Zur Frage der Frachtführerhaftung bei Beschädigung von Transportgut durch in einen Kühltransporter eingedrungene Flüchtlinge

OLG Köln, Urteil vom 25.08.2016 – 3 U 28/16

Zur Frage der Frachtführerhaftung bei Beschädigung von Transportgut durch in einen Kühltransporter eingedrungene Flüchtlinge

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 26.01.2016 – Az. 8 O 526/13 – teilweise aufgehoben und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.717,45 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozent seit dem 24.11.2012 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Berufung tragen die Klägerin zu 13% und der Beklagte zu 87%.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

1
– Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen. –

II.

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Die zulässige Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg und führt zu einer Verurteilung des Beklagten zu einer Zahlung in Höhe von 7.717,45 EUR nebst Zinsen aus Art. 17 Abs. 1 CMR, weil der geltend gemachte Schaden entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht unvermeidbar war. Soweit die Klägerin einen über den tenorierten Betrag hinausgehenden Schaden geltend gemacht hat, war die Berufung zurückzuweisen. Im Einzelnen:

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1. Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Das Landgericht hat im Rahmen des Tatbestands des Urteils vom 26.01.2016 festgestellt, dass die Klägerin der Transportversicherer der Spedition T International GmbH ist. Diese Feststellung hat der Beklagte weder im Rahmen eines Tatbestandsberichtigungsantrags angegriffen, noch macht sie in der Berufungserwiderung geltend, die entsprechende Feststellung des Landgerichts sei falsch. Soweit der Beklagte ursprünglich bestritten hat, dass die Klägerin Transportversicherer der Spedition T ist, ist dies im Rahmen der Berufung nicht zu berücksichtigen.

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Weiter ist die Klägerin – wie das Oberlandesgericht Düsseldorf in einem ähnlichen Fall mit zutreffender Begründung ausdrücklich angenommen hat (vgl. Urteil vom 12.03.2008 – I-18 U 160/07, juris) -, jedenfalls durch die konkludente Abtretung der Ansprüche durch die Spedition T aufgrund der Übersendung der Schadensunterlagen Inhaberin der möglichen Schadensersatzansprüche geworden, was auch die Selbstbeteiligung in Höhe von 150 EUR umfasst. Ob diese die Schäden beglich – dies hat der Beklagte bestritten -, ist daher nicht erheblich.

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2. Die Klägerin hat auch einen Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 CMR gegen den Beklagten.

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a) Dabei richtet sich die Haftung des Beklagten nach den Bestimmungen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR). Die Vorschriften der CMR gelten nach Art. 1 Abs. 1 des Übereinkommens für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Im Streitfall sollte das Gut per Lkw von N nach N2 in Großbritannien befördert werden. Sowohl Deutschland als auch Großbritannien gehören zu den Vertragsstaaten der CMR. Die Anwendungsvoraussetzungen des Art. 1 Abs. 1 CMR sind damit erfüllt.

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b) Nach Art. 17 Abs. 1 CMR haftet der Frachtführer für Beschädigungen des Gutes, sofern der Verlust zwischen dem Zeitpunkt der Übernahme des Gutes und dem seiner Ablieferung eintritt. Die Übernahme setzt voraus, dass der Frachtführer willentlich selbst oder durch seine Gehilfen aufgrund eines wirksamen Frachtvertrages den unmittelbaren oder mittelbaren Besitz an dem zu befördernden Gut erwirbt. Die Übernahme setzt weiter den Willen des Absenders voraus, die Verfügungsgewalt über das Transportgut aufzugeben, und den Willen des Frachtführers, die Kontrolle daran zu übernehmen (vgl. BGH, Urteil vom 22.05.2014 – I ZR 109/13, TranspR 2015, 33, mwN).

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Der Beklagte hat das Gut nach diesen Grundsätzen übernommen, was sich auch aus dem CMR-Frachtbrief ergibt.

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Dabei war das Frachtgut auch unversehrt, wie auch das Landgericht mit Recht annimmt. Gemäß Art. 9 Abs. 2 CMR wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, dass das Gut und seine Verpackung bei der Übernahme durch den Frachtführer äußerlich in gutem Zustande waren, sofern der Frachtbrief keine mit Gründen versehenen Vorbehalte des Frachtführers aufweist. Entsprechende Vorbehalte ergeben sich aus dem als Anlage K2 (Bl. 7 d.A.) vorgelegten Frachtbrief nicht.

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Die Vermutung ist auch nicht entkräftet, nachdem der von dem Beklagten benannte Zeuge M (der Fahrer des Transports) im Rahmen seiner schriftlichen Zeugenvernehmung (Bl. 161 d.A.) ausdrücklich bestätigt hat, dass die Güter „sauber und ordentlich an der Ladestelle verladen“ waren.

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Weiter ist auch davon auszugehen, dass – entsprechend den Feststellungen des Landgerichts – das Gut während des Obhutszeitraums des Beklagten beschädigt wurde. Die entsprechende Beweiswürdigung des Landgerichts greift der Beklagte nicht an. Sie lässt auch sonst keine Fehler erkennen. Insbesondere muss der Beklagte die ordnungsgemäße Ablieferung des Transportguts beweisen (vgl. zu § 425 HGB: Schaffert in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., 2015, § 425 Rn. 40, mwN). Einen solchen Beweis hat der Beklagte nicht geführt, nachdem die Aussage des Zeugen M (Bl. 161 d.A.) ergeben hat, dass beim Ausladen beim Empfänger in N2 festgestellt worden sei, es hätten sich Verschmutzungen auf dem Transportgut gezeigt. Hierfür spricht auch die entsprechende Notiz auf dem Frachtbrief (Anlage K22, Bl. 7 d.A.).

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c) Der Beklagte ist entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht gemäß Art. 17 Abs. 2 CMR von der Haftung befreit.

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Nach Art. 17 Abs. 2 CMR ist der Frachtführer von der Haftung befreit, wenn die Beschädigung durch Umstände verursacht worden ist, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte.

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Unvermeidbarkeit i.S.v. Art. 17 Abs. 2 CMR ist nur anzunehmen, wenn der Frachtführer darlegt und beweist, dass der Schaden auch bei Anwendung der äußersten dem Frachtführer möglichen und zumutbaren Sorgfalt nicht hätte vermieden werden können (BGH Urteil vom 08.10.1998 – I ZR 164/96, NJW-RR 1999, 540). Auf die Unvorhersehbarkeit des Ereignisses kommt es nicht an; denn nicht vorhersehbare Umstände sind nicht unvermeidbar, wenn sie unter Einsatz der äußersten Sorgfalt unwirksam gemacht worden wären. Unabwendbarkeit bedeutet damit nicht absolute Unvermeidbarkeit. Schäden, die nur mit absurden Maßnahmen hätten verhindert werden können, sind unabwendbar (vgl. Boesche in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, aaO, CMR Art. 17 Rn. 29, mwN).

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Der Beklagte hat den Beweis der Unvermeidbarkeit in diesem Sinne nicht geführt. Gemessen am Maßstab der Unvermeidbarkeit von Diebstählen während des Obhutszeitraums kann vorliegend eine Unvermeidbarkeit nicht festgestellt werden. Der Umstand, dass die Beschädigung des Transportguts durch Flüchtlinge verursacht wurde, führt zu keiner anderen Beurteilung. Es kommt es nicht darauf an, dass der Beklagte das Verweilen oder die Mitfahrt von Flüchtlingen hätte vermeiden sollen oder können, sondern deren Eindringen und damit die Einwirkung auf das Transportgut. Ob Dritte in das Transportfahrzeug eindringen, um dort das Transportgut vorsätzlich zu entwenden bzw. zu beschädigen oder ob die Beschädigung lediglich Folge eines unberechtigten Eindringens und Verweilens ist, begründet keinen anderen Sorgfaltsmaßstab. Da Schutzgut des Art. 17 Abs. 1 CMR das Transportgut während des Obhutszeitraums ist, muss der Frachtführer jeden nicht unvermeidbaren Schaden von dem Transportgut abwenden, der letztlich aufgrund des Eindringens entstehen kann. Ob die Mitfahrt von Flüchtlingen in anderer Weise – beispielsweise auf einer Achse – ebenfalls hätte vermieden werden können, ist für die Haftung des Art. 17 Abs. 1 CMR insoweit nicht entscheidend.

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Welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um die zumutbare Sorgfalt zur Verhinderung des Eindringens Unbefugter in den Frachtraum sicherzustellen, hängt vom Einzelfall ab. Dabei kommt es insbesondere auf die Art des Frachtguts und den Transportweg als solches an. In Abhängigkeit davon kann es erforderlich sein, dass technische Sicherungssysteme wie beispielsweise eine Diebstahlwarnanlage eingebaut werden, das Fahrzeug nur unter Bewachung abgestellt wird bzw. sichere Parkplätze ausgewählt werden und Zwischenhalte durch den Einsatz eines zweiten Fahrers vermieden werden (vgl. Koller in Koller, Transportrecht, 8. Aufl., CMR Art. 17 Rn. 29, mwN).

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Hinreichende Maßnahmen sind nach diesen Grundsätzen vorliegend nicht ergriffen worden, um ein Eindringen in das Fahrzeug zu verhindern. Wenn es sich auch bei dem Transportgut um Fruchtsäfte, also kein teures Konsumgut bzw. hochpreisiges Lebensmittel, und mithin nicht um typisches Diebstahl gefährdetes Transportgut gehandelt hat (Alkohol, Zigaretten), bestand angesichts des Transportwegs über E mit dem Ziel England eine erkennbare Gefahr des Eindringens von Personen und insoweit Gefährdung des Transportguts, die erhöhte Sicherungsanforderungen bedingte. Es war 2012 bekannt, dass Flüchtlinge auf Ladeflächen von Lastwagen eindringen, um dort nach Großbritannien überzusetzen.

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Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Fahrer des Beklagten auf einem Parkplatz in der Nähe von K in Belgien hielt und übernachtete. K befindet sich auf einer Hauptzufahrtsstrecke zu dem Hafen in E und ist lediglich etwa 60 km von E entfernt. In dieser Nähe zu der Fährverladung bestand die allgemein bekannte besondere Gefahr, dass Flüchtlinge in den Laderaum eindringen.

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In diesem Fall entsprach es daher nicht der geschuldeten Sicherungsmaßnahme, dass der Fahrer die Nacht vor der Überfahrt nach England in Belgien in der Nähe der Fährverladung auf einem unbewachten Parkplatz verbrachte. Es wäre – unabhängig davon, ob bewachte Parkplätze zur Verfügung standen – ohne weiteres möglich gewesen, einen weiter entfernten Ort für die Übernachtung auszuwählen.

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Ob der Einsatz eines zweiten Fahrers erforderlich gewesen wäre, um einen Stopp zu verhindern, kann offen bleiben, solange nicht der Nachweis geführt wird, dass ein Übernachten in weiterer Entfernung nicht möglich gewesen wäre.

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Der darlegungs- und beweispflichtige Beklagte hat zudem nicht substantiiert dargelegt, welche Sicherungsmaßnahmen er vorgenommen hat, um ein Öffnen der hinteren Türen des Kühltransporters zu verhindern oder unmittelbar festzustellen. Mit diesen Maßnahmen hätte das Eindringen verhindert oder zumindest erheblich erschwert werden können. Soweit der Beklagte einwendet, auch die Polizei und das eingesetzte Sicherheitspersonal hätte nicht verhindern können, das Flüchtlinge in LKW eindrängen, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Es gilt nicht den Transport von Flüchtlingen zu verhindern, sondern das Transportgut vor Beschädigungen durch Eindringlinge zu schützen.

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Der Beklagte musste und konnte insoweit seinen LKW überwachen, ob Dritte durch die hintere Tür eindringen. Da es sich unstreitig um einen massiven Auflieger handelte, waren die Türen an der Rückseite die einzige Möglichkeit, in das Innere des Aufliegers zu gelangen.

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Allein dass es sich um einen Kühltransporter handelte, führt zu keinem anderen Ergebnis, weil – was allgemeinbekannt ist – Flüchtlinge jede, teilweise auch lebensgefährliche, Möglichkeit nutzen, um eine Möglichkeit zu erhalten, nach Großbritannien überzusetzen. Wie der Beklagte selbst vorträgt, fahren Flüchtlinge sogar auf den Achsen mit. Letztlich kommt es darauf aber nicht an, weil es allein um die Abwendung des – ggf. auch kurzfristigen – Eindringens geht.

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Soweit das Landgericht Hamburg in einem Urteil vom 17.10.2013 (Az. 415 HKO 71/11, zitiert nach juris) angenommen hat, das Eindringen von Flüchtlingen sei nicht vermeidbar gewesen, lag dem ein anderer Sachverhalt zugrunde. Denn im dortigen Fall hatten sich die Flüchtlinge im Frachtraum des LKW einen Hohlraum geschaffen, um sich dort zu verstecken und es konnte nicht aufgeklärt werden, wann dies geschah. So hat das Landgericht Möglichkeiten des Eindringens beispielsweise während der Überfahrt angenommen, die unvermeidbar gewesen seien. Solche Möglichkeiten, die insbesondere auch damit einhergingen, einen Hohlraum zu schaffen, sind vorliegend – wie im Einzelnen dargelegt – nicht ersichtlich.

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3. Der Beklagte haftet allerdings lediglich in Höhe des Wertes des vernichteten Safts (7.717,45 EUR), nicht aber auf Zahlung der Kosten, die durch die Dekontamination entstanden. Insoweit ist die Berufung teilweise zurückzuweisen.

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Die Klägerin hat den Schaden in der konkreten Höhe hinreichend nachgewiesen, weil die Klägerin eine entsprechende Rechnung der Firma G GmbH vorgelegt hat (Anlage K4, B. 12 d.A.) und der Beklagte deren Inhalt nicht substantiiert bestritten hat. Der Beklagte hat angesichts der Berufungsbegründung insbesondere geltend gemacht, dass die Kosten für die Dekontamination und Aufarbeitung nicht erstattungsfähig seien.

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Soweit der Beklagte meint, die Säfte hätten umverpackt und weiter verwendet werden können, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Der Vortrag des Beklagten ist unsubstantiiert. Angesichts der genauen Beschreibung der Schäden, die sich aus Anlage K3 (Bl. 10 d.A.) ergeben, hätte es dem Beklagten oblegen, auch unter Berücksichtigung der genauen Schäden vorzutragen, aus welchem Grund die Klägerin bzw. die Versicherungsnehmerin ihrer Schadensminderungspflicht nicht nachgekommen ist.

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Dass die Produkte vernichtet wurden, ergibt sich aus der Bescheinigung der Firma X vom 21.12.2012 (Anlage K8, Bl. 72 d.A.).

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Auch die weiteren Kosten sind durch die Vorlage der Rechnung und die Beschreibung der Tätigkeit der Firma P (Anlagen K3, Bl. 8 d.A. und K5, Bl. 13 d.A.) hinreichend nachgewiesen.

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Diese Kosten sind aber – wie der Beklagte mit Recht einwendet – nicht erstattungsfähig, weil lediglich der Wertverlust des Gutes zu ersetzen ist. Nach Art. 25 Abs. 1 CMR ist eine pauschalierende, abstrakte Wertersatzberechnung vorzunehmen, bei der sich der Wert des unbeschädigten und des beschädigten Gutes gegenüberstehen. Aus diesem Grund werden Reparaturkosten nicht ersetzt (vgl. Boesche in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn aaO CMR Art. 25 Rn. 1 f.).

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Entgegen der Ansicht der Klägerin ergibt sich eine unbeschränkte Haftung des Beklagten auch nicht aus Art. 17, 29 CMR. Vollen Schadensersatz – über die dargelegte Beschränkung hinaus – schuldet der Frachtführer zwar unter den Voraussetzungen des Art. 29 CMR. Danach kann sich der Frachtführer nicht auf Haftungsbeschränkungen berufen, wenn er den Schaden vorsätzlich oder durch ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden verursacht hat bzw. wenn seinen Bediensteten oder Verrichtungsgehilfen ein solches qualifiziertes Verschulden zur Last fällt (Art. 29 Abs. 2 Satz 1 CMR). Erforderlich ist entweder Vorsatz oder Leichtfertigkeit, zu der das Bewusstsein hinzukommen muss, dass ein Schaden mit Wahrscheinlichkeit eintreten wird (BGH, Urt. v. 06.06.2007 – I ZR 121/04- TranspR 2007, 423 ff. mwN). Diese Voraussetzungen sind aber nicht anzunehmen. Denn der Beklagte oder seine Leute haben sich dadurch, dass sie das Kühlfahrzeug nicht auf einem von der Fährverladung weiter entfernt gelegenen Parkplatz abgestellt haben und keine weiteren Sicherungsmaßnahmen vorgenommen haben (s.o.), nicht in krasser Weise über die Sicherheitsinteressen des Vertragspartners hinweggesetzt.

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Aus der von der Klägerin angenommenen Verletzung der prozessualen Aufklärungspflicht des Beklagten ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Zwar muss der Frachtführer, auch wenn die Darlegungs- und Beweislast für die Leichtfertigkeit im Grundsatz bei dem Anspruchsteller liegt, substantiiert die Umstände darlegen, die nach seiner Kenntnis zum Schaden geführt haben, weil diese dem Einblick des Anspruchstellers entzogen sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.04.2015 – 3 U 108/14, TranspR 2015, 288, mwN). Dieser Aufklärungspflicht ist der Beklagte aber hinreichend nachgekommen, indem er den Verlauf des Transports, die Maßnahmen und die Möglichkeiten für Dritte, in das Fahrzeug einzudringen, im Wesentlichen dargelegt hat.

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4. Entgegen der Ansicht des Beklagten führt die Vorschrift des Art. 17 Abs. 5 CMR zu keinem anderen Ergebnis.

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Nach Art. 17 Abs. 5 CMR haftet der Frachtführer, der sich auf Haftungsausschlüsse im Sinne des Art. 17 Abs. 2, 4 CMR berufen kann, anteilig, wenn Umstände, für die er gemäß Art. 17 Abs. 1, 3 CMR einzustehen hat, zu dem Schaden beigetragen haben.

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Haftungsausschlüsse im Sinne des Art. 17 Abs. 2, 4 CMR sind vorliegend aber nicht ersichtlich. Weder kann ein Verschulden des Verfügungsberechtigten im Sinne des Art. 17 Abs. 2 CMR angenommen werden, noch ist der Frachtführer nach Art. 17 Abs. 4 CMR aufgrund von besonderen Gefahren von seiner Haftung befreit. Allein der Transport von Saft in einem geschlossenen Kühltransport stellt keine besondere Gefahr im Sinne der vorgenannten Vorschrift dar, auch wenn bekannt war, dass die Möglichkeit bestand, Flüchtlinge könnten den Transport illegal benutzen, um nach Großbritannien zu gelangen. Zunächst muss daher gemäß Art. 17 Abs. 1 CMR die verschuldensunabhängige Haftung des Frachtführers angenommen werden, die erst entfällt, wenn – wie nicht – die Schäden durch unvermeidbare Umstände eingetreten sind (vgl. Koller in Koller, Transportrecht, 8. Aufl., CMR Art. 17 Rn. 54).

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5. Ein Anspruch aufgrund der Verletzung einer Pflicht aus dem Frachtvertrag gemäß § 280 BGB, der auch den weiteren von der Klägerin geltend gemachten Schaden wie die Kosten der Dekontamination im Rahmen von §§ 249, 251 BGB erfassen würde, kommt – unabhängig davon, ob nach Art. 17, 25 CMR nicht ersatzfähige Aufwendungen überhaupt nach § 280 BGB ersetzt werden können (was die herrschende Meinung ablehnt, vgl. Koller in Koller aaO, CMR Art. 25 Rn. 3) – entgegen der Ansicht der Klägerin nicht in Betracht, weil die Klägerin die von ihr geltend gemachten Ansprüche lediglich aus der Haftung im Obhutszeitraum herleitet und eine Pflichtverletzung im Übrigen weder dargelegt noch eine solche sonst ersichtlich ist.

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6. Soweit der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben hat, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Gemäß Art. 32 Abs. 1 S. 1 CMR verjähren Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung in einem Jahr. Die Verjährung beginnt gemäß Art. 32 Abs. 1 Buchst. a CMR mit der Ablieferung des Gutes. Diese erfolgte am 23.11.2012. Die Verjährung ist sodann allerdings unmittelbar am 23.11.2012 gemäß Art. 32 Abs. 2 Satz 1 CMR durch die schriftliche Reklamation der Klägerin gehemmt worden. Dass die Hemmung vor dem 23.01.2013 durch schriftliche Zurückweisung der Reklamation durch den Beklagten endete, hat der Beklagte nicht dargelegt. Daher war die Forderung der Klägerin bei Zustellung der Klage am 23.01.2014 noch nicht verjährt.

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7. Der Zinsanspruch ergibt sich aus Art. 27 Abs. 1 CMR in Höhe von 5% p.a. ab der Zeitpunkt der schriftlichen Reklamation gegenüber dem Frachtführer (s. Anlage K7, Bl. 71 d.A.).

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8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.

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9. Es besteht kein Anlass, die Revision zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, die im Wesentlichen auf der Frage beruht, ob Unvermeidbarkeit im konkreten Fall vorliegt. Auch eine grundsätzliche Bedeutung ist nicht anzunehmen.

41
Streitwert für das Berufungsverfahren: 8.905,29 EUR.

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