OLG Koblenz, Urteil vom 18. November 2014 – 3 U 64/14
Zur Haftung eines Bauunternehmers für Folgen eines Stromschlags anlässlich Bauarbeiten an einer Bahntrasse
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 19. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Dieses Urteil und das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Koblenz sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I.
1
Die klagende Berufsgenossenschaft nimmt die Beklagten im Wege der Leistungs- und Feststellungsklage auf Ersatz der Aufwendungen in Anspruch, die ihr als Sozialversicherungsträger durch einen Arbeitsunfall ihres Versicherten …[A] (Im Folgenden: Versicherter) am 8. Februar 2009 entstanden sind.
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Zum Unfallzeitpunkt und bereits Wochen zuvor fanden entlang der innerstädtischen Bahntrasse in …[Z] Arbeiten im Zusammenhang mit der Errichtung einer Lärmschutzwand statt. Der Beklagten zu 1) oblagen die Bauausführung und die Bauleitung. Subunternehmerin der Beklagten zu 1) war die Firma …[B], bei der der Versicherte beschäftigt war. Die Bauleitung hatte grundsätzlich der Bauleiter der Beklagten zu 1) inne. Am Unfalltag oblag sie vertretungsweise dem Beklagten zu 2), der als Polier bei der Beklagten zu 1) tätig ist. Betreiberin der Anlage ist die Streitverkündete zu 2), die …[C] AG. Diese hatte für das konkrete Bauvorhaben auf der Grundlage der Arbeitsanmeldung der Beklagten zu 1) eine sog. Betriebs- und Bauanweisung (nachfolgend Betra) erstellt. Die Rechtsvorgängerin der Streitverkündeten zu 1), die Firma …[D] GmbH, war mit der Sicherheits- und Bauüberwachung beauftragt. Der Beklagte zu 3) war bei der Streitverkündeten zu 1) beschäftigt und am Unfalltag vertretungsweise als Technisch Berechtigter und Anlagenverantwortlicher/Anlagenbeauftragter der Betra eingesetzt. Der Beklagte zu 2) war der sogenannte Arbeitsverantwortliche. In der hier maßgebenden Betra Nr. F32 753909 für den 5. Bauabschnitt heißt es u.a. (GA 85 ff. GA):
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„Nr. 2.3.: Während der Gleissperrungen wird die Oberleitung gem. gültiger Schaltanweisung wie folgt ausgeschaltet, geerdet und für E-Betrieb gesperrt:
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… die Schaltgruppe 3, Bf. …[Z] …
5
Nr. 5.4.1.: Während der Arbeiten kommt ein Zweiwegebagger zum Einsatz.
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Nr. 6.3: Bei Arbeiten an oder in der Nähe von Oberleitungsanlagen ist der Anlagenverantwortliche/Anlagenbeauftragter für die Oberleitungsanlage zuständig für die Ersteinweisung der Arbeitsverantwortlichen der bauausführenden Unternehmen gemäß Abschnitt 7 über die Gefahren aus dem elektrischen Strom in Bezug auf die Oberleitungsanlage.
7
Nr. 6.4: Bei Arbeiten an oder in der Nähe von Oberleitungsanlagen ist der Arbeitsverantwortliche verantwortlich für die aufgabenbezogenen Unterweisungen der Beschäftigten zum Schutz gegen die Gefahren aus dem elektrischen Strom.
8
Nr. 6.5.: Bei Arbeiten an oder in der Nähe von Oberleitungsanlagen ist der Arbeitsverantwortliche zuständig für die Sicherungsmaßnahmen gegen die Gefahren aus dem elektrischen Strom. …“
9
Entlang der Bahntrasse wurden zur Verankerung im Erdreich in regelmäßigen Abständen Betonfundamente zur Errichtung der Lärmschutzwand hergestellt. Der dafür erforderliche und vor Ort hergestellte Beton wurde mittels eines neben den Gleisen stehenden Mobilkrans der Beklagten zu 1) in einem Betonkübel auf den Bahndamm gehoben und dort abgestellt. Dort wurde die Kette des Mobilkrans von dem Betonkübel gelöst und der Betonkübel von der Hebevorrichtung (Haken) des auf den Gleisen befindlichen Zweiwegebaggers aufgenommen und über die Gleisanlage zu dem entsprechenden Bauabschnitt transportiert. Wegen der Unfallörtlichkeiten wird auf die Bildtafel Bl. 18 ff der beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Mönchen-gladbach (Az. 501 Js 1263/09) Bezug genommen (im Folgenden ErmA). Der Mobilkran wurde durch den Mitarbeiter der Beklagten zu 1), den Zeugen …[E], (im Folgenden: Kranführer) bedient. Führer des auf den Schienen befindlichen Zweiwegebaggers war der Versicherte.
10
Am Unfalltag gab der Beklagte zu 3) die Bahnstrecke für die Bauarbeiten gegenüber dem Beklagten zu 2) frei, der seinerseits den Kranführer unterrichtete. Als dieser gegen 4.05 Uhr mit dem Mobilkran einen Betonkübel auf den Bahndamm hob, geriet er in die Nähe der Speiseleitung. Die Speiseleitung verläuft über der Oberleitung. Zum Unfallzeitpunkt war der Strom in der Oberleitung, nicht aber in der Speiseleitung abgestellt. Es kam zu einem Spannungsbogen zu der ca. 10 -15 m über den Bahngleisen verlaufenden mit 15.000 Volt betriebenen Speiseleitung. Dies setzte die Kette des Mobilkrans unter Spannung. Als der Versicherte die Kette berührte, um sie von dem Betonkübel zu lösen, erhielt er einen Stromschlag. Er erlitt Verbrennungen an den Fußsohlen und befand sich in stationärer Behandlung.
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Die Parteien haben darüber gestritten, ob den Beklagten im Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall schuldhaft begangene Pflichtverstöße vorzuwerfen sind.
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Die Klägerin hat beantragt:
1.a.)
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die Beklagten zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 27.071,57 € zu zahlen, für den die Beklagten zu 2) – 3) als Gesamtschuldner und gemeinsam mit der Beklagten zu 1) wie Gesamtschuldner hafteten und den die Beklagten mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wie folgt zu verzinsen hätten: der Beklagte zu 3) ab dem 16.12.2011, die Beklagten zu 1) – 2) ab dem 04.04.2012;
1.b.)
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die Beklagten zu 2) – 3) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin, einen weiteren Betrag in Höhe von 4.620,53 € zu zahlen, den die Beklagten mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wie folgt zu verzinsen hätten: der Beklagte zu 3) ab dem 16.12.2011, die Beklagten zu 2) ab dem 04.04.2012;
2.
15
festzustellen, dass die Beklagten zu 2) – 3) als Gesamtschuldner verpflichtet seien, der Klägerin die weiteren Aufwendungen zu ersetzen, die ihr aus Anlass des Unfalls ihres Versicherten …[A] vom 8. Februar 2009 entstanden seien und zukünftig entstehen werden, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs ihres Versicherten gegen die Beklagten zu 2) – 3), der bestehen würde, wenn die Beklagten zu 2) – 3) diesem gegenüber nicht nach §§ 104 ff. SGB VII haftungsprivilegiert wären und insoweit gemeinsam mit der Beklagten zu 1) wie Gesamtschuldner haftend, als die Beklagte zu 1) verpflichtet sei, der Klägerin die weiteren Aufwendungen zu ersetzen, die ihr aus Anlass des Unfalls ihres Versicherten …[A] vom 08. Februar 2009 entstanden seien und zukünftig entstehen werden, soweit die Schadenersatzansprüche des Versicherten der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen seien;
3.
16
festzustellen, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet sei, der Klägerin die weiteren Aufwendungen zu ersetzen, die ihr aus Anlass des Unfalls ihres Versicherten …[A] vom 08. Februar 2009 entstanden seien und zukünftig entstehen werden, soweit die Schadenersatzansprüche des Versicherten der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) gemäß § 116 SGB X auf die Klägerin übergegangen seien und insoweit gemeinsam mit den Beklagten zu 2) – 3) wie Gesamtschuldner haftend, als diese gesamtschuldnerisch verpflichtet seien, der Klägerin die weiteren Aufwendungen zu ersetzen, die ihr aus Anlass des Unfalls ihres Versicherten …[A] vom 08. Februar 2009 entstanden seien und zukünftig entstehen werden, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs ihres Versicherten gegen die Beklagten zu 2) – 3), der bestehen würde, wenn die Beklagten zu 2) – 3) diesem gegenüber nicht nach §§ 104 ff. SGB VII haftungsprivilegiert wären;
17
hilfsweise:
4.
18
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie, die Klägerin, einen Betrag in Höhe von 31.692,10 € zu zahlen, den die Beklagten mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz wie folgt zu verzinsen hätten: der Beklagte zu 3) ab dem 16.12.2011, die Beklagten zu 1) – 2) ab dem 04.04.2012.
5.
19
festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr, der Klägerin, die weiteren Aufwendungen zu ersetzen, die ihr aus Anlass des Unfalls ihres Versicherten …[A] vom 08. Februar 2009 entstanden seien und zukünftig entstehen werden, jedoch nur bis zur Höhe des zivilrechtlichen Schadenersatzanspruchs ihres Versicherten, gegen die Beklagten, der bestehen würde, wenn die Beklagten diesem gegenüber nicht nach §§ 104 ff. SGB VII haftungsprivilegiert wären,
20
Die Beklagten haben Abweisung der Klage beantragt.
21
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat die Beklagten zu 2) und 3) als haftungsprivilegierte Personen im Sinne des SGB VII angesehen, so dass diese nur für eine grob fahrlässige oder vorsätzliche Pflichtverletzung hafteten. Eine solche Pflichtverletzung sei aber nicht festzustellen. Auch eine Haftung der Beklagten zu 1) scheide aus. Zwar sei sie als bauausführende Firma nicht nach dem SGB VII haftungsprivilegiert, so dass sie auch für einfache Fahrlässigkeit hafte. Ein Pflichtverstoß liege aber nicht vor.
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Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
23
Sie trägt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens vor,
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den Beklagten hätte bei Lektüre der Betra auffallen müssen, dass die Speiseleitung nicht abgeschaltet gewesen sei. Da die Speiseleitung unstreitig eine Spannung von lebensgefährlichen 15.000 Volt geführt habe, sei höchste Aufmerksamkeit und Sorgfalt angebracht gewesen. Die Arbeiten hätten nicht beginnen dürfen, ohne dass eine Abschaltung auch der Speiseleitung sichergestellt gewesen sei.
25
Die Klägerin begehrt eine Abänderung des angefochtenen Urteils nach Maßgabe ihrer erstinstanzlichen Anträge und hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
26
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
27
Die Beklagte zu 1) und 2) tragen im Wesentlichen vor, es habe für sie keine Verpflichtung bestanden, die Betra auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit zu überprüfen. Nach den Angaben des Eisenbahn-Bundesamts gebe es keine Vorschrift, wonach generell eine Speiseleitung hätte abgeschaltet werden müssen. Sie habe darauf vertrauen dürfen, dass die Streitverkündete zu 1) die nach der Betra erforderlichen Anweisungen erteile.
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Der Beklagte zu 3) macht im Wesentlichen geltend, da der Beklagte zu 2) durch ihn als Arbeitsverantwortlicher eingewiesen worden sei, habe er sich darauf verlassen dürfen, dass alle Beschäftigten der Beklagten zu 1) und deren Subunternehmerin hinsichtlich der Gefahren bei den durchzuführenden Arbeiten unterrichtet worden seien.
29
Der Senat hat den Geschäftsführer der Beklagten zu 1) und die Beklagten zu 2) und 3) gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO angehört (vgl. Sitzungsprotokoll vom 23. September 2014, GA 427 ff). Er hat ferner die ErmA beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren sind gegen den Kranführer gemäß § 170 Abs. 2 StPO, gegen den Beklagten zu 2) gemäß § 153 Abs. 1 StPO und gegen den Beklagten zu 3) gemäß § 153 a Abs. 1 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 2.500 € eingestellt worden.
30
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angegriffenen Urteil sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
II.
31
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Einschätzung der Sach- und Rechtslage.
32
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) ein Anspruch weder aus § 116 SGB X noch aus § 110 SGB VII zu.
33
a) Die Beklagte zu 1) ist gemäß § 106 Abs. 3 SGB VII i.V.m § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nicht haftungsprivilegiert, mit der Folge, dass sie auch für einen lediglich mit einfacher Fahrlässigkeit begangenen Pflichtverstoß haften würde. Die Haftungsprivilegierung bei vorübergehender betrieblicher Tätigkeit auf einer gemeinsamen Betriebsstätte gilt nicht zugunsten eines nicht selbst dort tätigen Unternehmers. Die Haftungsprivilegierung ist vielmehr auf die für die Unternehmen beteiligten Tätigen beschränkt (BGH, Urteil vom 3. Juli 2001 – VI ZR 284/00 – BGHZ 148, 214 ff. = ZIP 2001, 1430 ff. = VersR 2001, 1028 ff., Juris Rn. 12 m.w.N.; OLG Jena, Urteil vom 5. Dezember 2001 – 7 U 516/01 – ZfS 2002, 578 f. = VersR 2003, 598 f., Juris Rn. 33; Schmitt, SGB VII, Gesetzliche Unfallversicherung, 4. Auflage 2009, § 106 Rn.11).
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b) Der Beklagten zu 1) ist eine auch nur mit einfacher Fahrlässigkeit begangene Pflichtverletzung nicht vorzuwerfen.
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aa) Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich eine Pflichtverletzung nicht daraus, dass die Beklagte zu 1) entgegen § 5 ArbSchG keine Gefährdungsanalyse durchgeführt hat. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitschutzes erforderlich sind. Diesen Pflichten ist die Beklagte zu 1) nachgekommen.
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Der Geschäftsführer der Beklagten zu 1) hat hierzu bei seiner Anhörung angegeben, dass es in seiner Firma einen Gesundheitsschutzkoordinator gebe, der Gefährdungsanalysen der Baustellen vornehme, was auch vom Auftraggeber verlangt werde. Die Klägerin hat dies in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 9. Oktober 2014 (GA 490) gemäß § 138 Abs. 4 ZPO zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Es kann offen bleiben, ob die Beklagte zu 1) eine solche Gefährdungsanalyse formell durchgeführt hat. Denn die Beklagte zu 1) hat ihren sich aus § 5 ArbSchG ergebenden Pflichten jedenfalls faktisch erfüllt.
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Dies ergibt sich aus folgenden Umständen:
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Es ist zunächst unstreitig, dass die Beklagte zu 1) gegenüber der Betreiberin der Anlage, der …[C] AG, eine Arbeitsanmeldung abgegeben hat. Auf der Grundlage dieser Arbeitsanmeldung hat die …[C] AG für das konkrete Bauvorhaben die Betriebs- und Bauanweisung (Betra) erstellt.
39
Der Bauleiter der Beklagten zu 1) und dessen Vertreter, der Beklagte zu 2), sind am 13. September 2007 bzw. 10. Oktober 2008 durch die …[C] Infrastruktur Projektbau bzw. die mit der Sicherheits- und Bauüberwachung beauftragte Firma …[D] GmbH im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben „Schallschutzwandmaßnahmen in …[Z]“ umfassend über die Gefahren aus dem Bahnbetrieb, die festgelegten Sicherungsmaßnahmen zur Abwendung der Gefahren aus dem Bahnbetrieb an der Arbeitsstelle sowie an dem Weg zur Arbeitsstelle und zurück, die örtlichen und betrieblichen Verhältnisse und die Gefahren durch den elektrischen Strom bei Arbeiten an und in der Nähe von Oberleitungsanlagen eingewiesen worden. Dazu wurden ihnen die gesetzlichen Unfallverhütungsvorschriften, Konzernrichtlinien und VDE-Bestimmungen für das Arbeiten im Bereich von Gleisen und für das Arbeiten im Bereich von elektrotechnischen Anlagen bekanntgemacht. Zudem ist ein Hinweis auf die strikte Einhaltung der Vorschriften erfolgt. Die Einweisung enthält die Verpflichtung des Unternehmers (Beklagte zu 1)) alle an der Arbeit Beteiligten, auch alle Nach- und Subunternehmer sowie deren Arbeitskräfte, jeweils vor Arbeitsaufnahme über die Unfallverhütung und die entsprechenden Schutzbestimmungen zu unterweisen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einweisungsprotokoll Bezug genommen (Bl. 93 f., 95 f. ErmA).
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Diese Vorgabe hat die Beklagte zu 1) beachtet und den Kranführer und den Versicherten bereits am 30. August 2008 bzw. 6. September 2008 über die Gefahren, u.a. aus dem Eisenbahnbetrieb und den elektrischen Anlagen unterrichtet, was beide durch ihre Unterschriftsleistung bestätigt haben (GA 101 bzw. Bl. 92 ErmA).
41
Der Senat geht aufgrund der von dem Beklagten zu 2) bei seiner Anhörung gemachten Angaben auch davon aus, dass dem Mobilkranführer das „Merkblatt/Checkliste für Führer/Bediener von Baumaschinen“ ausgehändigt worden ist. In diesem Merkblatt, wegen dessen weiteren Inhalt auf Blatt 53 ErmA verwiesen wird, heißt es u.a.:
42
„2. Bauarbeiten unter ausgeschalteter und bahngeerdeter Oberleitung
43
– Oberleitungen und Speiseleitungen, unter denen mit Baumaschinen gearbeitet wird, sind grundsätzlich auszuschalten und bahn zu erden….
44
– zur Vermeidung mechanischer Schäden muss bei höhenverstellbaren Arbeitsteilen die Hubbegrenzung eingeschaltet und wirksam sein.“
45
Darüber hinaus war der Beklagte zu 3), der als Technisch Berechtigter über eine Sonderqualifikation verfügt und als Bindeglied zwischen dem Fahrdienstleiter und dem Bauleiter der bauausführenden Firma fungierte, eingeschaltet und hatte den Beklagten zu 2) für die konkret durchzuführende Maßnahme als Arbeitsverantwortlicher in die örtlichen Verhältnisse eingewiesen. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die „Einweisung als Arbeitsverantwortlicher“ Bezug genommen (GA 99 f.).
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Unter diesen Umständen liegt jedenfalls eine hinreichende faktische Umsetzung der sich aus § 5 ArbSchG ergebenden Pflichten vor. Die Beklagte zu 1) konnte davon ausgehen und durfte darauf vertrauen, dass alle Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf etwaige Gefahren, die aus einer Stromführung der über dem Gleis befindlichen Leitungen für ihre Arbeitskräfte herrühren konnten, ergriffen waren. Dies galt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass die speziell mit der Sicherheit- und Bauüberwachung betraute Firma …[D] GmbH eingebunden war. Die Beklagte zu 1) durfte, da ihm gegenteilige Umstände nicht bekannt waren, auch davon ausgehen, dass der Kranführer die ihn treffenden Pflichten, über die er unterrichtet worden war, bei der Arbeit mit dem Mobilkran einhält, zumal es sich bei ihm und auch dem Versicherten unstreitig um erfahrene Arbeitskräfte handelte.
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bb) Eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) kann auch nicht darin gesehen werden, dass der von ihr auf der Baustelle eingesetzte Mobilkran nach der Behauptung der Klägerin nicht über eine Hub- und Drehwerksbegrenzung verfügte und nicht geerdet war.
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(1.) Entgegen der Auffassung der Berufung kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte zu 1) hinsichtlich des Mobilkrans über ein überlegenes Wissen verfügte und deshalb in der Alleinverantwortung stand, weil sich die Betra nicht zu der Frage verhält, in welcher Weise sich neben dem Gleis befindliche Arbeitsgeräte eingesetzt werden dürfen. Der Senat geht davon aus, dass auch der Mobilkran Gegenstand der Arbeitsanmeldung der Beklagten zu 1) war. Die Betra regelt unter 5.4 den „Einsatz von Fahrzeugen, Maschinen und Geräten und deren besondere Einsatzbestimmungen“. Dort ist u.a. beschrieben, dass vor dem Bewegen von Lasten im sowie über dem Regellichtraum eines Gleises, die betroffenen Gleise auf Antrag des Technisch Berechtigten vom zuständigen Fahrdienstleiter sperren zu lassen sind. Zudem ist der Auf- und Abbau und der Betrieb von Kranen im Bereich von Bahnanlagen in dem Merkblatt der …[C], dessen Überwachung der Firma …[D] GmbH oblag, ausdrücklich geregelt (Bl. 55 ff. ErmA).
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(2.) Das Landgericht hat die Frage, ob der Mobilkran über eine Hub- und Drehwerksbegrenzung verfügte, offen gelassen. Der Senat geht aufgrund der Angaben des Beklagten zu 2) im Rahmen seiner Anhörung eher davon aus, dass der Mobilkran über eine solche Hub- und Drehwerksbegrenzung nicht verfügte. Der Beklagte zu 2) hat angegeben, dass der Mobilkran, der am Unfalltag zum Einsatz gekommen sei, über einen ausfahrbaren Teleskoparm verfügt habe, den man der Höhe und dem Winkel nach habe steuern könne. Er glaube allerdings nicht, dass es eine mechanische Möglichkeit geben habe, die Höhe und den Winkel fest einzustellen.
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Gleichwohl vermag der Senat eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) nicht festzustellen.
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Unter Ziffer 5.4.1 der Betra heißt es zwar, dass die Arbeiten unter ausgeschalteter Oberleitung zur Vermeidung von mechanischen Schäden nur mit wirksamer Hubbegrenzung durchgeführt werden dürfen (GA 92). Auch ist im „Merkblatt/Checkliste für Führer/Bediener von Baumaschinen“ unter Ziffer 2. niedergelegt, dass zur Vermeidung mechanischer Schäden bei höhenverstellbaren Arbeitsstellen die Hubbegrenzung eingeschaltet und wirksam sein muss. Anders als das Landgericht nimmt der Senat auch an, dass diese Schutzbestimmungen ihrem Zweck nach nicht nur der Vermeidung von mechanischen Schäden dienen. Zu Recht verweist die Berufung darauf, dass die zitierten Schutzbestimmungen von einer ausgeschalteten Oberleitung ausgehen. Daraus folgt aber zur Überzeugung des Senats, dass eine Hubbegrenzung und Erdung des Mobilkrans bei Arbeiten unter Strom führenden Leitungen auch dazu dienen sollte, deren Berührung wegen eines Stromschlags zu vermeiden.
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Eine Pflichtverletzung der Beklagten zu 1) scheidet dennoch aus, weil sie aus den genannten Gründen davon ausgehen durfte, dass alle Sicherheitsmaßnahmen in Bezug auf etwaige Gefahren, die aus einer Stromführung der über dem Gleis befindlichen Leitungen herrühren konnten, ergriffen waren.
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cc) Ein Pflichtenverstoß trifft die Beklagte zu 1) auch nicht deshalb, weil in der Betra nur von der stromführenden Oberleitung, nicht aber von der Speiseleitung die Rede ist und die Beklagte diesen Umstand nicht weiter aufgeklärt und entsprechende weitergehende Schutzmaßnahmen ergriffen hat.
54
Zunächst ergibt sich aus dem Schreiben des Eisenbahnbundesamtes vom 12. Januar 2012 (Bl. 90 ErmA), dass es keine generelle Vorschrift gibt, wonach die Speiseleitung hätte abgeschaltet werden müssen. Dies hat auch der Beklagte zu 3) bestätigt. Darüber hinaus teilt der Senat auch die Ansicht des Landgerichts, dass im Streitfall mit der Firma …[D] GmbH eine Spezialfirma beauftragt worden war, die in Bezug auf die Gefahren aus dem Strom über ein im Vergleich zu der Beklagten zu 1) überlegendes Wissen verfügte. Von der Beklagten zu 1) war das Ergreifen weiterer Untersuchungsmaßnahmen daher nicht zu erwarten.
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Das Landgericht hat es demnach auch nicht nicht in verfahrensfehlerhafter Weise unterlassen, aufzuklären, ob der Mobilkran über eine Hub- und Drehwerksbegrenzung verfügte und geerdet war.
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2. Der Klägerin steht auch gegen den Beklagten zu 2) kein Regressanspruch gemäß § 110 SGB VII i.V.m. § 104 SGB VII zu.
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a) Der Senat geht mit dem Landgericht davon aus, dass der Beklagten zu 2) haftungsprivilegiert im Sinne von § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII ist. Denn er war mit dem Versicherten, einem Mitarbeiter der Subunternehmerin der Beklagten zu 1), auf einer gemeinsamen Betriebsstätte tätig. Daher hat er nur für eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Pflichtverletzung einzustehen.
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b) Dem Beklagten zu 2) kann bereits eine Pflichtverletzung nicht zur Last gelegt werden.
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aa) Der Beklagte zu 2) war am Unfalltag vertretungsweise als Arbeitsverantwortlicher eingesetzt. Ihm oblag dabei u. a. die Unterweisung der auf der Baustelle beschäftigten Arbeitskräfte. Diesen Pflichten ist er nachgekommen. Wie bereits ausgeführt worden ist, sind die an der Betriebsstätte tätigen Arbeitskräfte, u.a. der Kranführer und der Versicherte, auf die Gefahren der Fahrleitung und der Querspannungen, d.h. von der Speiseleitung zu der Fahrleitung, hingewiesen worden (Bl.92 ErmA).
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bb) Dem Beklagten zu 2) kann nicht als Pflichtverletzung angelastet werden, den Kranführer und den Versicherten nicht besonders darauf hingewiesen zu haben, dass lediglich die Oberleitung, nicht aber die Speiseleitung ausgeschaltet war und deshalb eine Gefahr bestand, wenn der Kranführer mit dem Mobilkran in die Nähe der Speiseleitung gerät und der Versicherte die Krankette berührt, um sie von dem Betonkübel zu lösen.
61
Der Beklagte zu 2) hat hierzu bei seiner Anhörung angegeben, der Beklagte zu 3) als Technisch Berechtigter habe auf telefonische Anfrage bestätigt, dass die Gleise gesperrt seien und die Oberleitung stromfrei sei. Für ihn sei damit klar gewesen, dass alle oberirdisch verlaufenden Leitungen ohne Strom seien. Er habe selbstverständlich Einsicht in die Betra genommen. Die Erdung des Mobilkrans sei nicht erforderlich, wenn die Oberleitung ausgeschaltet sei. Die Mitarbeiter seien vor der Arbeitsaufnahme über die Gefahren durch den elektrischen Strom bei Arbeiten in der Nähe von Oberleitungen hingewiesen worden.
62
Der Beklagte zu 3) hat demgegenüber bekundet, er habe dem Beklagten zu 2) mitgeteilt, dass die Schaltgruppe 3 in einer bestimmten Zeitspanne abgeschaltet sei. Er hat dem Senat dazu erläutert, dass es sich bei der Schaltgruppe 3 um den Fahrdraht handele. Die Abschaltung der Schaltgruppe 3 bedeute, dass das Gleis, auf dem sich der Zweiwegebagger bewege, nicht mehr mit Strom versorgt werde. Er hat dabei auf seine Dokumentation zu 4.2 der Betra Bezug genommen, wonach die Schaltgruppe 3 (Sgr 3) im Bahnhof …[Z] auszuschalten war.
63
Der Beklagte zu 2) hat dazu erwidert, dass bei seiner Einweisung zwar ein Schaltgruppenplan besprochen worden sei. Er sei jedoch kein Fachmann. Er wisse nicht mehr, ob in der Nacht konkret gesagt worden sei, die Schaltgruppe 3 sei abgeschaltet. Für ihn sei entscheidend gewesen, dass der Strom abgeschaltet sei.
64
Für den Senat stellt sich die Situation so dar, dass es zwischen dem Beklagten zu 3) und dem Beklagten zu 2) ein Kommunikationsproblem gab, welches letztlich zu dem Unfall geführt hat. Während der Beklagte zu 2) irrtümlich davon ausging, dass sämtlicher Strom ausgeschaltet ist und dies an den Kranführer weitergab, weshalb dieser offenbar nicht auf den erforderlichen Sicherheitsabstand zu der Speiseleitung achtete, war der Beklagte zu 3) der Annahme, dem Beklagten zu 2) die Information gegeben zu haben, die ein gefahrloses Arbeiten gewährleistet. Der Senat geht aufgrund des Eindrucks, den der Beklagte zu 3) in der mündlichen Verhandlung vermittelt hat, davon aus, dass dieser tatsächlich nur von der Abschaltung der Schaltgruppe 3 gesprochen hat. Der Senat schließt dies aus dem Umstand, dass der Beklagte zu 3) sich bei seiner Anhörung stets sehr differenziert erklärt und präzise ausgedrückt hat, so dass anzunehmen ist, dass er dies auch in der Unfallnacht getan hat.
65
Entgegen den Ausführungen der Klägerin in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 9. Oktober 2104 (GA 484 ff.) hätte der Beklagte zu 2) nicht bereits bei sorgfältiger Lektüre der Betra „mühelos feststellen können“, dass die Speiseleitung noch unter Strom stand. Denn dort ist unter Ziffer 4.1. der Einsatz von Maschinen, Geräten und Fahrzeugen nur unter eingeschalter und ausgeschalteter Oberleitung geregelt (GA 92), während die Speiseleitung überhaupt keine Erwähnung findet. Die Klägerin hat auch nicht dargetan, aufgrund welcher Umstände der Beklagte zu 2), der als Polier vertretungsweise für den Bauleiter …[G] zum Einsatz gekommen war, den Unterschied zwischen der Oberleitung, die im Streitfall präziser als Schaltgruppe 3 zu bezeichnen ist, und der Speiseleitung gekannt haben soll.
66
Es würde eine Überspannung der Pflichten des Beklagten zu 2) darstellen, wenn man von ihm verlangen würde, hinsichtlich des Umfangs der abgeschalteten Stromleitungen differenzierte Nachfragen zu stellen. Vielmehr konnte er darauf vertrauen, dass Gefahren aus dem Strom nicht gegeben sind, wenn der Technisch Berechtigte, hier der Beklagte zu 3), „grünes Licht“ gibt.
67
cc) Eine Pflichtverletzung kann auch nicht deshalb angenommen werden – so die Klägerin unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung und Kommentarliteratur (BGH, Urteil vom 18. Oktober 1988 – VI ZR 15/88 – VersR 1989, 109; Urteil vom 18.10.1988 – VI ZR 15/88 – VersR 1989, 109 f.; OLG Dresden, Urteil vom 29. September 2011 –8 U 374/11 – RuS 2012, 623 f.; Geigel/Kolb, aaO, Kap. 32 Rn. 11) – weil ein Verstoß gegen elementare Sicherheitsvorschriften vorliegt (GA 489). Ein solcher Verstoß lässt sich insbesondere nicht aus der Verletzung von Pflichten als Arbeitsverantwortlicher entnehmen. Die Einweisung enthält u.a. folgende Regelung:
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„Hat der Arbeitsverantwortliche eine oder mehrere Sicherheitsregeln nicht selbst gemäß den Normen der DIN VDE 0105 durchgeführt, so muss er sich deren Durchführung vom Anlagenverantwortlichen/den mit den Aufgaben des Anlagenverantwortlichen Beauftragten bestätigen lassen ….“
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Der Beklagte zu 2) hat zwar nicht selbst überprüft, ob die Speiseleitung ausgeschaltet ist. Aus den genannten Gründen durfte er aber nach telefonischer Rücksprache mit dem Beklagten zu 3) davon ausgehen, dass alle oberirdisch verlaufenden Leitungen ohne Strom sind.
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3. Der Klägerin kann schließlich auch den Beklagten zu 3) nicht in Regress nehmen. Ein Anspruch gemäß § 110 SGB VII i.V.m. § 104 SGB VII besteht nicht. Der Senat nimmt zwar an, dass der Beklagte zu 3) seine Pflichten verletzt hat. Allerdings hat er den Pflichtenverstoß nicht grob fahrlässig oder gar vorsätzlich begangen.
71
a) Der Beklagte zu 3) ist zunächst aus den unter II. 2 a) genannten Gründen ebenfalls haftungsprivilegiert im Sinne von § 106 Abs. 3 3. Alt. SGB VII. Er haftet daher nur für eine vorsätzliche oder grob fahrlässig begangene Pflichtverletzung.
72
b) Dem Beklagten zu 3) ist objektiv eine Pflichtverletzung vorzuwerfen. Als Technisch Berechtigter war er derjenige, der Kenntnis davon hatte, dass die Speiseleitung nicht stromlos gestellt war. Für ihn bestand als Bindeglied zwischen dem Fahrdienstleiter und dem Bauleiter der Beklagten zu 1) objektiv die Pflicht, den Beklagten zu 2) darauf hinzuweisen, dass die Speiseleitung stromführend war und deshalb die Gefahr eines Spannungsbogens bestand, wenn der Mobilkran in die Nähe der Speiseleitung gelangt. Dieser Pflicht ist er nicht nachgekommen; stattdessen hat er dem Beklagten zu 3) lediglich mitgeteilt dass die Schaltgruppe 3 in einer bestimmten Zeitspanne abgeschaltet war. Diese Mitteilung war aber nicht ausreichend, weil er nicht davon ausgehen konnte und nicht sichergestellt war, dass der Beklagte zu 2) diese Erklärung zutreffend dahin verstehen würde, dass nur die Oberleitung, nicht aber die Speiseleitung ausgeschaltet war.
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c) Der Senat vermag aber nicht festzustellen, dass der Beklagte zu 3) bei seinem Pflichtenverstoß grob fahrlässig oder gar vorsätzlich handelte.
74
aa) Grobe Fahrlässigkeit i.S.v.§ 110 SGB VII setzt einen objektiv schweren und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Diese Sorgfalt muss in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und dabei dasjenige unbeachtet geblieben sein, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen.
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bb) Angesichts der Tatsache, dass die Baustelle bereits seit Monaten in Betrieb war, ohne das Anhaltspunkte dafür bestanden, dass Sicherheitsvorschriften nicht beachtet worden waren, zumindest hat die Klägerin dazu nichts vorgetragen, stellt das Versäumnis keine besonders schwerwiegende, zumindest als grob fahrlässig zu bezeichnende Sorgfaltspflichtverletzung dar (OLG Dresden, aaO, Juris Rn. 34; Palandt-Grüneberg, BGB, 73. Auflage 2014, § 277 Rn.5). Es kann nicht angenommen werden, dass der Beklagte zu 3) einen Hinweis unterlassen hätte, der sich bei einfachen Überlegungen hätte aufdrängen müssen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 3) nur vertretungsweise als Technisch Berechtigter eingesetzt war und, worauf er zu Recht hinweist, in ein bestehendes und funktionierendes Arbeitsgeschehen eingetreten ist.
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Der Streitfall unterscheidet sich von dem Sachverhalt, den das Oberlandesgericht Dresden in der zitierten Entscheidung zu beurteilen hatte. Dort wurde der Kolonnenführer außerhalb der Arbeitszeit von dem Bauleiter darauf aufmerksam gemacht, dass die Speiseleitung nicht ausgeschaltet war. Der Kolonnenführer hatte am nächsten Tag aber vergessen, die Speiseleitung mit den anderen Leitungen abschalten zu lassen (aaO, Juris Rn. 26). Das Oberlandesgericht Dresden hat in jenem Fall ein grob fahrlässiges Fehlerverhalten angenommen. Vorliegend ist hat der Beklagte zu 3) aufgrund des Umstandes, dass die Baustelle bereits seit mehreren Monaten in Betrieb war, angenommen, sämtliche Sicherheitsvorschriften seien beachtet.
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4. Soweit die Klägerin hilfsweise die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht beantragt hat, war dem nicht zu entsprechen, da kein Verfahrensfehler des Landgerichts gemäß § 538 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vorliegt.
III.
78
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision wird nicht zugelassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vorliegen, § 543 ZPO.
80
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 70.884,20 € festgesetzt