Zur Frage der Arzthaftung, wenn Patient entgegen der getroffenen Absprache Klinik verlässt und kurz darauf verstirbt

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.01.2017, 8 U 119/15

1.
Ein Arzt muss nicht in jeder Minute eines Aufenthalts einer Patientin in einer Klinik damit rechnen, dass sich die Patientin plötzlich unerwartet und absprachewidrig entfernt.
2.
Das sog. „Verflechtungs-Angebot“ ist grundsätzlich ein Realitätskriterium, das für die Schilderung einer wahren Begebenheit spricht.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. Juli 2015 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main (2-4 O 511/13) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Anschlussberufung des Klägers wird, soweit er die Freistellung von außergerichtlichen Kosten in Höhe von € 334,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung begehrt, als unzulässig verworfen. Im Übrigen wird die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe
I.

Die Parteien streiten um angebliche Behandlungsfehler im Zusammenhang mit dem Tod der Ehefrau des Klägers am …2011

Der Kläger kam an jenem Tag gegen 17:30 Uhr nach Hause, wo ihn seine Ehefrau, geboren am …1944, darüber informierte, dass es ihr nicht gut gehe und sie Schmerzen im Hals habe. Der Kläger fuhr mit seiner Ehefrau in das Kreiskrankenhaus Stadt1, dessen Träger die Beklagte zu 3 ist. Der Kläger und seine Ehefrau begaben sich zu dem ab 19:00 Uhr tätigen kassenärztlichen Bereitschaftsdienst. Dort kam es zu einer Wartezeit. In diesem Zeitraum wies der Kläger das anwesende Personal darauf hin, dass seine Frau vermutlich einen Herzinfarkt oder Ähnliches habe. Der Bereitschaftsarzt des kassenärztlichen Notdienstes, Arzt1, untersuchte die Ehefrau des Klägers körperlich, wobei er den Blutdruck und das EKG als unauffällig ansah. Trotz dieser Befunde begaben sich der Kläger und seine Ehefrau nach der Untersuchung durch Arzt1 in die Kardiologie des Kreiskrankenhaus Stadt1, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob dies auf Drängen des Klägers oder aufgrund einer Einweisung des Arzt1 erfolgte. Durch den dort tätigen Kardiologen – den Beklagten zu 2 – erhielt die Ehefrau des Klägers ein Bett auf der Station angeboten. Zwischen den Parteien ist streitig, ob weitere Untersuchungen noch am selben Tag geplant waren. Informationen oder Empfehlungen zu möglichen Risiken einer Ablehnung einer stationären Aufnahme gab der Beklagte zu 2 nicht. Die Ehefrau des Klägers nahm das angebotene Bett nicht an und fuhr mit dem Kläger wieder nach Hause, wo sie gegen 22:50 Uhr verstarb. Die Todesursache ist zwischen den Parteien streitig, ebenso die weiteren Einzelheiten des Gesprächs des Beklagten zu 2 mit der Ehefrau des Klägers sowie die genauen Umstände, unter denen sie das Krankenhaus verlassen hat.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger aus übergegangenem Recht seiner Ehefrau ein Schmerzensgeld, Ersatz des ihm angeblich entstandenen Unterhaltsschadens für die Zeit ab dem Tod seiner Ehefrau sowie Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, er und seine Ehefrau seien „ohne Papiere“ in die Kardiologie geschickt worden (Bl. 110 d. A.). Seine Ehefrau habe dort den Beklagten zu 2 gefragt, was er am potentiellen Aufnahmetag noch veranlassen werde, worauf der Beklagte zu 2 geäußert habe, es werde nichts mehr gemacht und die Ehefrau des Klägers werde am Folgetag in den Klinikablauf eingegliedert. Daraufhin habe die Ehefrau des Klägers gesagt, dass sie auch zu Hause schlafen könne und am nächsten Tag wiederkommen werde. Der Beklagte zu 2 habe sich daraufhin per Handschlag von dem Kläger und seiner Ehefrau verabschiedet.

Der Kläger hat ferner behauptet, dass der Beklagte zu 2 bei richtigem Einsatz das Leben der Ehefrau des Klägers hätte retten können, indem er eine Sofortmaßnahme mit Tropf, Marcumar usw. eingeleitet hätte. Seine Ehefrau sei zu Hause „an einem zweiten Herzinfarkt verstorben“.

Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,

die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner zu verurteilen, ein angemessenes Schmerzensgeld an ihn, mindestens € 2.500,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. August 2011 und außergerichtliche Kosten in Höhe von € 334,65 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen;

die Beklagten zu 2 und 3 zudem zu verurteilen, an ihn € 78.208,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von € 3.509,19 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen;

die Beklagten zu 2 und 3 zudem gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn ab dem 1. Mai 2015 jeweils drei Monate im Voraus eine Geldrente in Höhe von monatlich € 1.620,00 zu zahlen;

hilfsweise, an ihn € 100.000,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagten haben erstinstanzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben erstinstanzlich behauptet, der Beklagte zu 2 habe die Ehefrau des Klägers darauf hingewiesen, dass sie zur Abklärung der Symptome in der Klinik bleiben solle. Er – der Beklagte zu 2 – habe der Ehefrau des Klägers mitgeteilt, dass sie trotz unauffälligem EKG stationär aufgenommen werden müsse, da auch ein „normales“ EKG einen Infarkt nicht ausschließe. Die Ehefrau des Klägers habe nicht stationär aufgenommen werden wollen. Er habe den Eheleuten weitere Überlegungszeit einräumen wollen und sei kurz auf die Station gegangen. Als er zurückgekommen sei, seien die Einweisung, das EKG und die Eheleute verschwunden gewesen.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird ergänzend Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Nach informatorischer Anhörung des Beklagten zu 2 in der mündlichen Verhandlung vom 15. April 2015 (Bl. 123 d. A.) hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main mit dem angegriffenen Urteil vom 1. Juli 2015 (Bl. 169 ff. d. A.) die Beklagten zu 2 und zu 3 als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von € 2.500,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. August 2011 zu zahlen. Darüber hinaus hat das Landgericht die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger € 78.138,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2014 sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von € 2.480,44 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2014 zu zahlen. Schließlich hat das Landgericht die Beklagten zu 2 und zu 3 gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ab dem 1. Mai 2015 jeweils drei Monate im Voraus, längstens jedoch bis zum 18. Juli 2030, eine Geldrente in Höhe von monatlich € 1.620,00 zu zahlen; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht u. a. ausgeführt, dem Beklagten zu 2 sei auch nach eigenem Sachvortrag ein haftungsbegründender Aufklärungsfehler dergestalt unterlaufen, dass er die Ehefrau des Klägers nicht hinreichend darüber aufgeklärt habe, dass sie sich im Falle der Ablehnung einer stationären Aufnahme gravierenden gesundheitlichen Risiken, bis hin zum Tod, aussetze.

Ein Arzt sei verpflichtet, einem Patienten, der entgegen ärztlichem Rat eine Nichtaufnahme in das Krankenhaus oder eine Entlassung aus demselben wünsche, dringlich vor Augen zu führen, dass eine unklare Diagnose vorliege und weitere Untersuchungen notwendig seien. Der Patient sei zudem eindringlich auf Gefahren hinzuweisen, die mit einer vorzeitigen Entlassung aus dem Krankenhaus verbunden sind. Gleiches müsse für den Fall gelten, dass ein Patient mit unsicherer Diagnose und fehlenden Befunden eine stationäre Aufnahme in das Krankenhaus ablehne.

Der Beklagte zu 2 sei hinsichtlich der Ehefrau des Klägers seiner Aufklärungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Der Beklagte zu 2 habe im Rahmen seiner informatorischen Anhörung erklärt, dass die auf dem Einweisungsschreiben vermerkte Diagnose „Herzinfarkt“ eher unbestimmt gewesen sei. Es sei ihm im Gespräch mit der Ehefrau des Klägers darum gegangen, sie in das Überwachungszimmer aufzunehmen. Es sei nicht erwähnt worden, was passieren könne, wenn die Ehefrau des Klägers das Krankenhaus verlasse. Auf ausdrückliches Befragen des Gerichts, wie das weitere Vorgehen seinerseits geplant gewesen sei, habe er angegeben, dass er nach Rückkehr von der Station die Entscheidung der Ehefrau des Klägers bezüglich einer stationären Aufnahme habe abfragen wollen. Weiteres sei nicht geplant gewesen. Der Beklagte zu 2 habe also an das Erfordernis einer Sicherungsaufklärung überhaupt nicht gedacht. Sie sei hier aber erforderlich gewesen. Denn aufgrund der unklaren Befundlage und fehlenden Diagnose sei es zumindest nicht auszuschließen gewesen, dass die Ehefrau des Klägers sich in einer potentiell lebensbedrohlichen Situation befunden habe. Dass sie hierüber ausreichend informiert und daher nicht aufklärungsbedürftig gewesen sei, sei nicht ersichtlich. Die Diagnose „Herzinfarkt“ sei nach Angaben des Beklagten zu 2 gerade nicht gesichert gewesen. Auch im Rahmen einer Arbeitshypothese „Herzinfarkt“ gebe es ein Aufklärungserfordernis, da die Intensität und Qualität von Herzinfarkten/Herzanfällen divergieren könne und leichte Verläufe ebenfalls möglich seien.

Gegen dieses ihrem Prozessbevollmächtigten am 9. Juli 2015 (Bl. 179 d. A.) zugestellte Urteil haben die Beklagten zu 2 und zu 3 mit einem hier am 24. Juli 2015 eingegangenen Schriftsatz vom 23. Juli 2015 Berufung eingelegt (Bl. 202 d. A.) und diese sodann mit Anwaltsschriftsatz vom 7. September 2015 begründet, der hier noch am selben Tage eingegangen ist (Bl. 216 ff. d. A.).

Innerhalb der gemäß § 521 Abs. 2 ZPO bis zum 15. Oktober 2015 gesetzten Frist zur Berufungserwiderung hat zudem der Kläger sinngemäß Anschlussberufung eingelegt (Bl. 228 ff. d. A.).

Mit ihrer Berufung beanstanden die Beklagten zu 2 und zu 3 insbesondere, dass das Landgericht zu Unrecht angenommen habe, dass der Beklagte zu 2 eine erforderliche Sicherungsaufklärung unterlassen habe. Das Landgericht habe die Darlegungs- und Beweislast bei einem von dem Gericht unterstellten Aufklärungsversäumnis des Beklagten zu 2 verkannt. Das Landgericht habe ferner in keiner Weise die damalige persönliche Entscheidungssituation der Ehefrau des Klägers berücksichtigt und gewürdigt; notwendige Feststellungen hierzu habe das Landgericht nicht getroffen. Mit keinem Wort habe das Gericht die selbstbestimmte Verhaltensweise der Ehefrau des Klägers am …2011 gewürdigt, insbesondere nicht, dass sie durch ein eigenmächtiges Verlassen des Krankenhauses trotz vorliegender Einweisung eine Situation geschaffen habe, in welcher der Beklagte zu 2 schon gar nicht dazu gekommen sei, eine weitere Sicherungsaufklärung für den Fall des Verlassens der Klinik vorzunehmen.

Mit keinem Wort sei das Landgericht ferner auf die von dem Kläger selbst in den Rechtsstreit eingeführte Einweisung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes vom … 2011 in Bezug auf die Ehefrau des Klägers eingegangen. Das Landgericht habe in keiner Weise berücksichtigt, dass die Ehefrau des Klägers zum Zeitpunkt des Gespräches mit dem Beklagten zu 2 bereits durch den ärztlichen Bereitschaftsdienst wegen der Diagnose Herzinfarkt trotz unauffälligem EKG in die Klinik eingewiesen gewesen sei.

Im Übrigen sei durch das Gutachten der Schlichtungsstelle und die Auffassung der Hausärztin Arzt2 belegt, dass die Ehefrau des Klägers offensichtlich generell und wiederholt kardiologische Untersuchungen abgelehnt, jedenfalls aber das Risiko schwerer Gesundheitsbeeinträchtigung wiederholt in Kauf genommen habe, indem sie empfohlene weitere ärztliche Untersuchungen zurückgewiesen bzw. nicht wahrgenommen habe.

Belegt sei durch das Gutachten der Schlichtungsstelle auch, dass die Ehefrau des Klägers nicht an einem „zweiten Herzinfarkt“ verstorben sei, sondern offensichtlich aufgrund eines ganz anderen gesundheitlichen Risikos, nämlich einer Schlafapnoe und deren Folgen.

Die Ehefrau des Klägers sei ausreichend darüber informiert gewesen, dass sie „zwingend“ in dem Krankenhaus wegen weiterer Untersuchungen zu verbleiben habe. Der Beklagte zu 2 habe keinen Anlass gehabt anzunehmen, dass die Ehefrau des Klägers die Klinik eigenmächtig verlassen werde. Woher das Landgericht seine Erkenntnis nehme, dass der Beklagte zu 2 seinerzeit an das Erfordernis einer Sicherungsaufklärung überhaupt nicht gedacht habe und insbesondere „Weiteres nicht geplant gewesen sei“, sei nicht ersichtlich; diese Annahmen des Landgerichts seien insbesondere nicht durch die protokollierten Erklärungen des Beklagten zu 2 gedeckt.

Für den Beklagten zu 2 habe sich „überhaupt kein Entscheidungskonflikt ergeben“, da er davon ausgegangen sei, dass die Ehefrau des Klägers selbstverständlich im Krankenhaus verbleibe, denn zu diesem Zweck habe sie doch das Krankenhaus mit ihrem Ehemann aufgesucht. Die Ehefrau des Klägers sei aufgrund der Einweisung und der Ausführungen des Arzt1 bereits ausreichend darüber informiert gewesen, dass sich ein Untersuchungsprogramm zwingend und unverzüglich anschließen müsse und daher ihre stationäre Aufnahme erforderlich sei. Entgegen der Auffassung des Landgerichtes habe sie daher sehr wohl ihre persönliche gesundheitliche Situation und die Folgen gekannt, die sich bei der Diagnose Herzinfarkt ohne weitere medizinische Untersuchungen ergäben.

Als der Beklagte zu 2 die Eheleute seinerzeit für nur wenige Minuten verlassen habe, habe er gar nicht an eine weitere Sicherungsaufklärung denken müssen, da er selbstverständlich davon ausgegangen sei, dass die Patientin und ihr Ehemann nach seiner Rückkehr auf der Station wiederum aufzufinden seien, zumal da auch der Ehemann selbst einen Herzinfarkt vermutet habe und sich mit seiner Ehefrau aus diesem Grund in die Klinik begeben hatte. Wenn sich die Patientin dennoch leichtfertig und eigenmächtig aus der Klinik entfernt und hierbei sogar noch die Einweisung des Arzt1 mitgenommen habe, und der Beklagte zu 2 nach seiner Rückkehr weder die Patientin, noch die Einweisung, noch ein EKG vorgefunden habe, habe er niemanden weiter aufklären oder belehren können. Die Ehefrau des Klägers habe es daher eigenmächtig vereitelt, dass der Beklagte zu 2 eine weitere ordnungsgemäße Risikoaufklärung habe vornehmen können. Somit sei nicht ansatzweise ersichtlich, dass eine unterlassene Risikoaufklärung durch den Beklagten zu 2 dazu geführt habe, dass die Ehefrau des Klägers am …2011 nach ihrem eigenmächtigen Entfernen aus der Klinik verstorben sei.

Bezüglich der ausgeurteilten Geldrente habe das Landgericht überdies gegen die Dispositionsmaxime und den ausdrücklichen Antrag des Klägers verstoßen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung der Beklagten zu 2 und zu 3 wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 7. September 2015 Bezug genommen (Bl. 216 ff. d. A.).

Die Beklagten zu 2 und zu 3 beantragen,

unter Abänderung des am 1. Juli 2015 verkündeten Urteils des Landgerichtes Frankfurt am Main, Az. 2-04 O 511/13, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zu 2 und zu 3 zurückzuweisen.

Er behauptet, der Arzt1 habe im Beisein des Klägers und seiner Frau keine Einweisung der Ehefrau des Klägers ausgefüllt und unterschrieben, weil er bei der Patientin nichts Auffälliges habe feststellen können. Aus diesem Grunde seien der Kläger und seine Ehefrau „auch ohne Papiere und ohne eine Akte“ zu dem Beklagten zu 2 gegangen. Der Kläger und seine Frau hätten nichts in der Hand gehabt, insbesondere keinen schriftlichen Befund. Der Beklagte zu 2 habe praktisch das Ergebnis der Untersuchungen des Arzt1 kommentarlos übernommen und nicht noch einmal ein EKG gemacht oder angeordnet, sondern sich auf die Feststellungen des Bereitschaftsdienstes verlassen und weder weitere Untersuchungen noch den Verbleib „mit sofortigen Maßnahmen bei Herzinfarkt“ angeboten und auch keine Beobachtung im Überwachungszimmer „angeordnet“.

Es sei nicht richtig, dass der Beklagte zu 2 sich nur für wenige Minuten von dem Kläger und seiner Ehefrau entfernt habe. Er habe somit auch nicht zurückkommen können, weil er gar nicht fortgegangen sei. Der Beklagte zu 2 habe sich in den fünf bis sieben Minuten des Gesprächs auf dem Flur der Station nicht entfernt. Es habe keine Hinweise und auch keine Aktivitäten in Richtung „schnelle Maßnahmen“ gegen Herzinfarkt gegeben. Insofern liege „die unterlassene Hilfeleistung allein im Kreiskrankenhaus Stadt1 und nicht bei der Patientin […]“.

Der Beklagte zu 2 habe auch nicht dem Kläger und dessen Frau weitere Überlegungszeit eingeräumt, weil aus seiner Sicht ein normales EKG vorgelegen und die Ehefrau des Klägers gute Blutwerte gehabt habe. Der Kläger und seine Ehefrau hätten – so der Kläger weiter – nur darauf gewartet, dass ihnen irgendein Hinweis gegeben würde, „dass ein Herzinfarkt vorliegen oder sich im weiteren Verlauf des Abends ein solcher bilden könne und es deshalb unbedingt notwendig sei, dass die Frau erst einmal zur Beobachtung da bleiben müsse“.

Der Beklagte zu 2 habe nicht einmal danach gefragt, welche Symptome die Ehefrau des Klägers gehabt habe und wie der Kläger und dessen Ehefrau überhaupt auf den Verdacht eines Herzinfarkts gekommen seien. Es sei auch überhaupt nicht erwähnt worden, was passieren könne, wenn der Kläger mit seiner Ehefrau das Krankenhaus verlasse.

Wenn der Beklagte zu 2 darauf hingewiesen hätte, dass ein Herzinfarkt nicht auszuschließen sei, dann hätten der Kläger und seine Ehefrau sofort auf „Einleitung der bei Herzinfarktpatienten üblichen Methoden bestanden“. Dann wäre – so der Kläger weiter – die Ehefrau des Klägers sofort an einen Tropf gekommen, der zumindest die Herzinfarktgefahr aufgrund krampflösender Mittel, des besseren Durchflusses von Blut durch „Marcomar“, „ASS“ oder ähnlicher Mittel gefördert hätte. Weil der Beklagte zu 2 jedoch keinen entsprechenden Hinweis gegeben habe, habe die Ehefrau des Klägers auch keinen Grund gesehen, in der Klinik zu bleiben.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Anschlussberufung wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 15. September 2015 verwiesen (Bl. 235 ff. d. A.).

Der Kläger hat mit Anwaltsschriftsatz vom 15. September 2015 (Bl. 235 f. d. A.) zunächst beantragt, das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 1. Juli 2015 abzuändern und

1. die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner kostenpflichtig zu verurteilen, ein angemessenes Schmerzensgeld an den Kläger, mindestens € 2.500 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. August 2011 und außergerichtliche Kosten in Höhe von € 334,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen,

2. die Beklagten zu 2 und 3 weiter als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger € 86.238,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2014 zu zahlen sowie außergerichtliche Kosten in Höhe von € 2.480,44 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2014 zu zahlen, und

3. die Beklagten zu 2 und 3 weiterhin gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger ab dem 1. Oktober 2015 jeweils drei Monate im Voraus, längstens jedoch bis zum 18. Juli 2030, eine Geldrente in Höhe von monatlich € 1.620,00 zu zahlen.

Nunmehr beantragt er,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 1. Juli 2015 abzuändern und

1.
die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner kostenpflichtig zu verurteilen, ein angemessenes Schmerzensgeld an den Kläger, mindestens € 2.500 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24. August 2011 zu zahlen,
2.
die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner zu verurteilen, den Kläger von außergerichtlichen Kosten in Höhe von € 334,75 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung freizustellen,
3.
die Beklagten zu 2 und 3 weiter als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger über die vom Landgericht zugesprochenen € 78.138,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2014 und die zugesprochenen außergerichtlichen Kosten in Höhe von € 2.480,44 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12. September 2014 hinaus weitere € 47.341,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27. Juli 2015 aus einem Betrag in Höhe von € 34.020,00 sowie aus einem Betrag in Höhe von € 47.341,00 seit dem 27. September 2016 zu zahlen, und
4.
die Beklagten zu 2 und 3 weiterhin gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger ab dem 13. Januar 2017 bis zum 30. Juli 2030 eine Geldrente in Höhe von monatlich € 1.903,00 „über drei Monate im Voraus und Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz „jeweils ab dem 1. oder 3.“ des Monats an zu zahlen.
Die Beklagten zu 2 und zu 3 beantragen,

die weitergehende Klage abzuweisen.

Der Senat hat durch Parteivernehmung des Beklagten zu 2 Beweis erhoben. Überdies hat der Senat den Kläger informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme sowie der informatorischen Anhörung wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 10. Januar 2017 (Bl. 318 ff. d. A.) Bezug genommen.

II.

1. Die Berufung der Beklagten zu 2 und zu 3 ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden.

2. Der Anwaltsschriftsatz des Klägers vom 15. September 2015 ist als Anschlussberufung auszulegen.

Soweit der Kläger mit dem jetzigen Antrag zu 2 die Freistellung von außergerichtlichen Kosten in Höhe von € 334,75 nebst Zinsen begehrt, ist die Anschlussberufung bereits unzulässig, da es insoweit an einer Begründung der Anschlussberufung fehlt (§§ 524 Abs. 3, 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO).

Im Übrigen ist die Anschlussberufung des Klägers zulässig. Die im Wege der Anschlussberufung zum Gegenstand des Berufungsverfahrens gemachte Klageänderung ist zulässig.

Nach § 533 ZPO ist u. a. eine Klageänderung zwar nur zulässig, wenn der Gegner einwilligt oder das Gericht dies für sachdienlich hält (Nr. 1) und diese auf Tatsachen gestützt werden können, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat (Nr. 2).

Dabei bezieht sich § 533 ZPO, der die Zulässigkeit einer Klageänderung in der Berufungsinstanz einschränkt, allerdings nur auf § 263 ZPO. Auf Fälle des § 264 ZPO findet § 533 ZPO hingegen keine Anwendung (vgl. BGH, Urteil vom 19.03.2004 – V ZR 104/03, BGHZ 158, 295, 307 f.; Urteil vom 22.04.2010 – IX ZR 160/09, NJW-RR 2010, 1286, 1287). Ein Fall des § 264 Nr. 2 ZPO ist hier jedoch gegeben.

III.

Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die Anschlussberufung des Klägers hingegen ist, soweit sie zulässig ist, zurückzuweisen.

1. Dem Kläger stehen gegen die Beklagten zu 2 und zu 3 in Ansehung des Todes der Ehefrau des Klägers keine Ansprüche aus im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangenem Recht (§ 1922 Abs. 1 BGB) zu.

Da der Kläger in dem vorliegenden Verfahren den seine Ehefrau zunächst behandelnden Bereitschaftsarzt Arzt1 nicht in Anspruch genommen hat, konnte ein haftungsbegründendes Fehlverhalten in zeitlicher Hinsicht allein an das enge Zeitfenster des (unstreitig kurzen) Gesprächs zwischen dem Beklagten zu 2 auf der einen und der Ehefrau des Klägers auf der anderen Seite anknüpfen.

Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass der Beklagte zu 2 die Ehefrau des Klägers nicht darüber aufgeklärt hat, welche Folgen die Ablehnung einer stationären Aufnahme haben kann. Dass einem Arzt in der Situation des Beklagten zu 2 grundsätzlich eine solche Aufklärungsverpflichtung trifft, unterliegt keinem Zweifel (therapeutische Sicherungsaufklärung, vgl. dazu etwa Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 7. Aufl. 2014, Rdnr. B 95 ff.).

Zur Überzeugung des Senats (§§ 525 Satz 1, 286 ZPO) steht jedoch fest, dass der Beklagte zu 2 am …2011 der Ehefrau des Klägers, die nicht stationär aufgenommen werden wollte, eine weitere Überlegungszeit eingeräumt hat und kurz auf die Station 3 gegangen ist; als er zurückkam, waren die Eheleute absprachewidrig verschwunden und hatten die Einweisung sowie das EKG mitgenommen.

Diese Überzeugung des Senats basiert auf dem Ergebnis der vom Landgericht verfahrensfehlerhaft unterlassenen und vom Senat gemäß § 538 Abs. 1 ZPO nachgeholten Beweisaufnahme sowie des übrigen „Inhalts der Verhandlungen“ im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO.

Der Beklagte zu 2 hat im Rahmen seiner Parteivernehmung u. a. ausgesagt, er sei am Abend des …2011 gegen 19:00 Uhr von Arzt1 angerufen worden. Er – der Beklagte zu 2 – habe zu diesem Zeitpunkt gerade auf der Station 3 einen Notfall zu versorgen gehabt, so dass das Telefonat nicht sehr ausgedehnt gewesen sei. Arzt1 habe ihm gesagt, dass er eine Patientin da habe und diese mit Verdacht auf einen Herzinfarkt einweise. Ferner habe Arzt1 gesagt, dass der Kreislauf der Patientin stabil sei und er sie auf die Intensivstation einweise.

Der Beklagte zu 2 hat weiter bekundet, er sei dann von der Station 3 auf die Intensivstation gegangen und habe dort die Ehefrau des Klägers angetroffen. Sie habe die Einweisung dabei gehabt und auch das EKG. Das EKG habe keinen Hinweis auf einen Infarkt aufgewiesen. Es sei so, dass es die Regel in dem Krankenhaus der Beklagten zu 3 sei, dass bei einem Verdacht auf einen Infarkt und auch bei einer Einweisung eine stationäre Aufnahme auf der Überwachungsstation vorgenommen werde. Die Ehefrau des Klägers habe aber keine stationäre Aufnahme gewollt. Im Grunde genommen sei auch nur über die stationäre Aufnahme diskutiert worden. Sie habe ihm gegenüber keine Beschwerden geäußert. Sie habe ihn gefragt, was gemacht werde. Er habe ihr sodann gesagt, dass sie aufgenommen und sodann nach einem „strukturierten Programm“ untersucht werde. Auch dann, wenn das EKG normal sei, könne ein Infarkt vorliegen. Er habe die Ehefrau des Klägers auf keinen Fall nach Hause geschickt. Sie habe ja auch die Einweisung gehabt.

Das Gespräch mit der Ehefrau des Klägers habe jedenfalls nur wenige Minuten gedauert. Er sei sodann auf die Station 3 zurückgegangen, weil er nach der dortigen Patientin habe sehen müssen. Er habe der Ehefrau des Klägers gesagt, dass sie sich mit dem Kläger besprechen solle, ob sie nicht doch aufgenommen werden wolle. Er habe gesagt, sie sollten solange warten. Er sei davon ausgegangen, dass das Ehepaar nach seiner Rückkehr noch da sei, dass sie warten und ihm dann ihre Entscheidung mitteilen würden. Als er nach etwa zehn Minuten wieder auf die Intensivstation zurückgekommen sei, seien die Eheleute aber weg gewesen. Die Unterlagen seien ebenfalls nicht mehr da gewesen. Er habe noch bei der Stationsschwester nach dem Verbleib der Eheleute und der Papiere nachgefragt. Die Stationsschwester habe ihm gesagt, dass die Eheleute das Krankenhaus wahrscheinlich verlassen hätten.

Der Kläger hat demgegenüber im Rahmen seiner informatorischen Anhörung u. a. ausgeführt, er meine, dass er und seine Ehefrau aus dem Bereitschaftsdienst keine Papiere mitbekommen hätten; er wisse es aber wirklich nicht mehr. Als sie im ersten Obergeschoss angekommen seien, seien sie von einer Krankenschwester empfangen worden. Der Arzt sei noch auf der Station unterwegs gewesen. Sie hätten etwa zehn Minuten gewartet. Ein Gespräch mit dem Beklagten zu 2 habe dann auf dem Flur stattgefunden. Er – der Beklagte zu 2 – habe die Auffassung vertreten, dass die Untersuchung ja nichts ergeben habe und keine Notwendigkeit bestehe, dass er eingreife. Er habe nichts gemacht. Seine Frau habe noch gefragt, was er – der Beklagte zu 2 – denn heute noch mache. Dieser habe gesagt, dass heute nichts mehr gemacht und die Ehefrau des Klägers morgen in den normalen Klinikbetrieb eingegliedert werde. Sodann seien sie wieder nach Hause gegangen; seine Ehefrau habe in diesem Zusammenhang geäußert, dass sie auch zu Hause schlafen könne und man dann morgen wiederkommen werde.

Ein sehr gewichtiges Indiz für die Richtigkeit der Darstellung der Beklagten zu 2 und zu 3 und zugleich gegen die Richtigkeit der Angaben des Klägers bildet zunächst die Existenz der von dem Kläger (!) vorgelegten Einweisung durch den Ärztlichen Bereitschaftsdienst Stadt1 vom …2011 (Bl. 102 d. A.).

Der Kläger hat bestritten, dass eine solche Einweisung damals vorgelegen habe; er hat sogar vortragen lassen, dass ihm diese „persönlich unbekannt“ sei (Bl. 134 d. A.). Er hat die Einweisung jedoch selbst mit dem Anwaltsschriftsatz vom 25. November 2014 dem Landgericht vorlegen lassen (Bl. 102 d. A.), wobei die Anlage – die auf den …2011 datierte Einweisung – in dem genannten Schriftsatz auch entsprechend angekündigt („Fotokopie des Schreibens des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes Stadt1 vom …2011“) worden, diesem also nicht etwa aus Versehen beigefügt worden ist.

Dafür, dass der Kläger und seine Ehefrau diese Einweisung und den EKG-Befund damals von Arzt1mitbekommen hatten, sprechen auch die Ausführungen des im Auftrag der Gutachter- und Schlichtungsstelle tätig gewordenen SV1 (Gutachten vom 26. März 2013, Bl. 13 d. A.). Dieser gibt auf den S. 1 f. den Inhalt des Anschreibens auszugsweise wieder, mit dem der Kläger sich an die Gutachter- und Schlichtungsstelle gewandt hatte. In diesem Anschreiben heißt es ausweislich der Zusammenfassung durch SV1, die Ehefrau des Klägers „sei von Arzt1 untersucht worden. Dessen Gutachten sei von SV2 angeschaut worden. Beide hätten gesagt, dass alles in Ordnung sei“ (Bl. 13 f. d. A.). Wenn aber der für die Beklagte zu 3 tätige Arzt sich ein „Gutachten“ des Arzt1 „angeschaut“ hat, spricht dies dafür, dass der Kläger und dessen Ehefrau die entsprechenden Unterlagen von Arzt1 erhalten und diese sodann in die Kardiologie mitgenommen haben. Dafür spricht im Übrigen auch, dass Arzt1 im Rahmen des Verfahrens vor der Gutachter- und Schlichtungsstelle ausweislich der Zusammenfassung durch SV1 mitgeteilt hat, dass er – Arzt1 – eine Mitarbeiterin ein EKG habe anfertigen lassen und die Ehefrau des Klägers aufgrund des EKG-Befunds sodann wegen des Verdachts auf einen Herzinfarkt „direkt ins Krankenhaus Stadt1 eingewiesen“ und ihnen den EKG-Ausdruck mitgegeben habe (Bl. 15 d. A.).

Dafür, dass der Kläger und seine Ehefrau die Einweisung und den EKG-Befund damals von Arzt1mitbekommen hatten, spricht überdies, dass der Kläger zunächst gegenüber der Gutachter- und Schlichtungsstelle angegeben hatte, dass der Kardiologe, mit dem er und seine Ehefrau in der Kardiologie gesprochen haben, ein SV2 gewesen sei (s. S. 2 des Gutachtens von SV1, Bl. 14 d. A.; vgl. ferner Bl. 17 d. A.), obgleich es tatsächlich der Beklagte zu 2 gewesen ist, der in der Kardiologie das kurze Gespräch mit der Ehefrau des Klägers geführt hat. Dass der Kläger zunächst vermutet hatte, dass seine Ehefrau damals mit SV2 gesprochen hatte, lässt sich schlüssig damit erklären, dass die schriftliche Einweisung durch Arzt1 an einen „SV2“ gerichtet gewesen ist (Bl. 102 d. A.).

Für die Glaubhaftigkeit der Bekundungen des Beklagten zu 2 sprechen ferner seine Angaben über sein kurzes Gespräch mit der Krankenschwester über den Verbleib der Eheleute und der Einweisung nach seiner Rückkehr von der Station 3 (sog. Realitätskriterium der Verflechtung, vgl. dazu etwa Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl. 2014, Rdnr. 440 ff.). Der Beklagte zu 2 macht durch die Erwähnung der Krankenschwester seine Aussage insoweit überprüfbar. Wer bewusst die Unwahrheit sagt, wird aus seiner Erwartungshaltung heraus kaum eine Überprüfungsmöglichkeit anbieten, bei der er selbst davon ausgehen muss, dass seine Aussage nachher nicht bestätigt werden wird. Aus seiner Sicht würde sich das auf die Glaubhaftigkeit der Behauptungen in jedem Fall negativ auswirken. Deshalb ist bereits das sog. „Verflechtungs-Angebot“ grundsätzlich ein Realitätskriterium, das für die Schilderung einer wahren Begebenheit spricht (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 08.12.2005 – 4 Ws 163/05, NJW 2006, 3506, 3507; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 28.03.2001 – 20 Sa 15/01, […]; Bender/Nack/Treuer, Tatsachenfeststellung vor Gericht, 4. Aufl. 2014, Rdnr. 440 ff., 443).

Es kommt hinzu, dass der Beklagte zu 2 nicht nur bildhaft vorstellbar und detailliert berichtet hat, sondern seine Schilderung – anders als die des Klägers – auch in sich rund und stimmig ist. Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, warum der Beklagte zu 2 an jenem Abend die Ehefrau des Klägers trotz der Einweisung durch Arzt1 nach Hause hätte schicken sollen. Überdies war der Beklagte zu 2 auch ersichtlich bemüht, deutlich zwischen dem zu unterscheiden, was er damals explizit gesagt, und dem, was er nicht gesagt, aber für selbstverständlich gehalten hat, so etwa in Bezug auf die Frage, ob er der Ehefrau des Klägers auch erläutert habe, dass das „strukturierte Programm“ trotz der fortgeschrittenen Uhrzeit durchgeführt werden würde (S. 7 des Protokolls der Sitzung vom 10. Januar 2017, Bl. 321 d. A.).

Für die Version des Beklagten zu 2 spricht ferner die Aussagekonsistenz seiner Angaben. Der Beklagte zu 2 hat bereits über die GVV Kommunalversicherung VVaG am 26. Juli 2013 (Bl. 19 d. A.) mitteilen lassen, dass er damals die Station kurz habe verlassen müssen und die Ehefrau des Klägers gebeten habe, sich mit ihrem Ehemann nochmals zu beraten; sie solle sich dann nach seiner Rückkehr abschließend entscheiden. Als er nach etwa fünf Minuten zurückgekehrt sei, seien die Eheleute mit den angelegten Unterlagen verschwunden gewesen.

Die Angaben des Klägers zum Inhalt und den näheren Umständen des Gesprächs variieren demgegenüber signifikant. Beispielsweise hat er im Rahmen seiner informatorischen Anhörung – anders als in seinem zuvor gehaltenen Vortrag – nicht angegeben, dass der Beklagte zu 2 sich von dem Kläger und dessen Ehefrau „per Handschlag“ verabschiedet habe. Auch die Angaben des Klägers zu den seiner Ehefrau und ihm durch Arzt1 mitgegebenen Unterlagen haben sich – wie oben bereits ausgeführt – im Laufe der Zeit deutlich verändert.

Vor diesem tatsächlichen Hintergrund erweist sich die Klage als unbegründet. Ein Arzt muss nämlich nicht in jeder Minute eines Aufenthaltes einer Patientin in einer Klinik damit rechnen, dass sich die Patientin plötzlich unerwartet und absprachewidrig entfernt; der Arzt muss daher auch nicht unmittelbar zu Beginn des ersten Gesprächskontakts mit der Patientin darauf hinweisen, dass dann, wenn diese sich absprachewidrig aus der Klinik entfernt, eine lebensbedrohliche Situation entstehen könnte.

Auf alle anderen Fragen – etwa das Beweisangebot des Klägers aus dem Anwaltsschriftsatz vom 12. Februar 2015 (S. 4, Bl. 112 d. A.) – kommt es daher nicht mehr an.

Dies gilt auch für die – von den Parteien nicht erörterte – Frage der Dokumentation. Die Beklagten zu 2 und zu 3 mussten unter den geschilderten außergewöhnlichen Umständen des Falles keine Behandlungsdokumentation anlegen, da das unangekündigte und nicht abgesprochene Entfernen aus der Klinik nur dahin verstanden werden konnte, dass die Ehefrau des Klägers – zumindest zu diesem Zeitpunkt – keine Behandlung in der Klinik der Beklagten zu 3 wünschte.

Auch eine Vernehmung der erstinstanzlichen Richter – wie vom Kläger in dem Anwaltsschriftsatz vom 18. Dezember 2016 (Bl. 247 d. A.) beantragt – kommt nicht in Betracht. Ob die beiden im Protokoll vom 15. April 2015 protokollierten Sätze des Beklagten zu 2 aus dessen informatorischer Anhörung („Das Gespräch mit der Patientin ging nur um die Aufnahme in dem Überwachungszimmer.Es ging nicht darum, was der Patientin passieren könnte, wenn sie das Krankenhaus verlässt“, S. 2 des Protokolls, Bl. 123 d. A.) von diesem exakt so formuliert worden ist, ist für den Ausgang des Rechtsstreits irrelevant, denn es steht – wie oben bereits ausgeführt – zwischen den Parteien nicht im Streit, dass der Beklagte zu 2 Informationen oder Empfehlungen zu möglichen Risiken einer Ablehnung einer stationären Aufnahme nicht gegeben hat.

Daher kommt es auch auf die Frage nicht an, ob das Protokoll über eine informatorische Anhörung hinsichtlich des Inhalts der entsprechenden Parteiaussagen am öffentlichen Glauben der (Protokoll-)Urkunde teilnimmt (dagegen in Bezug auf Zeugenaussagen OLG Stuttgart, Beschluss vom 12.11.2003 – 1 Ws 248/03, […]).

Nach alledem kann der Kläger auch nicht mit Erfolg von den Beklagten zu 2 und zu 3 verlangen, ihn von den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen.

2. Der Anwaltsschriftsatz vom 11. Januar 2017 hat dem Senat vorgelegen. Er gibt keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10 Satz 1, 711, 709 Satz 2 ZPO.

4. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), liegen nicht vor.

Der Sache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zu. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Sache eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.11.2008 – 1 BvR 2587/06, NJW 2009, 572, 573; Beschluss vom 27.05.2010 – 1 BvR 2643/07, FamRZ 2010, 1235, 1236; Beschluss vom 29.09.2010 – 1 BvR 2649/06, […]; BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZB 16/02, NJW 2002, 3029; Ball, in: Musielak/Voit (Hrsg.), Kommentar zur ZPO, 13. Aufl. 2016, § 543 ZPO, Rdnr. 5; Heßler, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 543, Rdnr. 11; Kessal-Wulf, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.09.2016, § 543, Rdnr. 19). Klärungsbedürftig sind dabei solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden und die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.2007 – 1 BvR 650/03, NJW-RR 2008, 26, 29; Beschluss vom 27.05.2010 – 1 BvR 2643/07, FamRZ 2010, 1235, 1236; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 03.09.2013 – 15 U 92/12, ZEV 2013, 674, 677; Heßler, in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 543, Rdnr. 11).

Nach diesen Maßstäben wirft die vorliegende Sache keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen auf. Es handelt sich vielmehr um eine von den tatsächlichen Besonderheiten des Sachverhalts geprägte Einzelfallentscheidung.

Die Zulassung der Revision ist im vorliegenden Fall auch nicht zur „Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung“ (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO) erforderlich. Dieser Zulassungsgrund ist insbesondere dann gegeben, wenn das Berufungsgericht von einer Entscheidung eines höherrangigen Gerichts, namentlich des Bundesgerichtshofes, abweicht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt dann vor, wenn das Berufungsgericht ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, also einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit dem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten Rechtssatz nicht deckt (vgl. BGH, Beschluss vom 04.07.2002 – V ZR 75/02, NJW 2002, 2295; Beschluss vom 27.03.2003 – V ZR 291/02, NJW 2003, 1943, 1945; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 31.10.2013 – 15 U 127/13, […]; Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 543, Rdnr. 4b; Kessal-Wulf, in: Vorwerk/Wolf (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Stand: 01.09.2016, § 543, Rdnr. 26).

Eine so verstandene Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes findet im vorliegenden Fall nicht statt.

Dieser Beitrag wurde unter Arztrecht abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.