BGH, Urteil vom 14.06.2012 – IX ZR 145/11
Der Gesellschafter und der Geschäftsführer können in den Schutzbereich eines zwischen einer GmbH und einem Steuerberater geschlossenen Vertrages einbezogen sein, welcher die Prüfung einer möglichen Insolvenzreife der GmbH zum Gegenstand hat.(Rn.12)
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 2. September 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
1
Die Klägerin war Alleingesellschafterin und Geschäftsführerin der C. GmbH (nachfolgend: GmbH). Seit dem Jahr 2002 war der beklagte Steuerberater, der seinerzeit eine Bürogemeinschaft mit dem Ehemann der Klägerin, einem Rechtsanwalt, unterhielt, für die GmbH tätig und erstellte unter anderem Jahresabschlüsse und Bilanzen.
2
Anlässlich der Vorlage der Bilanz für das Jahr 2004 fand am 10. Februar 2006 ein Gespräch zwischen der Klägerin, ihrem an der GmbH still beteiligten Ehemann und dem Beklagten statt. Gegenstand der Unterredung war auch die wirtschaftliche Situation der GmbH und die Frage einer möglichen Insolvenzantragspflicht. Nach diesem Gespräch erhöhte der Ehemann der Klägerin seine stille Beteiligung um 100.000 €. Nach Erhalt der von dem Beklagten für das Jahr 2005 unter dem Datum des 26. Juni 2006 gefertigten Bilanz stellte die Klägerin am 27. Juni 2006 wegen Überschuldung und drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag über das Vermögen der GmbH.
3
Im eröffneten Verfahren forderte der Insolvenzverwalter der GmbH von der Klägerin Erstattung der von ihr nach Insolvenzeintritt für die GmbH geleisteten Zahlungen. Infolge der für den 31. Dezember 2005 festgestellten Überschuldung der GmbH wurde die Klägerin rechtskräftig zur Zahlung von 234.707 € verurteilt; außerdem hatte sie Prozesskosten in Höhe von 38.271,13 € zu tragen. Ferner wurden die Klägerin und ihr Ehemann von der H. aus für Verbindlichkeiten der GmbH übernommenen Bürgschaften in Regress genommen; im Rahmen einer vergleichsweisen Regelung verpflichtete sich die Klägerin zur Zahlung eines Abfindungsbetrages über 67.570,39 € sowie zur Übernahme von Prozesskosten über 12.100,55 €. Schließlich hat die Klägerin ihrem Ehemann wegen eines ihm aus Anlass der Erhöhung seiner stillen Beteiligung erteilten Schuldanerkenntnisses 100.000 € zu zahlen.
4
Die Klägerin verlangt von dem Beklagten wegen des Vorwurfs, bei der Unterredung vom 10. Februar 2006 in Kenntnis der für das Jahr 2005 maßgeblichen Zahlen die erbetene Aufklärung über die Insolvenzreife der GmbH versäumt zu haben, Zahlung von Schadensersatz über 452.648,17 €. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
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Entscheidungsgründe
5
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
6
Das Berufungsgericht hat gemeint, dass dem zwischen der GmbH und dem Beklagten geschlossenen Steuerberatervertrag keine drittschützende Wirkung zugunsten der Klägerin als Geschäftsführerin der GmbH innewohne. Es komme lediglich im Einzelfall eine Einbeziehung des Geschäftsführers in den Schutzbereich des Mandats mit der GmbH in Betracht, wenn ein Steuerberater monatlich gesondert abgerechnete Überschuldungsprüfungen zu fertigen habe, deren Arbeitsergebnis in evidenter Weise auch für den Geschäftsführer maßgeblich sei. Anhaltspunkte für eine derartige Gestaltung seien im Streitfall nicht ersichtlich. Die Klägerin könne eigene Ansprüche auch nicht auf einen mit dem Beklagten geschlossenen Auskunftsvertrag stützen.
7
Ansprüche der Klägerin aus abgetretenem Recht der GmbH schieden ebenfalls aus. Zwar habe dem Beklagten als Nebenpflicht seines Auftrags oblegen, die GmbH vor einer Insolvenzgefahr zu warnen. Darum wäre der Beklagte anlässlich der Unterredung vom 10. Februar 2006 verpflichtet gewesen, auf eine drohende Insolvenzgefahr und die Erforderlichkeit entsprechender Prüfungen hinzuweisen. Es stelle sich aber die Frage, in welchem Umfang eine Belehrung konkret geschuldet sei und ob von der Widerlegung einer Belehrungsbedürftigkeit auszugehen sei. Insoweit komme dem Umstand Bedeutung zu, dass die Klägerin in ihrer Funktion als GmbH-Geschäftsführerin und wegen ihrer Vorbildung als Diplomvolkswirtin nicht als in wirtschaftlichen Zusammenhängen unerfahren gelten könne. Im Übrigen seien sich die Beteiligten anlässlich der Besprechung des Insolvenzrisikos bewusst gewesen. Es stelle sich die weitere Frage, ob der Beklagte zu einem deutlicheren Hinweis verpflichtet gewesen sei, dass auf der Basis der vorhandenen Erkenntnisse keine abschließende Beurteilung des Insolvenzrisikos erfolgen könne. Hier habe sich der Beklagte auf eine hinreichende Beratung der Klägerin durch ihren Ehemann als zugezogenen Spezialisten verlassen dürfen.
II.
8
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt hat der Beklagte fehlerhafte Auskünfte über eine Insolvenzreife der GmbH erteilt.
9
1. Verpflichtet sich der Steuerberater zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens, handelt es sich um einen Werkvertrag (§ 631 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 1. Februar 2000 – X ZR 198/97, WM 2000, 973, 974; vom 7. Februar 2002 – III ZR 1/01, WM 2002, 1406, 1407), der keine steuerliche Beratung zum Gegenstand hat.
10
a) Der Tätigkeitsbereich des Steuerberaters geht über die eigentliche steuerliche Rechtsberatung weit hinaus. Die Hilfeleistung in Steuersachen umfasst nach § 1 Abs. 2 Nr. 2 StBerG auch „die Hilfeleistung bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen sowie bei der Aufstellung von Abschlüssen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind“ (vgl. auch § 33 Satz 2 StBerG). Darüber hinaus ist dem Steuerberater gemäß § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG ausdrücklich erlaubt „eine wirtschaftsberatende, gutachtliche oder treuhänderische Tätigkeit sowie die Erteilung von Bescheinigungen über die Beachtung steuerrechtlicher Vorschriften in Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen“. Davon wird auch verbreitet Gebrauch gemacht, und zwar vor allem – wie auch der Streitfall belegt – bei der Erstellung oder Prüfung von Vermögensübersichten und Erfolgsrechnungen (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1980 – NotZ 13/80, BGHZ 78, 237, 242). Das Berufsbild des Steuerberaters kennt danach wenigstens zwei selbständige Formen der Berufsausübung innerhalb des Sammelbegriffs „Hilfeleistung in Steuersachen“, einmal die eigentliche Steuerberatung in der Form echter Rechtsberatung auf dem Gebiet des Steuerrechts und zum anderen die Buchführungshilfe (BVerfGE 54, 301, 323). Von der eigentlichen Steuerberatung als Rechtsberatung auf dem Gebiet des Steuerrechts ist also die Hilfeleistung bei der Erfüllung der Buchführungspflichten zu unterscheiden (Gehre/Koslowski, StBerG, 6. Aufl., § 33 Rn. 8), die der Rechnungslegung zuzuordnen ist (Bundessteuerberaterkammer, DStR 1992, 683, 686).
11
b) Bereits der Gesetzgeber hat im Rahmen der Begründung der mit § 33 StBerG nahezu inhaltsgleichen Vorgängervorschrift des § 2 StBerG aF in Einklang mit dem Gesetzeswortlaut darauf verwiesen, dass lediglich die Aufstellung von Steuerbilanzen und deren steuerrechtliche Beurteilung als Steuerberatung zu verstehen sind (BT-Drucks. 3/128, S. 24). Gesetzlich vorgeschriebene Prüfungen sind gemäß § 319 Abs. 1 HGB – abhängig von der Größe des Unternehmens – Wirtschaftsprüfern und vereidigten Buchprüfern vorbehalten. Dagegen können die im Streitfall den Vertragsgegenstand bildenden freiwilligen Prüfungen grundsätzlich von „jedermann“ durchgeführt werden (Hense/Ulrich/Wollburg, WPO, 2008, § 2 Rn. 5), mithin auch von Steuerberatern (Bundessteuerberaterkammer DStR 1992, 683). Demgemäß besteht der eigens nach §§ 35, 36 StGebV zu vergütende Vertrag über die Abschlussprüfung unabhängig von dem über die laufende Steuerberatertätigkeit (BGH, Urteil vom 1. Februar 2000, aaO). Vor diesem Hintergrund scheidet bei Ausübung dieser Tätigkeit eine steuerrechtliche Rechtsberatung aus.
12
2. Der Klägerin können auf der Grundlage von § 634 Nr. 4 BGB aus Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter herzuleitende Schadensersatzansprüche (vgl. Zugehör in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 1705) gegen den Beklagten zustehen. Sie ist – was im Blick auf die verfolgten unterschiedlichen Schadensersatzansprüche von Bedeutung ist – sowohl in ihrer Funktion als Gesellschafterin wie auch als Geschäftsführerin in den Schutzbereich des von der GmbH mit dem Beklagten geschlossen Prüfvertrages einbezogen.
13
a) Neben dem gesetzlich geregelten Vertrag zu Gunsten Dritter (§ 328 BGB), bei dem ein Dritter unmittelbar das Recht erwirbt, die Leistung zu fordern, hat die Rechtsprechung den Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter herausgebildet, bei dem der Anspruch auf die geschuldete Hauptleistung allein dem Gläubiger zusteht, der Dritte jedoch in der Weise in die vertraglichen Sorgfalts- und Obhutspflichten, aber auch Hauptleistungspflichten, einbezogen ist, dass er bei deren Verletzung vertragliche Schadensersatzansprüche geltend machen kann (BGH, Urteil vom 8. Juni 2004 – X ZR 283/02, WM 2004, 1869, 1870).
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aa) Diese Rechtsprechung beruht auf einer maßgeblich durch das Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) geprägten ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB). Ihr liegt zugrunde, dass der Vertragsschuldner die Leistung nach dem Vertrag so zu erbringen hat, dass bestimmbare Dritte nicht geschädigt werden. Das hat zur Folge, dass einem einbezogenen Dritten im Falle der Schädigung ein eigener Ersatzanspruch als sekundärer vertraglicher Leistungsanspruch gegen den Schuldner zusteht (BGH, Urteil vom 20. April 2004 – X ZR 250/02, BGHZ 159, 1, 4). Der Bundesgerichtshof hat bei der Entscheidung darüber, ob eine bestimmte Person in den Schutzbereich eines Vertrages einbezogen ist, vielfach darauf abgestellt, ob das Wohl und Wehe dieser Person dem Vertragspartner der schutzpflichtigen Partei anvertraut war (BGH, Urteil vom 2. November 1983 – IVa ZR 20/82, NJW 1984, 355 f).
15
bb) Die Rechtsprechung darf jedoch nicht dahin missverstanden werden, dass damit die rechtlichen Grenzen für die Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrages abschließend bezeichnet werden sollten; vielmehr sollte lediglich die Frage entschieden werden, unter welchen Voraussetzungen allein aufgrund der objektiven Interessenlage – also ohne einen konkreten Anhaltspunkt in ausdrücklichen Parteierklärungen oder im sonstigen Parteiverhalten – die stillschweigende Vereinbarung einer Schutzpflicht für Dritte anzunehmen ist. Die Vertragsparteien können daher auch dann, wenn einer von ihnen Wohl und Wehe eines Dritten anvertraut ist, wirksam vereinbaren, dass dieser Dritte nicht in den Schutzbereich des Vertrages eingebunden werden soll (BGH, Urteil vom 23. Januar 1985 – IVa ZR 66/83, ZIP 1985, 398, 400).
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cc) Ebenso können die Vertragspartner im umgekehrten Fall, wenn es ihnen nicht um das Wohl und Wehe eines Dritten geht oder gehen muss, diesen Dritten ausdrücklich oder stillschweigend in den Schutzbereich ihres Vertrages einbeziehen (BGH, Urteil vom 19. März 1986 – IVa ZR 127/84, NJW-RR 1986, 1307). Auf dieser Entwicklungslinie hat sich eine Berufshaftung für Rechtsanwälte, Sachverständige, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer herausgebildet. Es handelt sich hier um Berufsgruppen, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügen und deren Vertragsleistungen von vornherein erkennbar zum Gebrauch gegenüber einem Dritten bestimmt sind und nach dem Willen des Auftraggebers mit einer entsprechenden Beweiskraft ausgestattet sein sollen, so etwa bei einer Bilanz oder einem Sachverständigengutachten, die nicht nur für das Innenverhältnis zwischen Auftraggeber und Sachverständigem oder Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bestimmt sind (BGH, Urteil vom 2. Juli 1996 – X ZR 104/94, BGHZ 133, 168, 172).
17
b) Nach § 323 Abs. 1 Satz 1 HGB ist der Abschlussprüfer zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Verletzt er vorsätzlich oder fahrlässig seine Pflichten, ist er der Kapitalgesellschaft und, wenn ein verbundenes Unternehmen geschädigt worden ist, auch diesem zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet (§ 323 Abs. 1 Satz 3 HGB). Wenn § 323 Abs. 1 Satz 3 HGB eine gesetzliche Haftung (nur) gegenüber der Kapitalgesellschaft und dem verbundenen Unternehmen regelt, bedeutet dies nicht, dass damit eine vertragliche Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten nach Maßgabe der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Dritthaftung Sachkundiger von vornherein ausgeschlossen wäre (BGH, Urteil vom 2. April 1998 – III ZR 245/96, BGHZ 138, 257, 261). In den Schutzbereich des Abschlussprüfervertrages zwischen einer Kapitalgesellschaft und einem Abschlussprüfer kann vielmehr ein Dritter einbezogen sein (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005 – III ZR 424/04, WM 2006, 423, 425).
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c) Schutzwirkungen zugunsten Dritter werden allgemein bei Verträgen angenommen, mit denen der Auftraggeber von einer Person, die über eine besondere, vom Staat anerkannte Sachkunde verfügt (z.B. öffentlich bestellter Sachverständiger, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater), ein Gutachten oder eine gutachtliche Äußerung bestellt, um davon gegenüber einem Dritten Gebrauch zu machen (BGH, Urteil vom 2. April 1998, aaO S. 260 f). Diese Grundsätze können auch in Fällen angewendet werden, in denen ein Abschlussprüfer mit der Prüfung einer Kapitalgesellschaft betraut ist, wenn sich für ihn nur hinreichend deutlich ergibt, dass von ihm anlässlich dieser Prüfung eine besondere Leistung begehrt wird, von der gegenüber einem Dritten, der auf seine Sachkunde vertraut, Gebrauch gemacht werden soll (BGH, aaO S. 261). Dem Abschlussprüfer muss erkennbar sein, dass von ihm im Drittinteresse eine besondere Leistung erwartet wird, die über die Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Pflichtprüfung hinausgeht (BGH, Urteil vom 6. April 2006 – III ZR 256/04, BGHZ 167, 155 Rn. 15 aE; vom 7. Mai 2009 – III ZR 277/08, BGHZ 181, 12 Rn. 39). Dieser Rechtsprechung liegt der allgemeine Rechtsgedanke zu Grunde, dass für die Vollständigkeit und Richtigkeit der in Verkehr gebrachten Angaben jeder einstehen muss, der durch von ihm in Anspruch genommenes und ihm auch entgegengebrachtes Vertrauen auf den Willensentschluss Dritter Einfluss genommen hat (BGH, Urteil vom 26. September 2000 – X ZR 94/98, BGHZ 145, 187, 198). In diesen Fällen beschränkt sich der Drittschutz nicht auf solche Personen, denen gegenüber dem Vertragspartner eine gesteigerte Fürsorgepflicht obliegt, weil keine Erweiterung des Haftungsrisikos eintritt, wenn dem Abschlussprüfer klar sein muss, dass die von ihm erbrachte Leistung der Sicherung wirtschaftlicher Drittinteressen dient (BGH, Urteil vom 20. April 2004, aaO S. 9). Diese Maßstäbe gelten auch für eine – hier in Rede stehende – freiwillige Prüfung (BGH, Urteil vom 6. April 2006, aaO Rn. 13).
19
d) Das Bestehen und die Reichweite eines etwaigen Drittschutzes sind durch Auslegung des jeweiligen Prüfvertrages zu ermitteln. Dabei kann nicht angenommen werden, dass der Abschlussprüfer ein so weites Haftungsrisiko zu übernehmen bereit ist, wie es sich aus der Einbeziehung einer unbekannten Vielzahl von Gläubigern, Gesellschaftern oder Anteilserwerbern in den Schutzbereich ergäbe (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2005, aaO). Anders liegt es indessen, wenn die Vertragsteile übereinstimmend davon ausgehen, dass die Prüfung auch im Interesse eines bestimmten Dritten durchgeführt und das Ergebnis diesem Dritten als Entscheidungsgrundlage dienen soll. Jedenfalls in solchen Fällen liegt in der Übernahme des Auftrags die schlüssige Erklärung des Prüfers, auch im Interesse des Dritten gewissenhaft und unparteiisch prüfen zu wollen (BGH, Urteil vom 2. April 1998, aaO S. 262). Dementsprechend kommt im Falle der Abschlussprüfung ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter in Betracht, wenn die Bilanz im Blick auf den Anteilserwerb durch einen bestimmten Dritten (BGH, Urteil vom 2. April 1998, aaO S. 262 f) oder im Blick auf eine Kreditvergabe durch einen bestimmten Dritten (BGH, Urteil vom 26. November 1986 – IVa ZR 86/85, WM 1987, 257 ff; vom 21. Januar 1993 – III ZR 15/92, WM 1993, 897; vom 19. Dezember 1996 – IX ZR 327/95, WM 1997, 359, 360) verwendet werden soll.
20
3. Das Berufungsgericht hat hier wesentlichen Auslegungsstoff, insbesondere den Zweck der erbetenen Stellungnahme sowie die eigenen Angaben des Beklagten zu Inhalt und Umständen der Auftragserteilung (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2004, aaO S. 6) außer Betracht gelassen. Bei Würdigung aller maßgeblichen Gegebenheiten ergibt die Auslegung, dass die Klägerin als Gesellschafterin ebenso wie als Geschäftsführerin in den Schutzbereich des von der GmbH mit dem Beklagten vereinbarten Prüfvertrages eingebunden ist. Der Abschlussprüfer hat nicht nur für Begutachtungen, sondern auch für Testate oder andere Äußerungen, die mit dem Prüfgegenstand im Zusammenhang stehen, die haftungsrechtliche Verantwortung zu übernehmen (BGH, Urteil vom 2. April 1998, aaO S. 260). Daher ist eine Einstandspflicht auch bei unrichtigen mündlichen Äußerungen begründet.
21
a) Die Klägerin ist als Gesellschafterin in den zwischen der GmbH und dem Beklagten geschlossenen Prüfvertrag einbezogen.
22
aa) Die Erklärungen des Beklagten dienten einmal den Interessen der GmbH. War der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 Abs. 1 InsO) zu befürchten, konnte ein entsprechender Hinweis des Beklagten die GmbH in die Lage versetzen, durch die Veräußerung von Vermögen oder durch eine Kreditaufnahme den Liquiditätsengpass zu beseitigen. Sofern eine Überschuldung (§ 19 Abs. 1 InsO) drohte, konnte eine Mitteilung Veranlassung geben, Maßnahmen zu treffen, um mit Hilfe der bisherigen Gesellschafter oder durch Gewinnung neuer Gesellschafter das Eigenkapital der GmbH zu erhöhen.
23
bb) Von den Erkenntnissen des Beklagten sollte aber auch bestimmungsgemäß gegenüber der Klägerin als Gesellschafterin der GmbH Gebrauch gemacht werden. Insoweit sollte eine über die Prüfung hinausgehende besondere Leistung erbracht werden, die Vermögensdispositionen der Klägerin als Gesellschafterin der GmbH beeinflusste.
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(1) Die Bilanz oder etwaige Äußerungen zu ihrem voraussichtlichen Inhalt (BGH, Urteil vom 2. April 1998, aaO, S. 260, 262) dienten ersichtlich nicht nur der Unterrichtung der GmbH. Von der Begutachtung des Beklagten sollte nach dem Parteiwillen auch gegenüber der Klägerin als Gesellschafterin Gebrauch gemacht werden (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 1998, aaO S. 262; vom 20. April 2004, aaO S. 4 f), weil die Feststellung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach dem beiderseitigen Parteiwillen über die Interessenlage der GmbH hinaus vor allem auch eine Entscheidungsgrundlage für die Klägerin als Gesellschafterin des Unternehmens darstellte, entweder zur Insolvenzvermeidung zu Lasten eigener Vermögenswerte geeignete Vorkehrungen zu ergreifen oder – verbunden mit Nachteilen für das eigene geschäftliche Ansehen -einer Liquidation oder der Einleitung eines Insolvenzverfahrens den Vorrang zu geben. Die Hinweise des Beklagten waren darum insbesondere für eine Entschließung der Klägerin von Bedeutung, ob sie als Gesellschafterin zugunsten des möglicherweise insolventen Unternehmens weitere Mittel – sei es durch eine Kapitalerhöhung, eine Darlehensgewährung oder die Besicherung eines Fremddarlehens – bereitstellen wollte. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Unterredung der Parteien – wie der Beklagte eingeräumt hat – insbesondere die Frage zum Gegenstand, ob eine Insolvenz durch Zuführung von Kapital abgewendet werden konnte. Folglich bildete die fachkundige Beratung des Beklagten auch aus seiner eigenen Warte die Grundlage für Sanierungsmaßnahmen der Gesellschafter und ging damit über eine reine Prüfung hinaus (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2006, aaO Rn. 15; vom 7. Mai 2009, aaO Rn. 39). Der Beklagte musste nach dem Inhalt des Auftrages davon ausgehen, dass seine Angaben von der Klägerin verwendet und zur Grundlage einer Entscheidung über Vermögensdispositionen gemacht werden würden (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2004, aaO S. 5).
25
(2) Da die Sanierung einer Gesellschaft regelmäßig ohne die Mitwirkung ihrer Gesellschafter nicht gelingen kann, sind die Interessen der GmbH und des Gesellschafters bei der Feststellung einer etwaigen Insolvenzreife gerade auch aus dem Blickwinkel eines Beraters aufs engste miteinander verwoben. Ein Gesellschafter – gleiches gilt für einen Geschäftsführer – wird zur Orientierung über eine Insolvenzgefahr den Rat des Abschlussprüfers seiner Gesellschaft einholen, weil dieser über ihre finanzielle Lage aufgrund der Vertrautheit mit ihren Verhältnissen und dank seiner besonderen Sachkunde am besten im Bilde ist. Wenden sich Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH zur Klärung einer Insolvenzgefahr an den ständigen, auch mit der Abschlussprüfung befassten steuerlichen Berater des Unternehmens und werden dabei Möglichkeiten der Insolvenzabwendung erwogen, kann sich der Berater nicht der Einsicht verschließen, dass er über die vermögensmäßigen Belange der GmbH hinaus zugleich diejenigen des Gesellschafters und des Geschäftsführers, die von einer Insolvenz ebenso unmittelbar wirtschaftlich betroffen sind, zu wahren hat. Dies gilt in besonderem Maße für den Streitfall, der dadurch geprägt ist, dass sich in der Person der Klägerin als Alleingesellschafterin, Geschäftsführerin und organschaftliche Vertreterin der GmbH sämtliche Interessen bündeln. Das Drittinteresse des Gesellschafters als Unternehmensinhaber an der Begutachtung liegt für den Abschlussprüfer auf der Hand; dies gilt vor allem dann, wenn er – wie hier – auf der Grundlage der Prüfung mit dem Gesellschafter im Rahmen einer persönlichen Kontaktaufnahme Sanierungsmöglichkeiten erörtert (vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2006, aaO Rn. 13 aE). Dann ist dem Berater bewusst, dass seine gegenüber der GmbH erteilten Auskünfte auch gegenüber dem Gesellschafter und Geschäftsführer verwendet werden. Nach dem Inhalt der mit der Klägerin geführten Erörterung musste der Beklagte erkennen, dass eine günstige Stellungnahme zu Sanierungsaussichten der GmbH die Klägerin wie auch ihren bereits still beteiligten Ehemann zu einer Erhöhung ihrer Beteiligung oder anstelle einer Liquidation zumindest zu einer – gleichfalls Vermögensrisiken bergenden – Fortsetzung der GmbH veranlassen konnte.
26
(3) Mit Rücksicht auf ihre finanziellen Interessen befand sich die Klägerin in einer vergleichbaren Lage wie der Erwerber eines Gesellschaftsanteils, der den Kauf von dem Inhalt einer Abschlussprüfung abhängig macht und deshalb nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 2. April 1998, aaO, S. 262 f) in die Schutzwirkung des Vertrags zwischen der Gesellschaft und dem Prüfer einbezogen ist. Bei der Beurteilung der Reichweite der Schutzwirkung kann nicht aus dem Auge gelassen werden, dass ein Gesellschafter dem Unternehmen, dessen wirtschaftliche Lage geprüft wird, sogar näher steht als ein bloßer Erwerbsinteressent. Da das Überleben einer in einer Krise befindlichen GmbH in erster Linie von finanziellen Zusagen ihrer Gesellschafter abhängt, ist der Gesellschafter in den Schutzbereich eines Prüfvertrages einbezogen, der auf die Feststellung der wirtschaftlichen Lage der Gesellschaft und verbleibende Sanierungsmöglichkeiten gerichtet ist. Handelt es sich – wie auch im Streitfall – um keine Publikumsgesellschaft, sieht sich der Prüfer nicht, was eine Einbeziehung in den Schutzbereich des Vertrages ausschließen könnte, einer unübersehbaren Vielzahl von Gesellschaftern als Anspruchsinhabern gegenüber.
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b) Die Klägerin ist auch in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführerin der GmbH in den Schutzbereich des Prüfvertrages einbezogen.
28
aa) Der Drittschutz beruht – wie bei der Einbeziehung der Klägerin als Gesellschafterin – darauf, dass von dem Inhalt des Gutachtens gegenüber der Klägerin zugleich in ihrer Funktion als Geschäftsführerin Gebrauch gemacht werden sollte. Weist das Gutachten eine Insolvenzreife der GmbH aus, ist es Aufgabe und Verpflichtung des Geschäftsführers, daraus die gesetzlichen Folgerungen durch die Stellung eines Insolvenzantrages zu ziehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1, § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO; § 64 Abs. 1 GmbHG aF). Der Gesellschafter ist – abgesehen von dem Sonderfall der Führungslosigkeit (§ 15 Abs. 1 Satz 2, § 15a Abs. 3 InsO) – zu einer Antragstellung nicht berechtigt. Hat der Geschäftsführer den Insolvenzantrag zu stellen, ist das Gutachten – wie der Abschlussprüfer weiß – nicht zuletzt für dessen Gebrauch bestimmt. Mit Rücksicht auf die Rechtsfolgen eines unterbliebenen oder verspäteten Insolvenzantrags wird die Stellungnahme des steuerlichen Beraters zur Grundlage einer Entscheidung über Vermögensdispositionen gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2004, aaO S. 5). Folgerichtig hat der Abschlussprüfer auch gegenüber dem Geschäftsführer, dem er das Ergebnis seiner Prüfung mündlich auseinandersetzt, für etwaige Fehler seiner Begutachtung einzustehen.
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bb) Ferner ist anerkannt, dass Sachverständige nach den für Verträge mit Schutzwirkung zugunsten Dritter aufgestellten Grundsätzen jedenfalls dann nicht nur gegenüber ihrem Vertragspartner haften, sondern auch Dritten für die Richtigkeit ihres Gutachtens einstehen müssen, wenn der Auftrag zur Erstattung des Gutachtens nach dem zugrunde zu legenden Vertragswillen der Parteien den Schutz Dritter umfasst (BGH, Urteil vom 20. April 2004, aaO S. 5). Mit Rücksicht auf die dem Geschäftsführer einer GmbH bei einer Missachtung der Insolvenzantragspflicht drohenden Haftungsfolgen (§ 823 Abs. 2 BGB, § 15a Abs. 1 InsO, § 64 Abs. 1 GmbHG aF; § 64 Satz 1 und 3 GmbHG, § 64 Abs. 2 GmbHG aF) schließt der Auftrag zur Feststellung der Insolvenzreife auch unter diesem Gesichtspunkt den Schutz des Geschäftsführers als Drittem ein.
30
Von dem Inhalt der Bilanz hing ab, ob die Klägerin als Geschäftsführerin der GmbH zur Stellung eines Insolvenzantrags verpflichtet war. Eine etwaige Antragstellung berührte – wie dem Beklagten bewusst war – folglich die rechtlichen Interessen sowohl der GmbH als auch ihrer Geschäftsführerin. Soweit Ersatzansprüche gegen den Geschäftsführer wegen verspäteter Antragstellung in Betracht zu ziehen sind, ist anerkannt, dass es an einem Verschulden fehlen kann, wenn ein unabhängiger externer Berater nach umfassender Darstellung der Verhältnisse der Gesellschaft und Offenlegung der erforderlichen Unterlagen eine Insolvenzreife ausschließt und das Prüfergebnis einer Plausibilitätskontrolle durch den Geschäftsleiter standhält (BGH, Urteil vom 14. Mai 2007 – II ZR 48/06, WM 2007, 1274 Rn. 15 ff; vom 27. März 2012 – II ZR 171/10, DB 2012, 1320 Rn. 16, 19). Das Risiko der Inanspruchnahme des Geschäftsführers einer GmbH wegen verspäteter Insolvenzantragstellung ist eine typische Begleiterscheinung einer fehlerhaften Bilanzierung (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 – IX ZR 193/10, WM 2011, 2334 Rn. 9). Vor diesem Hintergrund diente der Auftrag auch dem Schutz der Klägerin als Geschäftsführerin der GmbH (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2004, aaO). Mithin ist die Klägerin ebenfalls in ihrer Stellung als Geschäftsführerin der GmbH für eine Haftungserstreckung schutzwürdig.
31
4. Bei dieser Sachlage kann die Klage entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts begründet sein. Da die Klägerin als Gesellschafterin wie auch als Geschäftsführerin in den Schutzbereich des zwischen der GmbH und dem Beklagten geschlossenen Vertrags eingebunden ist, können ihr gegen den Beklagten Schadensersatzansprüche zustehen, wenn dieser anlässlich der Unterredung vom 10. Februar 2006 unrichtige Angaben über eine Insolvenzreife der GmbH gemacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 2. April 1998, aaO S. 260, 262).
III.
32
Auf die begründete Revision der Klägerin ist das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist mangels Entscheidungsreife gemäß § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
33
1. Nach der Zurückverweisung wird das Berufungsgericht konkrete Feststellungen über den Inhalt der zwischen den Parteien am 10. Februar 2006 geführten Unterredung zu treffen haben. Dabei ist insbesondere zu klären, ob die Klägerin von dem Beklagten nähere Hinweise über die wirtschaftliche Situation der GmbH verlangt hat und ob der Beklagte versäumt hat, auf eine eingetretene oder sich abzeichnende Insolvenz hinzuweisen.
34
a) Das Berufungsgericht geht – wenn auch im Rahmen seitens der GmbH an die Klägerin abgetretener Ansprüche – zutreffend davon aus, dass der Beklagte, sofern ihm – was bislang nicht festgestellt ist – noch nicht sämtliche Unterlagen für das Jahr 2005 vorlagen, grundsätzlich verpflichtet war, die Klägerin auf die Notwendigkeit der Erstellung einer Überschuldungsbilanz aufmerksam zu machen. Fehlerhaft meint das Berufungsgericht hingegen, ein solcher Hinweis sei im Blick auf die bei der Klägerin als Geschäftsführerin und Diplomvolkswirtin und bei ihrem Ehemann als Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisse entbehrlich gewesen.
35
b) Beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter muss sich der begünstigte Dritte abgesehen von einem eigenen (Zugehör, aaO Rn. 1707) grundsätzlich auch ein Mitverschulden (§ 254 Abs. 1 BGB) des unmittelbaren Vertragspartners zurechnen lassen, weil ihm keine weitergehenden Rechte als dem unmittelbaren Vertragspartner des Schädigers zustehen (BGH, Urteil vom 10. November 1994 – III ZR 50/94, BGHZ 127, 378, 384 f; vom 13. November 1997 – X ZR 144/94, WM 1998, 440, 442).
36
aa) Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts waren die Belehrungspflichten des Beklagten nicht wegen der Zuziehung eines der Beratung der Klägerin als Gesellschafterin und Geschäftsführerin verpflichteten Spezialisten gemindert (vgl. BGH, Urteil vom 4. Mai 2000 – IX ZR 142/99, WM 2000, 1591, 1593; vom 19. Juli 2001 – IX ZR 246/00, WM 2001, 1868, 1869). Zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann bestand kein den Beklagten entlastendes Beratungsmandat. Dieser hat an dem Beratungsgespräch zwischen der Klägerin und dem Beklagten aus ehelicher Fürsorge gefälligkeitshalber und im Eigeninteresse als stiller Gesellschafter der GmbH mitgewirkt, aber weder gegenüber der GmbH noch der Klägerin eine eigenständige vertragliche Beratungspflicht übernommen.
37
bb) Für die Annahme eines in der Person der Klägerin verwirklichten Mitverschuldens der GmbH ist ebenso kein Raum. Der Berater hat grundsätzlich von der Belehrungsbedürftigkeit seines Auftraggebers auszugehen. Dies gilt sogar gegenüber rechtlich und wirtschaftlich erfahrenen Personen (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2008 – IX ZR 238/06, WM 2008, 950 Rn. 13). Im Falle eines Beratungsvertrages kann es dem zu Beratenden nicht als mitwirkendes Verschulden vorgehalten werden, er hätte das, worüber ihn sein Berater hätte aufklären oder unterrichten sollen, bei entsprechenden Bemühungen auch ohne fremde Hilfe erkennen können. Selbst wenn ein Mandant über einschlägige Kenntnisse verfügt, muss er darauf vertrauen können, dass der beauftragte Berater die anstehenden Fragen fehlerfrei bearbeitet, ohne dass eine Kontrolle notwendig ist (BGH, Urteil vom 15. April 2010 – IX ZR 189/09, WM 2010, 993 Rn. 14). Das gilt auch im Anwendungsbereich des § 634 Abs. 4 BGB.
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2. Falls dem Beklagten eine Pflichtwidrigkeit anzulasten ist, bedarf es der weiteren Prüfung, ob der von der Klägerin geltend gemachte Schaden darauf beruht.
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a) Den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden muss derjenige beweisen, der den Schadensersatzanspruch geltend macht. Dabei kann ihm der Beweis des ersten Anscheins zustatten kommen (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1996 – IX ZR 327/95, WM 1997, 359, 360). In Verträgen mit rechtlichen Beratern gilt die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, wenn nach der Lebenserfahrung bei vertragsgemäßer Leistung des Beraters lediglich ein bestimmtes Verhalten nahegelegen hätte. Kommen als Reaktion auf eine zutreffende Beratung hingegen mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensmöglichkeiten in Betracht, hat der Mandant den Weg zu bezeichnen, für den er sich entschieden hätte. Ihn trifft in einem solchen Fall die volle Beweislast, weil der Anscheinsbeweis bei der Möglichkeit alternativer Verhaltensweisen nicht durchgreift (BGH, Urteil vom 20. März 2008 – IX ZR 104/05, WM 2008, 1042 Rn. 12).
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b) Ein Anscheinsbeweis zugunsten der Klägerin dürfte vorliegend ausscheiden, weil bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise unterschiedliche Maßnahmen in Betracht kamen. Lag bei der GmbH Insolvenzreife vor, bestand zum einen die Möglichkeit, einen Insolvenzantrag zu stellen. Der Klägerin stand jedoch die Alternative offen, innerhalb der Insolvenzantragsfrist (§ 15a Abs. 1 Satz 1 InsO; § 64 Abs. 1 GmbHG aF) eine Umstrukturierung vorzunehmen und insbesondere die Insolvenz durch Zuführung weiterer Mittel abzuwenden, um für die Zukunft einen wirtschaftlich erfolgreichen Geschäftsbetrieb der GmbH sicherzustellen. Bei dieser Sachlage ist – wenn nicht eine Sanierungsfähigkeit der GmbH angesichts der finanziellen Möglichkeiten der Klägerin bei vernünftiger Betrachtung von vornherein ausgeschlossen war – für einen Anscheinsbeweis kein Raum.
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3. Besteht ein Zurechnungszusammenhang, können die geltend gemachten Schadensersatzansprüche begründet sein.
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a) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die Differenzhypothese. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff BGB zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die Differenzhypothese umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung: Nur eine Vermögensminderung, die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, d.h. ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen (BGH, Urteil vom 19. Mai 2009 – IX ZR 43/08, WM 2009, 1376 Rn. 18).
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b) Im Blick auf die geltend gemachten Schäden ist zu unterscheiden, ob die Klägerin als Gesellschafterin oder Geschäftsführerin der GmbH von einer fehlerhaften Prüfungsleistung des Beklagten betroffen ist. Da die geltend gemachten Schäden in beiden Fällen in der Person der Klägerin wurzeln, ging die Abtretung von Ansprüchen der GmbH an die Klägerin mangels eines eigenen Schadens der GmbH von vornherein ins Leere.
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aa) Die Erstreckung des Schutzbereichs des Prüfvertrages auf die Klägerin als Gesellschafterin der GmbH kann einen Schadensersatzanspruch begründen, soweit sie im Vertrauen auf eine fehlende Insolvenzreife als Gegenleistung für die stille Beteiligung ihres Ehemannes diesem durch die Eingehung eines Schuldanerkenntnisses von 100.000 € eine Sicherung gewährt hat. Hinsichtlich der Inanspruchnahme aus der zugunsten der H. übernommenen Bürgschaft kommt eine Ersatzpflicht nur in Betracht, wenn feststeht, dass die Bürgschaft bei rechtzeitiger Insolvenzantragstellung nicht zum Tragen gekommen wäre. Soweit die Klägerin in dieser Sache kein streitiges Urteil erwirkt, sondern sich zu einer vergleichsweisen Zahlung verpflichtet hat, dürfte dies ihren Ersatzanspruch nicht berühren. Eine für den Schaden mitursächliche willentliche Handlung des Verletzten schließt es nicht ohne weiteres aus, den Schaden demjenigen zuzurechnen, der die schädigende Kausalkette in Gang gesetzt hat. Bestand für die Zweithandlung des Geschädigten ein rechtfertigender Anlass oder wurde sie durch das haftungsbegründende Ereignis herausgefordert, erweist sich die Reaktion auch nicht als ungewöhnlich oder gänzlich unangemessen, so bleibt der Zurechnungszusammenhang mit dem Verhalten des Schädigers bestehen. Die Beendigung einer rechtlichen Auseinandersetzung durch Vergleich kann grundsätzlich ein sachgemäßes Verhalten sein, das auf die Zurechnung des Schadens zum haftungsbegründenden Verhalten des Schuldners keinen Einfluss hat (BGH, Urteil vom 3. Dezember 1992 – IX ZR 61/92, NJW 1993, 1139, 1141).
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bb) Soweit die Klägerin wegen nach Eintritt der Überschuldung zu Lasten der GmbH vorgenommener Zahlungen in Regress genommen wurde, kann ihr wegen ihrer Einbeziehung als Geschäftsführerin in den Schutzbereich des Vertrages ein Schadensersatzanspruch im Blick auf den ausgeurteilten Betrag von 234.707 € zustehen.
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Dabei ist allerdings zu beachten, dass der – nach dem revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalt – am 10. Februar 2006 mit der Insolvenzprüfung betraute Beklagte für etwaige von der Klägerin zuvor ab Eintritt der Überschuldung seit dem 31. Januar 2005 zu Lasten der GmbH bewirkte Zahlungen mangels haftungsrechtlicher Zurechenbarkeit nicht einzustehen hat. Vielmehr kommt eine Ersatzpflicht erst ab dem Zeitpunkt in Betracht, zu dem der Beklagte nach dem Inhalt der mit der GmbH getroffenen Abrede das Prüfungsergebnis vorzulegen hatte. Zwar darf sich der Geschäftsführer, um Ansprüche aus § 64 Satz 1 und 2 GmbHG (§ 64 Abs. 2 GmbHG aF) auszuschließen, nach Auftreten der Krise nicht mit einer unverzüglichen Auftragserteilung begnügen, sondern muss außerdem auf eine unverzügliche Vorlage des Prüfungsergebnisses hinwirken (BGH, Urteil vom 27. März 2012 – II ZR 171/10, DB 2012, 1320 Rn. 19). Vorliegend geht es indessen nicht um die Vermeidung einer Inanspruchnahme des Geschäftsführers nach den genannten Vorschriften, sondern um vertragliche Regressforderungen eines erfolgreich wegen verbotener Zahlungen belangten Geschäftsführers gegen seinen Berater, die auf eine unzutreffende Beurteilung der Insolvenzreife der GmbH gestützt sind. Ein solcher vertraglicher Rückgriff ist auch eröffnet, wenn der Geschäftsführer den Berater verspätet – nach Erkennbarkeit der Krise – einschaltet oder nicht auf eine unverzügliche Durchführung der Prüfung Bedacht legt. Der Schadensersatzanspruch beruht nämlich auf dem Inhalt der getroffenen vertraglichen Vereinbarung.
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cc) Die zu Lasten der Klägerin entstandenen Prozesskosten von 38.271,13 € und 12.100,55 € können ebenfalls erstattungsfähig sein.
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Grundsätzlich hat der Schädiger für den gesamten durch seine pflichtwidrige Handlung verursachten Schaden Ersatz zu leisten. Steht der Schaden zwar mit der Handlung des Schädigers in einem kausalen Zusammenhang, ist dieser Schaden jedoch entscheidend durch ein völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes Verhalten des Geschädigten ausgelöst worden, kann allerdings die Grenze überschritten sein, bis zu der dem Schädiger das dieses Fehlverhalten und dessen Auswirkungen als haftungsausfüllender Folgeschaden seines Verhaltens zugerechnet werden kann (BGH, Urteil vom 11. Juli 1991 – VII ZR 315/90, NJW-RR 1991, 1428). Im Regelfall hat der Schädiger den gesamten durch die pflichtwidrige Handlung adäquat verursachten Schaden zu tragen. Dazu gehören auch die Kosten eines objektiv unberechtigten Rechtsstreits, falls der Geschädigte ihn vernünftigerweise für erforderlich halten durfte, um den Schaden abzuwenden oder gering zu halten (BGH, Urteil vom 23. März 2000 – III ZR 152/99, WM 2000, 1023, 1025). Zu den ersatzfähigen materiellen Schäden können also auch Aufwendungen für im Ergebnis erfolglose Prozesse gehören, wenn die Klägerin die Rechtsstreitigkeiten nach Lage der Dinge verständigerweise für erforderlich halten durfte (BGH, Urteil vom 25. September 1980 – III ZR 74/78, BGHZ 78, 274, 279 f).