Zur Haftung für bezahlte Kundenrezensionen im Internet

OLG Frankfurt, Urteil vom 28. Januar 2021 – 6 U 139/20

1. Die Verantwortlichkeit einer im Inland ansässigen Person für ein auf den deutschen Markt ausgerichtetes unlauteres Geschäftsmodell, das formal von einer georgischen Gesellschaft betrieben wird, kann sich aus Indizien ergeben.

2. Sprechen die Indizien dafür, dass der Geschäftsführer einer GmbH, die Alleingesellschafterin der georgischen Gesellschaft ist, deren Geschäftsmodell steuert, muss sich dieser im Rahmen seiner sekundären Darlegungskraft entlasten.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Die Berufung des Antragsgegners gegen das am 19.6.2020 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer 1. – 3. der einstweiligen Verfügung vom 29.5.2019 um folgenden Zusatz ergänzt werden:

„wie geschehen durch das Angebot auf der Internetseite

www.(…).com, Anlagen Ast 6-12.“

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Gründe
I.

1
Die Parteien streiten über das Angebot „gekaufter“ Kundenbewertungen für Händler, die auf Internethandelsplattformen tätig sind.

2
Die Antragstellerin ist Verkäuferin der unter dem Handelsnamen „Warehouse Deals“ auf der Plattform www.amazon.de angebotenen Produkte. Die Angebote der Antragstellerin werden auf der Plattform mit „Verkauf und Versand durch Amazon“ gekennzeichnet. Neben der Antragstellerin nutzen auch Drittanbieter die Plattform für Warenangebote in dem hierfür vorgesehenen Bereich „Amazon Marketplace“, der von einer Schwestergesellschaft der Antragstellerin betrieben wird. In beiden Fällen können Käufer eine Kundenrezension für die angebotenen Produkte abgeben, die in ein Gesamtergebnis in Form einer Sternebewertung einfließen. Hat der bewertende Kunde das Produkt zuvor bei Amazon erworben, wird die Kundenrezension mit dem Hinweis „verifizierter Kauf“ versehen. Nach den auf der Plattform für die Veröffentlichung von Bewertungen vorgesehenen Richtlinien ist es grundsätzlich verboten, Rezensionen im Austausch gegen einen finanziellen Vorteil zu erstellen.

3
Der Antragsgegner ist Geschäftsführer der X GmbH, die 100 % der Anteile der Y hält, einer georgischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Der Antragsgegner ist außerdem Geschäftsführer der Z GmbH. Das Geschäftsmodell der deutschsprachigen Plattform Y besteht darin, Kundenrezensionen auf Bestellung zu liefern. Drittanbietern, die den „Amazon Marketplace“ nutzen, wurde auf der Website vom Y gegen Entgelt die Vermittlung von Kundenrezensionen angeboten. Sie konnten eine sog. Kampagne für ein Produkt buchen. Daraufhin konnten bei Y registrierte Tester das Produkt kostenlos oder zu stark vergünstigten Konditionen über einen Gutscheincode bei Amazon erwerben und eine Rezension veröffentlichen.

4
Die Antragstellerin behauptet, der Antragsgegner sei für das Angebot der Y-Plattform verantwortlich. Die in Georgien ansässige Gesellschaft und deren Geschäftsführerin seien nur vorgeschoben, um eine wettbewerbsrechtliche Inanspruchnahme zu erschweren.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.

6
Das Landgericht hat dem Antragsgegner mit einstweiliger Verfügung vom 29.5.2019 bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, geschäftlich handelnd

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1. auf www.amazon.de Kundenrezensionen, die von Personen erstellt wurden, die hierfür bezahlt werden und/oder andere vermögenswerte Vorteile erhalten, zu veröffentlichen und/oder veröffentlichen zu lassen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Kundenrezession beauftragt wurde und der Rezensent hierfür eine Bezahlung und/oder einen anderen vermögenswerten Vorteile erhalten hat;

8
und/oder

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2. Vertragspartner der Y, ‚Straße1, Stadt1, Georgien, in die Lage zu versetzen, auf www.amazon.de von diesen angebotene Waren mit Kundenrezensionen zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, die von Personen hergestellt werden, die hierfür bezahlt werden und/oder andere vermögenswerte Vorteile erhalten, ohne dass darauf hingewiesen wird;

10
und/oder

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3. Vertragspartner der Y, Straße1, Stadt1, Georgien, in die Lage zu versetzen, ihre Verkäufer-Accounts auf www.amazon.de mit Verkäufer-Rezensionen zu bewerben und/oder bewerben zu lassen, die von Personen hergestellt werden, die hierfür bezahlt werden und/oder andere vermögenswerte Vorteile erhalten, ohne dass darauf hingewiesen wird.

12
Auf den Widerspruch des Antragsgegners hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Urteil vom 19.6.2020 bestätigt.

13
Hiergegen richtet sich die Berufung des Antragsgegners.

14
Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.

15
Der Antragsgegner beantragt,

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das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main (Az. 3-10 O 92/19) vom 19.6.2020 abzuändern und die Beschlussverfügung (Az. …/19) vom 29.5.2019 aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

17
Die Antragstellerin beantragt,

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die Berufung des Antragsgegners gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19.6.2020 zurückzuweisen,

19
mit der Maßgabe, dass die Anträge aus der Antragsschrift mit dem Zusatz gestellt werden, „wie geschehen durch das Angebot auf der Internetseite www.(…).com, Anlagen Ast 6-12.“

20
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

II.

21
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

22
1. Die Eilanträge sind zulässig. Es fehlt nicht an der nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO erforderlichen Bestimmtheit. Die Anträge zu 2. und 3., denen das Landgericht entsprochen hat, enthalten jeweils die unbestimmte Wendung „in die Lage zu versetzen“. Eine so umschriebene Tathandlung kann alles Mögliche bedeuten und ist daher für sich genommen nicht geeignet, den Kernbereich des hier vorgeworfenen Verhaltens zu bestimmen. Die Antragstellerin hat jedoch die Anträge im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf die konkrete Verletzungsform in Gestalt der Ausdrucke der der Internetseite des Angebots „www.(…).com“ (Anlagen Ast 6-12“) bezogen. Anhand der in Bezug genommenen Anlagen, die den Internetauftritt der Plattform „Y“ betreffen, lässt sich der Verbotsinhalt hinreichend bestimmen. Während der Antrag zu 2. auf das Angebot des Erwerbs von „Käuferrezensionen“ abstellt, geht es bei dem Antrag zu 3. um „Verkäufer-Rezensionen“. Er zielt nach der Antragsschrift darauf ab, dass Händler auf dem Portal „Amazon“ ihre Verkäufer-Accounts mit Bewertungen bewerben, die von Testern nur deshalb abgegeben werden, um ein besseres Ranking bei Y und dadurch besseren Zugang zum kostenlosen oder vergünstigten Bezug der Produkte zu erhalten (Anlage Ast 9, Bl. 18, 32 d.A.).

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2. Der Verfügungsgrund wird nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners hat sich die Antragstellerin nicht selbst in Widerspruch zur Eilbedürftigkeit gesetzt, indem sie einen Verstoß gegen die Beschlussverfügung erst spät gestellt hat.

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a) Zeigt ein Unterlassungsgläubiger durch sein Verhalten, unabhängig von einer formal rechtzeitigen Vollziehung der einstweiligen Verfügung, dass es ihm auf die zügige Unterbindung des beanstandeten Verhaltens in Wahrheit nicht ankommt, so kann er das für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erforderliche Eilbedürfnis nicht für sich in Anspruch nehmen. Die nach § 12 Abs. 2 UWG bestehende Dringlichkeitsvermutung ist dann widerlegt. Dies nimmt der Senat an, wenn der Antragsteller es hinnimmt, dass der Antragsgegner die beanstandeten Handlungen unverändert fortsetzt und damit dem vom Landgericht ausgesprochenen Verbot zuwiderhandelt, um das sich aus § 945 ZPO ergebende Kostenrisiko zu vermeiden (OLG Frankfurt am Main, 25.3.2010 – 6 U 219/09 = ZLR 2010, 458 – Whiskey-Cola; vgl. zur Kritik: Isele WRP 2017, 1050, 1052; a.A. OLG Düsseldorf, 13.2.2014 – I-6 U 84/13 = GRUR-RR 2014, 273, 276 – Rücklastschriftkosten).

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b) Im Streitfall kann von einem Dringlichkeitsverlust nicht ausgegangen werden. Die Beschlussverfügung erging am 29.5.2019. Sie ist dem Schuldner am 24.6.2019 zugestellt worden. Mit am 17.10.2019 eingegangenem Schriftsatz hat die Antragstellerin gegen den Antragsgegner Ordnungsmittel beantragt. Sie wirft ihm vor, die untersagten Geschäfte nunmehr über das Portal „A“ fortzuführen. Ein zu zögerliches Verhalten der Antragstellerin ist insoweit nicht ausreichend erkennbar. Der Ordnungsmittelantrag wurde noch während des laufenden Widerspruchsverfahrens gestellt. Die sich aus § 945 ZPO ergebenden Risiken hat die Antragstellerin also gerade nicht gescheut. Selbst wenn der Antrag früher gestellt worden wäre, war kaum damit zu rechnen, dass das Landgericht vor Abschluss des Widerspruchsverfahrens darüber entscheiden wird. Ein widersprüchliches Verhalten in Bezug auf die Dringlichkeit kann der Antragstellerin bei dieser Sachlage nicht vorgeworfen werden.

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3. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antragstellerin gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 8 Abs. 1, § 3, § 5a Abs. 6 UWG entsprechend dem Antrag zu 1. zusteht. Der Antrag zu 1. zielt auf die Nichtkenntlichmachung des kommerziellen Zwecks der „gekauften“ Bewertungen ab und damit auf die Nichterfüllung von Informationspflichten im Sinne des § 5a Abs. 6 UWG.

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a) Die Antragstellerin ist nach §§ 2 Nr. 3, 8 Abs. 2 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht allerdings nicht zwischen der Antragstellerin als Betreiberin der „Warehouse Deals“ auf der Handelsplattform Amazon und dem Antragsgegner. Die Parteien bieten keine austauschbaren Leistungen an. Der Antragsgegner fördert jedoch als Mitverantwortlicher für das Angebot auf dem Internetportal „Y“, über das Produktbewertungen verkauft werden, den Absatz anderer Händler, die ihre Waren über die Handelsplattform Amazon absetzen. Insofern liegt in dem vorgeworfenen Verhalten eine geschäftliche Handlung zugunsten eines fremden Unternehmens (§ 2 I Nr. 1 UWG). Im Fall der Förderung fremden Absatzes muss das konkrete Wettbewerbsverhältnis zwischen dem geförderten Unternehmen und der Antragstellerin bestehen (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.2.2019 – 6 W 9/19, juris Rn 16; BGH WRP 2012, 77Rn 20 – Coaching-Newsletter; BGH WRP 2014, 552 Rn 19 – Werbung für Fremdprodukte). Zwischen den Händlern, die als Drittanbieter Produkte auf dem „Amazon-Marketplace“ Waren aller Art anbieten, und der Antragstellerin, die ebenfalls auf der Plattform Amazon Waren aller Art anbietet, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis.

28
b) Die über die Internetplattform „Y“ generierten Produkt- und Verkäuferbewertungen verstoßen gegen §§ 3, 5a Abs. 6 UWG. Danach handelt unlauter, wer den kommerziellen Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich macht, sofern sich dieser nicht unmittelbar aus den Umständen ergibt, und das Nichtkenntlichmachen geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.

29
aa) Das Landgericht hat zutreffend festgestellt, dass über die Internetplattform „Y“ Händler Produktbewertungen erwerben können, die von den Testern auf die Handelsplattform Amazon eingestellt werden und zu denen sie durch vermögenswerte Vorteile veranlasst werden. Dies ergibt sich aus den Angaben auf der Internetseite (Anlagen Ast 8-10). Danach können Drittanbieter eine „Kampagne“ buchen. Daraufhin können sich die auf der Plattform Y registrierte Produkttester für den Produkttest bewerben. Die ausgewählten Tester erwerben das Produkt letztlich kostenlos oder zu einem stark reduzierten Preis und geben dem Händler ein Feedback. In der Folge können sie eine Rezension auf dem betroffenen Marktplatz veröffentlichen. Das Verfahren ist dabei so angelegt, dass ein Produkttester im Falle einer negativen Bewertung „keine zweite Chance“ erhält (Anlage Ast 8, S. 23).

30
bb) Es liegt bei einem solchen Geschäftsmodell auf der Hand, dass in den entsprechenden Bewertungstexten nicht erwähnt wird, dass der Tester hierfür einen vermögenswerten Vorteil erhalten hat (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 6.4.2020, 6 W 101/20 und 6 W 102/20). Einen entsprechenden Hinweis wird der Tester schon deshalb nicht geben, da es nach den Amazon-Richtlinien sowohl Drittanbietern als auch Testern, die über ein Amazon-Kundenkonto verfügen, verboten ist, „gekaufte“ Bewertungen zu veröffentlichen. Dies gilt auch für Bewertungen, bei denen Rezensionen an Vorzüge wie kostenlose oder vergünstigte Produkte geknüpft sind (Anlage Ast 2, 3). Tester und Drittanbieter würden daher mit der Offenlegung des kommerziellen Zwecks die Sperrung ihres Accounts riskieren. Bei dieser Sachlage ist es nicht erforderlich, dass die Antragstellerin Produktbewertungen auf der Plattform Amazon benennt, die über Y ohne entsprechende Kenntlichmachung generiert wurden. Es genügt, dass ein auf die Veröffentlichung solcher Bewertungen gerichtetes Geschäftsmodell betrieben wird. Es spricht der erste Anschein dafür, dass es vorliegend auch zu Bewertungen kam, die dem Angebot entsprachen. Wäre von dem Angebot auf der Plattform Y in keinem einzigen Fall Gebrauch gemacht worden, hätte der Antragsgegner dies konkret darlegen müssen. Daran fehlt es. Im Übrigen hat die Antragstellerin hinreichend glaubhaft gemacht, dass eine von ihr zu Testzwecken über Y beauftragte, nicht gekennzeichnete Rezension am 9.6.2019 veröffentlicht wurde (vgl. eidesstattliche Versicherung, Anlage Ast 27, Bl. 234 d.A.). Auch wenn der Zeitpunkt der Veröffentlichung nach dem Erlass der Beschlussverfügung liegt, ist damit belegt, dass das auf Y vorgehaltene Angebot zur Veröffentlichung von „gekauften“ Bewertungen führte.

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c) Der Antragsgegner ist für den Verstoß gegen §§ 3, 5a Abs. 6 UWG verantwortlich. Der Antrag zu 1. stellt darauf ab, auf www.amazon.de „bezahlte“ Kundenrezensionen ohne entsprechenden Hinweis zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen. Der Antragsgegner veröffentlicht entsprechende Bewertungen zwar nicht persönlich; er übt jedoch maßgeblichen Einfluss auf das Betreiben des Portals Y aus und ist daher als Mittäter der Veröffentlichung der Bewertungen durch die Tester anzusehen.

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aa) Täter (Verletzer) ist, wer den objektiven Tatbestand einer Zuwiderhandlung i.S.d. § 3 UWG oder des § 7 UWG adäquat kausal verwirklicht (BGH GRUR 2016, 961 Rn 32 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon). Dieser Begriff ist dem allgemeinen Deliktsrecht (§ 830 BGB) entlehnt, das wiederum an die entsprechenden strafrechtlichen Begriffe anknüpft. Wird der Verstoß von mehreren begangen, kommt eine Mittäterschaft oder Teilnahme in Betracht. Mittäterschaft setzt eine gemeinschaftliche Begehung (§ 830 Abs. 1 S. 1 BGB), also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken voraus (BGH GRUR 2009, 597 Rn 14 – Halzband; BGH GRUR 2016, 946 Rn 40 – Freunde finden). Jeder (Mit-)täter muss Tatherrschaft haben und einen bestimmenden Einfluss auf das Tatgeschehen ausüben.

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bb) Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass nach den Gesamtumständen davon auszugehen ist, dass der Antragsgegner das Angebot von Y aktiv steuerte. Dafür spricht zunächst, dass er Geschäftsführer der X GmbH ist, die 100% der Anteile der Y hält. Der Antragsgegner ist außerdem Alleingesellschafter der X GmbH, die 40% der Anteile an der der X GmbH und 75% der Anteile an der Z GmbH hält, deren Geschäftsführer wiederum der Antragsgegner ist. Die Z GmbH betreibt ein Internetportal, das Drittanbietern, die auf der Plattform Amazon tätig sind, Optimierungsleistungen anbietet. Viele grafische und textliche Elemente sowie Fotos dieses Internetportals sind mit dem Portal „Y“ identisch. Insoweit kann auf die Feststellungen des Landgerichts Bezug genommen werden (LGU 23 ff.). Der Antragsgegner hat erstinstanzlich die Behauptung der Antragstellerin, dass der Antragsgegner sein Konzept samt Nutzungsbedingungen und Texten der Y zur Verfügung gestellt hat, nicht bestritten (vgl. Widerspruchsbegründung S. 7, Bl. 203 d.A.). Mit Schriftsatz vom 20.1.2021 (S. 10) spricht er insoweit selbst von einer Gestattung. Soweit er im Widerspruch dazu in der Berufungsbegründung (S. 8) ausführte, er habe die Übernahme der Texte und Grafiken „weder veranlasst noch genehmigt“, kann er damit nicht mehr gehört werden. Wer die Übernahme in technischer Hinsicht bewerkstelligt hat, ist nicht maßgeblich. Es kommt hinzu, dass die Z GmbH ihren Geschäftssitz an der identischen Adresse unterhält wie die X GmbH, die 100% der Geschäftsanteile der Y hält und dass die Z GmbH und die X GmbH den selben Geschäftsführer haben, nämlich den Antragsgegner. Im Jahr 2018 war sogar geplant, dass der Service von Y eingestellt und von Z übernommen wird (LGU 22). Dies unterstreicht, dass die Portale nicht nur auf Beteiligungsebene, sondern auch personell und inhaltlich verflochten sind.

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cc) Es spricht daher alles dafür, dass der Antragsgegner als Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der Y maßgeblichen Einfluss auf die Ausgestaltung des Geschäftsmodells von Y hat. Es ist davon auszugehen, dass die georgische Gesellschaft Y sowie ihre Geschäftsführerin nur vorgeschoben sind. Das Portal ist klar auf den deutschen Markt ausgerichtet. Nach den tatbestandlichen Feststellungen des Landgerichts sind neben dem Internetauftritt auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf Deutsch verfasst und erklären deutsches Recht für anwendbar. Es können sich nur Tester anmelden, die über ein Konto bei amazon.de verfügen. Verbindet man diese Umstände mit der Tatsache, dass der Antragsgegner als Geschäftsführer der Z an derselben Geschäftsadresse wie die Alleingesellschafterin der Y ein Portal mit zumindest teilweise ähnlichen Inhalten betreibt, drängt es sich auf, dass beide Portale „aus einer Hand“ gesteuert werden.

35
dd) Aufgrund der Gesamtheit der genannten Umstände trifft den Antragsgegner eine sekundäre Darlegungslast. Angesichts der von der Antragstellerin vorgetragenen Anhaltspunkte für seine Mitverantwortlichkeit war es ihm zumutbar, nähere Angaben zu machen (vgl. BGH NJW 2018, 2412 Rn 30). Er kann sich nicht darauf beschränken, die Verantwortlichkeit pauschal in Abrede zu stellen. Nach § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Nach § 138 Abs. 2 ZPO hat sich jede Partei über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären. Der Zivilprozess ist somit auf Wahrheitsfindung ausgerichtet. Die prozessuale Pflicht, sich vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären, besteht im Interesse fairer Verfahrensführung gegenüber Gericht und Gegner und soll dem Richter die Findung des Rechts erleichtern (BVerfG, Beschluss vom 18.2.2019 – 1 BvR 2556/17, juris Rn 12). Sollte das Portal Y entgegen der Indizienlage von Dritten von Georgien aus gesteuert werden, wäre dies vom Antragsgegner konkret vorzutragen gewesen.

36
Der Antragsgegner ist seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Er hat nicht bestritten, selbst Verfasser der von Y übernommenen Texte zu sein. Er hat nicht dargelegt, dass die Geschäftsführerin der Y über die notwendigen Deutsch- und Marktkenntnisse verfügt, um ein auf den deutschen Markt ausgerichtetes Portal zu betreiben. Er hat auch keinen sonstigen Verantwortlichen benannt. Die pauschale Angabe, er sei für die Ausgestaltung der Website www.(…).com nicht verantwortlich, genügt nicht. Als alleiniger Geschäftsführer der Z und der X, der alleinigen Muttergesellschaft der Y, hätte er substantiiert darlegen müssen, warum er keine Kontrolle über den Inhalt der Websites haben will und wer sonst die Kontrolle ausübt. Soweit der Antragsgegner vorträgt, die Seite Www.(…).com sei seit dem 28.5.2019 von der Fa. A übernommen worden, mit der er nichts zu tun habe, ändert dies nichts an der fortbestehenden Wiederholungsgefahr, die nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt werden kann.

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ee) Die notwendige Tatherrschaft des Antragsgegners ist gegeben. Auf die Grundsätze zur Geschäftsführerhaftung kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Der Antragsgegner ist nicht Geschäftsführer der Y. Es ist jedoch nach den Gesamtumständen davon auszugehen, dass er an dem Geschäftsmodell der Y durch positives Tun maßgeblich beteiligt ist oder es sogar selbst ins Werk gesetzt hat. Es handelt sich um ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell, das nur formal von der georgischen Y betrieben wurde. Als Geschäftsführer der Alleingesellschafterin der Y und der unter der gleichen Anschrift tätigen Z GmbH, die ein Portal mit teilweise identischen Inhalten betreibt, übte der Antragsgegner offensichtlich Kontrolle über das auf den deutschen Markt ausgerichtete Geschäftsmodell der Y aus. Der Antragsgegner ist daher Mittäter der Tester, die auf der Plattform Y gebucht werden auf der Plattform Amazon bezahlte Bewertungen veröffentlichen.

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4. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Antragsteller gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 UWG entsprechend dem Antrag zu 2. zusteht. Durch das Angebot auf Y wird Amazon-Drittanbietern ermöglicht, ihre Produkte mit gekauften Kundenbewertungen zu bewerben. Die so generierten Rezensionen täuschen Verbraucher, die auf Amazon nach Produkten suchen, über die Objektivität der Kundenbewertungen. Es ist nicht erkennbar, dass die Produkte nur aufgrund des den Testern in Aussicht gestellten Vorteils positiv rezensiert wurden. Da die Tester die Produkte über ihr Amazon-Konto erwerben, werden die Bewertungen stattdessen sogar mit dem Hinweis „verifizierter Kauf“ versehen. Die Täuschung über die Objektivität der Bewertungen ist geeignet, geschäftliche Entscheidungen der Verbraucher zu beeinflussen.

39
5. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass dem Antragsteller gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Unterlassung aus §§ 8 Abs. 1, 3, 5 Abs. 1 UWG entsprechend dem Antrag zu 3. zusteht. Bei dem Antrag zu 3. geht es um die Irreführung mit „Verkäufer-Rezensionen“. Händler können auf dem Portal „Amazon“ auch Bewertungen für ihre Verkäufer-Accounts erhalten. Geben die bei Y gebuchten Produkttester (auch) eine Verkäuferbewertung ab, erhalten sie ein besseres Ranking auf der Y-Plattform. Von dem Rankingsystem hängt die Anzahl der Angebote ab, die Tester für Produkttests bei gleichzeitigem kostenlosen oder vergünstigten Bezug der Produkte erhalten. Es besteht daher nach dem Geschäftsmodell von Y ein Anreiz für Tester, auch die Händler gut zu bewerten (Anlage Ast 9, Bl. 18, 32 d.A.). Kunden der Plattform Amazon werden über die vermeintliche Objektivität der Verkäuferbewertung getäuscht. Die Täuschung ist auch geeignet, geschäftliche Entscheidungen der Verbraucher zu beeinflussen.

40
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Soweit die Antragstellerin in der mündlichen Handlung ihre Anträge präzisiert hat, liegt darin keine Teilrücknahme der ursprünglichen Anträge, sondern nur eine Konkretisierung. Eine Kostenquotelung ist daher nicht veranlasst.

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