Zur Frage der Haftung des Reiseveranstalters bei Sturzunfall auf einem Kreuzfahrtschiff

AG Offenbach, Urteil vom 27. Mai 2008 – 36 C 477/07

Zur Frage der Haftung des Reiseveranstalters bei Sturzunfall auf einem Kreuzfahrtschiff

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand
1
(abgekürzt gem. § 313 Abs. 2 ZPO)

2
Die Klägerin macht Schadensersatz bzw. Schmerzensgeld gegenüber der Beklagten geltend.

3
Die Klägerin buchte über die Beklagte eine Kreuzfahrt mit dem Schiff in der Zeit vom 24.06. – 01.07.2007 zum Gesamtreisepreis von Euro 1.964,00. An der Reise nahm sie mit ihrem Ehemann und der Tochter teil.

4
Am 27.06.2007, im Hafen von St. Petersburg/Russland, hatte die Klägerin morgens gegen 08:15 Uhr einen Unfall. Im Bereich zwischen Außendeck und dem vorderen Treppenhaus auf Deck 9 rutschte sie aus und brach sich nach einem Sturz das rechte Handgelenk.

5
Die Klägerin trägt insbesondere vor, auf Deck 9 sei im Bereich der Unfallstelle ein zu glatter Fußbodenbelag verlegt. Bereits dies sei auf einem Schiff der vorliegenden Art nicht zulässig. An der Unfallstelle hätten nicht Granitfliesen mit hochglänzender geschliffener Oberfläche verlegt sein dürfen. In dem Unfallbereich, einem Durchgangsbereich, hätten sich im übrigen an den Wänden Haltegriffen oder Handläufe befinden müssen. Ferner sei im Bereich der Unfallstelle eine feuchte Stelle gewesen, die die Klägerin nicht habe erkennen können.

6
Zum Unfallzeitpunkt – das ist zwischen den Parteien unstreitig – war es im Außenbereich nass. Passagiere, die vom Außenbereich in das Innere des Fahrzeuges gingen, trugen mit ihren Schuhsohlen Feuchtigkeit in den Innenbereich hinein, welche sich auch auf den Bereich der Unfallstelle verteilte. Die Klägerin sei, insoweit ist ihr Vortrag richtig gestellt worden, zwar vom Außenbereich in den Innenbereich des Schiffs gelaufen. Im Außenbereich hätten sich allerdings lediglich Pfützen befunden, es habe nicht unmittelbar geregnet. Die Klägerin und ihr Mann hätten vor dem Betreten des Innenbereichs des Schiffes im übrigen ihre Füße vollständig abgetrocknet. Es habe der Beklagten oblegen, dafür zu sorgen, dass Feuchtigkeitsstellen im Bereich der Unfallstelle nicht auftraten.

7
Wegen der erlittenen Verletzungen, insoweit wird auf den schriftsätzlichen Vortrag verwiesen, sei ein Schmerzensgeldbetrag in Höhe von mindestens Euro 3.500,00 angebracht. Es könne ferner eine Minderung des Reisepreises geltend gemacht werden. Ferner werden unnütz aufgewandte Hotelübernachtungskosten für einen Hotelaufenthalt geltend gemacht, der für die Zeit nach der Schiffsreise in K gebucht gewesen sei. Insoweit wird auf den schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 01.04.2008 verwiesen.

8
Die Klägerin beantragt,

9
die Beklagte zu verurteilen, wegen des Unfallereignisses vom 27.06.2007 auf Deck 9 des Kreuzfahrtschiffes im Hafen von St. P/Russland ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe die Klägerin in das Ermessen des Gerichts stellt (angemessen hält die Klägerin einen Betrag in Höhe von Euro 3.500,00) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.06.2007;

10
ferner,

11
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin Euro 1.112,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.08.2007 zu zahlen;

12
ferner,

13
an die Klägerin Euro 402,82 Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

14
Die Beklagten beantragen,

15
die Klage abzuweisen.

16
Die Beklagten behaupten insbesondere, der im Unfallbereich verlegte Fußbodenbelag sei keineswegs äußerst glatt oder rutschig. Die Klägerin sei überdies von dem nassen Außenbereich – der gleichzeitig Poolbereich sei – nach innen in das Schiff gelaufen. Vor dem Eintreten in das Schiff sei, was nicht konkret bestritten worden ist, im Bereich der Eingangstür auch noch ein Warnschild vorhanden gewesen, dass auf Rutschgefahr bei Nässe wegen des damals herrschenden Regens hingewiesen habe. Die Klägerin habe gewusst, dass das Außendeck nass war und habe damit rechnen müssen, dass eventuell auch im Innenbereich nasse Stellen vorhanden gewesen seien. Die Tatsache, dass sie sich vor dem Unfall mit großer Sorgfalt im Bereich der Glastüre und der dort vorhandenen Schmutzmatte ihre Schuhe gesäubert haben will, zeige ganz deutlich, dass die Klägerin ihr Augenmerk ganz unbedingt auf nasse Stellen im Eingangsbereich hätte richten müssen. Diese seien auch deutlich zu erkennen gewesen, da Tageslicht geherrscht habe und eine Beleuchtung vorhanden gewesen sei.

17
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
18
Die Klage ist unbegründet.

19
Die Klägerin besitzt keine reisevertraglichen Ansprüche oder Schmerzensgeldansprüche gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldnern aus §§ 651 d, 651 f, 253 BGB.

20
Ein von den Beklagten zu vertretender Mangel bzw. eine Verkehrssicherungspflichtverletzung liegt nicht vor.

21
Die Klägerin trägt selbst nicht vor, dass sie auf dem trockenen Fußbodenbelag ausgerutscht sei. Insoweit kommt es darauf an, ob dieser durch eine nicht zu erkennende nasse Stelle derart glatt war, dass die Klägerin dort stürzen musste und die Beklagte dies nicht verhindern konnte.

22
Die Klägerin trägt selbst vor, dass sie von dem nassen Außenbereich des Schiffes – der unstreitig zugleich ein Poolbereich war – in den Innenbereich des Schiffes ging. In dem Übergangsbereich vom Außen- in den Innenbereich fand der Sturz statt. Ihr war auch klar, dass zahlreiche Reisegäste von dem nassen Außenbereich durch den Übergangsbereich in den Innenbereich hinein gingen. Ferner ist sie durch ein Warnschild auf die Nässe und die damit verbundenen Gefahren hingewiesen worden.

23
Hier hätte sie den Übergangsbereich nur mit äußerster Vorsicht und mit dem Hauptaugenmerk auf Feuchtigkeitsstellen auf dem Fußbodenbelag betreten dürfen, um einen Sturz zu vermeiden. Ihr musste klar sein, dass einige Fahrgäste die Feuchtigkeit an ihren Schuhen aus dem Außenbereich in den Übergangsbereich des Schiffes mit hinein tragen würden, da nicht damit zu rechnen war, dass jeder Reisegast sein Schuhwerk beim Betreten des Übergangsbereichs völlig trockenreiben würde. Die Klägerin war auf diese Gefahr nach ihrem eigenen Vortrag ja gerade aufmerksam geworden, da sie selbst vorträgt, sie habe vor dem Eintreten in den Übergangsbereich ihr Schuhwerk mit großer Sorgfalt an der dort vorhandenen Schmutzmatte gesäubert.

24
Ähnlich wie in einem Bereich um einen Swimmingpool kann nicht jedes Risiko durch Feuchtigkeitsstellen von Seiten des Reiseveranstalters ausgeschlossen werden. In Eingangsbereichen muss bei entsprechender Witterung – insbesondere nach einem Regen – mit feuchten und glatten Stellen gerechnet werden. Dies gilt auch für den Übergangsbereich eines Schiffes, der von dem nassen Außenbereich in den Innenbereich führt. Die Feuchtigkeitsstelle war aufgrund der Lichtverhältnisse in dem Übergangsbereich für die Klägerin bei gehöriger Vorsicht auch zu erkennen gewesen.

25
Es ist schließlich nicht vorgetragen worden, dass im vorliegenden Fall eine für das Kreuzfahrtschiff typische Gefahr noch hinzugekommen wäre, etwa dahingehend, dass Schwankungen oder Schräglagen ein sicheres Betreten des Übergangsbereiches noch erschwert hätten. Insoweit war das Betreten des Übergangsbereichs mit der Situation vergleichbar, wie sie bei dem Betreten des Zugangsbereiches eines Wohnhauses oder anderen Gebäudes bei Regenwetter besteht. Auch hier muss dann mit gelegentlichen feuchten und glatten Stellen auf dem Boden gerechnet werden, so dass entsprechende Vorsicht beim Betreten solcher Eingangsbereiche zu walten hat.

26
Nach alldem war die Klage abzuweisen.

27
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Dieser Beitrag wurde unter Reiserecht abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.