22. Auflage 2012, § 10 Rn. 2; Jagusch-König, StVR, 42. Aufl., § 10 Rn. 14).
(2) Andererseits kommt entgegen der Auffassung der Klägerin keine Alleinhaftung des Beklagten in Betracht. Die Klägerin trifft ein Mitverschulden i.S.d. § 254 BGB, da ihr vorzuwerfen ist, dass sie die Gefahrensituation hätte voraussehen können. Sie ist – wie sie selbst im Senatstermin eingeräumt hat – vorsätzlich entgegen § 2 Abs. 4 StVO auf dem für ihre Fahrtrichtung nicht freigegebenen Radweg gefahren. Die sich daraus ergebenen Gefahren hätte sie erkennen und deshalb vorsichtiger an die Straße „B“ heranfahren müssen. Entgegen ihrer Auffassung steht dem nicht entgegen, dass sie grundsätzlich vorfahrtberechtigt gewesen ist. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, durfte die Klägerin nicht darauf vertrauen, dass ihr grundsätzliches Vorfahrtrecht beachtet werden würde. Sie hätte sich vielmehr darauf einstellen müssen, dass ihr Vorfahrtrecht missachtet werden könnte, zumal der Einmündungsbereich wegen des Bewuchses nur schlecht einsehbar war. Nach OLG Hamm, NZV 1997, 123 schafft der Umstand, dass der Radfahrer in derartigen Fällen grundsätzlich vorfahrtberechtigt ist, keine besondere Vertrauensgrundlage, wenn er sich seinerseits nicht verkehrsgerecht verhält. Die Klägerin konnte deshalb nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte anhalten und sie durchfahren lassen würde. Eine auf ihre eigenen Interessen bedachte Radfahrerin hätte sich der Einmündung von vornherein nur so vorsichtig genähert, dass sie einem von für sie von links kommenden Fahrzeug hätte ausweichen können. Darauf, dass der Beklagte sie selbst rechtzeitig bemerken und anhalten würde, durfte sie nicht ohne weiteres vertrauen.
b) Die Klägerin kann unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 1/3 Schadensersatz und Schmerzensgeld von dem Beklagten verlangen, wobei die geleisteten Zahlungen zu berücksichtigten sind.
aa) Das von der Klägerin beanspruchte Schmerzensgeld gem. § 253 Abs. 2 BGB ist in Höhe von noch 3.000,00 EUR begründet. Nach Auffassung des Senats erscheint unter Berücksichtigung des Mitverschuldens der Klägerin eine Geldentschädigung in Höhe von insgesamt 7.500,00 EUR als billig i.S.d. § 253 Abs. 2 BGB. Nach Abzug der bereits von der Haftpflichtversicherung des Beklagten geleisteten 4.500 EUR verbleibt der o.g. Betrag.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat der Senat berücksichtigt, dass die Klägerin durch den Unfall nicht unerhebliche Verletzungen erlitten hat. Durch den Unfall ist eine Tibiakopffraktur sowie eine Fibulaköpfchenfraktur verursacht worden, die im N-Spital in S versorgt werden mussten. Die Klägerin befand sich daher in einem Zeitraum von über einem Monat vom 28.9.2010 bis 29.10.2010 in stationärer Behandlung. In diesem Zeitraum mussten in zwei Operationen Osteosynthesen mittels Metallplatten vorgenommen werden. Das eingebrachte Synthesematerial befindet sich noch im Körper der Klägerin und verursacht dort nach ihren glaubhaften Angaben Beschwerden vor allem beim Knien. Vom 28.2.2011 bis 29.3.2011 schloss sich eine stationäre Rehamaßnahme in Bad S1 an. Die Klägerin war vom 20.09.2010 bis zum 14.12.2010 zu 100 % und vom 15.12.2010 bis 20.6.2011 zu 50 % arbeitsunfähig. Nicht berücksichtigt hat der Senat das bei der Klägerin diagnostizierte LWS-Syndrom, das unstreitig nicht auf den Unfall zurückzuführen ist. Für die Bemessung des Schmerzensgeldes war weiterhin entscheidend, dass – wie die Klägerin nachvollziehbar dargelegt hat – sie nach der Entlassung aus dem Krankenhaus bis Ende Dezember 2010 auf einen Rollstuhl angewiesen gewesen ist. Seit dem ist die Klägerin – wie sie im Senatstermin erklärt hat – auf einen Gehstock angewiesen, wenn sie längere Strecken zurücklegen muss. Darüber hinaus ist die Klägerin nach ihren im Rahmen der Anhörung plausibel gemachten Angaben dauerhaft dadurch beeinträchtigt, dass sie nicht mehr in die Hocke gehen oder sich hinknien kann. Schließlich hat der Unfall bei ihr zu einer Einschränkung in ihrer Beweglichkeit geführt. Die Klägerin hat dazu glaubhaft erklärt, sie könne nicht mehr auf Leitern steigen und müsse sich beim Treppensteigen stets festhalten. Angesichts der nachvollziehbaren Schilderungen der Klägerin reichte das pauschale Bestreiten der Schadensfolgen durch den Beklagten nicht aus. Der Beklagte hätte sich nicht darauf zurückziehen dürfen, die von der Klägerin gemachten Angaben zu ihren körperlichen Beeinträchtigungen, die durch die vorgelegten Arztberichte weitgehend substantiiert sind, schlicht zu bestreiten, sondern hätte sich gem. § 138 Abs. 3 ZPO im Einzelnen mit ihren Behauptungen auseinander setzen müssen. Da dies unterblieben ist, bedurfte es der Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens zu den Verletzungen und Verletzungsfolgen nicht.
Allerdings hat der Senat bei der Bemessung des Schmerzensgeldes außer Betracht gelassen, dass – wie die Klägerin behauptet – aufgrund einer posttraumatischen Gonarthrose deren operative Versorgung mit einer Knietotalendoprothese erforderlich wird. Dass diese Operation unfallbedingt notwendig und bereits jetzt absehbar ist, ist unsicher. Die Klägerin hat dazu lediglich vorgetragen, dass der Kniegelenksersatz „mit großer Wahrscheinlichkeit“ unumgänglich sei. Im Senatstermin hat sie darüber hinaus angegeben, dass sie diese Operation so lange herausschieben wolle, wie sie die Schmerzen aushalten könne. Dementsprechend hat das Landgericht zu Recht auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens verzichtet und eine möglicherweise in der Zukunft erforderlich werdende Operation bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt gelassen. Sofern die Operation durchgeführt werden sollte, werden dadurch hervorgerufene Schäden vom Feststellungsantrag umfasst.
bb) Die Klägerin kann Ersatz ihrer unfallbedingten materiellen Schäden in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang verlangen.
(1) Der von der Klägerin verlangte Verdienstausfallschaden ist unbegründet. Der Schadensersatzanspruch ist durch Erfüllung gem. § 362 BGB erloschen. Unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens von 1/3 kann die Klägerin von dem von ihr verlangten Betrag von 2.400 EUR ohnehin nur 1.600 EUR verlangen. Unstreitig hat die hinter dem Beklagten stehende Haftpflichtversicherung allerdings bereits einen Betrag von 1.700,00 EUR geleistet.
(2) Der von der Klägerin geltend gemachte Haushaltsführungsschaden ist wegen des zu berücksichtigenden Mitverschuldens nur teilweise begründet.
Der Senat schätzt den Umfang der Haushaltstätigkeit der Klägerin gem. § 287 ZPO anhand der von ihr gemachten Angaben, die ohne weiteres nachvollziehbar und plausibel sind. Die Klägerin hat angegeben, dass sie zusammen mit ihrem Ehemann einen Zwei-Personen-Haushalt führt. Zu ihrer Haushaltstätigkeit gehört auch die Bewirtschaftung der bewohnten Hofstelle. Sie hat ferner angegeben, dass sie bei der Haushaltstätigkeit von ihrem Mann, der sich seit Juni 2010 im Ruhestand befinde, unterstützt werde. Dieser macht den Garten, während sie die typischen Tätigkeiten einer Hausfrau, wie Putzen, Kochen, Einkaufen, Wäschewaschen usw. allein erledigt. Aufgrund der unfallbedingten Verletzungen ist die Klägerin bei knieenden Tätigkeiten oder solchen Tätigkeiten, bei denen sie auf eine Leiter steigen muss, eingeschränkt und auf die Hilfe ihres Mannes angewiesen. Es ist daher nachvollziehbar, dass sie z.B. für das Aufhängen von Gardinen und Vorhängen oder das Putzen auf Schränken oder Lampen einen größeren Zeitaufwand benötigt.
Für die Dauer der stationären Aufenthalte im Krankenhaus und in der Reha-Klinik in Bad S1 kann die Klägerin, wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, keinen Haushaltsführungsschaden mehr geltend machen. Der Anspruch auf Schadensersatz ist insoweit durch Erfüllung gem. § 362 BGB erloschen, da die Haftpflichtversicherung des Beklagten bereits einen Betrag von 500,00 EUR ausgeglichen hat. Der Senat stimmt dem Landgericht darin zu, dass für die Dauer des stationären Aufenthalts der Umfang der wöchentlichen Haushaltstätigkeiten gem. § 287 ZPO auf 10 Stunden zu schätzen ist, da die Klägerin sich während der Zeit ihrer stationären Unterbringung im Krankenhaus und der Reha-Einrichtung nicht selbst versorgen musste. Auch gegen den vom Landgericht angenommenen Stundensatz in Höhe von 7,20 EUR bestehen keine Bedenken, so dass sich für diesen Zeitraum ein Haushaltsführungsschaden von 648,00 EUR (63/7 x 10 x 7,2) errechnet. Unter Berücksichtigung des Mitverschuldens von 1/3 verbleibt ein Schadensersatzanspruch in Höhe von lediglich 432,00 EUR, der bereits durch die Zahlung der Haftpflichtversicherung des Beklagten in vollem Umfang ausgeglichen ist.
Nicht zu beanstanden ist auch die Schätzung des Haushaltsführungsschadens durch das Landgericht für den Zeitraum vom 30.10.2010 bis 24.02.2011 (118 Tage). Die Annahme einer wöchentlichen Haushaltstätigkeit der Klägerin von 19,1 Stunden ist im Hinblick auf die von ihr gemachten Angaben zum Umfang ihrer Tätigkeit nachvollziehbar. Unter Berücksichtigung der unfallbedingten Bewegungseinschränkungen, die die Klägerin glaubhaft damit begründet hat, dass sie bis Ende Dezember 2010 einen Rollstuhl benutzen musste und anschließend auf Gehhilfen angewiesen war, geht auch der Senat wie das Landgericht von einer Einschränkung von 50 % aus. Bei einem Stundensatz von 7,20 EUR errechnet sich wiederum ein Haushaltsführungsschaden von 1.159,10 EUR (118/7 x 19,1 x 7,2 x 50 %). Nach Abzug des Mitverschuldensanteils von 1/3 verbleibt ein ersatzfähiger Schaden von 772,73 EUR.
Ein weiterer Haushaltsführungsschaden ist vom Landgericht zu Recht abgelehnt worden.
(3) Der Anspruch der Klägerin auf Ersatz sonstiger materieller Schäden ist nur teilweise begründet.
Soweit die Klägerin Kosten für das Krankenhaus etc. gemäß der Aufstellung auf Blatt 14 der Klageschrift in Höhe von insgesamt 439,08 EUR geltend gemacht hat, sind diese Positionen bis auf die Krankenhauskosten vom Beklagten nicht bestritten worden. Bei den Krankenhauskosten in Höhe von 105,80 EUR handelt es sich nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Klägerin um Kosten für Telefon und Fernsehen. Da es sich dabei offenbar um zusätzliche Kosten handelt, die zu den häuslich angefallenen Gebühren für Fernsehen und Telefon hinzu gekommen sind, ist entgegen der Auffassung des Beklagten ein Abzug wegen ersparter Aufwendungen nicht gerechtfertigt. Unter Berücksichtigung des Mitverschuldensanteils der Klägerin verbleibt ein zu ersetzender Schaden von 292,72 EUR, auf den die Haftpflichtversicherung des Beklagten bereits einen Betrag von 212,04 EUR geleistet hat, so dass ein Restbetrag von 80,68 EUR noch offen ist.
(4) Schließlich stehen der Klägerin unstreitig für eine am 15.06.2012 ausgestellte ärztliche Bescheinigung Attestkosten zu. Die Attestkosten von 15,00 EUR sind wegen des Mitverschuldens der Klägerin um 1/3 zu kürzen, so dass sich ein ersatzfähiger Schaden von 10,00 EUR errechnet.
(5) Es errechnet sich insgesamt unter Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen gem. § 366 Abs. 1 BGB ein restlicher Schadensersatzanspruch in Höhe 772,73 EUR + 80,68 EUR + 10,00 EUR = 863,41 EUR.
c) Der Zinsanspruch ist gem. §§ 286, 288 BGB aus Verzug begründet. Im Übrigen ergibt sich der Zinsanspruch aus § 291 BGB.
2. Der geltend gemachte Feststellungsantrag ist gem. § 256 ZPO zulässig und begründet. Das Feststellungsinteresse besteht, weil künftige Schadensfolgen schon wegen der möglicherweise künftig anstehenden Knieoperation der Klägerin möglich sind, ihre Art und ihr Umfang aber noch ungewiss sind (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 30. Aufl., § 256 Rn. 9).
3. Die Klägerin kann schließlich die mit ihrem Hilfsantrag geltend gemachte Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen. Ein Anspruch Zahlung von Schadensersatz und Verzugszinsen besteht hingegen nicht, da die Klägerin selbst angegeben hat, bisher die angefallenen Rechtsanwaltskosten noch nicht bezahlt zu haben.
Die Rechtsanwaltskosten errechnen sich nach einem Streitwert von 12.107,54 EUR (7.500,00 EUR Schmerzensgeld + 3.107,54 EUR materieller Schaden + 1.500,00 Feststellung). Bei einer 1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG in Höhe von 683,80 EUR, einer Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG von 20,00 EUR ergeben sich Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 703,80 EUR netto bzw. zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von 837,52 EUR. Hierauf hat der Beklagte durch seine Haftpflichtversicherung bereits 603,93 EUR geleistet, so dass noch ein Anspruch in Höhe von 233,59 EUR verbleibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 92 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern, § 543 Abs. 2 ZPO. Die für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen sind solche des Einzelfalls.