LG Düsseldorf, Urteil 16.05.2012 – 23 S 296/11
Zur Frage der Mithaftung des Vermieters bei ungenehmigter Musikwiedergabe in dessen Räumen
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 09.09.2011 – 57 C 465/11 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen
Gründe
A.
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Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen widerrechtlicher Wiedergabe von Musikwerken in Anspruch, welche im Rahmen der A.am 16.04.2010 im B. B. in C. erfolgte. Der Beklagte hatte die Räumlichkeiten des B. an den Organisator der „A.“, Herrn D., vermietet. Ob er über die Überlassung der Räume und die Übernahme der Endreinigung hinaus weitere Leistungen hinsichtlich der Durchführung der Party erbrachte, ist zwischen den Parteien streitig. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird nach § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen. Entscheidungserhebliche Änderungen und Ergänzungen haben sich im Berufungsverfahren nicht ergeben.
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Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Beklagte sei zumindest im Hinblick auf Schadensersatzansprüche nicht passivlegitimiert, da er weder Täter der begangenen Urheberrechtsverletzungen sei noch als Veranstalter hafte. Zudem bestehe mangels Gehilfenvorsatzes des Beklagten auch keine Schadensersatzpflicht als Teilnehmer der ungenehmigten Musikwiedergabe.
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Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag in vollem Umfang weiterverfolgt. Sie ist der Ansicht, dass Amtsgericht habe den Veranstalterbegriff zu sehr eingegrenzt. Insbesondere könne die Einflussnahme auf die Programmgestaltung einer Veranstaltung nicht das alleinig maßgebliche Merkmal für die Veranstaltereigenschaft sein. Zu berücksichtigen sei zudem, dass die rechtlichen Möglichkeiten der Klägerin, Urheberechtsverletzungen zu verfolgen, deutlich eingeschränkt würden, sähe man die Vermieter von Veranstaltungsräumlichkeiten nicht als Mitveranstalter an.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des am 09.09.2011 erlassenen Urteils des Amtsgerichts Düsseldorf mit dem Az. 57 C 465/11 zu verurteilen, an sie 274,06 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2010 sowie 8,00 € vorgerichtliche Kosten zu zahlen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
B.
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I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt, §§ 511, 517, 519 ZPO, und ordnungsgemäß begründet worden, § 520 ZPO.
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II. In der Sache hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg, da die Klage unbegründet ist.
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Zu Recht hat das Amtsgericht angenommen, dass der Klägerin gegen den Beklagten bereits dem Grunde nach kein Schadensersatzanspruch in Höhe von 274,06 € gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG i. V. m. § 830 BGB zusteht.
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Die Kammer teilt die Auffassung des Amtsgerichts, dass dem Beklagten die notwendige Passivlegitimation fehlt.
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Urheberechtsverletzungen stellen unerlaubte Handlungen dar. Als Schuldner des deliktischen Schadensersatzanspruchs kommt im Urheberecht ebenso wie im bürgerlichen Recht der Täter, Mittäter (§ 830 Abs. 1 S. 1 BGB) oder Teilnehmer (§ 830 Abs. 2 BGB) als Veranlasser der unerlaubten Handlung in Betracht. Darüber hinaus eröffnet die Störerhaftung die Möglichkeit, unabhängig von der Haftung für Täterschaft und Teilnahme auch denjenigen in Anspruch zu nehmen, der – sei es auch ohne Verschulden – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Gutes oder zu einer verbotenen Handlung beigetragen hat (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1998, Az. I ZR 120/96, Rn. 22 zitiert nach juris – Möbelklassiker). Letztere Haftung hat ihre Grundlage indes nicht im Deliktsrecht, sondern in den Regelungen der §§ 862, 1004 BGB über Besitz- bzw. Eigentumsstörungen. Sie vermittelt daher nur Abwehransprüche (Unterlassung, Beseitigung der Störung).
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Für einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Störer fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage (vgl. Kammer, Urteil vom 19.01.2011, Az. 23 S 359/09; zum Markenrecht vgl. BGH, Urteil vom 18.10.2001, Az. I ZR 22/99, Rn. 18 zitiert nach juris – Meißner Dekor).
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Mithin setzt eine Schadensersatzpflicht des Beklagten voraus, dass er die streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen, die im Rahmen der A. am 16.04.2010 im B. begangen wurden, veranlasst hat, also entweder als Täter/Mittäter im Sinne von § 830 Abs. 1 S. 1 BGB oder als Gehilfe im Sinne von § 830 Abs. 2 BGB anzusehen ist. Dies ist nicht der Fall.
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1. Bei dem Beklagten handelt es sich nicht um einen (Mit-)Veranstalter und damit einen Täter bzw. Mittäter. Die Kammer folgt der Ansicht des Amtsgerichts, dass der Begriff des Veranstalters nicht in dem weiten Sinne zu verstehen ist, wie er sich aus den von der Klägerin benannten Entscheidungen ergibt. Veranstalter ist vielmehr nur derjenige, der die Veranstaltung angeordnet hat und durch dessen ausschlaggebende Tätigkeit sie ins Werk gesetzt ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.06.1956, Az. I ZR 104/54, Rn. 12 zitiert nach juris – Tanzkurse; BGH, Urteil vom 18.03.1960, Az. I ZR 75/58, Rn. 29 zitiert nach juris – Eisrevue II) bzw. der für die Veranstaltung organisatorisch oder finanziell verantwortlich ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.1971, Az. I ZR 120/69, NJW 1971, 2173, 2174; OLG München, Urteil vom 21.09.1978, Az. 6 U 4941/77, GRUR 1979, 152; v. Wolf, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Auflage 2009, § 97 Rn. 18) bzw. der auf die Programmgestaltung einen maßgeblichen Einfluss hat (vgl. KG Berlin, Urteil vom 28.03.1958, Az. 5 U 2090/57, GRUR 1959, 150, 151 – Musikbox-Aufsteller; LG Düsseldorf, Urteil vom 29.09.2010, Az. 12 O 235/09, Rn. 34 zitiert nach juris).
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Demgegenüber lassen die von der Klägerin zitierten Entscheidungen für die Annahme eines Veranstalters genügen, dass Räumlichkeiten vermietet werden, die für die Durchführung von Veranstaltungen mit Musikaufführungen oder -wiedergaben generell geeignet sind. Es wird als ausreichend erachtet, dass die jeweilige Veranstaltung durch das Zurverfügungstellung der Räume ermöglicht wurde, also ein adäquater Beitrag zur späteren Verletzungshandlung geleistet wurde (vgl. etwa AG Düsseldorf, Urteil vom 12.01.2005, Az. 57 C 15950/03; AG Köln, Urteil vom 18.11.2004, Az. 137 C 285/04; AG Köln, Urteil vom 10.01.2001, Az. 137 C 218/00), und die jeweiligen Vermieter es in der Hand gehabt hätten, durch zumutbare entsprechende Einwirkung auf ihre Mieter, etwa durch bestimmte vertraglichen Vereinbarungen, die begangenen Urheberechtsverletzungen zu verhindern (vgl. AG Bochum, Urteil vom 07.10.1998, Az. 43 C 283/98; AG Hamburg, Urteil vom 29.06.2004, Az. 36A C 62/04; AG Oldenburg, Urteil vom 11.03.1997, Az. 3 C 3334/96). Bei diesen Kriterien handelt es sich jedoch um diejenigen Zumutbarkeitserwägungen, welche herangezogen werden, um einer Ausuferung der Störerhaftung entgegenzutreten. Danach setzt die Bejahung einer Störerhaftung – neben dem willentlichen und adäquat kausalen Beitrag zur Rechtsgutverletzung – die Verletzung einer Prüfungspflicht voraus. Diese ist nur anzunehmen, wenn derjenige, der organisatorische oder technische Mittel einem anderen zur Verfügung stellt, eine Prüfung auf mögliche Rechtsverletzungen zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.10.1998, Az. I ZR 120/96, Rn. 24 zitiert nach juris – Möbelklassiker). Auch müssen sich die sonstigen Vorkehrungen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen im Rahmen des Zumutbaren halten (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.1983, Az. I ZR 70/81, Rn. 19 zitiert nach juris – Kopierläden).
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Diese Gleichstellung von (Mit-)Veranstalter und Störer ist mit den vorgenannten Grundsätzen des Veranstalterbegriffs nicht vereinbar. Erforderlich bleibt nach Ansicht der Kammer weiterhin eine irgendwie geartete Verantwortlichkeit in organisatorischer oder finanzieller Hinsicht bzw. ein irgendwie gearteter Einfluss auf den Ablauf der Veranstaltung, welcher über das bloße Bereitstellen von Räumlichkeiten hinaus gehen muss (so im Ergebnis auch AG Bremen, Urteil vom 04.02.2003, Az. 25 C 0387/02, Rn. 15 zitiert nach juris, für den Fall, dass ein Lokal lediglich an einen
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Dritten untervermietet wird und im Übrigen nicht von dem Untervermieter weiterbetrieben wird). Solche Umstände hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Klägerin jedoch nicht schlüssig dargelegt bzw. nicht unter Beweis gestellt. Insbesondere ist unerheblich, welche konkreten Vereinbarungen der Beklagte im Zusammenhang mit anderen Veranstaltungen, wie etwa derjenigen, welche Gegenstand des Parallelverfahrens mit dem Az. 23 S 341/11 (erstinstanzlich 57 C 14739/10) sind. Irrelevant ist auch, dass sich der Beklagte gegenüber dem Mieter der Räume unstreitig zur Übernahme der Endreinigung verpflichtet hat. Eine nicht unerhebliche Einflussnahme des Beklagten auf die eigentliche Veranstaltung 16.04.2010 war damit nicht verbunden.
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2. Zu Recht hat das Amtsgericht auch eine Gehilfenhaftung des Beklagten gemäß § 830 Abs. 2 BGB verneint. Die Gehilfenhaftung setzt zumindest einen bedingten Vorsatz in Bezug auf die konkrete Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (vgl. BGH, Urteil vom 11.03.2004, Az. I ZR 304/01, Rn. 45 zitiert nach juris – Internet-Versteigerung; BGH, Urteil vom 12.07.2007, Az. I ZR 18/04, Rn. 21 zitiert nach juris – Jugendgefährdende Medien bei Ebay). Indizien, die auf einen solchen Vorsatz des Beklagten schließen lassen, hat die Klägerin nicht dargetan. Weder ist ersichtlich, dass in der überwiegenden Zahl von Veranstaltungen der vorliegenden Art die erforderliche Anmeldung unterbleibt. Ein Generalverdacht gegen Organisatoren von Veranstaltungen mit Musikwiedergabe ist daher nicht gerechtfertigt. Noch ist erkennbar, dass der Beklagte im konkreten Fall mit dem Unterbleiben einer Anmeldung rechnen musste und dies billigend in Kauf nahm.
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Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Vorbringen der Klägerin, der Beklagte habe von ihr diverse Rechnungen für in seinen Geschäftsräumen durchgeführte Veranstaltungen erhalten. Insoweit fehlt es dem Vortrag der Klägerin bereits an der erforderlichen Substanz. Allein die im Parallelverfahren gegenüber dem Beklagten erstellte Rechnung vom 28.05.2010 (Az. 23 S 341/11, dort Bl. 13 f. d. A.) reicht zur Begründung eines bedingten Vorsatzes jedenfalls nicht aus.
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III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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IV. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 274,06 € festgesetzt.