AG Dortmund, Urteil vom 29.05.201 – 425 C 9258/17
Lässt ein Autowaschstraßenbetreiber ein Fahrzeug in die Waschanlage fahren, obwohl seine Mitarbeiter bemerkt hatten, dass dieses Fahrzeug noch entgegen den allgemeinen Anweisungen vor der Einfahrt in die Waschstraße eine Antenne auf dem Dach hat, so liegt eine schuldhafte Obhutspflichtverletzung gegenüber anderen Waschstraßenbenutzern vor, wenn deren Fahrzeug durch die abgerissene Antenne beschädigt wird.
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1610,08 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.1.2017 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu Händen des Sachverständigenbüros X. zur Rechnung Nr. BR14381 vom 5.1.2017 663,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.1.2017 zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Gebührenforderung seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 334,75 € freizustellen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Der Kläger ist Eigentümer eines Fahrzeugs Ford S-Max. Die Beklagte betreibt mehrere Waschanlagen in ganz Deutschland, darunter auch die in Dortmund.
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Am 4. Januar 2017 gegen 15.00 Uhr benutzte der Kläger die von der Beklagten betriebene Waschanlage in Dortmund. Dort ist der Betrieb der Beklagten zu 1) so organisiert, dass man als Nutzer zunächst an einem Schild das überschrieben ist „Einfahrbedingungen“ vorbeifährt. Darauf werden zunächst fett die maximalen Fahrzeuggrößen angegeben und dann etwas kleiner in rotem Fettdruck weitere Bedingungen. Dort heißt es unter anderem, dass Dachträger, Schilder und störende Aufbauten zu entfernen sind, Antennen müssten eingezogen bzw. abgeschraubt werden. Nach Passieren dieses Schildes werden die beiden parallel nebeneinander laufenden Spuren zunächst an zwei Mitarbeitern bzw. Mitarbeiterinnen vorbeigeführt, die je nach gewähltem Waschprogramm das entsprechende Entgelt kassieren oder den Gutschein, den man zusammen mit dem Tankvorgang gekauft hat, entwerten. Dazu muss der Fahrer die Scheibe der Fahrertür runterlassen um entweder zu bezahlen oder den Bon herauszugeben. Von dem Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin der Beklagten wird ein entsprechender maschinenlesbarer – neuer – Bon hinter die Windschutzscheibe gelegt. Anschließend werden diese beiden Spuren dann durch eine automatische Vorwäsche, bei der nur das Fahrzeug befeuchtet wird, geführt bevor sie dann vor einer längeren Geraden vor jeweils auf jeder Spur stehenden Mitarbeitern angehalten werden müssen, die mit entsprechenden Hochdruckreinigern das Fahrzeug von vorne, von der Seite und von hinten vorreinigen.
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Nach einer weiteren 90-Grad-Kurve nach links werden die Fahrzeuge dann von jeweils einem weiteren Mitarbeiter pro Spur auf ein Förderband eingewiesen. Dieser Mitarbeiter liest elektronisch die Daten des von dem ersten Mitarbeiter ins Fahrzeug gelegten Bons ein, damit das richtige Waschprogramm ausgelöst wird. Ferner reinigt er händisch mit Schaum und Bürste das Heck des Fahrzeugs und überzieht einen eventuell vorhandenen Heckscheibenwischer mit einer Plastiktüte.
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Vor dem Fahrzeug des Klägers nutzte der Fahrer eines Taxis des Streitverkündungsempfängers die Waschanlage. Es handelte sich um ein Taxi der Marke Mercedes-Benz. Dieses hatte auf dem Dach eine Antenne von ca. 54 cm Länge mit einem schwarzen elliptischen Sockel. Der Fahrer dieses Taxis hat diese Antenne vor der Einfahrt in die Waschanlage nicht entfernt. Die Beklagte hatte zunächst behauptet, dass diese Antenne von den Mitarbeitern nicht gesehen wurde und nicht in deren Sichtfeld lag. Es sei auch nicht zumutbar, mit den Fahrzeugführern entsprechend Rücksprache zu halten. Im Laufe des Verfahrens hat die Beklagte zu 1 ihren Sachvortrag dahingehend geändert, dass der Fahrer des Fahrzeugs der Streitverkündeten tatsächlich durch die Mitarbeiterin Frau x ausdrücklich angewiesen worden sei, die Dachantenne abzumontieren. Offenbar habe sich der Fahrer aber daran nicht gehalten.
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Diese Dachantenne ist dann während des Waschvorgangs des Taxis abgerissen worden. Sie verblieb in der Waschstraße und verfing sich wohl an einer der drehenden Bürsten. Hierdurch sind Schäden am Fahrzeug des Klägers entstanden. Der Kläger ließ ein vorgerichtliches Sachverständigengutachten erstellen, dass zu einem Schaden von 1585,08 € kam. Ferner verlangt die Klägerin die Bezahlung einer allgemeinen Kostenpauschale von 25,00 € und die Bezahlung des Sachverständigen in Höhe von 663,78 €.
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Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beklagte gegen die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verstoßen habe.
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Die Klägerin beantragt,
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wie erkannt.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, dass sie alleine schon wegen der Menge der täglich gewaschenen Fahrzeuge nicht verpflichtet sei, eine Kontrolle auf Einhaltung ihrer Einfahrbedingungen vorzunehmen.
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Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
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Das Gericht hat die Klägerin gemäß § 141 ZPO angehört. Ferner hat es zum Hergang der Ereignisse den Zeugen K vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 27.3.2018 Bezug genommen.
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Das erkennende Gericht hat die Parteien ferner darauf hingewiesen, dass es die Waschstraße aus jahrelanger eigener Benutzung kennt und festgestellt hat, dass nach Anhängigkeit der beiden vor dem erkennenden Gericht anhängigen Verfahren hinsichtlich des gleichen Vorfalls die Mitarbeiter bei der Kontrolle der Fahrzeuge konsequenter geworden sind, dass neuerdings teilweise von dem ersten Mitarbeiter der Kontakt mit dem Kunden hat, der Heckscheibenwischer festgeklebt wird und dass der erkennende Richter auch bemerkt hat, dass erstmals Fahrzeuge, die noch eine nicht abmontierte Antenne hatten, herausgewunken wurden. Diese Feststellung hatte der erkennende Richter nach dem Beweisaufnahmetermin im vorliegenden Verfahren und dem Parallelverfahren 425 C 9258/17 gemacht. Er hat die Parteien hiervon informiert.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist begründet.
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Die Beklagte zu 1) schuldet der Klägerin Schadensersatz gemäß § 280, 241 Abs. 2, 631, sowie § 823 Abs. 1 BGB.
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Sofern der klagenden Partei kein Fehlverhalten bei der Benutzung oder ein defektes Fahrzeug nachzuweisen sind, wird vermutet, dass die Schadensursache im Organisations- und Gefahrenbereich des die Waschstraße betreibenden Unternehmers liegt (OLG Frankfurt, NJW 2018, 637). Ein solcher Vorwurf wurde gegenüber der klagenden Partei nicht erhoben und ist auch nicht ersichtlich.
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Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht fest, dass die vom Fahrzeug des Streitverkündungsempfängers abgerissene Antenne am Fahrzeug der Klägerin sowie an wohl noch ca. 9 weiteren Fahrzeugen entstandenen Schäden verursacht hat. Die Beklagte hat die Anlage, nachdem sie dies bemerkt hatte, auch sofort stillgelegt. Die Schäden sind dann von einem Mitarbeiter der Beklagten zu 1) bei allen Fahrzeugführern sofort aufgenommen worden und teilweise auch durch die im Bereich der Innenraumreinigung liegende Polierwerkstatt beseitigt worden. Das hat der Zeuge K bekundet und wird letztendlich von der Beklagten auch nicht mehr bestritten. Vor dem erkennenden Gericht ist noch ein weiteres Verfahren wegen des gleichen Vorfalls anhängig (425 C 9659/17).
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Die schuldhafte Pflichtwidrigkeit auf Seiten der Beklagten liegt hier aber darin, dass sie das Fahrzeug des Streitverkündungsempfängers hat in die Waschanlage fahren lassen, obwohl ihre Mitarbeiter bemerkt hatten, dass dieses Fahrzeug noch entgegen den allgemeinen Anweisungen vor der Einfahrt in die Waschstraße eine Antenne auf dem Dach hatte. Insofern hat die Beklagte ihren eigenen Sachvortrag auch berichtigt. Sie räumt jetzt selbst ein, dass ihre Mitarbeiterin ganz am Anfang des Waschvorgangs bemerkt hatte, dass an dem Taxi die Antenne nicht abmontiert war. Soweit sie behauptet, dass ihre Mitarbeiterin dem Taxifahrer mitgeteilt habe, er müsse die Antenne beseitigen, reicht dies nicht aus. Eine solche Weisung muss auch kontrolliert werden. Es ist auf dem Gelände der Waschstraße der Beklagten auch genügend Platz, um ein Fahrzeug, das noch einmal verlassen werden muss um eine Antenne abzuschrauben, dort abzustellen. Gerichtsbekanntermaßen werden solche Weisungen und Kontrollen inzwischen wohl auch von Mitarbeitern der Beklagten vorgenommen. Der erkennende Richter lässt sein Fahrzeug in der Waschstraße schon seit vielen Jahren waschen und konnte bisher nie beobachten, dass die Mitarbeiter auf solche Dinge geachtet haben, zumal das Fahrzeug des erkennenden Richters auch einen auffälligen aber fest montierten Dachträger hat. Nach den Hauptverhandlungsterminen in den beiden vor dem erkennenden Gericht anhängigen Verfahren konnte der Richter aber beobachten, dass jetzt Fahrzeugführer vor ihm auf die nicht abmontierte Antenne angesprochen wurden und auch „herausgewunken“ wurden. Auch der erkennende Richter ist auf die Befestigungen an seinem Fahrzeug persönlich angesprochen worden.
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Alleine der Hinweis der Beklagten, dass diese Teile abzumontieren sind, sei es durch die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ vor der Einfahrt auf das Waschanlagengelände oder durch persönliche individuelle Ansprache genügt nicht. Die Beklagte zu 1) hat insofern eine besondere Obhutspflicht auch zu Gunsten der übrigen Waschanlagenbenutzer. Diese haben keinerlei Chance, auf Fehlverhalten von Fahrzeugführern vor ihnen in irgendeiner Form zu reagieren. Unabhängig davon, dass sie ein solches selbst kaum bemerken, kann die Beklagte so offensichtliche Verstöße gegen ihre eigenen Regelungen leicht erkennen und die davon ausgehenden Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer ausschließen. Der Hinweis auf der Einfahrttafel kann allenfalls zu einem Mitverschulden des Fahrzeugführers, der sich nicht daran gehalten hat, führen, kann aber keine Schadensersatzansprüche ausschließen, die anderen Verkehrsteilnehmern und Benutzern der Waschanlage zustehen, die durch die Nichteinhaltung dieser Regeln, die von Mitarbeitern der Beklagten auch bemerkt werden, verursacht werden.
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Nach alledem hatte die Beklagte am Vorfallstage ihren Geschäftsbetrieb nicht so organisiert, dass die Schädigung von Kunden soweit wie möglich ausgeschlossen war. Dies ist eine Pflichtwidrigkeit für die sie einstandspflichtig ist.
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Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist von der Klägerin der Schaden auch hinreichend substantiiert durch Vorlage des Kostenvoranschlages dargelegt worden. Dem erkennenden Gericht ist aus unzähligen Verkehrsunfallregulierungen bekannt, dass die hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherung durchaus in der Lage ist, solche Kostenvoranschläge oder vorgerichtliche Sachverständigengutachten durch eigene oder fremde Experten auf Plausibilität kontrollieren zu lassen. Das ist heute Routine bei der Regulierung solcher Schäden. Dies hat die Beklagte bzw. die hinter ihr stehende Haftpflichtversicherung nicht getan. Insofern ist ihr, wenn auch nur sehr vages, Bestreiten hier unerheblich.
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Zu erstatten sind auch die Kosten für die Beauftragung des vorgerichtlichen Sachverständigen und pauschale Kosten für Unkosten.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 281, 288 BGB. Dies gilt auch für den Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Kosten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.