Zur Haftung eines Luftfrachtführers wegen erlittener Verletzungen im Zusammenhang mit einem Tandem-Fallschirmsprung

LG Köln, Urteil vom 7. Dezember 2022 – 3 O 176/19

Zur Haftung eines Luftfrachtführers wegen erlittener Verletzungen im Zusammenhang mit einem Tandem-Fallschirmsprung

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an den Kläger einen Betrag von 20.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.05.2019 zu zahlen,

2. an den Kläger einen weiteren Betrag von 6.838,45 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.05.2019 zu zahlen,

3. an den Kläger einen weiteren Betrag von 1.872,35 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.07.2019 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbare immaterielle Schäden aus dem Flugunfall vom 08.07.2018 auf der E zu ersetzen, jedoch lediglich bis zu einem Höchstbetrag von 128821 Rechnungseinheiten unter Berücksichtigung der bereits aufgrund dieser Entscheidung gezahlten Beträge.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleitung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem durch den Kläger bei der Beklagten durchgeführten Tandem-Sprung. Der Kläger führte bei der Beklagten, einer Anbieterin für Tandem-Fallschirmsprünge, am 08.07.2018 einen Tandem-Sprung durch. Nach der Landung wurde der Kläger mit einem Hubschrauber ins nächstgelegene Krankenhaus transportiert. Vor dem Sprung unterzeichnete der Kläger einen „Beförderungsvertrag mit Haftungsausschlusserklärung“, in welchem der Kläger auf eine Unfallgefahr bei der Landung hingewiesen wurde. Zum Haftungsausschluss wurde aufgenommen:

2
„Soweit gesetzlich zulässig, entbinde ich als Passagier(in) den o.g. Tandempiloten sowie den Halte des betreffenden Tandem-Passagier-Systems von jeglicher Haftung, die über den/die Passagier(in) pauschal abgeschlossenen Passagier-Haftpflichtversicherung hinausgeht.“

3
Die Beklagte wurde durch anwaltlichem Schriftsatz zum Ausgleich der Klageforderung bis zum 20.05.2019 aufgefordert. Hierfür sind Kosten in Höhe von 1.872,35 EUR aus einem Gegenstandswert von 27.769,35 EUR mit einer Geschäftsgebühr von 1,8 entstanden.

4
Der Kläger behauptet, im Rahmen der Landung sei es zu einem Unfall gekommen, bei dem er verletzt worden sei. Kurz vor der Landung habe der Tandem-Master dem Kläger mitgeteilt, dass sie sich nunmehr beeilen müssten, da alle anderen schon gelandet seien. Daraufhin sei er steil nach unten geflogen und habe in einer spitzen Rechtskurve zur Landung angesetzt. Der Tandem-Master habe die Bremsleine nicht gezogen, so dass sie bei der Landung noch viel zu schnell gewesen seien. Er sei sodann mit seinem Gesäß direkt auf dem Boden aufgeschlagen und habe einen brennenden Schmerz verspürt. Darüber hinaus hätte richtigerweise der Tandemmaster zuerst mit den Füßen landen müssen, erst dann hätte er Bodenberührung haben dürfen. Er sei bei dem Unfall schwer verletzt und sodann mit dem Hubschrauber in die Uniklinik L verbracht worden. Durch den Unfall sei unter anderem eine Fraktur des 12. Brustwirbels entstanden, die durch die Implantation eines Obelisken sowie einer Spondylodese versorgt worden sei. Er leide nach wie vor unter starken Schmerzen, die eine unverträgliche Opioidtherapie erforderlich mache. Es lägen nunmehr ein chronisches Schmerzsyndrom, eine Neuropathie, Parästhesien, eine posttraumatische Belastungsstörung sowie eine bleibende Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule bei Rotation und Flexion mit einer Überbelastung der unter und über den versteiften Wirbelkörpern liegenden Wirbeln vor. Er dürfe keine schweren Lasten tragen und es bestehe ein GdB von 30%.

5
Er bewohne mit seiner Frau und seiner erwachsenen Tochter ein Haus mit einer Wohnfläche von 658 m². Vor dem Unfall habe er Haushaltstätigkeiten von 16 Stunden und 10 Minuten pro Woche ausgeführt, nun seinen ihm nur noch Tätigkeiten von 3 Stunden und 30 Minuten möglich, so dass nunmehr ein Haushaltsführungsschaden von 12 Stunden und 40 Minuten verbleiben würde, der mit 10,00 EUR die Stunde anzusetzen sei, so dass sich vom Unfalltag bis zum 27.04.2019 ein Schaden für 42 Wochen in Höhe von 5.320,00 EUR ergebe. Darüber hinaus seien ihm Kosten für Besuchsfahrten der Ehefrau in die Klinik sowie zur ärztlichen Behandlung und zur Reha in Gesamthöhe von 1.704,60 EUR sowie weitere Kosten in Höhe von 744,75 EUR gemäß Bl. 11 der Klageschrift entstanden.

6
Für die erlittenen Beeinträchtigungen erachtet der Kläger ein Schmerzensgeld von mindestens 20.000,00 EUR für angemessen.

7
Der Kläger beantragt,

8
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7.769,35 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 21.05.2019, sowie 1.872,35 EUR an außergerichtlichen Nebenkosten, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Klageerhebung zu zahlen,

9
2. die Feststellung, dass die Beklagte ihm sämtliche materiellen und immateriellen Schaden aus dem Flugunfall vom 08.07.2018 auf der E zu ersetzen hat,

10
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein angemessenen Schmerzensgeldvorschusses, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt wird, nicht jedoch weniger als 20.000,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 21.05.2019 zu bezahlen.

11
Die Beklagte beantragt,

12
die Klage abzuweisen.

13
Sie behauptet, die Landung sei schulbuchmäßig durchgeführt worden, vor der Landung sei insbesondere die Bremsleine betätigt worden. Die Landung sei von einem besonders erfahrenen Piloten durchgeführt worden. Bei einer korrekten Landung würden sowohl der Tandemmaster als auch der Gast auf dem Gesäß landen. Die Landung sei zwar härter als üblich ausgefallen, dies habe aber daran gelegen, dass der Fallschirm kurz vor der Landung aufgrund eines „Luftlochs“ durchgesackt sei, hierbei handele es sich aber um die Verwirklichung es typischen Risikos bei einem Fallschirmsprung, nicht um einen Fehler des Tandemmasters. Dies habe der Kläger nach dem Unfall auch bestätigt, indem er bestätigt habe, dass der Sprung „ohne Vorkommnisse“ durchgeführt worden sei. Alle etwaig bei dem Kläger entstandenen Beschwerden seien folgenlos ausgeheilt.

14
Die Klage wurde der Beklagten am 30.07.2019 zugestellt.

15
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung zweier Sachverständigengutachten. Für die Ergebnisse der Gutachten der Sachverständigen U und Dr. T sowie für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.09.2020 sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe
16
Die zulässige Klage ist in dem tenorierten Umfang begründet, im Übrigen unbegründet.

I.

17
Die Klägerin hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Ersatzanspruch nach § 45 Abs. 1 LuftVG auf die Erstattung der ihr durch den Unfall ihres Versicherungsnehmers entstandenen Schäden, jedoch begrenzt auf einen Haftungshöchstbetrag von 128821 Rechnungseinheiten, was zum Zeitpunkt der Entscheidung einem Betrag von 163.047,84 EUR entspricht. Hierbei war zur Umrechnung der Rechnungseinheiten § 49 b LuftVG heranzuziehen. Die in den §§ 45 bis 47 LuftVG genannte Rechnungseinheit ist das Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds. Der Betrag wird in Euro nach dem Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht zum Zeitpunkt der die Tatsacheninstanz abschließenden Entscheidung umgerechnet. Der Wert des Euro gegenüber dem Sonderziehungsrecht wird nach der Berechnungsmethode ermittelt, die der Internationale Währungsfonds an dem betreffenden Tag für seine Operationen und Transaktionen anwendet.

1.

18
Zwischen den Parteien ist ein Luftbeförderungsvertrag zu Stande gekommen. Wird ein Fluggast durch einen Unfall an Bord eines Luftfahrzeugs oder beim Ein- oder Aussteigen getötet, körperlich verletzt oder gesundheitlich geschädigt, ist der Luftfrachtführer verpflichtet, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Kommt es im Rahmen eines Tandem-Passagier-Fallschirmsprungs zu einer Verletzung des Passagiers, so bestimmt sich die Haftung des Fallschirmsportunternehmens auch nach den §§ 44ff LuftVG (OLG Brandenburg, Urteil vom 26. 11. 2003 – 13 U 107/03) Voraussetzung der Haftung nach § 45 LuftVG in Verbindung mit § 33 LuftVG ist, dass zwischen dem Flugzeuginsassen und dem Luftfrachtführer ein Luftbeförderungsvertrag zustande gekommen ist (Kirsch, in: Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium Luftrecht, 2010, Band 3, A., Rn. 3 u. 19). Aus ihm nämlich folgt seine besondere Obhutspflicht, an welcher zugleich der maßgebliche Haftungszeitraum sowie die Ersatzberechtigung des Fluggasts anknüpfen (BeckOGK/Förster, 1.7.2022, LuftVG § 45 Rn. 6). Ob ein Beförderungsvertrag vorliegt, ist anhand der Interessenlage der am Flug teilnehmenden Insassen zu bewerten (BGH v. 15.03.2005 – VI ZR 356/03, Rn. 15). Ein Beförderungsvertrag im Sinne des § 45 LuftVG kann auch dann vorliegen, wenn es dem Flugzeuginsassen nur darum geht, in den Luftraum zu gelangen, um die durch das Flugzeug genutzte Höhe zu erreichen. So kann beispielsweise auch einem Rundflug, bei dem de facto keine Ortsveränderung eintritt, ein Beförderungsvertrag zugrunde liegen (BGH v. 15.03.2005 – VI ZR 356/03, Rn. 18). Bei typengemischten Verträgen stellt die Rechtsprechung im Zuge einer Gesamtbetrachtung regelmäßig darauf ab, auf welcher Leistung der Schwerpunkt liegt (BGH v. 03.03.2004 – VIII ZR 76/03). Der Schwerpunkt der zwischen den Parteien vereinbarten Leistung lag hier in dem Transport mit dem Flugzeug zu dem zu erreichenden Ausgangspunkt für den Fallschirmsprung in ausreichender Höhe.

2.

19
Der Luftbeförderungsvertrag war zum Zeitpunkt des Unfalles auch noch nicht beendet. Beginn und Ende des Luftbeförderungsvertrages sind anhand des Kriteriums der „Inobhutnahme“ durch den Luftfrachtführer zu bestimmen (siehe Kirsch, in: Hobe/von Ruckteschell, Kölner Kompendium Luftrecht, 2010, Band 3, A., Rn. 135). Die Haftung des Luftfrachtführers erstreckt sich – ggf. mit Unterbrechungen – auf den Zeitraum, der mit dem Einsteigen des Fluggasts beginnt, sich während seines Aufenthalts an Bord eines Luftfahrzeugs fortsetzt und mit dem Aussteigen endet (BeckOGK/Förster, 1.7.2022, LuftVG § 45 Rn. 7). Das Ende wird üblicherweise erreicht, wenn das Aussteigen abgeschlossen ist und sich der Fluggast nicht mehr in der Obhutssphäre des Luftfrachtführers befindet. (BeckOGK/Förster, 1.7.2022, LuftVG § 45 Rn. 8) Dies ist erst dann anzunehmen, wenn sich der Fluggast wieder auf dem Boden befindet, da er erst dann in der Lage ist, wieder selber Einfluss auf seine Geschicke zu nehmen. Dies gilt insbesondere, da ein Tandempassagier selber -wie der Sachverständige U ausgeführt hat- lediglich ungelernter Passagier mit einer kurzen Einweisung ist, der keinen Einfluss auf den Ablauf des Tandemsprunges hat und somit nicht mit einem Fallschirmsprungschüler zu vergleichen sei, der eine zweitägige intensive Ausbildung absolviert habe (siehe zu dem Kriterium der Möglichkeit der Abwendung der im Luftverkehr drohenden Gefahren BGH v. 15.03.2005 – VI ZR 356/03, Rn. 19). Auch ist die haftungsbegründende Kausalität gegeben, da sich bei der Verletzung während des Landevorganges ein Risiko verwirklicht hat, das sich aus einer beim Ausstieg verwendeten luftfahrttechnischen Einrichtung, hier nämlich der Verwendung des Fallschirmes ergibt (BGH NJW 2018, 861 Rn. 24).

3.

20
Der Anspruch ist auch nicht durch die zwischen den Parteien vereinbarte Haftungsausschlusserklärung ausgeschlossen. Der vereinbarte Haftungsausschluss ist unwirksam. Bei der verwendeten Klausel – „Soweit gesetzlich zulässig, entbinde ich als Passagier(in) den o.g. Tandempiloten sowie den Halter des betreffenden Tandem-Passagier-Systems von jeglicher Haftung, die über für den/die Passagier(in) pauschal abgeschlossene Passagierhaftpflicht-Versicherung hinausgeht“ – handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung gem. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB, die der Inhaltskontrolle unterliegt. Durch die Klausel wird in einer nach § 309 Nr. 7 lit. a BGB unwirksamen Weise auch die Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit, die auf einer fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders, ausgeschlossen. Eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel auf ihren gesetzlich zulässigen Inhalt kann auch durch die hier verwendete Formulierung „soweit gesetzlich zulässig“ nicht erreicht werden. Eine solche Reduktionsklausel stellt einen Verstoß gegen das Verständlichkeitsgebot dar (BGH v. 04.02.2015 – VIII ZR 26/14, Rn. 17). Die Anwendung des dispositiven Rechts wird auf diese Weise zu Lasten des Klägers eingeschränkt.

II.

21
Die Haftung der Beklagten ist jedoch nach § 45 Abs. 2 Nr. 1 LuftVG auf einen Betrag von 128 821 Rechnungseinheiten begrenzt, da der Beklagten der Entlastungsbeweis gelingt, dass der Unfall nicht durch ein Verschulden der Beklagten oder ihres Personals herbeigeführt worden ist. Zwar trifft den Luftfrachtführer jenseits des Betrags von 128 821 Rechnungseinheiten eine Haftung aus vermutetem Verschulden, von dieser kann er sich jedoch entlasten (BeckOGK/Förster, 1.7.2022, LuftVG § 45 Rn. 23). Der Entlastungsbeweis ist der Beklagten auch gelungen. Der Luftfrachtführer kann sich entlasten und seine Haftung auf den Betrag von 128 821 Rechnungseinheiten beschränken, wenn er nachweist, dass der Schaden nicht durch sein eigenes rechtswidriges und schuldhaftes, dh vorsätzliches oder fahrlässiges, Handeln verursacht worden ist (§ 45 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 Alt. 1) (BeckOGK/Förster, 1.7.2022, LuftVG § 45 Rn. 24). Bedient sich der Luftfrachtführer „eigener Leute“, um seine Pflichten aus dem Beförderungsvertrag auszuführen, muss er zusätzlich nachweisen, dass auch diese den Schaden nicht rechtswidrig und schuldhaft verursacht haben (BeckOGK/Förster, 1.7.2022, LuftVG § 45 Rn. 25). Dies ist der Beklagten gelungen. Der Sachverständige U hat dargelegt, dass an dem Unfalltag keine Wetter- oder Windbedingungen vorgelegen hätten, die gegen die Durchführung des Tandemsprunges gesprochen hätten. Insbesondere habe eine Windgeschwindigkeit von nur 12 Knoten vorgelegen, was einem idealen Sprungwetter entspreche. Auch dem Zeugen S als Tandemmaster ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme keine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Der Sachverständige hat ausgeführt, zwar sei sowohl der von dem Kläger und der Zeugin K geschilderte Unfallhergang, dass die harte Landung durch eine nicht vorschriftsmäßige Kurve kurz vor der Landung herbeigeführt worden sei, als auch der von der Beklagten und dem Zeugen S geschilderte Unfallverlauf, dass es aufgrund einer Turbulenz in ca. 10m Höhe zu einem Durchsacken des Fallschirmes gekommen sei, plausibel. Auf dem in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Foto gemäß Abbildung 6 der Anlage zum Protokoll sei jedoch zu sehen, dass der Fallschirm aufgrund einer Turbulenz verzogen sei. Dies sei daran zu erkennen, dass die vordere Kappe des Schirmes nach unten gezogen sei und der Schirm aerodynamisch verformt sei. Eine Lenkbewegung sei weder anhand des Schirmes noch anhand der Armhaltung des Zeugen S zu erkennen. Es bestünde eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Fallschirm sich kurz vor der Landung in einer Turbulenz befunden habe, die zu einem Durchsacken des Schirmes und somit zu der harten Landung geführt habe. Hierin sei jedoch kein Verschulden des Tandemmasters zu sehen, da eine solche Turbolenz nicht im Vorhinein erkennbar sei und der Tandemmaster auch keine Möglichkeit mehr habe, in den Landevorgang einzugreifen, wenn eine solche Turbulenz in einem so kurzen Abstand vor dem Boden auftrete.

22
Die vorstehend wiedergegebenen gutachterlichen Feststellungen konnte die Kammer ihrer Entscheidung uneingeschränkt zugrunde legen. Hierbei hat sie zunächst berücksichtigt, dass die fachliche Kompetenz des Sachverständigen unter keinem Gesichtspunkt in Zweifel gezogen werden kann. Der beauftragte Gutachter ist umfassend erfahrener Gerichtsgutachter. Hinzu kommt, dass der Sachverständige das von ihm jeweils Festgestellte überzeugend und nachvollziehbar zu erläutern vermocht und alle Rückfragen in jedem einzelnen Fall verständlich und präzise beantwortet hat. Die Grundlagen seiner Erkenntnisse hat der Gutachter durchgängig kenntlich gemacht und im Einzelnen verdeutlicht, aus welchem Grund die vorhandenen Anknüpfungstatsachen jeweils zu den gefundenen Ergebnissen geführt haben. Mängel der Begutachtung sind hiernach unter keinem Aspekt erkennbar, so dass sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen in vollem Umfang anschließt.

III.

23
Für die erlittenen Beeinträchtigungen erachtet die Kammer ein Schmerzensgeld von 20.000,00 EUR als ausreichend, aber auch angemessen.

1.

24
Der Antrag des Klägers auf Zahlung eines Schmerzensgeldvorschusses war zunächst dahingehend auszulegen, dass der Kläger ein einheitliches Schmerzensgeld für alle Schadensfolgen verlangt, die zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (BGH, Urt. v. 11.06.1963 – VI ZR 135/62, VersR 1963).

25
Verlangt der Kläger aufgrund einer Körperverletzung die Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes, so wird der Streitgegenstand maßgeblich von dem zur Anspruchsbegründung vorgetragenen Verletzungstatbestand geprägt. Durch den zum Ausgleich des immateriellen Schadens zuerkannten Betrag sollen daher alle diejenigen Verletzungen und Beschwerden des Klägers abgegolten werden, die sich aus dem Streitstoff ergeben, den die Prozessparteien dem Gericht in der letzten mündlichen Verhandlung zur Beurteilung unterbreitet haben und auf den der Kläger sein Schmerzensgeldbegehren gestützt hat. Lediglich solche Verletzungsfolgen, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten oder nicht erkennbar waren und die deshalb zwangsläufig bei der Bemessung des Schmerzensgeldes unberücksichtigt geblieben sind, werden von der vom Gericht ausgesprochenen Rechtsfolge nicht umfasst und können die Grundlage für einen Anspruch auf weiteres Schmerzensgeld bilden (OLG Koblenz , Urteil vom 22.09.2003 – 12 U 948/02) und durch den Antrag auf Feststellung der Einstandspflicht für weitere, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht vorhersehbare immaterielle Schäden abgesichert werden (BGH, Urt. v. NJW 2004, 1243VI ZR 325/99, NJW 2001, 3414). Davon sollte der Klageantrag auf Zahlung eines „Schmerzensgeldvorschusses“ hier aber nicht abweichen.

2.

26
Durch die harte Landung ist es bei dem Kläger zu einer Wirbelkörper-Berstungs-Fraktur BWK 12 mit Spondylodese von Th11 bis L1 mit darüber hinaus notwendiger Korporkomie und Cage-Implantation durch Thorakotomie gekommen. Hierbei handelt es sich nach Angaben des Sachverständigen Dr. T um eine umfangreiche und aufwendige Operation. Die Folgen der durch die Verletzung und den Eingriffs entstandenen Rückenmarkskontusion würden sich in Form von chronischen Schmerzen, Einschränkungen der Beweglichkeit und Belastbarkeit sowie eines sensiblen Querschnittssyndroms vornehmlich auf das linke Bein bezogen bemerkbar machen. Es bestehe ein chronisches Schmerzsyndrom mit der Notwendigkeit der Einnahme von Schmerzmedikamenten, die Angabe der Schmerzen durch den Kläger auf einer Schmerzskala von 1-10 mit 3 in Ruhe und 6 bei Belastung seien nachvollziehbar. Darüber hinaus bestünden Neuropathien und Parästhesien in unterschiedlich starker Ausprägung sowie eine dauerhafte Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule. Sport oder umfangreiche Belastungen der Wirbelsäule gelängen nicht mehr, die Gehstrecke sei auf maximal 2 km, das Heben und Tragen auf maximal 10 kg beschränkt. Der unfallbedingte Grad der Behinderung sei mit 30% zu bewerten, sofern der Kläger einen höheren Grad der Behinderung annehme, sei dem nicht zu folgen, da ein Wert von 20% auf die schwere Deformation der Wirbelsäule und ein Wert von 10% auf das chronische Schmerzsyndrom entfallen würden. Depressionen waren nicht schmerzensgelderhöhend zu berücksichtigen, da der Sachverständige ausgeführt hat, eine Behandlung des Klägers aufgrund von Depressionen sei nicht dokumentiert.

27
Die Kammer folgt auch hinsichtlich der medizinischen Begutachtung den Angaben des Die fachliche Kompetenz des Sachverständigen kann unter keinem Gesichtspunkt in Zweifel gezogen werden. Der beauftragte Gutachter bezieht seine Fachkunde nicht nur aus seiner langjährigen ärztlichen und wissenschaftlichen Tätigkeit, sondern ist überdies umfassend erfahrener und der Kammer als solcher bekannter Gerichtsgutachter. Auch der medizinische Sachverständige vermochte das von ihm jeweils Festgestellte überzeugend und nachvollziehbar zu erläutern und alle Rückfragen in jedem einzelnen Fall verständlich und präzise zu beantworten. Die Grundlagen seiner Erkenntnisse, insbesondere die eingesehenen vollständigen ärztlichen Behandlungsunterlagen nebst der Ergebnisse bildgebender Verfahren hat der Gutachter durchgängig kenntlich gemacht und im Einzelnen verdeutlicht, aus welchem Grund die vorhandenen Anknüpfungstatsachen jeweils zu den gefundenen Ergebnissen geführt haben. Mängel der Begutachtung sind hiernach unter keinem Aspekt erkennbar, so dass sich die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen in vollem Umfang anschließt.

IV.

1.

28
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung seines Haushaltsführungsschadens in zuerkannter Höhe. Die Höhe des Haushaltführungsschadens war nach den Grundsätzen des § 287 ZPO zu schätzen.

29
Der Sachverständige -dem die Kammer auch insoweit folgt- hat ausgeführt, die Haushaltsführung sowie die Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten seien dergestalt eingeschränkt, als dass sie nur möglich seien, solange sie nicht mit einer Zwangshaltung oder dem Heben von mehr als 10 kg verbunden seien. Es sei jedoch stets ein erhöhter Zeitaufwand einzuplanen, außerdem sei die Möglichkeit der körperlichen Betätigung tagesformabhängig. Dies führt zu einer Einschränkung hinsichtlich der grundsätzlich möglichen Tätigkeiten um 70 % (Putzen, Fensterputzen, Badreinigung, Spülmaschine entladen und befüllen und Bügeln) und zu einer grundsätzlichen Unmöglichkeit der übrigen Arbeiten. Hiernach ergibt sich unter Zugrundelegung der eigenen Berechnungsparameter des Klägers, er habe vor dem Unfall – so Bl. 8 der Klageschrift – 12 Stunden und 40 Minuten pro Woche Hausarbeit geleistet hat, diese Hausarbeit sei mit einem Stundenlohn von 10,– EUR zu bemessen, folgende Berechnung, bei der das Gericht der Berechnungsweise des Klägers auf Bl. 8f der Klageschrift folgt, indes lediglich – das Gutachtensergebnis berücksichtigend – folgende Minderungen zugrunde legt:

30
08.07.2018 bis 27.04.2019:

Eingeschränkt mögliche Arbeiten = 42 Wochen x 5,5 Stunden = 231 Std x 70 % = 161,7 Std. x 10,– EUR = 1.617,00 EUR
Unmögliche Arbeiten = 42 Wochen x 6,6 Stunden 277,2 Std x 10 EUR = 2.772,10 EUR
Gesamt: 4.389,10 EUR

31
Der angesetzte Betrag von 10,00 EUR pro Stunde erachtet die Kammer für mehr als angemessen.

2.

32
Dem Kläger waren außerdem im Wege der Schadensschätzung nach § 287 BGB die Kosten der Besuchsfahrten seiner Ehefrau in die Klinik sowie für die Fahrten des Klägers selber zu ärztlichen Behandlungen und Rehabilitationsmaßnahmen in Gesamthöhe von 1.704,60 EUR zu sowie weiter Schadenspositionen wie Bl. 11 der Klageschrift in Höhe von 744,75 EUR zu ersetzten. Entsprechende Zahlungsbelege hat der Kläger vorgelegt, der Ansatz von 0,3 Cent pro Kilometer ist angemessen.

3.

33
Der Zinsanspruch beruht hinsichtlich der Hauptforderung auf §§ 280 Abs. 2, 286 BGB, da die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 20.05.2019 zur Zahlung aufgefordert wurde. Der Zinsanspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 ZPO.

V.

34
Der Feststellungsantrag war ebenfalls zuzusprechen, jedoch beschränkt auf sämtliche materiellen und nicht vorhersehbaren immateriellen Schäden unter Berücksichtigung der Haftungsbeschränkung auf einen Betrag von 128 821 Rechnungseinheiten abzüglich der bereits tenorierten Ansprüche.

VI.

35
Mangels Verschulden scheidet ein der Haftungshöhe nach unbegrenzte Anspruch des Klägers gegen die Beklagte nach §§ 280 Abs.1, 241 Abs. 2, 823 BGB aus.

V.

36
Der Kläger hat gegen die Beklagte außerdem einen Anspruch auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus einem Gegenstandwert von 26.838,45 EUR mit einer Geschäftsgebühr von 1,8 in Gesamthöhe von 1.872,35 EUR.

VI.

37
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.

VII.

38
Der Streitwert wird auf 27.769,35 EUR festgesetzt.

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