Zur Frage der Haftung für Brandschaden von Eltern wegen psychischen Beistandleistens ihres Kindes beim Zündeln

BGH, Urteil vom 29.05.1990 – VI ZR 205/89

1. Es übersteigt die Anforderungen an die Aufsichtspflicht von Eltern, von ihnen zu verlangen, einem noch nicht 7 Jahre alten Kind durch geeignete Maßnahmen das Verbot des psychischen Beistandsleistens beim gefährlichen Spiel anderer – hier Spiel mit dem Feuer – zu vermitteln.

2. Zu den Anforderungen an die Darlegungslast für den Nachweis, daß Eltern ihren Aufsichtspflichten nachgekommen sind (im Anschluß an BGH, 1984-07-10, – VI ZR 273/82, VersR 1984, 968).

(Leitsatz des Gerichts)

Tatbestand
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Die Klägerin, ein Feuerversicherer, hat die beklagten Eltern aus übergegangenem Recht gemäß § 67 VVG wegen Verletzung der Aufsichtspflicht in Anspruch genommen. Am 1. August 1984 war auf dem Dachboden des im Eigentum ihres Versicherten Sch. stehenden mehrstöckigen Miethauses in B. ein Brand ausgebrochen. Sie hat behauptet, die Kinder der Beklagten – der am 29. Dezember 1977 geborene Sohn Manfred des Beklagten zu 1) und der am 31. Januar 1978 geborene Sohn Marco der Beklagten zu 2) – hätten durch gemeinschaftliches „Kokeln“ mit Streichhölzern, einer Kerze und Papier auf dem Boden des Hauses den Brand entfacht. An geeigneten Erziehungsmaßnahmen, die den Kindern die Gefährlichkeit des Umgangs mit Feuer vermittelt hätten, habe es bei den Beklagten ebenso gefehlt wie an konkreter Beaufsichtigung des Spiels der Kinder auf der Straße.

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Für die Beseitigung der an dem Gebäude entstandenen Schäden wurden von dem Eigentümer insgesamt 374.914,04 DM aufgewendet, von denen die Klägerin unter Berücksichtigung des Abzugs „neu für alt“ zuletzt noch 200.691,80 DM von den Beklagten verlangt hat.

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Beide Beklagten sind dem Vorwurf der Verletzung der Aufsichtspflicht entgegengetreten. Der Beklagte zu 1) hat weiter vorgetragen, sein Sohn habe das Feuer nicht entzündet; auch hätten Kerze und Streichhölzer nicht von ihm gestammt. Die Beklagte zu 2) hat darauf hingewiesen, daß Zündhölzer und Kerze erst kurz zuvor von einem anderen Jungen zur Verfügung gestellt worden seien. Nach Auffassung beider Beklagten sei der Schaden nach den gegebenen Verhältnissen durch Aufsichtsmaßnahmen nicht zu verhindern gewesen.

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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht ihr stattgegeben. Mit den Revisionen erstreben die Beklagten die Wiederherstellung des klageabweisenden landgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe
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I. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, daß beide Jungen, gemeinschaftlich handelnd, das Feuer auf dem Dachboden entfacht haben. Dabei kann es nach Auffassung des Berufungsgerichts auf sich beruhen, ob auch der Sohn des Beklagten zu 1), Manfred, auf dem Dachboden selbst Papier angezündet hat. Zumindest habe er dem Sohn der Beklagten zu 2), Marco, psychischen Beistand geleistet, von dem er gewußt habe, daß er im Besitz von Streichhölzern gewesen sei und auf dem Dachboden ein „Lagerfeuer“ habe machen wollen. Für die von den Kindern angerichteten Schäden sieht das Berufungsgericht die beiden Beklagten als verantwortlich an, da es nicht feststellen kann, daß sie ihren Aufsichtspflichten nachgekommen sind. Für die notwendige Unterweisung der Kinder über die Gefährlichkeit des Feuers, gerade innerhalb von Gebäuden, reicht nach seiner Meinung eine pauschale Belehrung, wie die Beklagten sie dargelegt hätten, nicht aus. Der Vortrag des Beklagten zu 1) beschränke sich insoweit auf Behauptungen allgemeinen Inhalts, ohne die Angabe konkreter Erziehungsmaßnahmen. Es hätte auch nicht genügt, den Sohn Manfred, als er im Alter von etwa drei Jahren einmal mit Streichhölzern habe spielen wollen, zur Ordnung gerufen und ihm zur Warnung ein brennendes Streichholz an die Finger gehalten zu haben. Auch die Beklagte zu 2) habe ihren Sohn Marco über die Gefährlichkeit des Spiels mit Feuer weder konkret belehrt noch ausreichend überwacht. Für eine Mitverursachung des Schadens durch den Hauseigentümer Sch. fehle es an ausreichenden Anhaltspunkten.

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II. Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision nicht stand.

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1. Verletzung der Aufsichtspflicht durch die Beklagte zu 2)

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Das Berufungsgericht sieht die Voraussetzungen der Haftung nach § 832 BGB schon deswegen als erfüllt an, weil zu unterstellen sei, daß die Beklagten ihren Aufsichtspflichten schon im allgemeinen nicht nachgekommen seien. Zu dieser Überzeugung ist das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft gelangt.

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a) Zwar sind die Anforderungen an die Aufsichtspflicht zur Belehrung der Kinder über die Gefahren eines Brandes, insbesondere also im Umgang mit Streichhölzern, streng (vgl. Senatsurteile vom 17. Mai 1983 – VI ZR 263/81 = VersR 1983, 734, vom 10. Juli 1984 – VI ZR 273/82 = VersR 1984, 968, 969 und vom 1. Juli 1986 – VI ZR 214/84 = VersR 1986, 1210). Die – nicht seltene – Verursachung eines Brandes durch spielende Kinder gehört nicht primär zu dem von der Allgemeinheit zu tragenden Lebensrisiko. Vielmehr soll das Risiko, das von Kindern für Dritte ausgeht – worauf der Senat mehrfach hingewiesen hat -, nach dem Grundgedanken des § 832 BGB in erster Linie von den Eltern getragen werden, denen es eher zuzurechnen ist als dem unbeteiligten Dritten, und die als Erziehungspflichtige auch die Möglichkeit haben, dem Kind die notwendigen Erkenntnisse über die Gefährlichkeit eines Feuers, gerade innerhalb eines Gebäudes, zu vermitteln. Von welcher Art und Weise ihres Vorgehens sie sich hierfür den besten pädagogischen Erfolg versprechen, ist jedoch weitgehend ihrer Entscheidung vorbehalten (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 1984 aaO). Hat sich diese Gefahr aber verwirklicht, gehört es zur Darlegungspflicht und zum Entlastungsbeweis der Eltern nach § 832 BGB, im einzelnen darzulegen und nachzuweisen, daß sie dieser Belehrungspflicht nachgekommen sind. Dabei hat das Gericht allerdings der Schwierigkeit der Beweisführung über derartige, sich im allgemeinen innerfamiliär vollziehende Erziehungsmaßnahmen, die zudem breitflächig angelegt sein werden und deshalb schwerlich sich zeitlich genau fixieren lassen, Rechnung zu tragen.

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b) Bei Beachtung dieser von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegungslast der Beklagten zu 2) für den Nachweis, daß sie ihrer Aufsichtspflicht nachgekommen ist, überspannt:

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Das Berufungsgericht berücksichtigt bei seiner Bewertung der Darlegung der Beklagten zu 2) nicht ausreichend die bereits genannte Schwierigkeit, die Schritte in der Erziehung zum verantwortlichen Umgang mit Feuer zeitlich genau fixieren zu können.

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Die Beklagte zu 2) hat anhand ihr in Erinnerung gebliebener Vorgänge dargetan, den Jungen Marco immer wieder auf die Gefahr des Umgangs mit Feuer hingewiesen zu haben. So hat sie ausgeführt, ihm, als er im Alter von 4 oder 5 Jahren einmal die Kerze eines Adventskranzes habe anzünden wollen, dies verboten und ihm erklärt zu haben, er sei für den Umgang mit Feuer noch zu klein. Eine besondere Notwendigkeit zum Hinweis auf die Gefahr der Streichholzbenutzung hat die Beklagte zu 2) nach ihrem Vortrag auch deswegen gesehen, weil wegen der in ihrer Wohngegend noch weitverbreiteten Ofenheizungen die Möglichkeit nicht fern lag, daß der Junge auch auf diese Weise mit Feuer häufiger in Berührung kommen könne. Bei ihrer Anhörung vor dem Landgericht hat sie weiter ausgeführt, den Jungen aus erzieherischen Gründen angeleitet zu haben, in ihrem Beisein Streichhölzer anzuzünden. Auch dies kann eine geeignete Erziehungsmaßnahme sein (vgl. Senatsurteil vom 6. April 1976 – VI ZR 93/75 = VersR 1976, 878, 879). Weiter hat die Beklagte zu 2) vorgetragen, daß auch von ihrer Mutter zusätzlich Unterrichtungen erfolgt seien, und hat sich zum Beweis auf deren Zeugnis berufen (GA I 135). Diesen Vortrag hat sie auch im Berufungsrechtszug wiederholt (GA II 34).

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Danach hätte das Berufungsgericht nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, die Beklagte zu 2) sei ihrer Darlegungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Bei umfassender Bewertung und vernünftiger Auslegung ihres Vortrags hätte dieser auch dahin verstanden werden können, daß Marco hinreichend allgemein über die Gefahren im Umgang mit Streichhölzern belehrt und verwarnt worden war (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 1984 – VI ZR 273/82 aaO S. 969). Immerhin hatte das Landgericht nach Anhörung der Beklagten zu 2) deren Darlegung als ausreichend substantiiert behandelt. Jedenfalls hätte das Berufungsgericht die Beklagte zu 2), wollte es abweichend vom Landgericht ihre Darlegungen nicht genügen lassen, sie erneut persönlich anhören und ggfls. auch dem von ihr im Berufungsverfahren gebrachten Beweisantritt (Zeugnis der Mutter) nachgehen müssen. Seiner prozessualen Pflicht ist das Berufungsgericht nicht schon dadurch nachgekommen, daß es den Vertretern der Parteien in der mündlichen Verhandlung Gelegenheit gegeben hat, den Vortrag zu ergänzen. Dort waren die Parteien selbst nicht anwesend.

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Wie der Senat in dem bereits mehrfach zitierten Urteil vom 10. Juli 1984 ausgeführt hat, kommt wegen der Schwierigkeit der – gerade auch vom Berufungsgericht vermißten – zeitlichen Fixierung der Erziehungsmaßnahmen auch eine Parteivernehmung in Betracht, wobei an die Voraussetzungen hierfür keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind. Sie sind vielmehr schon dann gegeben, wenn ein gewisser Beweis erbracht ist, daß die Eltern im allgemeinen ihrer Aufsichtspflicht genügt haben. Unter diesem Aspekt hätte das Berufungsgericht die Beklagte zu 2) jedenfalls anhören, wenn nicht gar – ggfls. nach weiterer Beweisaufnahme – als Partei vernehmen müssen.

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2. Verletzung der Aufsichtspflicht durch den Beklagten zu 1)

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a) Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht insoweit zunächst davon aus, daß ein Aufsichtspflichtiger auch dann nach § 832 BGB haften kann, wenn als rechtswidrige Schadenszufügung i.S. des § 832 Abs. 1 Satz 1 BGB nur eine durch psychischen Beistand des Aufsichtsbedürftigen verwirklichte unerlaubte Handlung in Betracht kommt. Für eine Haftung nach § 832 BGB ist nur die Erfüllung des objektiven Tatbestands einer unerlaubten Handlung i.S. des § 823 BGB durch den Aufsichtsbedürftigen erforderlich; hingegen muß ihm kein Verschulden vorgeworfen werden können. Die Deliktsunfähigkeit der Söhne der Beklagten i.S. des § 828 BGB ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

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aa) Bedenken bestehen indes schon, ob die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen die Annahme des Berufungsgerichts tragen, der Sohn des Erstbeklagten habe Marco, dem Sohn der Zweitbeklagten, zumindest psychischen Beistand geleistet, als dieser das Feuer entzündet habe. Wie der Senat bereits entschieden hat, reicht die bloße Anwesenheit bei der Verwirklichung rechtswidriger unerlaubter Handlungen Dritter nicht aus, um von einer psychisch vermittelten Tatbeteiligung ausgehen zu können (vgl. Senatsurteile BGHZ 63, 124, 130 und BGHZ 89, 383, 392). Erforderlich ist vielmehr, daß über das wertneutrale Verhalten der Anwesenheit hinaus ein zusätzliches Element hinzukommt, das auf eine psychische Tatbeteiligung schließen läßt, nämlich eine Solidarisierung mit dem Täter durch Äußerung von Anerkennung, Beifall, Billigung, Aufmunterung, Beseitigung von Hemmungen, Erhöhung des Sicherheitsgefühls oder auch nur die Versicherung der Verbundenheit mit dem Täter, soweit solche psychischen Unterstützungen ihn noch in seinem Tatentschluß beeinflussen können (vgl. Roxin in LK, 10. Aufl., § 27 StGB, Rdn. 13; Lockner, StGB, 18. Aufl., § 27 StGB, Anm. 3; vgl. auch BGHZ 63, 124, 131). Dies kann jedoch entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts hier nicht schon darin erblickt werden, daß Manfred von dem beabsichtigten Spiel des Marco mit dem Feuer auf dem Dachboden Kenntnis gehabt und ihn mit diesem Wissen um seine Absicht auf den Dachboden begleitet hat.

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bb) Aber selbst wenn – was weiterer Aufklärung durch das Berufungsgericht bedurft hätte – davon auszugehen wäre, daß Manfred den Marco in seiner Absicht, auf dem Dachboden ein Feuer zu entzünden, durch psychischen Beistand bestärkt hätte, dürfte dies nicht dazu führen, daß der Erstbeklagte wegen Verletzung der Aufsichtspflicht i.S. des § 832 BGB zur Leistung von Schadensersatz an die Klägerin verurteilt würde. In einem solchen Falle müßte davon ausgegangen werden, daß der Beklagte zu 1) seine Aufsichtspflicht nicht verletzt hat.

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Wie bereits ausgeführt, ist es Aufgabe der aufsichtspflichtigen Eltern, ihre Kinder über die Gefahren des Umgangs mit Feuer eindringlich und nachhaltig zu belehren. Hierzu gehört auch, sie mit gleicher Eindringlichkeit davor zu warnen, anderen Kindern bei dem Entfachen und dem Unterhalten eines Feuers in irgend einer Weise zu helfen oder sie dazu anzustiften. Eine Haftung aus § 832 BGB kommt jedoch nur in Betracht, wenn der Aufsichtspflichtige im konkreten Fall in Bezug auf die zur widerrechtlichen Schadenszufügung führenden Umstände der Aufsichtspflicht nicht genügt hat (vgl. Senatsurteil vom 27. November 1979 – VI ZR 98/78 = VersR 1980, 278 m.w.N.). Der Erstbeklagte hat jedoch seine Aufsichtspflicht nicht verletzt, soweit es darum ging, seinen Sohn von psychischer Beihilfe zu dem Anzünden von Feuer durch andere Kinder abzuhalten. Es übersteigt die Anforderungen an die Aufsichtspflicht, von dem Aufsichtspflichtigen zu verlangen, einem noch nicht einmal 7 Jahre alten Kind auch das Verbot des psychischen Beistandleistens bei gefährlichem Spiel mit Streichhölzern zu vermitteln. Für den Inhalt der Aufsichtspflicht ist entscheidend, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen im konkreten Fall unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ihr Kind zu verhindern (vgl. Senatsurteil vom 28. Februar 1969 – VI ZR 222/67 = VersR 1969, 523 = NJW 1969, 2138, 2139). Dabei gibt es naturgemäß Grenzen in dem, was Kindern und Jugendlichen von Eltern in der Erziehung zu vermitteln ist. Diese sind vom Alter her durch die Einsichtsfähigkeit des Kindes wie auch durch die Einflußmöglichkeit auf das Kind bzw. den Jugendlichen gezogen (vgl. Senatsurteil vom 27. November 1979 – VI ZR 98/78 aaO S. 279). Sowohl das Vermitteln des hinter dem von der Rechtslehre entwickelten Begriff der psychischen Beihilfe stehenden tatsächlichen Verhaltens als auch der Erkenntnis der Gefahr, die darin besteht, einen anderen in seinem Tun allein psychisch zu unterstützen, geht wegen der Abstraktheit dieses Begriffs und des Erkenntnisvorgangs über die Belehrung konkreter Gefährdungen hinaus. Geeignete Erklärungsmöglichkeiten, die den Begriffsinhalt auch dieser Gefährdungen durch psychisches Beistandleisten für ein nicht einmal 7-jähriges Kind vermitteln können, sind nicht erkennbar. Den Versuch zu unternehmen, einem solchem Kind klar zu machen, daß und ggfls. unter welchen Voraussetzungen schon das Mitgehen zum Spiel anderer deren gefährliches Tun „durch psychischen Beistand“ zu fördern geeignet ist, ist wegen der sehr naheliegenden Erfolgslosigkeit solcher Anstrengungen den Eltern nicht zuzumuten. Es wäre daher lebensfremd, dennoch dahingehende Anforderungen an die Aufsichtspflichtigen zu stellen. Erziehungsmaßnahmen unterlassen zu haben, die vernünftigerweise nicht gefordert werden können, kann deshalb einem Aufsichtspflichtigen nicht zum Vorwurf gemacht werden (vgl. Senatsurteil vom 27. November 1979 – VI ZR 98/78 – aaO).

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b) Dennoch ist die Sache nicht im Sinne einer Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 1) zur Entscheidung reif, weil die Klägerin unter Beweisantritt behauptet hat, die Kinder hätten durch gemeinschaftliches „Kokeln“ mit Streichhölzern, Kerze und Papier das Feuer entfacht. Das Berufungsgericht hat die Möglichkeit, daß auch Manfred auf dem Dachboden vorhandenes Papier angezündet oder Marco tatsächliche Beihilfe geleistet hat, schon mit Blick auf das von ihm angenommene psychische Beistandleisten und die darauf basierende rechtliche Beurteilung dahingestellt sein lassen.

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Entscheidungserhebliche Bedeutung kann einer Beteiligung des Manfred an dem Zündeln in der von der Klägerin behaupteten Weise indes nur dann zukommen, wenn davon auszugehen ist, der Beklagte zu 1) habe nicht dargetan und bewiesen, daß er seinen Sohn ausreichend über die Gefahren im Umgang mit Feuer unterwiesen hat. Wenn das Berufungsgericht dies bisher nicht feststellen konnte, so beruht auch das auf Verfahrensfehlern. Wie bei der Beklagten zu 2) hat das Berufungsgericht auch beim Beklagten zu 1) die Anforderungen an die Darlegungslast für den Nachweis, seiner Aufsichtspflicht nachgekommen zu sein, überspannt:

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Der Beklagte zu 1) hat mit der von ihm geschilderten Begebenheit, als er seinen Sohn das Feuer „fühlen“ ließ – auch wenn diese Erziehungsmaßnahme nach Auffassung des Berufungsgerichts pädagogisch unpassend war -, immerhin dargetan, bemüht gewesen zu sein, Manfred nachdrücklich die Gefährlichkeit des Umgangs mit Feuer vor Augen zu führen. Zwar ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß ein solcher einmaliger Hinweis nicht ausreicht, den Erziehungsauftrag umfassend und dauerhaft zu erfüllen. Der Beklagte zu 1) hat aber hierzu weiter vorgetragen, bei passenden Gelegenheiten den Jungen immer wieder vor dem Umgang mit Feuer gewarnt zu haben. Für den Erfolg dieser Belehrungen hat er angeführt, daß sein Sohn sogar an Silvester nicht selbst Feuerwerkskörper angezündet, sondern sich deswegen an ihn gewandt habe. Auch habe er den Jungen von Zeit zu Zeit befragt, was er im Spiel so treibe.

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Auch hier konnte bei vernünftiger Auslegung der Vortrag des Beklagten zu 1) dahingehend verstanden werden, Manfred ausreichend über die Gefährlichkeit des Feuers belehrt und verwarnt zu haben. Nachdem das Landgericht aufgrund der Anhörung des Beklagten zu 1) ihm dahingehend gefolgt war, hätte auch hier das Berufungsgericht den Beklagten zu 1) jedenfalls anhören, ggfls. nach weiterer Beweiserhebung ihn auch als Partei vernehmen müssen.

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III. Auf den genannten Verfahrens- und Rechtsfehlern beruht das Berufungsurteil. Es war daher aufzuheben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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Bei der erneuten Verhandlung wird das Berufungsgericht sich auch damit zu befassen haben, inwieweit es Feststellungen auf die Aussagen der beiden Kinder im polizeilichen Ermittlungsverfahren gründen kann. Aussagen von Beschuldigten, die über ihr Recht, die Aussage zu verweigern, nicht ordnungsgemäß belehrt worden sind, können nur dann im Zivilprozeß verwertet werden, wenn sie – nach ordnungsgemäßer Belehrung – erneut vernommen werden (vgl. Senatsurteil vom 12. Februar 1985 – VI ZR 202/83 = VersR 1985, 573 = NJW 1985, 1470). Weiter wird das Berufungsgericht zu beachten haben, daß sich die Unglaubwürdigkeit von Zeugen im allgemeinen nicht schon aus der Verwertung von Ermittlungsakten beurteilen läßt, insbesondere dann nicht, wenn die Glaubwürdigkeit des Zeugen – wie vorliegend (Ermittlungsakten Blatt 16) – von der Vernehmungsbeamtin nach dem von ihr gewonnenen Eindruck in einem Aktenvermerk niedergelegt worden ist.

26
Sollte das Berufungsgericht erneut zu dem Ergebnis kommen, daß die Beklagten dem Grunde nach auf Schadensersatz haften, wird es sich auch mit der Frage eines Mitverschuldens des Hauseigentümers Sch. erneut zu befassen haben, und zwar unter Mitberücksichtigung des Vortrags der Beklagten zu 2), daß Kinder häufig in dem Haus spielten und es im Nachbarhaus bereits zweimal zu einem Brand gekommen ist. Die Beklagte zu 2) hat dann auch Gelegenheit, ihre Einwendungen gegen die Schlüssigkeit der Klageforderung zu den Architektenkosten zu wiederholen.
(BGH, Urteil vom 29. Mai 1990 – VI ZR 205/89 –, BGHZ 111, 282-286, Rn. 26)

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