Zur Frachtführerhaftung der Post aufgrund nicht rechtzeitiger Zustellung eines Briefs

OLG Köln, Beschluss vom 16. April 2020 – 3 U 225/19

Zur Frachtführerhaftung der Post aufgrund nicht rechtzeitiger Zustellung eines Briefs

Tenor

1. Der Senat weist darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das am 22.11.2019 verkündete Urteil der 17. Zivilkammer des Landgerichts Bonn – Az. 17 O 53/18 – gem. § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.

2. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Gründe
I.

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Die Berufung der Beklagten hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg (§ 522 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§ 513 Abs. ZPO). Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO). Ebenso wenig ist eine Entscheidung des Senats durch Urteil zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO) oder aus anderen Gründen eine mündliche Verhandlung geboten (§ 522 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO).

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Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von Schadensersatz gem. §§ 425, 435 HGB in Verbindung mit §§ 249, 252 BGB in Höhe von 17.838,08 EUR verurteilt und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den hierauf im Jahr des Zuflusses entfallenden Steuerbetrag zu ersetzen, weil der Klägerin in dieser Höhe aufgrund der Pflichtverletzung der Beklagten ein Schaden entstanden ist. Der Senat macht sich die Ausführungen des Landgerichts in der umfassend gut begründeten Entscheidung zu eigen. Die Berufung, mit der sich die Beklagte nur teilweise gegen die Entscheidung des Landgerichts wendet, gibt lediglich ergänzend Anlass zu folgenden Hinweisen.

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1. Die Klägerin hatte bis zu dem Verfall ihrer Ansprüche mit Ablauf des 30.09.2017 gegen ihre Arbeitgeberin einen Anspruch auf Abgeltung von 152 Tagen Urlaub gem. § 17 Abs. 3 BEEG.

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a) Die Klägerin hatte nach § 4 BUrlG iVm. ihrem Arbeitsvertrag in der Zeit vom 01.01.2011 bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses am 30.06.2017 im jeweiligen Urlaubsjahr den von dem Landgericht festgestellten Urlaubsanspruch von insgesamt 152 Tagen erworben. Insoweit wird auf S. 10 unten, S. 11 oben der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

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b) Die Elternzeiten, die die Klägerin in Anspruch nahm, hatten als solche keinen Einfluss auf den Urlaubsanspruch. Die Elternzeit eines Arbeitnehmers, die zu einer Suspendierung der Hauptleistungspflichten im Arbeitsverhältnis führt, wirkt sich nicht urlaubschädlich aus (vgl. BAG, Urt. v. 19.05.2015 – 9 AZR 725/13 – Rn. 11, BAGE 151, 360), solange der Arbeitgeber das in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG normierte Kürzungsrecht nicht ausgeübt hat, wofür eine empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung erforderlich ist (BAG, Urt. v. 19.03.2019 – 9 AZR 495/17, juris). Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, was die Beklagte auch nicht angreift, dass die Arbeitgeberin der Klägerin nicht von dem ihr zustehenden Recht der Kürzung Gebrauch gemacht hat.

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c) Zu Recht ist schließlich das Landgericht weiter davon ausgegangen, dass der vor Beginn der ersten Elternzeit sowie während der ersten Elternzeit nicht in Anspruch genommene Urlaub gemäß § 17 Abs. 2 BEEG auf die Zeit nach der zweiten Elternzeit übertragen worden ist. Gemäß § 17 Abs. 2 BEEG hat der Arbeitgeber den dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaub, den dieser vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten hat, nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren. § 17 Abs. 2 BEEG bezeichnet hierbei nicht einen besonderen Übertragungszeitraum, sondern bestimmt das für die Fristberechnung maßgebliche Urlaubsjahr iSd. § 7 Abs. 3 BUrlG (vgl. BAG, Urt. v. 15.12.2015 – 9 AZR 52/15 – Rn. 19, 22, BAGE 154, 1).

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Insoweit ist der Beklagten zwar zuzugeben, dass das Bundesarbeitsgericht ursprünglich die Auffassung vertreten hat, dass Urlaub, der auf Grund einer ersten Elternzeit nach § 17 Abs. 2 BErzGG übertragen wurde, gem. § 7 Abs. 3 BUrlG mit Ablauf des auf die erste Elternzeit folgenden Urlaubsjahres entfalle und zwar auch dann, wenn dieser übertragene Urlaub wegen einer weiteren Elternzeit nicht in Anspruch genommen werden kann (BAG, Urt. v. 21.10.1997 – 9 AZR 267/96 – AP BUrlG § 7 Abgeltung Nr. 75; Urt. v. 23.04.1996 – 9 AZR 165/95BAGE 83, 29, zu I 2 und 3 der Gründe). Dies hätte vorliegend dazu geführt, dass der Urlaubsanspruch der Klägerin, den diese vor bzw. während ihrer ersten Elternzeit erworben hatte, mit Ablauf des auf die erste Elternzeit folgenden Urlaubsjahrs, also dem 31.12.2015, verfallen wäre. Diese Rechtsprechung hat das Bundesarbeitsgericht aber bereits im Jahr 2008 (BAG, Urt. v. 20.05.2008 – 9 AZR 219/07 -, BAGE 126, 352-363, Rn. 19) aufgegeben. Seitdem vertritt es in ständiger Rechtsprechung, dass § 17 Abs. 2 BErzGG und die vorliegend anwendbare Nachfolgeregel des § 17 Abs. 2 BEEG schon einfach-gesetzlich, jedenfalls aber verfassungs- und gemeinschaftsrechtskonform dahingehend auszulegen ist, dass der Resturlaub weiter übertragen wird, wenn er nach dem Ende der ersten Elternzeit auf Grund einer weiteren Elternzeit nicht genommen werden kann. Dem liegt die Erwägung zu Grunde, dass § 17 Abs. 2 BEEG sicherstellen soll, dass die Inanspruchnahme von Elternzeit nicht zum Verfall des Erholungsurlaubs führt (BAG, Urt. v. 23.04.1996 – 9 AZR 165/95BAGE 83, 29, zu I 2 der Gründe). Diesem Zweck liefe es zuwider, wenn die mehrfache Inanspruchnahme von Elternzeit mit dem Verfall des Urlaubsanspruchs verbunden wäre. Diese Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 BEEG liegen vor, weil die Klägerin, ohne zuvor ihren übertragenen Urlaub abzuwickeln, ab September 2014 erneut in Elternzeit war. Die daz wischen liegende Freistellung der Klägerin ist in diesem Zusammenhang irrelevant. Die Übertragung des Urlaubs in das Urlaubsjahr nach der zweiten Elternzeit fände auch statt, wenn die Klägerin nach ihrer ersten Elternzeit von ihrer Arbeitgeberin nicht freigestellt worden wäre, sondern im Jahr 2014 im Anschluss an ihre erste Elternzeit ihren arbeitsvertraglichen Pflichten weiter nachgekommen wäre, ohne sodann den übertragenen Urlaub sofort in Anspruch zu nehmen. Denn es kommt bei der Übertragung des Urlaubsanspruchs nicht darauf an, ob es dem Arbeitnehmer theoretisch möglich gewesen wäre, seinen Urlaub jedenfalls teilweise abzuwickeln. Denn hierzu war die Klägerin nicht verpflichtet, weil sie ihren Urlaub aufgrund der Übertragung infolge der ersten Elternzeit bis zum Ende des nächsten Urlaubsjahres, also dem 31.12.2015 abwickeln durfte. Mit Eintritt in die zweite Elternzeit war ihr diese weitere Urlaubsabwicklung nicht möglich.

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Dabei kommt es für die weitere Übertragung des Urlaubsanspruchs auf die Zeit nach einer zweiten Elternzeit auch nicht darauf an, ob sich die Elternzeiten unmittelbar aneinander anschließen, sondern nur darauf, ob die Urlaubsgewährung aufgrund einer weiteren Elternzeit nicht mehr möglich war. Zwar schlossen sich in dem Fall, der der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20.05.2008 zugrunde lag, beide Elternzeiten der dortigen Klägerin unmittelbar aneinander an. Dies war jedoch für die Entscheidung nicht maßgeblich. Das Bundesarbeitsgericht stellte vielmehr ausschließlich darauf ab, dass der gem. § 17 Abs. 2 BEEG aufgrund einer ersten Elternzeit übertragene Urlaub aufgrund einer zweiten Elternzeit nicht genommen werden konnte. Diese Auslegung hat es in einer weiteren Entscheidung bestätigt, in der es ausschließlich darauf abstellte, dass der wegen einer vorherigen Elternzeit übertragene Urlaub bei Eintritt in die neue Elternzeit noch nicht verfallen war (BAG, Urt. v. 23.01.2018 – 9 AZR 200/17 -, BAGE 161, 347-355, Rn. 19).

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d) Mit der Vereinbarung einer Freistellung der Klägerin in der Zeit vom 03.03.2014 bis 31.05.2014 hat die Klägerin auch nicht auf bereits entstandene Urlaubsansprüche verzichtet, wobei die Beklagte schon nicht deutlich macht, ob sie meint, die Klägerin habe auf Urlaubsansprüche bis einschließlich 31.05.2014 verzichten wollen oder nur auf im Zeitpunkt der Einigung über die Freistellung im Dezember 2012 bereits entstandene Ansprüche. Im Umfang des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs von 24 Werktagen jährlich gem. § 3 BUrlG folgt dies schon daraus, dass dieser gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nach § 13 Abs. 1 BUrlG unabdingbar ist und auf ihn nicht verzichtet werden kann (ständige Rechtsprechung seit BAG, Urt. v. 21.07.1978 – 6 AZR 1/77, DB 1978, S. 2323). Aber auch für die fünf der Klägerin arbeitsvertraglich über den gesetzlichen Mindesturlaub hinaus zustehenden Urlaubstage liegt kein Verzicht vor. An die Feststellung eines Verzichtswillens sind hohe Anforderungen zu stellen. Steht fest, dass eine Forderung entstanden ist, verbietet dieser Umstand im Allgemeinen die Annahme, der Gläubiger habe sein Recht einfach wieder aufgegeben wollen (vgl. BAG, Urt. v. 07.11.2007 – 5 AZR 880/06 – Rn. 22, BAGE 124, 349). Vorliegend sind keinerlei Anhaltspunkte von der Beklagten vorgetragen oder sonst ersichtlich, die auf einen Verzichtswillen der Klägerin für die in den Jahren 2011 bis 2014 entstandenen Urlaubsansprüche schließen lassen. Die Arbeitgeberin hatte lediglich die Klägerin auf deren Wunsch für die Zeit vom 03.03.2014 bis zum 31.05.2014 zur Vorbereitung der Approbationsprüfungen ohne Bezüge freigestellt und zusätzlich erklärt, dass in dieser Zeit auch die Urlaubsansprüche entfielen (Anlage K10, Bl. 53 d.A.). Der Urlaubsanspruch der Klägerin sollte also nur für die Zeit der Freistellung gekürzt werden. Darüber hinaus einen Verzichtswillen der Klägerin für sämtliche bereits entstandenen Urlaubsansprüche anzunehmen, ist fernliegend. Dafür, dass ein solcher Wille irgendwie zum Ausdruck gebracht worden wäre, sind keine Anhaltspunkte vorgetragen.

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e) Mithin war der gesamte in den Jahren 2011 bis 2017 entstandene Anspruch auf Gewährung von 152 Tagen Urlaub gem. § 17 Abs. 2 BEEG auf das laufende bzw. folgende Urlaubsjahr nach der zweiten Elternzeit übertragen, weshalb es sich bei sämtlichen Urlaubstagen um solche im Sinne des § 17 Abs. 3 BEEG handelt, die bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses während der Elternzeit noch nicht gewährt worden waren, und mithin abzugelten sind.

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2. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht auch die Ersatzpflicht der Beklagten für die auf die Ersatzforderung entfallende Steuerlast ausgesprochen.

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Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat zur Ermittlung des Verdienstausfallschadens sozialversicherter Arbeitnehmer – worum es sich vorliegend ebenfalls handelt, auch wenn der Verdienstausfall der Klägerin nicht wie im Regelfall aufgrund einer vom Schädiger verursachten Erwerbsunfähigkeit, sondern aufgrund des vom Schädiger verschuldeten Versäumens einer Ausschlussfrist entstanden ist – zwei Berechnungsmethoden entwickelt. Nach der einen, der sog. Bruttolohnmethode, ist bei der Schadensberechnung der dem Geschädigten entgangene Bruttoverdienst anzusetzen. Vorteile, die dem Geschädigten aufgrund des Schadensereignisses durch den Wegfall von Sozialabgaben und Steuern zufließen, sind im Wege des Vorteilsausgleichs zu berücksichtigen, wobei der Vorteilsausgleich ein entsprechendes Verteidigungsvorbringen des Schädigers voraussetzt. Für diese Berechnungsmethode wird im Wesentlichen angeführt, dass die Lohnbezüge in ihrer Gesamtheit wirtschaftlich das Einkommen des Geschädigten darstellten, dass dieser Berechnungsweg für alle Fälle des Verdienstausfalls – gleichgültig, ob es um den Verdienstausfall von Beamten, Selbständigen oder sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmern mit und ohne Lohnfortzahlung gehe – in gleicher Weise anwendbar sei und sich im Einzelfall als praktikabler als eine auf das fiktive Nettoeinkommen abstellende Berechnung erweise (vgl. etwa BGH, Urt. v. 23.06.1965 – III ZR 185/62VersR 1965, 793, Urt. v. 13.07.1967 – III ZR 94/66VersR 1967, 1095, 1097, Urt. v. 18.06.1973 – III ZR 155/70VersR 1973, 1028, 1030 u. Urt. v. 19.09.1974 – III ZR 73/72VersR 1975, 37, 40). Nach der anderen, der sog. modifizierten Nettolohnmethode, ist der Schaden, den es auszugleichen gilt, das fiktive Nettoeinkommen des Geschädigten zuzüglich aller seiner aus dem Schadenereignis folgenden weiteren Nachteile einschließlich der auf die Schadensersatzleistung geschuldeten Steuern. Für diesen Berechnungsweg wird geltend gemacht, dass es der aus § 249 BGB abgeleitete Grundsatz der konkreten Schadensberechnung gebiete, den Berechnungsfaktor „Steuern und Beiträge“ mit seiner konkreten, nach dem Unfall häufig veränderten Größe einzusetzen (vgl. etwa BGH, BGHZ 42, 76, 78 ff; BGH, Urt. v. 26.02.1980 – VI ZR 2/79VersR 1980, 529 u. v. 29.09.1987 – VI ZR 293/86VersR 1988, 183). Das gemeinsame Ziel beider Berechnungswege ist die Ermittlung des „wahren“, des „wirklichen“ Schadens (vgl. BGHZ 42, 76, 84; BGH, Urt. v. 23.06.1965 – III ZR 185/62 – aaO). Es handelt sich bei diesen Methoden indes um bloße Berechnungstechniken ohne eine eigenständige normative Aussage (vgl. BGH, Urt. v. 18.05.1965 – VI ZR 262/63VersR 1965, 786). Beide Berechnungsmethoden sind zur Ermittlung des Schadens i.S. von § 249 BGB geeignet; sie führen – richtig angewandt – auch nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen.

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Da vorliegend die Klägerin ihren Schaden nach der modifizierten Nettolohnmethode berechnet hat, weshalb die Beklagte im Hauptausspruch auch nur zur Zahlung des Nettoschadens verurteilt worden ist, schuldet die Beklagten ihr zusätzlich alle ihrer aus dem Schadenereignis folgenden weiteren Nachteile einschließlich der auf die Schadensersatzleistung geschuldeten Steuern.

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Im Jahr des Zuflusses ist die Klägerin verpflichtet, die von der Beklagten gezahlte Entschädigungssumme als Einkünfte gem. §§ 2, 24 Nr. 1a EStG zu versteuern. Gemäß § 24 Nr. 1a EStG zählen zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die gewährt worden sind als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen. § 24 Nr. 1 EStG fasst unter dem gemeinsamen Oberbegriff der Entschädigung unterschiedliche Einkünfte zusammen. In seiner allgemeinen für alle Fallgruppen maßgeblichen Bedeutung umfasst der Begriff auch Zahlungen, die eine finanzielle Einbuße ausgleichen, die ein Steuerpflichtiger infolge einer Beeinträchtigung seiner Rechtsgüter erlitten hat oder zu erwarten hat (Mellinghoff in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl. 2020, § 24 EStG, Rn. 2).

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Dabei kommt es nur darauf an, ob es sich bei dem Urlaubsabgeltungsanspruch, für den die Beklagte Ersatz leisten muss, an sich um eine steuerpflichtige Einnahme handelt. Darauf, ob dieser von dem Arbeitgeber gezahlt wird, oder wie vorliegend, von einem Dritten, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, ist unerheblich (vgl. BFH, Urt. v. 29.10.1959 IV 235/58 U, BFHE 70, 234, BStBl III 1960, 87; Urt. v. 13.04.1976 VI R 216/72, BFHE 119, 247, BStBl II 1976, 694; Urt. v. 21.01.2004 – XI R 40/02 -, BFHE 205, 129, BStBl II 2004, 716, Rn. 13). So ist anerkannt, dass es auch bei infolge eines Verkehrsunfalles oder anderen schädigenden Ereignisses gezahlten Schadensersatzes nur auf die Rechtsnatur des zu ersetzenden Anspruchs ankommt. Erhält ein im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses Erwerbsloser vom Schädiger beispielsweise Ersatz für den verletzungsbedingt erlittenen Erwerbsschaden gem. § 842 BGB, kommt es für die Anwendung von § 24 Nr. 1 a EStG darauf an, ob mit der Zahlung steuerbare und steuerpflichtige Einnahmen ersetzt werden sollen (sog. Verdienstausfall) oder der Anspruch auf steuerfreie Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld (§ 3 Nr. 2 a EStG) oder das Arbeitslosengeld II erfolgt (BFH, Urt. v. 20.7.2018 – IX R 25/17, DStR 2018, 2327). Vorliegend wird mit der Zahlung der Beklagten eine steuerpflichtige Einnahme ersetzt. Der Einkommensteuer unterliegen gem. § 2 Abs. 1 Nr. 4 EStG Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Dazu zählen nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantieme und andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 LStDV v. 22.12.1999 sind Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufließen. Es ist gem. § 2 Abs. 1 Satz 2 LStDV v. 22.12.1999 unerheblich, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form die Einnahmen gewährt werden. Der ausgezahlte Urlaubsabgeltungsanspruch fällt unter diese Vorschriften (R 19.3 Abs. 1 Nr. 2 LStR), der als sonstiger Bezug zu versteuern ist (R 39b.2 Abs. 2 Nr. 5 LStR).

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Für den der Klägerin in Zukunft noch entstehenden Schaden dadurch, dass sie die von der Beklagten zu zahlende Entschädigung versteuern muss, ist die Beklagte ersatzpflichtig, weil dieser Schaden kausal durch die Pflichtverletzung der Beklagten entstanden ist. Denn hätte die Beklagte den Brief rechtzeitig zugestellt, hätte die Arbeitgeberin der Klägerin zwar ebenfalls nur den Netto-Betrag ausgezahlt. Sie hätte aber zusätzlich durch die Abführung der Lohnsteuer für die Klägerin deren Steuerschuld beglichen. Dadurch, dass der Anspruch der Klägerin gegen ihre Arbeitgeberin entfallen ist, ist ihr auch diese Möglichkeit des Lohnsteuerabzugs entgangen.

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Nach Maßgabe ihrer Begründung war die Berufung nicht auf ein Mitverschulden der Klägerin im Rahmen der haftungsbegründenden Kausalität des auf die Lieferverzögerung gestützten Schadensersatzanspruch zu prüfen. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, auf einen außerordentlich hohen Schaden insoweit aufmerksam zu machen (vgl. dazu Skradde TranspR 2015, 22, 28).

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3. Die Berufungsbegründung gibt jedoch Veranlassung zur Prüfung eines Mitverschuldens im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität. Der Umfang des Schadensersatzanspruchs richtet sich insoweit nach den allgemeinen Regelungen der §§ 249 ff. BGB (vgl. Koller, Transportrecht, 10. Aufl., § 425 HGB Rn. 91, § 435 HGB Rn. 19, Koller, TranspR 2018, 1, 3). Soweit die Beklagte geltend macht, der erstattungsfähige Schaden der Klägerin sei geringer, weil zwischen den beiden Elternzeiten zu unterscheiden sei und eine Haftung der Beklagten für die Urlaubsansprüche aus der ersten Elternzeit wegen des seitens der Klägerin erbetenen Ruhens des Arbeitsvertrages ausscheide, bleibt sie ohne Erfolg. Dieser Umstand ist keiner, der im Rahmen eines Mitverschuldens der haftungsausfüllenden Kausalität zu berücksichtigen wäre. Eine Schadensminderungspflicht der Klägerin kommt hier nicht in Betracht. Insoweit haftet die Beklagte auch für diesen Teil der abzugeltenden Urlaubsansprüche.

19
Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat die Klägerin den ihr entstandenen Schaden hinreichend dargelegt und begründet.

20
Dass angesichts dessen die Beklagte als Frachtführerin nicht in diesem Umfang haftet, es also nach Maßgabe der §§ 249 ff. BGB zu Haftungsbegrenzungen kommt, ist nicht ersichtlich. Der geltend gemachte Schaden ist adäquat kausal entstanden, vom Schutzzweck der Norm umfasst und mithin erstattungsfähig. Die Argumentation der Beklagten beschränkt sich mithin auch auf die Auslegung der arbeitsrechtlichen Vorschriften, die jedoch keine Rechtsfehler erkennen lässt.

II.

21
Die Anschlussberufung dürfte mangels bestimmten Antrags und Begründung unzulässig sein. Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin:

22
Das Landgericht dürfte in der Summe den Streitwert richtig festgesetzt haben. Dabei ist allerdings der Klägerin zuzugeben, dass der von dem Landgericht für den Antrag zu 3) veranschlagte Betrag von 5.934,40 EUR tatsächlich den Betrag ausmachte, den die Klägerin im Schriftsatz vom 11.10.2019 als zu erwartende Steuerlast geltend machte, also den Wert des Antrags zu 2) darstellen dürfte. Dies dürfte den Streitwert insgesamt jedoch nicht verändern, weil sich der Wert des Antrags zu 3) entsprechend verringern dürfte. Diese Veränderung könnte nur für die ausgeurteilte Kostenquote bedeutsam sein.

III.

23
Die Beklagte erhält Gelegenheit, zu diesem Hinweis binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen. Auf die Möglichkeit der Rücknahme der Berufung zum Zweck der Ersparnis eines Teils der im zweiten Rechtszug anfallenden Gerichtsgebühren (statt 4 fallen nur 2 Gerichtsgebühren an – Nr. 1222 KV zu § 3 II GKG) wird ausdrücklich hingewiesen.

24
Mit der Rücknahme der Berufung verliert zudem die Anschlussberufung gem. § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung.

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