Zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Anwaltkosten im Verfahren vor Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses

BVerwG, Beschluss vom 01.09.1989 – 4 B 17/89

1. Eine Pflicht, die Erstattung von Anwaltskosten für das Verfahren vor Erlaß eines Planfeststellungsbeschlusses anzuordnen, besteht nicht.

(Leitsatz des Gerichts)

Gründe
1
Nachdem die Beklagte im Jahre 1979 einen wasserstraßenrechtlichen Planfeststellungsbeschluß erlassen hatte, leitete sie im Jahre 1981 ein Planänderungsverfahren ein. Durch die neue Planung wären die Grundstücke der Kläger in Anspruch genommen worden; die auf den Grundstücken stehenden Häuser sollten abgebrochen werden. Im Rahmen des Offenlegungsverfahrens nach § 17 WaStrG wandten sich die Kläger durch ihre jetzigen Prozeßbevollmächtigten mit einer als „Widerspruch“ bezeichneten Eingabe gegen die Änderungsplanung; über ihre Einwendungen wurde in drei Terminen, in denen die Kläger ebenfalls anwaltlich vertreten waren, verhandelt. Die Beklagte nahm die im Anhörungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse zum Anlaß, das Planänderungsverfahren einzustellen und den Planfeststellungsbeschluß lediglich um Auflagen zur Sicherung der Gebäude zu ergänzen. Die Erstattung der den Klägern als Einwendungsführern entstandenen Anwaltskosten lehnte die Beklagte ab. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Klage blieb im ersten und im zweiten Rechtszug erfolglos.

2
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger geltend, das Berufungsgericht hätte die Revision zulassen müssen, weil die Frage, ob das „Gebot der Waffengleichheit“ oder Art. 3 Abs. 1 GG eine unmittelbare oder analoge Anwendung des § 80 VwVfG in denjenigen Fällen gebiete, in denen sich ein Bürger im Rahmen eines wasserstraßenrechtlichen Planfeststellungsverfahrens gegen die entschädigungspflichtige Inanspruchnahme seines Eigentums wende und sich hierbei anwaltlicher Hilfe bediene, grundsätzliche Bedeutung habe.

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Die Beschwerde muß erfolglos bleiben. Sie rechtfertigt die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht. Denn der in ihr formulierten Frage kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift zu. Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht – soweit ersichtlich – noch nicht ausdrücklich über die Frage entschieden, ob die Anwaltskosten der Einwender in einem (wasserstraßenrechtlichen) Planfeststellungs-(Änderungs-)Verfahren zu erstatten sind, wenn sie mit ihren Einwendungen erfolgreich waren. Zu ihrer Klärung bedarf es jedoch keines Revisionsverfahrens, weil sich schon aus der vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 80 VwVfG ergibt, daß eine Pflicht, die Erstattung von Anwaltskosten für das Verfahren vor dem Erlaß eines Planfeststellungs-(änderungs-)Beschlusses anzuordnen, nicht besteht.

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Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwVfG sind dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, wenn der Widerspruch erfolgreich war. § 80 VwVfG regelt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. BVerwGE 62, 201 <203 f.>) nur den Inhalt einer erforderlichen Kostenentscheidung. Ob eine Kostenentscheidung überhaupt zu ergehen hat, richtet sich dagegen nach den §§ 72 und 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO. Unterbleibt eine Entscheidung über den Widerspruch, so ist auch für eine Kostenentscheidung kein Raum (BVerwG, Urteil vom 10. Juni 1981 – BVerwG 8 C 29.80 – Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 6). Das gilt erst recht, wenn ein Widerspruchsverfahren nicht einmal eingeleitet wird. Danach ist hier eine Kostenentscheidung zugunsten der Kläger ausgeschlossen. Denn ihr im Offenlegungsverfahren nach § 17 WaStrG erhobener „Widerspruch“ gegen die Änderung des Planfeststellungsbeschlusses war kein Rechtsbehelf im Sinne von § 69 VwGO. Er richtete sich nicht gegen einen bereits erlassenen Verwaltungsakt (vgl. § 68 VwGO); sein Ziel war es vielmehr, den Erlaß des vorgesehenen Planfeststellungsänderungsbeschlusses zu verhindern. Soweit im Schrifttum erörtert wird, ob § 80 VwVfG auch in anderen Verfahren als dem verwaltungsgerichtlichen Vorverfahren der §§ 68 ff. VwGO anzuwenden ist, besteht Einigkeit darüber, daß eine Erstattungspflicht jedenfalls nur in anderen förmlichen Rechtsbehelfsverfahren bestehen kann (vgl. Kopp, VwVfG, 4. Aufl. 1986, § 80 Rdnr. 42; Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, 2. Aufl. 1983, § 80 Rdnr. 6; Meyer/Borgs, VwVfG, 1982, § 80 Rdnr. 8, jeweils mit weiterem Nachweis). Das Offenlegungsverfahren (hier: nach § 17 WaStrG) ist kein Rechtsbehelfsverfahren. In ihm wird der E n t w u r f eines Planes ausgelegt. Er dient der Anhörung der von der Planung Betroffenen und damit der V o r b e r e i t u n g der Entscheidung der Planfeststellungsbehörde. Ob der Plan so, wie er ausgelegt wird, auch festgestellt werden wird, ist noch offen und hängt – wie gerade auch der vorliegende Fall zeigt – von dem Gewicht der vorgetragenen Einwendungen und dem Ergebnis der Erörterung ab. Für das Planänderungsverfahren gilt nichts anderes. Mit ihm wird nicht etwa, wie die Beschwerde zu meinen scheint, der bestehende Planfeststellungsbeschluß „angefochten“. Vielmehr ist es darauf gerichtet, den bestehenden Planfeststellungsbeschluß durch einen neuen oder geänderten teilweise oder auch in vollem Umfang zu ersetzen. Erst wenn der neue Planfeststellungsbeschluß erlassen ist, verliert der alte Beschluß, soweit er durch den neuen aufgehoben wird, seine Wirksamkeit.

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Auf die Kosten, die einem Beteiligten bis zum Erlaß eines (Erst-) Bescheides erwachsen sind, ist § 80 VwVfG weder unmittelbar noch sinngemäß anwendbar. Das entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. allgemein z.B. Kopp, a.a.O., Rdnr. 45; BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1987 – BVerwG 7 C 83.84 – Buchholz 316 § 80 VwVfG Nr. 24 = NJW 1988, 87 <89>; OVG Münster, NVwZ 1981, 251; ferner insbesondere zum Planfeststellungsverfahren: Kodal/Krämer, Straßenrecht, 4. Aufl. 1985, S. 1018). Gegen sie bestehen auch aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken. Das Willkürverbot des Art. 3 GG wird nicht dadurch verletzt, daß nach den Kostenregelungen des Bundes und der Länder eine Kostenerstattung regelmäßig erst im Rechtsmittel- (oder Rechtsbehelfs-) Verfahren möglich ist, eine Erstattung der zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung vor dem Erlaß einer Verwaltungsentscheidung aufgewandten Kosten dagegen grundsätzlich nicht vorgesehen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat sogar die – allgemein als unbillig empfundene und deshalb durch § 80 VwVfG geänderte – Rechtslage, nach der bis zum Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes die Anwaltskosten des erfolgreichen Widerspruchsführers im isolierten Vorverfahren nicht zu erstatten waren, als noch verfassungsgemäß angesehen (BVerfGE 27, 175 ff.). Erst recht läßt sich aus dem Grundgesetz nicht ableiten, daß schon die vor Erlaß eines Verwaltungsakts oder zu seiner Verhinderung aufgewandten Kosten erstattet werden müssen. Dies gilt auch im Hinblick auf Planungsentscheidungen, die – wie im vorliegenden Fall – zu schwerwiegenden Eingriffen in das Privateigentum führen können. Ob und in welcher Weise sich ein durch eine vorgesehene Planungsentscheidung Betroffener gegen sie wenden will, unterliegt seiner freien Entscheidung. Auch die Präklusionsvorschrift des § 22 WaStrG nötigt ihn nicht, sich schon im Anhörungsverfahren anwaltlich vertreten zu lassen, so zweckmäßig dies auch im Einzelfall sein mag; denn regelmäßig wird er zumindest seine Einwände gegen die Planung selbst vortragen und sich damit alle Rechte für eine Anfechtung des möglicherweise ergehenden Planfeststellungsbeschlusses erhalten können. Aus dem Recht, sich schon im Anhörungsverfahren anwaltlicher Hilfe zu bedienen, folgt jedenfalls nicht die Pflicht des Staates, die Kosten des Rechtsanwaltes zu tragen. Soweit die Kläger geltend machen, daß die Anwaltskosten im Falle einer Enteignung zu erstatten wären, ist übrigens darauf hinzuweisen, daß dies zwar für die Vertretung im Enteignungsverfahren selbst gilt (vgl. z.B. § 121 Abs. 1 und 2 BauGB), nicht dagegen für die Vertretung im möglicherweise vorangegangenen Planungsverfahren.

6
Schließlich wird auch der „Grundsatz der Waffengleichheit“ nicht durch den Ausschluß der Kostenerstattung im Planfeststellungsverfahren verletzt. Zwar soll schon im Verwaltungsverfahren auch in bezug auf den Auslagenersatz Waffen- und Chancengleichheit zwischen den Verfahrensbeteiligten herrschen (BVerfGE 74, 78 <92>). Das ist hier jedoch der Fall; denn auch die der Planfeststellungsbehörde entstandenen Auslagen – etwa für ein Gutachten oder für Rechtsberatung – können nicht auf die mit ihren Einwendungen erfolglos bleibenden Einwender abgewälzt werden, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat.

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