OLG Stuttgart, Urteil vom 21.04.2010 – 3 U 182/09
Ist nur ein Teil des Frachtguts durch ein Schadensereignisses unbrauchbar geworden, kommt es gemäß § 431 Abs. 2 Nr. 2 HGB für die Berechnung des Haftungshöchstbetrags grundsätzlich auf die Summe des Rohgewichts der beschädigten Frachtstücke an; der Grad ihrer Beschädigung ist dagegen ebenso unerheblich wie der Wert der einzelnen Frachtstücke (Rn. 32)
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der Vorsitzenden der 34. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 02.10.2009 – 34 O 49/09 KfH abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 34.465,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 12.05.2009 zu bezahlen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt die Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Streitwert des Berufungsverfahrens: 34.465,26 €.
Gründe
I.
1
Die Klägerin nimmt die Beklagte als ihren Frachtführerhaftpflichtversicherer auf Zahlung von restlichem Schadensersatz in Anspruch.
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Am 06.06.2008 übernahm die Klägerin im Auftrag der U… OHG (im folgenden: U…) in D… eine Wechselbrücke, die sie zum Bestimmungsort K… transportieren sollte. Die Wechselbrücke mit einem Gesamtgewicht von 12.000 KG brutto beinhaltete 593 Packstücke. Bei einem Fahrzeugbrand auf der Bundesautobahn A8 wurden eine Vielzahl der Packstücke beschädigt. Die Klägerin hat mit der Fa. U… einen Rahmenvertrag abgeschlossen, dessen § 7 lautet:
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„Der Auftragnehmer haftet nach den gesetzlichen Bestimmungen.
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Gemäß § 449 HGB wird die vom Frachtführer zu leistende Entschädigung wegen Verlustes oder Beschädigung des Gutes abweichend von § 431 HGB auf 40 Rechnungseinheiten für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung begrenzt.“
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Ziff. 9.2 der „U… Beförderungsbedingungen“, die die Fa. U… im Verhältnis zu ihren Kunden zur Anwendung gebracht hat, lautet dagegen:
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„ … In Deutschland beträgt die Haftung für Verlust oder Beschädigung bis maximal 510 Euro pro Sendung oder 8,33 SZR für jedes Kilogramm, je nachdem welcher Betrag höher ist.“
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Die Fa. U… hat von der Klägerin insgesamt 79.031,73 € Schadensersatz gefordert, wovon die Beklagte 43.294,35 € reguliert hat.
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Wegen der tatsächlichen Feststellungen sowie wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf das landgerichtliche Urteil vom 02.10.2009 Bezug genommen.
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Mit diesem Urteil wurde die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf weitere Versicherungsleistungen. Zwar stehe § 100 VVG dem geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht entgegen. Die von der Firma U… gegenüber der Beklagten vorgenommene Verrechnung ihres behaupteten Schadensersatzanspruches mit Frachtlohnforderungen der Klägerin stelle eine Befriedigung im Sinne von § 105 VVG dar. Der Befreiungsanspruch gemäß § 100 VVG wandle sich hierdurch in einen Zahlungsanspruch. Auch wenn die von der Firma U… vorgenommene Verrechnung die Beklagte nicht binde, stehe letzterer der Einwand des Erfüllungswahlrechtes aus dem Haftpflichtvertragsverhältnis nicht zu. Ein solches bestehe nach Umwandlung des Befreiungsanspruches in einen Zahlungsanspruch nicht mehr. Auf die Frage, ob es sich um eine unzulässige Befriedigung im Sinne des durch die VVG-Novelle aufgehobenen § 154 Abs. 2 VVG a.F. handle, komme es nicht mehr an. Ein Reformanliegen sei es gewesen, dem Versicherungsnehmer die Befriedigung des Geschädigten ohne Nachteile im Deckungsverhältnis zu ermöglichen. Diesem Reformanliegen würde es widersprechen, den Versicherungsnehmer unter Verweis auf das Trennungsprinzip auf eine Klage gegen den Befriedigten zu verweisen, in der Haftpflichtansprüche verbindlich zu klären seien.
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Der Firma U… stehe aber kein über den bereits gezahlten Entschädigungsbetrag hinausgehender Schadensersatzbetrag zu. Als ausführender Frachtführer hafte die Klägerin auf Wertersatz. Soweit ihre Haftung reiche, sei sie neben dem vertraglichen Frachtführer, vorliegend der Firma U…, Gesamtschuldner. Die Klägerin könne daher den Einwand der Haftungsbeschränkung in Ziff. 9.2 der Beförderungsbedingungen der Firma U… auch gegenüber den auf U… übergegangenen Schadensersatzforderungen der Kunden geltend machen.
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Auch aus dem Rahmenvertrag zwischen U… und der Klägerin bestünden keine Ansprüche der U… mehr. Der Rahmenvertrag sehe im Vergleich zur Regelung im Hauptfrachtvertrag eine auf 40 Sonderziehungsrechte erhöhte Haftung der Klägerin pro Kilogramm vor. Nach dieser Haftungsregelung hafte die Klägerin gegenüber der U… unter Zugrundelegung des unstreitigen Umrechnungskurses zum 06.06.2008 und der unstreitigen Summe des Rohgewichts der beschädigten Frachtstücke somit grundsätzlich auf maximal 89.226,52 €. Im unterfrachtvertraglichen Innenverhältnis könne sich die Klägerin gegenüber der U… zwar nicht auf die Haftungsbegrenzung in dem Hauptfrachtvertrag der U… zu ihren Kunden berufen, sondern hafte grundsätzlich auf den die niedrigere Haftungssumme übersteigenden Differenzschaden. Es sei aber weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Firma U… einen solchen Schaden ihrer Kunden – im Wege der Drittschadensliquidation – geltend gemacht habe bzw. mache. Ebenso wenig sei ein eigener Schaden der U… aus dem Unterfrachtvertrag dargelegt oder ersichtlich. Es sei vielmehr so, dass die Firma U… von ihren Kunden nicht über die in Ziff. 9.2 der Beförderungsbedingungen geregelte Haftungsbeschränkung hinaus in Anspruch genommen worden sei und damit ein Schaden der Firma U… nur in Höhe des jeweils an die Kunden gezahlten Entschädigungsbetrages eingetreten sei.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiterverfolgt. Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag und macht geltend, das Landgericht sei fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Klägerin von der Beklagten Zahlungen wolle, die über die von der U… an die eigenen Kunden geleisteten hinausgingen. Die Klägerin mache lediglich das geltend, was die Firma U… an ihre Kunden als Schadensersatz geleistet habe. Die Beklagte habe davon abweichend den Schaden berechnet und pro einzelnem Frachtstück eine Haftungsobergrenze von 40 Sonderziehungsrechten angesetzt oder aber den Höchstbetrag gemäß Ziff. 9.2 der Beförderungsbedingungen von U… in Höhe von 510,00 €, wenn letzterer geringer gewesen sei. Die im Rahmenvertrag zwischen der Klägerin und der Firma U… vereinbarte Haftungshöchstgrenze von 40 Sonderziehungsrechten pro Kilogramm könne aber auf die einzelnen Frachtstücke nicht angewandt werden, sondern begrenze die Haftung des Gesamtschadensersatzanspruchs der Firma U… gegenüber der Klägerin gemäß § 431 Abs. 2 Nr. 2 HGB unter Zugrundelegung des Rohgewichts der Summe der beschädigten Frachtstücke, mithin in Höhe von insgesamt maximal 89.226,52 €. Sendung im Sinne des § 431 Abs. 2 Nr. 2 HGB sei die übergeordnete Versandeinheit, die dadurch entstehe, dass Güter, die von einem einzelnen Absender stammten, aufgrund eines Frachtvertrages zusammengefasst zu einem einzelnen Empfänger befördert würden. Vorliegend habe die Klägerin von U… zwei Container übernommen, von denen einer in Brand geraten sei. Es läge somit eine einheitliche Sendung vor.
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Die Klägerin beantragt,
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unter Abänderung des am 02.10.2009 verkündeten Urteils des Landgerichts Stuttgart, Az.: 34 O 46/09 KfH, zugestellt am 12.10.2009, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 34.465,26 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
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Sie verteidigt das angegriffene Urteil und trägt vor, das Landgericht habe richtig gesehen, dass im Verhältnis zwischen den Versendern und der U… einerseits sowie U… und der Klägerin andererseits unterschiedliche Haftungshöchstbeträge vereinbart seien. Die Haftungshöchstgrenze von 40 Sonderziehungsrechten in § 7 des Rahmenvertrages der Fa. U… mit der Klägerin sei nur scheinbar höher als diejenige gem. Ziff. 9.2 der Beförderungsbedingungen der Firma U…. Die Haftungshöchstgrenze gem. § 7 Rahmenvertrag könne nur dann ausgeschöpft werden, wenn ein Schaden in entsprechender Höhe nachgewiesen sei. Hieran fehle es vorliegend. Insbesondere könne die Klägerin keine höheren Schäden liquidieren, als das Gut bei Übernahme wert gewesen sei. Im Übrigen erweise sich die Haftungsbeschränkung im Innenverhältnis zwischen Klägerin und der Firma U… als „Regressbremse“, die sich zum Nachteil der Fa. U… auswirke, wenn diese nach ihren Beförderungsbedingungen einen höheren Entschädigungsbetrag zu leisten habe, als die Klägerin ihr gegenüber gem. § 7 des Rahmenvertrages. Dass die Fa. U… einen höheren Schaden, als sie selbst gegenüber den Kundin entschädigt habe, gegenüber der Klägerin im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen würde, habe die Klägerin nicht dargelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die zu den Akten gereichten schriftlichen Unterlagen verwiesen.
II.
19
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Firma U… steht gegenüber der Klägerin ein über die von der Beklagten geleisteten Entschädigungsbeträge hinausgehender Schadensersatz in Höhe von 34.465,26 € zu, für den die Beklagte als Haftpflichtversicherer der Klägerin einzustehen hat und der die zwischen der Klägerin und der Fa. U… vereinbarte Haftungshöchstgrenze nicht überschreitet.
1.
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Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass § 100 VVG einer Zahlungsklage der Klägerin gegen ihren eigenen Haftpflichtversicherer vorliegend nicht entgegensteht.
21
Die Klägerin unterhielt bei der Beklagten ab 01.01.2008 eine Frachtführerhaftpflichtversicherung. Mithin ist auf das Versicherungsvertragsverhältnis der Parteien das Versicherungsvertragsgesetz vom 23. November 2007 (BGBl. I S. 2631), das am 01. Januar 2008 in Kraft getreten ist, anwendbar. Gemäß § 100 VVG ist der Versicherer (lediglich) verpflichtet, den Versicherungsnehmer von Ansprüchen freizustellen, die von einem Dritten aufgrund der Verantwortlichkeit des Versicherungsnehmers für eine während der Versicherungszeit eintretende Tatsache geltend gemacht werden, und unbegründete Ansprüche abzuwehren. Richtig führt das Landgericht insoweit aus, dass der Versicherungsnehmer somit grundsätzlich keinen Zahlungsanspruch, sondern auch nach neuer Rechtslage regelmäßig nur einen Freistellungs- bzw. Abwehrdeckungsanspruch hat. Mit dem Landgericht ist jedoch davon auszugehen, dass durch die von der Firma U… erklärte Aufrechnung gegen Frachtlohnforderungen der Klägerin etwaige Schadensersatzansprüche im Sinne der §§ 105, 106 VVG befriedigt wurden. Zwar ist in einer Aufrechnung eines Dritten mit der Haftpflichtforderung gegen die Forderung des Versicherungsnehmers nur dann eine Befriedigung des Dritten zu sehen, wenn der Versicherungsnehmer mit der Aufrechnung einverstanden ist. Rechnet der Dritte ohne Einverständnis des Versicherungsnehmers mit der Haftpflichtforderung auf, liegt keine Befriedigung vor. Hält der Versicherer den Haftpflichtanspruch für unbegründet, ist er zur Gewährung von Rechtsschutz zur Führung des Aktivprozesses des Versicherungsnehmers gegen den Dritten verpflichtet. In diesem Prozess wird dann auch über den Haftpflichtanspruch entschieden (Schwintowski/Brömmelmeyer-Retter, Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsrecht, 2008, § 106 VVG Rn. 36). Vorliegend hat die Klägerin jedoch durch Klageerhebung gegen die Beklagte zu erkennen gegeben, dass sie ihren ursprünglichen Widerspruch gegenüber der Firma U… hinsichtlich der Aufrechnung nicht mehr aufrechterhält. In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter dargelegt, dass die Klägerin die Aufrechnung letztlich wegen der Marktmacht der Fa. U… akzeptiert habe.
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Schließlich ist dem Landgericht auch darin zuzustimmen, dass die Klägerin nach Befriedigung der Firma U… die Beklagte unabhängig davon auf Zahlung in Anspruch nehmen kann, ob diese Befriedigung der Firma U… für die Beklagte bindend ist. Gemäß § 105 VVG ist entgegen früherer Rechtslage eine Vereinbarung, nach welcher der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn der Versicherungsnehmer ohne seine Einwilligung den Dritten befriedigt oder dessen Anspruch anerkennt, unwirksam. Im Umkehrschluss kann diese gesetzgeberische Entscheidung nicht anders verstanden werden, als dass es dem Versicherungsnehmer freisteht, (auf eigenes Risiko) den Dritten zu befriedigen, ohne hierdurch den Versicherungsschutz zu verlieren. Sein Freistellungsanspruch wandelt sich durch die (berechtigte) Befriedigung des Dritten in einen Zahlungsanspruch um, sodass der Versicherungsnehmer Zahlung direkt an sich verlangen kann.
2.
23
Entgegen der Ansicht des Landgerichts stand der Firma U… gegenüber der Klägerin jedoch ein Schadensersatz in Höhe von insgesamt 79.031,73 € zu, der sich nach teilweiser Regulierung durch die Beklagte auf noch 34.465,26 € reduziert hat.
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a) Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, die Klägerin hafte als Unterfrachtführerin neben der Firma U… als Hauptfrachtführerin den geschädigten Versendern als Gesamtschuldner. Sie könne daher den Einwand der Haftungsbeschränkung in Ziff. 9.2 der Beförderungsbedingungen der U… gemäß § 426 Abs. 2 BGB auch den Kunden der Firma U… entgegenhalten. Aus dem Rahmenvertrag mit der Klägerin könne die Firma U… ebenfalls keine weitergehenden Ansprüche geltend machen, da die Firma U… einen Differenzschaden, den sie im Wege der Drittschadensliquidation geltend machen könne, nicht behauptet habe. Auch einen eigenen Schaden habe die Firma U… nicht dargelegt.
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Diese Ausführungen des Landgerichts sind nicht frei von Rechtsfehlern.
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b) Zum einen hat das Landgericht in tatsächlicher Hinsicht offenbar verkannt, dass die im Rahmenvertrag der Parteien vereinbarte Haftungsbegrenzung auf 40 Sonderziehungsrechte pro Kilogramm in vielen Fällen – angewendet auf das einzelne Frachtstück – zu einem geringeren Ausgleichsbetrag als die Haftungsbegrenzung gemäß Ziff. 9.2 der Beförderungsbedingungen der Firma U… führt. Denn nach den Beförderungsbedingungen der Firma U… haftet diese ihren Kunden gegenüber auf maximal 510,00 € pro Sendung oder 8,33 Sonderziehungsrechte für jedes Kilogramm, je nach dem, welcher Betrag höher ist. Dies bedeutet, dass die Fa. U… erst bei Überschreiten eines Gewichts des einzelnen Frachtgutes von rund 59 Kilogramm ihren Kunden einen Betrag von mehr als 510,00 € schuldet.
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Die Beklagte hat demgegenüber als Haftungsobergrenze den Maßstab des § 7 des Rahmenvertrages zwischen der Klägerin und der Firma U… auch bezüglich des von der Fa. U… geltend gemachten Schadens, der sich aus den von der Fa. U… an ihre Kunden gezahlten Schadenersatzbeträgen ergibt, zu Grunde gelegt. Diese Haftungsobergrenze von 40 Sonderziehungsrechten pro Kilogramm ist in einer Vielzahl der Fälle – bezogen auf das einzelne Frachtstück – deutlich geringer als der Haftungsbeschränkungsbetrag von 510,00 € gemäß Ziff. 9.2 der U…-Beförderungsbedingungen und auch geringer als der tatsächlich von den U…-Kunden geltend gemachte Schaden, der unter 510,00 € liegt.
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Das Landgericht verkennt also die tatsächliche Lage, wenn es ausführt, dass im Rahmenvertrag zwischen der Firma U… und der Klägerin eine im Vergleich zur Regelung im Hauptfrachtvertrag erhöhte Haftung der Klägerin pro Kilogramm vereinbart sei.
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c) In rechtlicher Hinsicht setzt sich das Landgericht daher auch nicht mit der streitentscheidenden Frage auseinander, ob die zwischen der Klägerin und der Firma U… in § 7 des Rahmenvertrages vereinbarte Haftungshöchstgrenze auf das einzelne Frachtgut (die einzelnen U…-Päckchen) oder auf die von der Klägerin transportierte Sendung zu beziehen ist. Diese Frage ist mit der Klägerin dahingehend zu beantworten, dass für die Berechnung der Haftungshöchstsumme nicht das einzelne Frachtstück, sondern die von der Klägerin zu transportierende Sendung, mithin die Summe des Rohgewichts der entwerteten Frachtstücke, maßgeblich ist.
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Im Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Fa. U… ist der Schadensersatzanspruch der Fa. U… durch § 7 des Rahmenvertrages begrenzt. Das Vertragsverhältnis der Fa. U… mit deren Kunden, in dem die Haftungshöchstgrenze gem. Ziff. 9.2 der Beförderungsbedingungen der Fa. U… gilt, hat nur insoweit Auswirkungen auf den Anspruch der Fa. U… gegenüber der Klägerin, dass durch Ziff. 9.2 der Beförderungsbedingungen der Schaden der Fa. U… begrenzt ist (in Höhe der Summe des von der Fa. U… ihren Kunden nach Maßgabe von Ziff. 9.2 der Beförderungsbedingungen geschuldeten Schadensersatzes).
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Im Rechtsverhältnis der Klägerin zur Fa. U… ist die zu leistende Entschädigung jedoch abweichend von § 431 HGB gem. § 7 des Rahmenvertrages auf 40 Sonderziehungsrechte für jedes Kilogramm des Rohgewichts der Sendung begrenzt. Sendung im Sinne des § 431 HGB ist die übergeordnete Versandeinheit, die dadurch entsteht, dass Güter, die von einem einzigen Absender stammen, aufgrund eines Frachtvertrages zusammengefasst zu einem einzigen Empfänger befördert werden (Koller, Transportrecht, 6. Aufl. 2007, § 431 HGB Rn. 3). Die Klägerin übernahm von der Fa. U… eine Wechselbrücke mit einem Container, in dem sich 593 Packstücke befanden, um sie von D… nach K… zu transportieren. Sendung im Sinne des § 431 HGB, den die Transportvertragsparteien durch § 7 des Rahmenvertrages abbedungen haben, waren daher nicht die einzelnen Packstücke, sondern die übergeordnete Versandeinheit, also der auf der Wechselbrücke befindliche Container.
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Die Haftungshöchstgrenze des § 7 des Rahmenvertrages der Fa. U… mit der Klägerin errechnete sich mithin bei einem Verlust der Sendung aus dem Rohgewicht des transportierten Container. Da nur ein Teil der Sendung durch das Schadensereignisses unbrauchbar geworden ist, kommt es gemäß § 431 Abs. 2 Nr. 2 HGB für die Berechnung des Haftungshöchstbetrags grundsätzlich auf die Summe des Rohgewichts der beschädigten Frachtstücke an; der Grad ihrer Beschädigung ist dagegen ebenso unerheblich wie der Wert der einzelnen Frachtstücke (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn-Schaffert, HGB, 2. Aufl. 2009, § 431 Rn. 14; Koller, Transportrecht, 6. Aufl. 2007, § 431 HGB Rn. 12). Werden durch den Verlust oder die Beschädigung einzelner Stücke einer Sendung alle oder einzelne der anderen Stücke mittelbar entwertet, so ist deren Gewicht mit zu berücksichtigen. Auch hinsichtlich dieser kommt es nicht darauf an, wie stark deren Beeinträchtigung ist und ob die gewichtsbezogene Haftungshöchstsumme für diesen Teil der Sendung deren Wertverlust übersteigt: Das Gewicht dieser Stücke ist mit dem der verlorenen oder beschädigten zu einer Summe zu addieren, welche die Begrenzung für den Gesamtschaden angibt (Münchener Kommentar-Herber, HGB, 2. Aufl. 2009, § 431 Rn. 16).
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Enthält somit § 7 des Rahmenvertrages der Parteien eine Haftungshöchstgrenze lediglich für die gesamte Sendung, die vorliegend anhand der Summe des Rohgewichts der beschädigten Frachtstücke (unstreitig 2.145,9 kg) mit 89.226,52 € zu beziffern ist, ist die Vorgehensweise der Beklagten bei der Berechnung der berechtigten Ansprüche der Firma U… nicht gerechtfertigt. Der Schaden der Firma U…, für den die Klägerin einstandspflichtig ist, ist somit auf der Basis der Beförderungsbedingungen der Firma U… zu berechnen und lediglich im Hinblick auf die Gesamtsumme gemäß § 7 des Rahmenvertrages der Parteien auf 89.226,52 € begrenzt. Dieser Betrag wird vorliegend durch den von der Fa. U… gegenüber der Klägerin geltend gemachten Betrag von 79.031,73 € (= Summe der von der Fa. U… ihren Kunden erstatteten Schadensersatzbeträge: vgl. Anlage K2 und K2a) nicht überschritten.
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d) Von der behaupteten Anwendung der Haftungshöchstgrenze des § 7 Rahmenvertrag auf die einzelnen Packstücke abgesehen, hat die Beklagten keine substantiierte Einwendungen gegen die Höhe der von der Firma U… an die Klägerin weitergereichten Schadensersatzbeträge geltend gemacht.
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Soweit einzelne Beträge den Haftungshöchstbetrag der U…-Beförderungsbedingungen überschreiten, hat der Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nachvollziehbar und von Beklagtenseite unwidersprochen dargelegt, dass die Kunden der Fa. U… in diesen Fällen möglicherweise eine gesonderte Versicherung bei der Fa. U… abgeschlossen haben, mit welcher Risiken unabhängig von den Haftungshöchstgrenzen der U…-Beförderungsbedingungen abgesichert wurden.
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e) Ist der Fa. U… mithin ein Schaden von 79.031,73 € entstanden, den sie an die Klägerin weitergereicht hat, errechnet sich unter Berücksichtigung eines bereits regulierten Betrages von 43.294,35 € und eines von der Klägerin vorgenommenen Abzugsbetrages in Höhe von 1.272,03 € die noch zu zahlende Versicherungsleistung der Beklagten auf 34.465,26 €.
3.
37
Der Anspruch auf Zahlung der Versicherungsleistung ist auch fällig. Zwar regelt § 106 S. 2 VVG, dass die Entschädigung innerhalb von 2 Wochen nach der Befriedigung des Dritten an den Versicherungsnehmer zu zahlen ist, wenn der Dritte vom Versicherungsnehmer mit bindender Wirkung für den Versicherer befriedigt worden ist. An ein freiwilliges Anerkenntnis, einen Vergleich oder eine Zahlung des Versicherungsnehmers ist der Versicherer jedoch regelmäßig nicht gebunden, so auch im vorliegenden Fall. Die Haftpflichtfrage kann daher im Deckungsprozess voll überprüft werden. Nach Überprüfung im Deckungsprozess – wie vorliegend geschehen – wird die zunächst ohne Bindung für den Versicherer erfolgte Befriedigung jedoch für ihn bindend und somit auch fälligkeitsauslösend (Schwintowski/Brömmelmeyer-Retter, a.a.O., § 106 Rn. 40, wonach der für die Fälligkeit maßgebliche Zeitpunkt sogar derjenige sein soll, in dem der Versicherungsnehmer den Haftpflichtanspruch anerkennt bzw. einen Vergleich mit dem Dritten schließt).
III.
38
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
39
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Dass Sendung i.S.d. § 431 HGB die übergeordnete Versandeinheit ist, mit der einzelne Güter zusammengefasst und von einem einzigen Absender zu einem einzigen Empfänger befördert werden, ergibt sich aus der amtlichen Gesetzesbegründung (BT-Drs. 13/8445, S. 66) sowie dem Wortlaut des Abs. 2 der Vorschrift und wird von der Beklagten auch nicht in Frage gestellt. Die streitentscheidende Frage, ob der Haftungshöchstbetrag gem. § 431 Abs. 2 Nr. 2 HGB bei teilweiser Beschädigung oder teilweisem Verlust einzelner, mit anderen zu einer Versandeinheit verbundenen Packstücke, sich nach dem Rohgewicht der Summe des entwerteten Teils der Sendung bemisst, ergibt sich unmittelbar aus dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut. Dass die zwischen der Fa. U… und der Klägerin in § 7 des Rahmenvertrages vereinbarte Haftungshöchstgrenze nur im Verhältnis der Vertragsparteien und nicht auf das Vertragsverhältnis der Fa. U… zu ihren Kunden durchgreift, ergibt sich aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen bzw. der Auslegung der vertraglichen Vereinbarungen, deren Bewertung durch den Senat keine grundsätzliche Bedeutung hat. Auch im Übrigen erfordert weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.