LAG Nürnberg, Urteil vom 11.07.2019 – 3 Sa 58/19
Zur Frage, ob ein Arbeitszeugnis ungelocht erteilt werden muss
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden, Kammer Schwandorf, vom 09.01.2019, Az.: 3 Ca 615/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin das Arbeitszeugnis auf ungelochtem Geschäftspapier zu erteilen.
Die 68 Jahre alte Klägerin war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin vom 01.10.1979 bis 31.03.2017 mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt ca. 1.950,00 Euro beschäftigt. Bei der Beklagten handelt es sich um einen Handwerksbetrieb mit etwa 20 Mitarbeitern, der im Baubereich tätig ist (Verkauf und Verlegung von Fliesen und Natursteinarbeiten).
Die Beklagte erteilte der Klägerin unter dem 31.03.2017 ein qualifiziertes Arbeitszeugnis auf gelochtem Geschäftspapier (Blatt 4 f. der Akten).
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Klage vom 25.05.2018, die am 28.05.2018 beim Arbeitsgericht Weiden – Kammer Schwandorf – eingegangen ist.
Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien in erster Instanz und ihrer Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben über die bestrittene Behauptung der Beklagten, sie verfüge ausschließlich über gelochtes Geschäftspapier durch Vernahme der Zeugin K… und P… Mit Endurteil vom 09.01.2019 hat die Kammer die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe den Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines formell einwandfreien Zeugnisses erfüllt. Zur Überzeugung des Gerichts verfüge die Beklagte nur über gelochtes Geschäftspapier. Einen Anspruch auf Beschaffung eines neuen, ungelochten Geschäftspapiers zur Erstellung eines Zeugnisses habe die Klägerin nicht. Es sei nicht ersichtlich, dass ein ungelochtes Zeugnis maßgebender Standard bei einem eher kleinen Handwerksbetrieb in der Baubranche sei. Auch liege in der Verwendung des gelochten Geschäftspapiers kein unzulässiges Geheimzeichen.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – vom 09.01.2019 ist der Klägerin am 17.01.2019 zugestellt worden. Die Berufungsschrift der Klägerin vom 13.02.2019 ist beim Landesarbeitsgericht Nürnberg am 15.02.2019 eingegangen, die Berufungsbegründungsschrift vom 13.03.2019 am selben Tag.
Die Klägerin wendet sich gegen das Urteil und macht geltend, die Beklagte habe den Zeugniserteilungsanspruch durch Erteilung des Arbeitszeugnisses auf gelochtem Geschäftspapier noch nicht erfüllt. Zu Unrecht stelle das Arbeitsgericht auf die Größe der Beklagten und auf ihre Tätigkeit in der Baubranche ab. Auch unter Berücksichtigung dieser Umstände könne der Zeugnisanspruch nicht auf gelochtem Geschäftspapier erfüllt werden, selbst wenn im Betrieb ausschließlich gelochtes Geschäftspapier vorhanden sei. Es sei in jeder Hinsicht ungewöhnlich ein Arbeitszeugnis auf gelochtem Geschäftspapier zu erteilen. Eine Rückfrage bei der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz habe ergeben, dass dort die Aushändigung eines gelochten Arbeitszeugnisses noch nicht vorgekommen sei. Diese Abweichung vom Standard sei auf den ersten Blick für jedermann erkennbar. Es könne dadurch durchaus bei dem unbefangenen Betrachter der Eindruck entstehen, dass die Beklagte nicht die notwendige Sorgfalt bei der Erteilung des Arbeitszeugnisses angewendet habe. Es müsse sich der Eindruck aufdrängen, die Beklagte habe das Zeugnis nachträglich gelocht und damit in der Form herabgewertet. Entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts stelle die Lochung auch ein unzulässiges Geheimzeichen dar. Es sei allgemein anerkannt, dass Arbeitszeugnisse auf ungelochtem Geschäftspapier erteilt würden. Es ergäbe sich dann für den auch vom Arbeitsgericht zu Recht als Maßstab zugrunde gelegtem unvoreingenommenen Leser mit Branchenkenntnis, dass mit dem Abweichen von der üblichen Form auch eine Distanzierung von dem Zeugnis verbunden sei. Selbst wenn die Beklagte nur gelochtes Geschäftspapier verwende, wäre es ihr doch zumutbar gewesen, einige Bögen ungelochtes Geschäftspapier vorzuhalten. Nach Angaben des Zeugen würden etwa zehn Prüfbögen 20,00 Euro kosten, dieser Aufwand sei in jedem Fall zumutbar.
Die Klägerin und Berufungsklägerin stellt folgende Anträge:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden, AZ: 3 Ca 615/18, vom 09.01.19 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin das unter dem 31.03.17 ausgestellte Arbeitszeugnis auf ungelochtem Geschäftspapier der Beklagten zu erteilen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt:
Die Berufung wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Beklagte verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden. Sie ist der Ansicht, dass der Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses bereits erfüllt sei. Ein Arbeitszeugnis müsse auch nach seiner äußeren Form nach gehörig sein. Sofern in üblicher Weise im geschäftlichen Verkehr Firmenbögen verwendet würden und der Arbeitgeber solche besitze und auch benutze, habe er diese zur Erstellung des Arbeitszeugnisses zu verwenden. Die Beklagte verwende ausschließlich gelochtes Geschäftspapier, da ein ungelochtes Geschäftspapier nicht vorhanden sei. Es sei im geschäftlichen Verkehr allgemein nicht unüblich, bereits gelochte Schreiben zu versenden. Die Verwendung von gelochtem Geschäftspapier sei somit nicht nur im betreffenden Geschäftszweig der Beklagten Standard, sondern auch in vielen anderen Bereichen und Unternehmen. Die Verwendung des gelochten Geschäftspapiers sei auch kein unzulässiges Geheimzeichen, damit lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Beklagte sich vom Zeugnisinhalt distanziere oder die Klägerin hierdurch kritisiere.
Hinsichtlich des weitergehenden Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 13.06.2019 verwiesen. Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen.
Gründe
I.
Die Berufung ist zulässig.
Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – ist gemäß § 64 Abs. 1 ArbGG die Berufung statthaft. Die Berufungssumme gemäß § 64 Abs. 2 b ArbGG ist erreicht. Die Berufung ist form- und fristgerecht gemäß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO eingelegt und begründet worden.
II.
Die zulässige Berufung ist aber unbegründet.
Das Landesarbeitsgericht Nürnberg folgt der sorgfältig und umfassend begründeten Entscheidung des Arbeitsgerichts Weiden – Kammer Schwandorf – in vollem Umfang und macht sich die Begründung zu eigen. Von einer lediglich wiederholenden Wiedergabe der Urteilsgründe wird abgesehen.
Lediglich ergänzend ist zum Berufungsvorbringen festzustellen, dass auch das Berufungsgericht davon ausgeht, dass im vorliegenden Fall die Beklagte durch Erteilen des Zeugnisses auf gelochtem Geschäftspapier ihre Verpflichtung aus § 109 Abs. 1 GewO vollständig erfüllt hat. Der Inhalt des Zeugnisses ist zwischen den Parteien nicht streitig, die Klägerin beanstandet allein die Erteilung des Zeugnisses auf gelochtem Geschäftspapier. Die Vernahme der Zeugen K… und P… hat zur Überzeugung des Erstgerichts ergeben, dass die Beklagte ausschließlich über gelochtes Geschäftspapier verfügt. Gegen diese Würdigung des Erstgerichts sind keine Angriffe in der Berufung erfolgt. Auch das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Beklagte ausschließlich über gelochtes Geschäftspapier verfügt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss das Arbeitszeugnis auch nach seiner äußeren Form gehörig sein. Danach ist haltbares Papier von guter Qualität zu benutzen, das Zeugnis muss sauber und ordentlich geschrieben sein und darf keine Flecken, Radierungen, Verbesserungen, Durchstreichungen oder Ähnliches enthalten. Die äußere Form muss außerdem so gestaltet sein, dass es nicht einen seinem Wortlaut nach sinnentstellenden Inhalt gewinnt. Durch die äußere Form darf nicht der Eindruck erweckt werden, der ausstellende Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärung. Hierbei handelt es sich um einen in § 113 Abs. 3 GewO (jetzt: § 109 Abs. 2 GewO) zum Ausdruck kommenden allgemeinen Grundsatz des Zeugnisrechts (BAG, Urteil vom 03.03.1993 – 5 AZR 182/92, NJW 1993, 2197 m. w. N.). Dabei geht das BAG davon aus, dass, wenn im Geschäftszweig des Arbeitgebers für schriftliche Äußerungen üblicherweise Firmenbögen verwendet werden und auch der Arbeitgeber solches Geschäftspapier verwende, das Zeugnis nur dann ordnungsgemäß ist, wenn es auf Firmenpapier geschrieben ist.
Unter zugrunde legen dieser Rechtsprechung des BAG, der das Berufungsgericht ausdrücklich beipflichtet, ist das streitgegenständliche Arbeitszeugnis formell ordnungsgemäß erteilt worden. Das Zeugnis ist sauber und ordentlich geschrieben. Es enthält keine Flecken oder Ähnliches. Der Arbeitgeber hat das bei ihm vorhandene Geschäftspapier verwendet, er verfügt nur über gelochtes Geschäftspapier.
Zur äußeren Form von Zeugnissen und daraus vermuteten Geheimzeichen liegt bereits umfangreich Rechtsprechung vor. Bereits mit Urteil vom 21.09.1999 (Az.: 9 AZR 893/98) hat das BAG entschieden, dass der Anspruch auf Erteilung eines Arbeitszeugnisses auch mit einem Zeugnis erfüllt wird, das der Arbeitgeber zweimal faltet, um den Zeugnisbogen in einen Geschäftsumschlag üblicher Größe unterzubringen. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat entschieden, dass der Arbeitnehmer bei einem mehrseitigen Zeugnis keinen Anspruch auf ein „ungetackertes“ Zeugnis habe. Das LAG stellt fest, dass es kein unzulässiges Geheimzeichen darstelle, wenn der Arbeitgeber die Blätter des Zeugnisses mit einem Heftgerät körperlich miteinander verbinde. Es gebe keinerlei Belege dafür, dass ein „getackertes Zeugnis“ einem unbefangenen Arbeitgeber mit Berufs- und Branchenkenntnis signalisiere, der Zeugnisaussteller sei mit dem Arbeitnehmer nicht zufrieden gewesen. Die Klägerin verkenne, dass es auf die Sicht des objektiven Empfängerhorizonts und nicht auf vereinzelt geäußerte Rechtsansichten ankomme, selbst wenn sie im Internet zu „Geheimcodes“ kursierten (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.11.2017 – 5 Sa 314/17, Beck RS 2017, 140033).
Auch beim gelochten Zeugnis liegt kein unzulässiges Geheimzeichen vor, insoweit ist die Klägerin der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast verweist das BAG in seinem Urteil vom 15.11.2011 (Az.: 9 AZR 386/10, NZA 2012, 448) auf die Ausführungen im Erfurter Kommentar, § 109 GewO, Rn. 85. Demnach trägt die Partei die Darlegungs- und Beweislast für die Verwendung verbotener Geheimzeichen im Sinne des § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO, die hieraus Rechtsfolgen herleiten will. Trotz Hinweises der Kammer hat die Klägerin lediglich eine Auskunft der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz vom 19.06.2019 (Blatt 123 der Akten) vorgelegt, in der mitgeteilt wird, dass die Aushändigung eines gelochten Arbeitszeugnisses (unabhängig von der Mitarbeiterzahl des Betriebes) bei den der Handwerkskammer bekannten Vorgängen in der Praxis noch nicht vorgekommen sei. Grundsätzlich erfolge die Erteilung eines Arbeitszeugnisses auf sauberem Geschäftspapier.
Damit ist nicht dargelegt, dass es sich bei der Erstellung eines Arbeitszeugnisses auf gelochtem Geschäftspapier um ein Geheimzeichen handelt. Allein die Ungewöhnlichkeit eines Vorganges vermag ein Geheimzeichen des Inhalts, der Arbeitgeber distanziere sich von dem Zeugnis, nicht zu begründen. Auch ein gefaltetes oder ein getackertes Zeugnis mag ungewöhnlich sein, nach der Rechtsprechung liegt aber kein unzulässiges Geheimzeichen vor. Zu berücksichtigen ist hier, welche Gepflogenheiten in formeller Hinsicht in der betreffenden Branche bestehen, das heißt, welches Geschäftspapier sonst üblich ist. Es kommt aber entscheidend auf die Gepflogenheiten des ausstellenden Arbeitgebers und darauf an, welches Geschäftspapier dieser besitzt und benutzt (vgl. BAG vom 03.03.1993 – 5 AZR 182/92 a. a. O.). Die Beklagte verwendet das einzige Geschäftspapier, das sie besitzt, es ist gelocht. Das gelochte Arbeitszeugnis erweckt jedenfalls im hier vorliegenden handwerklichen Baubetrieb nicht den Eindruck, der Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärungen.
Eine anderslautende, übereinstimmende Beurteilung von unbefangenen Arbeitgebern mit Berufs- und Branchenkenntnis konnte die Klägerin nicht substantiiert vortragen.
Auch nach Ansicht der Kammer stellt ein gelochtes Geschäftspapier ebenso wenig wie ein getackertes oder gefaltetes Zeugnis ein unzulässiges Geheimzeichen dar. Damit hat die Beklagte den Zeugnisanspruch der Klägerin vollständig erfüllt (§ 362 BGB). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses auf ungelochtem Geschäftspapier. Ob ein Arbeitgeber, der über gelochtes und ungelochtes Geschäftspapier verfügt, im Rahmen der nachvertraglichen Fürsorgepflicht gehalten wäre, das Zeugnis auf ungelochtem Papier zu erteilen, muss nicht entschieden werden. Die Beklagte musste jedenfalls nicht nur zur Erteilung des Zeugnisses der Klägerin ungelochtes Papier anschaffen.
Daher war die Berufung zurückzuweisen.
III.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 64 Abs. 6 ArbGG, 97 Abs. 1 ZPO.
2. Eine Zulassung der Revision war gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG nicht veranlasst.