OLG Celle, Urteil vom 25. November 2020 – 14 U 93/20
1. Grundsätzlich darf im Haftpflichtschadenfall ein typengleiches Luxusfahrzeug als Ersatz angemietet werden.
2. Das gilt aber nicht völlig schrankenlos: Einem Geschädigten kann es zugemutet werden, für kurze Zeit – hier elf Tage – auf eine Luxusausstattung, das Prestige und/oder die besondere Fahrfreude eines Sportwagens zu verzichten, wenn ein typengleiches Fahrzeug nur für eine besonders hohe Miete erhältlich ist (hier das Vierfache des Tagespreises für ein Fahrzeug der höchsten Klassen nach den Schwacke- und Fraunhofer-Listen).
(Leitsatz des Gerichts)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 27. April 2020 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover <19 O 74/19> wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil und das vorgenannte Urteil des Landgerichts Hannover sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 6.832,10 EUR festgesetzt.
Gründe
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(§§ 540 Abs. 1, 313a Abs. 1 ZPO):
I.
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Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht erhobene und begründete, Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg und war zurückzuweisen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, an den Kläger über die erstinstanzlich ausgeurteilten 122,53 EUR nebst Zinsen hinaus weitere Zahlungen zu erbringen. Die Voraussetzungen für weitergehende Schadensersatzansprüche gemäß §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 Abs. 1 VVG, 249 BGB anlässlich des Unfallgeschehens vom 6. April 2018 in Hamburg sind nicht erfüllt. Im Einzelnen:
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1. Reparaturkostenbestätigung
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Die geltend gemachten 45,22 EUR für die Reparaturkostenbestätigung vom 12. Juli 2018 (Anlagen K 3 und K 4) hat die Einzelrichterin zu Recht als nicht erstattungsfähig angesehen. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass Kosten für eine Reparaturbestätigung regelmäßig nicht vom Schadensverursacher erstattet werden müssen:
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So hat das OLG Frankfurt [Urteil vom 20. Oktober 2016 – 1 U 195/15 –, Orientierungssatz und Rn. 7 bis 9, zitiert nach juris] ausgeführt, mit einer solchen Bestätigung lasse sich faktisch nichts nachweisen, wenn sie keine Angaben zum konkreten Reparaturzeitraum oder zu den tatsächlich ausgeführten Arbeiten enthalte; ohne vorherige Aufforderung hierzu seitens der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung liege in der Einholung einer solchen Bestätigung ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB. Der Bundesgerichtshof [Urteil vom 24. Januar 2017 – VI ZR 146/16 –, Leitsatz und Rn. 5, 8 und 10, zitiert nach juris] hält die Kosten einer Reparaturbestätigung ebenfalls für nicht ersatzfähig, weil eine Kombination von fiktiver und konkreter Schadensabrechnung unzulässig sei: Bei den Kosten für eine Reparaturbestätigung des Sachverständigen handele es sich bei einem Geschädigten, der seinen Fahrzeugschaden fiktiv abrechne, nicht um Kosten, die zur Wiederherstellung des Unfallfahrzeugs erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 S. 1 BGB seien, sondern um eine Position, die ursächlich auf der freien Entscheidung des Geschädigten beruhe, sein Fahrzeug nicht in einem Fachbetrieb, sondern in Eigenregie reparieren zu lassen. Auf die Motivation des Geschädigten, im Hinblick auf eine mögliche spätere Veräußerung des Fahrzeugs oder einen eventuellen weiteren Unfallschaden an derselben Fahrzeugstelle den Nachweis einer ordnungsgemäß durchgeführten Reparatur vorzuhalten, komme es nicht an.
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Unstreitig hat die Beklagte die Reparaturbestätigung nicht angefordert. Der Kläger rechnet seinen Fahrzeugschaden der Beklagten gegenüber fiktiv auf Gutachtenbasis ab (Anlage K 1). Die streitgegenständliche Reparaturbestätigung (Anlage K 3) gibt weder Aufschluss über den Zeitraum der erfolgten Reparatur noch über den Reparaturweg. Damit ist sie zum Nachweis eines etwaigen Nutzungsausfalles ebenso ungeeignet wie zum Nachweis der tatsächlich durchgeführten Reparaturmaßnahme, sodass sie zur Wiederherstellung des Unfallfahrzeugs nicht erforderlich war. Der Kläger kombiniert eine fiktive mit einer konkreten Schadensabrechnung hinsichtlich ein- und derselben Schadensposition (hier: Fahrzeugschaden), ohne dass dies aus der Sicht eines vernünftig und wirtschaftlich denkenden Geschädigten sinnvoll wäre. Damit verstößt er gegen seine Schadensminderungspflicht gemäß § 254 Abs. 2 BGB.
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Die Klagabweisung insoweit ist folglich nicht zu beanstanden.
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2. Sachverständigenkosten
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Restliche Sachverständigenkosten in Höhe von 1.265,24 EUR kann der Kläger weder als Zahlungsantrag noch als Freistellungsantrag mit Erfolg geltend machen. Mit seinem – bestrittenen – Vorbringen, er habe die Sachverständigenrechnung (Anlage K 2) bezahlt, ist er gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO präkludiert:
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Auf das Bestreiten der diesbezüglichen Aktivlegitimation des Klägers seitens der Beklagten hat die Einzelrichterin mit Beschluss vom 10. September 2019 (Bl. 84, 85 d. A.) darauf hingewiesen, dass Belege für die Begleichung der Rechnung fehlten. Trotz ausreichender Gelegenheit und Zeit hat der Kläger hierzu nichts vorgetragen oder vorgelegt. Dies beruht offenkundig auf Nachlässigkeit. Auch im Berufungsverfahren beschränkt er sich auf die – von der Beklagten bestrittene – Behauptung, er habe die Rechnung bezahlt; einen Nachweis hierfür liefert er nach wie vor nicht, obwohl dies leicht möglich gewesen wäre. Angesichts der Abtretung des Anspruchs auf Erstattung des Sachverständigenhonorars gegen die Haftpflichtversicherung seitens des Klägers an den Sachverständigen im Rahmen des Gutachtenauftrages (vorletzte Seite der Anlage K 1) hätte es sowohl für den Zahlungsantrag als auch für einen Freistellungsantrag des Nachweises bedurft, dass die Rechnung des Sachverständigen vom Kläger beglichen worden ist oder aber vom Sachverständigen noch gegenüber dem Kläger geltend gemacht wird oder dass eine Rückabtretung erfolgt ist. An all dem fehlt es, obwohl der Kläger infolge des erstinstanzlichen gerichtlichen Hinweises seit Mitte September 2019 weiß, dass es hierauf ankommt. Spätestens in der Berufungsbegründung hätte er seine Versäumnisse nachholen können und müssen. Entschuldigungsgründe für sein diesbezügliches Versäumnis sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Folglich ist die Klagabweisung zu den Sachverständigenkosten ebenfalls nicht zu beanstanden.
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3. Mietwagenkosten
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Restliche Mietwagenkosten in Höhe von 5.521,64 EUR (5.644,17 EUR abzüglich der ausgeurteilten 122,53 EUR) stehen dem Kläger nicht zu. Für die Auffassung des Klägers, die von der Einzelrichterin gewählte Schätzungsmethode gemäß § 287 ZPO sei vorliegend ungeeignet, seinen erstattungsfähigen Schaden zu ermitteln, spricht zwar die Entscheidung des KG Berlin [Urteil vom 11. Juli 2019
– 22 U 160/17 –, Ziffer 2e), VersR 2020, 46 (47)], das moniert, dass die Fraunhofer- und Schwacke-Listen Fahrzeuge aus dem gehobenen Luxuswagenbereich nicht enthalten. Sie sind auf dem Fahrzeugmarkt nicht in einem Umfang verfügbar, der es erlaubt, Mietpreise zu erheben und zu vergleichen. Gegen eine Erstattung der (noch) geltend gemachten 5.521,64 EUR sprechen aber jedenfalls die folgenden Gesichtspunkte:
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Gemäß § 249 Abs. 2 BGB sind im Rahmen einer Schadensregulierung diejenigen Kosten vom Schädiger zu ersetzen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten zum Ausgleich seines Fahrzeugs für erforderlich halten durfte [BGHZ 63, 182 (188); BGH, Urteil vom 12. April 2011 – VI ZR 300/09 –, Rn. 10, zitiert nach juris]. Der Halter eines Pkw ist im Schadensfall grundsätzlich berechtigt, sich ersatzweise denselben oder einen vergleichbaren Wagentyp zu beschaffen [BGH, NJW 1970, 1120; KG Berlin, VersR 2020, 46, 47]. Wer einen Sportwagen fährt, darf also im Haftpflichtschadenfall grundsätzlich einen typengleichen Sportwagen als Mietfahrzeug wählen [OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 907]. Dies gilt allerdings nicht völlig schrankenlos:
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Der Geschädigte hat sich auf den Ausgleich der Nachteile zu beschränken, die nach der Verkehrsauffassung Vermögenswert besitzen, wozu auch gute Fahreigenschaften, normaler Komfort, bequemer Sitz, Klimaanlage und eine dem Gebrauchszweck dienende besondere Einrichtung gehören [BGH, Urteil vom 2. März 1982 – VI ZR 35/80 –, Rn. 10, zitiert nach juris]. Dagegen wird ein Verzicht auf den Ausgleich derjenigen Nachteile befürwortet, die lediglich zweckfrei die Freude am Fahren und das äußere Erscheinungsbild betreffen bzw. die durch eine ausgesprochene Luxusausstattung bedingt sind [ders., a. a. O.; BGH, VersR 1970, 547 (548)]. Deshalb kann ein Geschädigter gehalten sein, sich für eine kurze Zeit mit einem weniger komfortablen Wagentyp zu begnügen, wenn ein typengleiches Fahrzeug nur für eine besonders hohe Miete zu haben ist [BGH, Urteil vom 2. März 1982 – VI ZR 35/80 –, Rn. 11 m. w. N.; LG München II, Urteil vom 8. Mai 2012 – 2 S 4044/11 –, Rn. 14; beide zitiert nach juris]. Das war hier der Fall:
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Der Kläger trägt selbst vor, dass ein seinem Ferrari vergleichbarer Mietwagen auf dem regionalen Markt nur zu einem Tagessatz von 600,- bis 700,- EUR anmietbar gewesen sei. Dagegen hat die Beklagte unwidersprochen vorgetragen, ein Porsche Carrera oder ein 8-er BMW hätten für ca. 90,- EUR bis 230,- EUR pro Tag angemietet werden können. Mit den gezahlten und ausgeurteilten 1.618,36 EUR ist dem Kläger durch die Beklagte und die Einzelrichterin ein Tagessatz von 147,- EUR zur Verfügung gestellt worden. Hierfür hätte unstreitig ein Fahrzeug der höchsten Gruppen 10 und 11 nach den Fraunhofer- bzw. Schwacke-Listen angemietet werden können, folglich ein Pkw, der hohen Fahrkomfort, eine gehobene Bequemlichkeit und eine erheblich überdurchschnittliche Fahrzeugausstattung geboten hätte (z. B. ein hochklassiger Audi oder BMW). Selbstverständlich sind solche Fahrzeuge mit einem Ferrari oder einem Lamborghini nicht unmittelbar vergleichbar. Aber der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass es der Kläger versäumt hat, darzulegen, wozu er während der relativ kurzen Mietdauer von elf Tagen und einer Laufleistung von insgesamt 658 km unbedingt einen Sportwagen der Spitzenklasse benötigte. Auch mit einem sportiven BMW, Audi, Mercedes, Porsche oder einer anderen Marke hätte er technisch auf hohem Niveau und beträchtlicher Reputation unterwegs sein können. Die besonderen Fahreigenschaften eines Ferrari und dessen Ansehen stellen keine Werte dar, auf die der Kläger nicht für wenige Tage hätte verzichten können. Angesichts des Umstandes, dass der Tagesmietpreis für ein solches Fahrzeug deutlich – mehr als das Vierfache – über demjenigen für ein Fahrzeug aus der höchsten Fahrklasse der Fraunhofer- oder Schwackelisten gelegen hat, erscheint es dem Senat aus der Sicht eines wirtschaftlich und vernünftig denkenden Geschädigten nicht mehr angemessen, lediglich aus Gründen der Fahrfreude und des allgemeinen Prestiges auf Kosten des Schädigers einen exorbitant teuren Lamborghini anzumieten. Diese Gesichtspunkte begründen keinen ersatzfähigen materiellen Schaden, sondern stellen ideelle Werte dar, die keine Vermögenseinbuße begründen.
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Somit erfolgte die überwiegende Klagabweisung zu den vom Kläger geltend gemachten Mietwagenkosten ebenfalls zu Recht.
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4. Rechtsanwaltsgebühren
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Die vorgerichtlich von der Beklagten gezahlten 1.822,96 EUR Rechtsanwaltsgebühren sind nach einem Gegenstandswert bis 50.000,- EUR berechnet worden, der nach den vorstehenden Ausführungen zutrifft. Die darüber hinaus gehende Forderung des Klägers ist unbegründet.
20
Die Berufung des Klägers war folglich insgesamt zurückzuweisen.
II.
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Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 544 Abs. 2 Nr. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
22
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.
III.
23
Die Festsetzung des Streitwerts für das Berufungsverfahren folgt aus § 3 ZPO, § 47 Abs. 1 GKG nach den beantragten 6.954,63 EUR abzüglich der erstinstanzlich ausgeurteilten 122,53 EUR.