Zur Freiwilligkeit der Rückzahlung des regulierten Betrages zur Erhaltung des Schadensfreiheitsrabatts

AG Grevenbroich. Urteil vom 24.01.2007 – 19 C 199/06

Zur Freiwilligkeit der Rückzahlung des regulierten Betrages zur Erhaltung des Schadensfreiheitsrabatts

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die gegen ihn gerichtete Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 120 % der zu vollstreckenden Forderung abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand
1
Der Kläger ist Versicherungsnehmer bei der Beklagten. Er unterhält bei ihr eine Kfz-Haftpflicht-Versicherung für sein Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen: … . Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrages waren u. a. die von der Beklagten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses verwendeten Tarifbestimmungen, in denen u. a. in § 15 Abs. 5 folgendes vorgesehen war:

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„Hat in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung der Versicherungsnehmer dem Versicherungsunternehmen die Entschädigungsleistungen für einen Schaden freiwillig, also nicht aufgrund einer gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtung, erstattet, so wird der Versicherungsvertrag insoweit als schadenfrei behandelt.“

3
Am 20.03.2005 wurde das versicherte Fahrzeug auf dem Parkplatz der Firma Lidl/Pocco Am Hammerwerk in Grevenbroich in einen Unfall verwickelt. Dabei wurde das Fahrzeug des Herrn … an der hinteren rechten Stoßstange des Wagens beschädigt. Fahrerin des Fahrzeuges war zum Unfallzeitpunkt die Ehefrau des Klägers.

4
Die Beklagte regulierte in der Folgezeit den Schaden gegenüber dem Geschädigten mit einem Gesamtbetrag von 1.520,90 €. Am 13.07.2005 teilte der jetzige Klägervertreter gegenüber der Beklagten zunächst mit, dass er die Ehefrau des Klägers anwaltlich vertrete. Mit Schreiben vom 23.08.2005, gerichtet an den Klägervertreter, das folgende Betreffzeilen enthielt:

5
Kfz-Haftpflicht-Schaden Nr. (….) …
Unser Kunde: …
Ihre Partei: …
Ihr Aktenzeichen: …

6
teilt die Beklagte folgendes mit: „Sehr geehrte Damen und Herren, Als Anlage übersenden wir Ihnen die Unterlagen der Gegenseite. Bitte teilen Sie uns recht kurzfristig mit, ob Ihre Mandantin den Schaden selber tragen will, zumal wir wegen Unfallflucht hier noch den Regress prüfen müssen (…)“. Auf das Schreiben (Bl. 26 d. A.) wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 01.09.2005, diesmal gerichtet an die Ehefrau des Klägers, teilte die Beklagte dieser mit, dass die Beklagte beabsichtige, die Ehefrau des Klägers gem. § 3 Ziffer 9 PflVG für die vorgenommene Regulierung regresspflichtig zu machen, da man davon ausgehe, dass der Tatbestand der Unfallflucht erfüllt sei. Auch auf dieses Schreiben (Bl. 6 d. A.) wird Bezug genommen. Unter dem 21.09.2005 teilte dann der Klägervertreter der Beklagten unter Angabe der Schadennummer und der Bezeichnung: „Ihr VN: ./. “ mit, dass sein Mandant im Augenblick nicht in der Lage sei, mit eigenen Mitteln den Schaden der Gegenseite auszugleichen und deshalb nachfrage, ob die Möglichkeit bestehe, dass zunächst die Beklagte den Schaden ausgleiche und er den Betrag ratenweise erstatte. Auch auf dieses Schreiben (Bl. 25 d. A.) wird Bezug genommen.

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Mit weiterem Schreiben vom 10.10.2005, erneut gerichtet an den Klägervertreter, teilte die Beklagte unter Angabe der Schadennummer sowie der Bezeichnung

8
„Unser Kunde: …
Ihr Aktenzeichen: … ./.“

9
folgendes mit:

10
„Ihr Mandant war wohl bei dem Außendienstmitarbeiter vorstellig und bat um Ratenzahlungen in Höhe von 200,00 € im Monat. Um diesem Vorschlag zustimmen zu können, bitte ich um Übersendung der aktuellen Einkommenssituation (…) Auch bei Rückzahlung des Schadens bleibt die Vertragsbelastung bestehen“. (Bl. 38 d. A.).

11
Mit weiterem Schreiben vom 07.11.2005, ebenfalls gerichtet an den Klägervertreter mit dem Betreff:

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„Kfz-Haftpflicht-Schaden-Nr. (…) …
Unser Kunde: …
Ihre Partei: …
Ihr Aktenzeichen: …“

13
nahm die Beklagte Bezug auf ein Fax vom 25.10.2005 und teilte mit:

14
„Aufgrund der uns vorliegenden Lohnabrechnung sind wir bereit, den Regress durch Ratenzahlungen von monatlich 300,00 € zu erledigen. Bitte veranlassen Sie, dass Ihre Mandanten die Anlagen unterschrieben zurücksenden“.

15
Auch auf dieses Schreiben (Bl. 35 d. A.) wird Bezug genommen.

16
Mit Datum vom 16.11.2005 unterzeichnete sodann die Ehefrau des Klägers folgende von der Beklagten vorbereitete Erklärung:

17
„Schuldanerkenntnis Ich,… , erkenne an, der (…) einen Betrag von 1.520,90 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 02.09.2005 zu schulden. Ich verpflichte mich, den anerkannten Schuldbetrag in monatlichen Raten von 300,00 € ab dem 01.12.2005 abzuzahlen (…)“.

18
Auf die zur Akte gereichte Urkunde (Bl. 22 d. A.) wird Bezug genommen.

19
Die Forderung der Beklagten wurde sodann in Raten vollständig ausgeglichen, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob der Kläger oder seine Ehefrau die Zahlungen erbracht haben.

20
In der Folgezeit nahm die Beklagte eine Höherstufung des Schadensfreiheitsrabatt des Versicherungsvertrages vor.

21
Der Kläger ist der Auffassung, hierzu sei sie nicht berechtigt gewesen. Er habe die Forderung der Beklagten freiwillig ausgeglichen, so dass die Versicherung als schadensfrei gem. § 15 Abs. 5 der Tarifbestimmungen zu gelten habe.

22
Die Zahlung sei auch nicht etwa deshalb erfolgt, da seine Ehefrau zu einem entsprechenden Ausgleich verpflichtet gewesen wäre, eine Unfallflucht habe nämlich nicht vorgelegen. Seine Ehefrau habe den Zusammenstoß nicht mitbekommen.

23
Nachdem der Kläger zunächst beantragt hat,

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1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm aus dem Verkehrsunfall vom 20.03.2005 Versicherungsschutz zu erteilen und

25
2. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, den Schadensfreiheitsrabatt des Klägers aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 20.03.2005 zu erhöhen,

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hat er nach Hinweis durch das Gericht die Klage zu Ziffer 1.) zurückgenommen und im übrigen noch beantragt,

27
die Beklagte zu verurteilen,

28
die aus Anlass des Verkehrsunfalls vom 20.03.2005 vorgenommene Höherstufung des Schadensfreiheitsrabattes rückgängig zu machen.

29
Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

31
Sie ist der Auffassung, die auf den Versicherungsvertrag erfolgte Zahlung sei nicht freiwillig erfolgt, sondern alleine deshalb, weil die Ehefrau auf den Rückgriffanspruch der Beklagten hin gezahlt habe. Hierzu sei sie auch nach dem Gesetz verpflichtet gewesen, da sie trotz Bemerkens des Unfalles sich von der Unfallstelle entfernt, mithin also Fahrerflucht begangen habe.

Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

33
Zunächst stellt die vom Kläger vorgenommene Antragsänderung eine gemäß § 263 ZPO zulässige Klageänderung dar. Der jetzt noch aufrechterhaltene Klageantrag stellt eine Abwandlung des ursprünglich unter Ziffer 2) erhobenen Feststellungsantrages dar. Dieser wäre, worauf das Gericht den Kläger hingewiesen hat, unzulässig gewesen. Die vom Kläger vorgenommene Klageänderung war daher zur Vermeidung eines weiteren Prozesses zwischen den Parteien sachdienlich und vom Gericht zuzulassen.

34
Die Klage ist jedoch unbegründet.

35
Entgegen der Auffassung des Klägers war die Beklagte berechtigt, eine Höherstufung des Schadensfreiheitsrabattes aufgrund des Unfallereignisses vom 20.03.2005 vorzunehmen. Aufgrund des Unfalles war die Versicherung als im Jahr 2005 nicht schadenfrei zu behandeln. Etwas anderes ergibt sich entgegen der klägerischen Auffassung auch nicht aus § 15 Abs. 5 der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Tarifbestimmungen. Aufgrund der zwischen den Parteien gewechselten vorprozessualen Korrespondenz geht das Gericht vielmehr davon aus, dass die unstreitig seitens der Eheleute erfolgte Erstattung des regulierten Betrages an die Beklagte nicht freiwillig, also ohne vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung im Sinne des § 15 Abs. 5 der Tarifbestimmungen erfolgte. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Zahlung aufgrund des seitens der Ehefrau des Klägers unterschriebenen Schuldanerkenntnisses vom 16.11.2005 erfolgte. Dabei kann auch dahinstehen, ob – was zwischen den Parteien streitig war – sich die Ehefrau des Klägers tatsächlich eine Unfallflucht hat zu schulden kommen lassen.

36
Aufgrund des von ihr ausgesprochenen Schuldanerkenntnisses vom 16.11.2005 hat sie sich jedenfalls gegenüber der Beklagten vertraglich verpflichtet, den Schaden in monatlichen Raten von 300,00 € abzutragen. Die in der Folgezeit vorgenommenen Zahlungen können daher nur dahingehend ausgelegt werden, dass sie auf dieses von der Ehefrau des Klägers abgegebene Schuldanerkenntnis erfolgten und nicht etwa eine freiwillige Ausgleichszahlung des Beklagten darstellen. Jede andere Auslegung der geleisteten Zahlung wäre nach Auffassung der erkennenden Richterin realitätsfremd.

37
Zwar ist dem Kläger zuzugeben, dass insbesondere aufgrund der vorprozessual gewechselten Korrespondenz, insbesondere des Schreibens der Beklagten vom 10.10.2005, das ausschließlich den Kläger und nicht seine Ehefrau in der Betreffzeile angab und in dem erstmals der Gedanke einer Ratenzahlung erwähnt ist, darauf hindeuten könnte, dass entsprechende Vereinbarungen mit dem Kläger selbst und nicht mit seiner Ehefrau getroffen werden sollten. Auf einen entsprechenden Ausgleichswillen des Klägers deutet auch das Schreiben des Klägervertreters vom 21.09.2005 hin, in dem angekündigt wird, dass zwar die Beklagte gebeten wird in Vorlage zu gehen, der Kläger aber den Betrag später ratenweise ausgleichen wolle.

38
Schließlich war es aber dennoch die Ehefrau des Klägers, die sich dann gegenüber der Beklagten verbindlich verpflichtet hat, den Betrag ab dem 01.12.2005 abzuzahlen. Damit können die geleisteten Zahlungen lediglich als solche ausgelegt werden, die auf das Anerkenntnis vom 16.11.2005 hin erfolgten, mithin also aufgrund einer vertraglichen Verpflichtung und zum anderen, da in dem Schuldanerkenntnis die Ehefrau ausdrücklich eingeräumt hat, der Beklagten einen entsprechenden Betrag zu schulden, auch aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung, nämlich der Verpflichtung zum Schadensersatz aufgrund des Tatbestandes der Unfallflucht.

39
Würde man hingegen davon ausgehen, dass die geleisteten Zahlungen als freiwillige Rückzahlung seitens des Klägers als dem Versicherungsnehmer der Beklagten erfolgt wären, so hätte dies zur Folge, dass die Beklagte weiterhin berechtigt wäre, aus dem Schuldanerkenntnis gegenüber der Ehefrau des Klägers vorzugehen. Das kann nicht im Interesse des Klägers gelegen haben, so dass vielmehr davon auszugehen ist, dass Zahlungen, seien sie nun durch die Ehefrau des Klägers oder den Kläger vorgenommen worden, alleine auf das Schuldanerkenntnis seiner Ehefrau vom 16.11.2005 hin erfolgten. Mithin fehlt es an einer Freiwilligkeit der Zahlungen gem. § 15 Abs. 5 der Tarifbestimmungen, so dass der Versicherungsvertrag nicht als schadensfrei im Sinne dieser Norm zu behandeln ist.

40
Die Kostenentscheidung beruht, soweit die Klage zurückgenommen wurde, auf § 269 Abs. 3 ZPO und im übrigen auf § 91 Abs. 1 ZPO.

41
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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