OLG Koblenz, Beschluss vom 13. Februar 2019 – 12 U 305/18
Zur Haftungsverteilung bei einem berührungslosen Sturzunfall eines Motorradfahrers im Zusammenhang mit einem beabsichtigten Abbiegevorgang eines Pkw
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Trier vom 14.02.2018, Az.: 5 O 198/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Trier und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die gegen ihn gerichtete Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 46.628,84 € festgesetzt.
Gründe
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Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall, der sich am 21.04.2016 auf der Bundesstraße B …, zwischen den Ortschaften …[Y] und …[Z] zugetragen hat. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Trier vom 14.02.2018 Bezug genommen.
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Durch das angegriffene Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen.
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Im Berufungsverfahren beantragt der Kläger,
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unter Aufhebung des am 14.02.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Trier, Az.: 5 O 198/16
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1. die Beklagten zu 1), 2) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 9.592,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 8.581,48 € seit dem 21.04.2016, aus weiteren 1.001,16 € seit dem 26.05.2016 sowie aus 10,00 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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2. die Beklagten zu 1), 2) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch 25.000,00 € für die Zeit vom 21.04.2016 bis 01.01.2017 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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3. die Beklagten zu 1), 2) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn weitere 7.036,20 € für die Zeit vom 21.04.2016 bis 31.12.2017 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
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4. festzustellen, dass die Beklagten zu 1), 2) und 3) als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche weiteren materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus dem Unfall vom 21.04.2016 auf der B … künftig entstehen, mit Ausnahme der Ansprüche, die auf Dritte, vor allem Versicherungen oder Sozialversicherungsträger, übergehen;
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5. die Beklagten zu 1), 2) und 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.590,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagten beantragen im Berufungsverfahren,
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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 14.02.2018, Aktenzeichen 5 O 198/16, ist gemäß § 552 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
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Die Stellungnahme des Klägers mit Schriftsatz vom 08.02.2019 führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Der Senat hält nach erneuter Beratung an den Ausführungen im Hinweisbeschluss vom 08.01.2019 umfassend fest.
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Soweit der Kläger in Erwiderung auf den gerichtlichen Hinweis vorträgt, auch wenn die konkrete Position des Beklagtenfahrzeugs bei Einleitung des Bremsvorgangs durch ihn, den Kläger, nicht bekannt sei, so könne diese dennoch hinreichend genau eingegrenzt werden, so dass das Fahrverhalten des Beklagten zu 2) vor dem Unfall hinreichend rekonstruierbar sei, kann dieser Einschätzung unter Berücksichtigung des Beweisergebnisses erster Instanz nicht gefolgt werden.
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Der erstinstanzlich beauftragte Sachverständige Dipl. Physiker …[B] hat auf der Grundlage der von ihm durchgeführten unfallanalytischen Untersuchungen nachvollziehbar dargelegt, dass anhand der vorgefundenen Spurenlage „eine räumliche und zeitliche Koordinierung der Fahrbewegungen zueinander nicht gesichert möglich“ sei (S. 38 des Gutachtens vom 24.04.2017). Bei dieser Feststellung ist der Sachverständige auch unter Berücksichtigung der von dem Kläger in erster Instanz schriftsätzlich vorgebrachten Einwände geblieben (S. 6-8 des Ergänzungsgutachtens vom 05.09.2017) und hat seine Feststellung eingehend erläutert.
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Entgegen den Darlegungen des Klägers ist nicht belastbar festzustellen, dass der Beklagte zu 2) seinen Abbiegevorgang durch Einleiten der Linksbogenfahrt zu einem Zeitpunkt begonnen hat, als der Kläger mit seinem Motorrad bereits in dessen Sichtfeld gelangt war. So hat der gerichtliche Sachverständige (S. 43 des Gutachtens vom 24.04.2017) zwar als möglich angesehen, dass eine Anfahrbewegung des Beklagten zu 2) zu einem Zeitpunkt erfolgte, als der Kläger sie wahrnehmen konnte, so dass durch diese Anfahrbewegung eine Reaktionsaufforderung an den Kläger ergangen sein könnte. Es sei aber genauso „zwanglos möglich“, dass diese Anfahrbewegung schon früher erfolgt sei, so dass sich das Fahrzeug der Beklagten bereits in Bewegung befunden habe, bevor eine wechselseitige Erkennbarkeit eingetreten sei. Auch die Aussagen der beiden erstinstanzlich vernommenen Zeugen führen insoweit zu keiner weitergehenden Klärung. So sprechen beide Zeugen davon, dass der Beklagte zu 2) sein Fahrzeug erst zum Stillstand gebracht habe, um es dann für kurze Zeit wieder in Bewegung zu setzen. Ob diese Anfahrbewegung für den Kläger erkennbar war oder in jenem Zeitpunkt, als der Kläger das Beklagtenfahrzeug erstmalig wahrnehmen konnte, sich dieses bereits in einer langsamen Rollbewegung befand, bleibt auch unter Berücksichtigung der Zeugenaussagen offen. Ein Anfahren des Beklagten zu 2) aus einer Halteposition zu einem Zeitpunkt, als sein Fahrzeug für den Kläger bereits erkennbar war, kann danach nicht als nachgewiesen eingestuft werden.
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Die Annahme eines solchen Sachverhalts würde auch dem eigenen Vorbringen des Klägers widersprechen, der – im Termin der mündlichen Verhandlung bei dem Landgericht angehört – klar und unmissverständlich erklärt hat: „Vorher hatte der Pkw zwar seine Fahrt verlangsamt und sich zur Mittellinie hin orientiert, woraus ich ja auch den Schluss zog, dass er abbiegen wollte. … Das Fahrzeug stand zu diesem Zeitpunkt nicht. Ich habe dann gemerkt, dass es sich so bewegte, als ob es tatsächlich den Abbiegevorgang beginnen wollte“. Der fehlende Nachweis für ein vom Kläger wahrgenommenes (Wieder-)Anfahren des Beklagten zu 2) aus dem Stand korrespondiert somit auch mit dessen Vortrag. Nur eine solche Anfahrbewegung, an deren Nachweis es hier fehlt, hat der gerichtliche Sachverständige aber als möglichen Anknüpfungspunkt für eine Reaktionsaufforderung an den Kläger genügen lassen.
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Auch kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, der Beklagte zu 2) habe gegen die verkehrsrechtlichen Sorgfaltspflichten des § 9 StVO verstoßen, da er seiner Verpflichtung, die linke Fahrbahn schnellstmöglich freizugeben, nicht nachgekommen sei.
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Nach den gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen …[B] ist nicht beweisbar, dass es vor dem Sturz des Klägers mit dem Motorrad zu einem Übertritt des Beklagtenfahrzeugs über die Mittellinie auf die Gegenfahrbahn gekommen ist. Fest steht hiernach lediglich, dass ein signifikantes Überschreiten der aus Sicht des Beklagten zu 2) rechten Fahrbahnhälfte in einer Größenordnung von 0,5 m nicht stattgefunden hat. Ob der Pkw des Beklagten im zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen mit dem linken Fahrzeugvorbau überhaupt in die Gegenfahrbahn hineinragte, lässt sich nicht feststellen, so dass eine unmittelbare Behinderung des Klägers auf dessen Fahrbahnhälfte jedenfalls nicht feststellbar ist.
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Bewiesen ist somit allein die „bloße Anwesenheit“ des Beklagtenfahrzeugs an der Unfallstelle, nicht hingegen, dass die Fahrweise des Beklagten zu 2) oder eine von dem Betrieb seines Fahrzeugs typischerweise ausgehende Gefahr zu dem Entstehen des Unfallereignisses beigetragen hat. Dies allein rechtfertigt eine (Mit-)Haftung der Beklagten noch nicht (BGH VersR 1998, 778; MDR 1988, 850).
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Demgegenüber steht nach der Einlassung des Klägers im Termin der mündlichen Verhandlung bei dem Landgericht fest, dass er, bevor er in einem Abstand von 85-89 m zu der Einmündung des Feldweges eine Vollbremsung einleitete, erkannt hat, dass der Beklagte zu 2) die Geschwindigkeit seines Fahrzeugs verringerte und sich zur Mittellinie hin orientierte, woraus er den Schluss zog, dass dieser nach links abbiegen wollte. Gleichwohl nahm der Kläger dies noch nicht zum Anlass, die Geschwindigkeit seines Motorrads zu reduzieren, um sich frühestmöglich auf ein denkbares, auf seiner Fahrbahn eintretendes Hindernis einzustellen.
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Ob es dem Kläger, wie von dem Sachverständigen …[B] in seinem Ergänzungsgutachten dargelegt, hätte gelingen müssen, bereits auf einer Wegstrecke von höchstens 78 m das Motorrad kontrolliert zum Stillstand zu bringen und welche Gründe, eine zu schnelle Fahrweise, eine nicht hinreichende Beherrschung des Kraftrades oder sonstige Umstände dafür verantwortlich waren, dass der von dem Sachverständigen festgestellte „Anhalteweg“ von 85-89 m nicht ausreichte, den Sturz mit dem Motorrad zu vermeiden, konnte nicht geklärt werden. Fest steht jedoch, dass der Kläger, obwohl er die Abbiegeabsicht des Beklagten zu 2) erkannt hatte, sein Fahrverhalten zunächst nicht darauf einstellte, dass er sein Fahrzeug innerhalb der für ihn überschaubaren Strecke abbremsen musste, sondern darauf vertraute, er könne die spätere Unfallstelle ohne Einschränkung passieren.
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Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass dem Beklagten zu 2) ein schuldhaftes Verhalten am Zustandekommen des Unfallgeschehens nicht nachweisbar ist, andererseits der Kläger bei der Wahrnehmung des Beklagtenfahrzeugs und bei Erkennen der Absicht des Beklagten zu 2), nach links abzubiegen, nicht dafür Sorge getragen hat, dass er die Geschwindigkeit seines Motorrades auf ein Maß zurückführte, das es ihm ermöglichte, das Kraftrad kontrolliert und sicher bis zum Erreichen des Feldweges anzuhalten, lässt eine allenfalls denkbare Haftung der Beklagten aus dem Gesichtspunkt der von dem Beklagtenfahrzeug ausgehenden Betriebsgefahr zurücktreten.
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Die Klage ist somit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt begründet und die gegen das klageabweisende Urteil gerichtete Berufung zurückzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils und des angefochtenen Beschlusses erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.