Zur Ermessensausübung hinsichtlich der Bewilligung eines Gründungszuschusses

LSG Nordrhein-Westfalen · Beschluss vom 28. November 2013 – L 9 AL 81/13

Zur Ermessensausübung hinsichtlich der Bewilligung eines Gründungszuschusses

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.01.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist die Bewilligung eines Gründungszuschusses für die Zeit ab dem 02.01.2012.

Der im August 1960 geborene Kläger ist gelernter Industriekaufmann und Diplomsozialpädagoge (FH). Er war von September 2007 bis 31.12.2011 als Pädagogischer Leiter bei N versicherungspflichtig beschäftigt. Am 07.10.2011 erfolgte die Kündigung durch den Arbeitgeber zum 31.12.2011.

Am 10.11.2011 meldete sich der Kläger arbeitsuchend. Es fand bereits ein erstes Gespräch mit seiner Arbeitsvermittlerin statt. In ihrem Vermerk über dieses Gespräch hielt die Arbeitsvermittlerin fest, der Kläger würde ungern in Schichtarbeit und in der Heimerziehung tätig werden und wolle sich noch nicht arbeitslos melden. Auf die Erkundigung zum Thema Gründungszuschuss sei der Kläger auf die Gesetzesänderung zum 01.01.2011 hingewiesen worden. Anlässlich eines weiteren Gesprächs hielt die Arbeitsvermittlerin in einem Vermerk fest, der Kläger sei noch einmal ausführlich über den Gründungszuschuss und anstehende Neuerungen informiert worden.

Am 15.12.2011 meldete sich der Kläger arbeitslos mit Wirkung zum 01.01.2012. Er gab an, er werde sich zum 02.01.2012 selbständig machen. Er sei seit 1998 im geringfügigen Umfang selbständig als Erziehungsbeistandsschaft im Umfang von bis 8 Stunden wöchentlich tätig. Ein Termin bei der Arbeitsvermittlung wurde für den 19.12.2011 vereinbart.

Am 19.12.2011 rief der Kläger bei der Beklagten an und bat um Óbersendung eines Antrags auf Gründungszuschuss wegen der für den 02.01.2012 geplanten selbstständigen Tätigkeit. Nach einem in den Akten befindlichen Vermerk der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau C, wurde der Kläger bei diesem Telefonat darauf hingewiesen, dass für den Gründungszuschuss neues Recht gelte.

Mit Bescheid vom 23.12.2011 bewilligte die Beklagte Arbeitslosengeld für den 01.01.2012. Ab dem 02.01.2012 erfolge wegen der angekündigten selbstständigen Tätigkeit keine Bewilligung.

Am 03.01.2012 meldete der Kläger für die Zeit ab dem 01.01.2012 ein Gewerbe an, und zwar Beratung und Therapie (Kinder-, Jugendliche- und Familienberatung).

In seinem am 17.01.2012 bei der Beklagten eingegangenen, schriftlichen Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses gab der Kläger an, er werde ab dem 02.01.2012 eine selbständige Tätigkeit als Diplom-Sozialpädagoge, Projektentwickler, Coach in X aufnehmen. Unter dem 26.01.2012 gab der Kläger an, Ziel seiner selbständigen Tätigkeit sei es, den Lebensunterhalt und die soziale Sicherheit für sich und seine Familie zu erwirtschaften. In seinem Alter (52) sei die Chance auf eine Festeinstellung gering; dies habe er durch einige Absagen feststellen müssen. Seine familiäre Situation als Vater dreier unterhaltspflichtiger Kinder (8, 10, 23) bringe eine hohe Verantwortung und finanzielle Belastung mit sich, zumal er alleinverdienend sei. Es würden finanzielle Verbindlichkeiten durch die Finanzierung des Eigenheims bestehen. In der Rentabilitätsvorschau stelle sich eine optimistische Entwicklung dar. Mit der Auftragsannahme ergebe sich jedoch noch keine finanzielle Stabilität, da Zahlungen häufig erst nach Auftragserledigung erfolgen würden und auch nach Rechnungsstellung mit zeitlichen Verzögerungen bis zum Zahlungseingang zu rechnen sei. Der Kläger reichte eine fachkundige Stellungnahme der H H GmbH ein, zudem ein wirtschaftliches Konzept. Danach plante er ab März 2012 einen Óberschuss in Höhe von 1.272,00 Euro und im gesamten Jahr 2012 insgesamt 26.759,00 Euro bei einem Umsatz von 41.160,00 Euro.

Die Beklagte stellte daraufhin bei einer Recherche in den ihr gemeldeten offenen Arbeitsstellen insgesamt 13 Angebote für Sozialpädagogen in der näheren Umgebung des Wohnortes des Klägers fest. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 41 bis 58 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Mit Bescheid vom 06.02.2012 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Gründungszuschuss ab. Sie führte aus, Gründungszuschuss sei eine Ermessensleistung der aktiven Arbeitsmarktförderung nach § 3 Abs. 5 SGB III. Diese Leistungen dürften nur gewährt werden, wenn sie notwendig seien, um den Kläger dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Die Agentur für Arbeit C fördere Existenzgründer, deren Selbständigkeit einerseits aufgrund des nachgewiesenen Gewinns tragfähig sei und die andererseits eine Förderung zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigten. Die vom Kläger dargelegten Nachweise über die Tragfähigkeit und die eingereichte Rentabilitätsvorschau lasse die Beklagte zu dem Entschluss kommen, dass sein Einkommen zur Sicherung seines Lebensunterhalts ausreiche. Zudem sei die Beklagte zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Eingliederung in den erreichbaren Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit für ihn möglich wäre, da aktuell eine ausreichende Anzahl an offenen Stellenangeboten gegeben sei, die eine dauerhafte Integration in den Arbeitsmarkt ermöglichen würden.

Mit Schreiben vom 20.02.2012 beantragte der Kläger die Óberprüfung des Bescheides vom 06.02.2012. Er gab an, inzwischen sei abzusehen, dass die Prognose für Januar und Februar 2012 hinsichtlich der Rentabilität zu optimistisch gewesen sei und die Kosten des Lebensunterhalts nicht decken würden. Ohne die Absicherung durch den Gründungszuschuss könne er die Selbständigkeit nicht aufbauen. In letzter Konsequenz hieße dies, das Vorhaben einzustellen und sich kurzfristig arbeitslos zu melden. Mit Schreiben vom 27.02.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, es verbleibe bei ihrer Entscheidung.

Am 12.03.2012 erhob der Kläger Widerspruch. Er reichte in der Folge ein Schreiben des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. vom 30.03.2012 ein, auf das Bezug genommen wird.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.04.2012 wies die Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, der Kläger habe überhaupt kein ernsthaftes Interesse an der Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt gehabt, sondern allein beabsichtigt, sich selbständig zu machen. Dies zeige sich insbesondere darin, dass er anlässlich seines ersten Gespräches mit seiner Arbeitsvermittlerin sich noch nicht arbeitslos habe melden wollen und dazu auch noch erklärt habe, an welchen Tätigkeiten er nicht interessiert sei. Erst als festgestanden habe, dass er sich zum 02.01.2012 selbständig machen werde, habe er sich arbeitslos gemeldet und damit der Arbeitsvermittlung überhaupt keine Chance gegeben, auch nur in ernsthafte vermittlerische Bemühungen einzutreten. Es dürfe klar sein, dass eine Vermittlung für den 01.01.2012, einem Feiertag keine ernsthafte Vermittlung habe sein können. Von Seiten der Bundesagentur seien deshalb keine Leistungen der aktiven Arbeitsmarktförderung notwendig. Die Gewährung eines Gründungszuschusses komme vor dem Hintergrund der Marktgängigkeit als nachrangiges Förderinstrument bezüglich der Beendigung der Arbeitslosigkeit nicht in Betracht. Zudem rechne der Kläger selber im Jahr 2012 mit einem Betriebsergebnis von 26.759,00 Euro vor Steuer. In der Stellungnahme im Widerspruchsverfahren sei ein durchschnittliches Einkommen im 1. Jahr von monatlich etwa 1.500,00 Euro aufgeführt. Beide Einkommen würden jedoch oberhalb des Regelsatzes nach dem SGB II liegen.

Am 04.05.2012 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Er verweist auf das Schreiben des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. und trägt vor, ihm seien durch die Arbeitsvermittlerin lediglich 2 Stellenangebote vorgelegt worden. Auf beide Stellen habe er sich beworben, jedoch ein Absage erhalten. Insgesamt habe er der Beklagten 5 Absagen auf seine Bewerbungen vorgelegt. Weitere Absagen könne er noch nachreichen. Die Arbeitssuchendmeldung sei am 11.10.2011 erfolgt. Eine Tätigkeit im Heimbereich habe er, anders als von der Beklagten dargestellt, nie abgelehnt. Er habe lediglich geäußert, dass er aus familiären Gründen möglichst keine Nachtschichten ausüben wolle. Er hat mehrere Absagen von Arbeitgebern eingereicht.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2012 zu verurteilen, ihm einen neuen Bescheid unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat auf ihre Ausführungen in den angefochten Bescheiden Bezug genommen und eine Stellungnahme der Arbeitsvermittlerin eingereicht.

Mit Urteil vom 22.01.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der hier anwendbaren, vom 28.12.2011 bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung des § 57 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), der § 93 SGB III in der seit dem 01.04.2012 geltenden Fassung entspreche, handele es sich bei dem Gründungszuschuss um eine Ermessensleistung. Es sei nicht ermessenfehlerhaft, soweit die Beklagte darauf hinweise, dass der Gründungszuschuss als eine Ermessensleistung der aktiven Arbeitsmarktförderung nach § 3 Abs. 5 SGB III nur insoweit gewährt werden dürfe, als er notwendig sei, um den Antragsteller dauerhaft in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Insoweit berufe sich die Beklagte zu Recht darauf, dass die Bundesagentur u.a. den Vorrang der Vermittlung in Arbeit gemäß § 4 SGB III zu beachten habe. Die Beklagte habe ausreichend geprüft, ob eine Vermittlung als Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagoge möglich gewesen sei. In der Akte der Beklagten seien insgesamt 13 Stellenangebote enthalten, die für den Kläger in Betracht gekommen seien. Dabei sei dem Kläger auch Schichtdienst zumutbar gewesen. Nach seinen eigenen Angaben sei er Alleinverdiener, seine Frau betreue die noch minderjährigen Kinder. Es sei insoweit kein Grund ersichtlich, der dem Kläger den Schichtdienst in einem Heim nicht zumutbar erscheinen ließe. Zwar habe der Kläger mehrere Absagen durch Arbeitgeber eingereicht. Hieraus könne aber nicht geschlossen werden, dass eine Vermittlung innerhalb einer zumutbaren Zeit von 6 Monaten nicht möglich gewesen wäre. Gerade die Zahl offener Stellen, die für den Kläger in Betracht gekommen seien, spreche dafür, dass nach einiger Zeit eine Vermittlung möglich gewesen wäre. Die Beklagte weise auch zu Recht darauf hin, dass angesichts der nur kurzfristigen Arbeitslosigkeit des Klägers von 1 Tag und auch der erst am 15.12.2012 erfolgten Arbeitslosmeldung eine Vermittlung nicht ernsthaft habe erfolgen können. Die Stellungnahme des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. spreche auch nicht dagegen, dass eine Vermittlung in absehbarer Zeit möglich gewesen sei. Das umfassende Qualifikationsprofil dürfte wegen einer Óberqualifizierung nicht unbedingt gegen Vermittlungschancen des Klägers sprechen, angesichts der nur sehr kurzen Arbeitslosigkeit des Klägers handele es sich insoweit nur um eine Vermutung des Vereins. Ähnliches gelte hinsichtlich des Vermittlungshemmnisses des Alters des Klägers.

Gegen dieses, seinem Prozessbevollmächtigten am 28.02.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.03.2013 Berufung eingelegt. Er meint, die Klage sei aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründet. Wäre er zutreffend beraten worden, hätte er seinen Sachvortrag an die neue Rechtslage anpassen oder seine Tätigkeit früher aufnehmen und dadurch noch die alte Rechtslage in Anspruch nehmen können. Er müsse so behandelt werden, als hätte er noch unter der alten Rechtslage einen Antrag auf Gründungszuschuss gestellt, dem die Beklagte dann ohne Ermessensausübung hätte entsprechen müssen.

Der Kläger beantragt sinngemäß schriftsätzlich,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 22.01.2013 abzuändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 06.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.04.2012 zu verurteilen, seinen Antrag auf Gewährung eines Gründungszuschusses erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und die Voraussetzungen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs für nicht gegeben.

Mit Richterbrief vom 26.06.2013, dem Kläger zugestellt am 27.06.2013, sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 153 Abs. 4 SGG beabsichtigt ist. Den Beteiligten ist Gelegenheit gegeben worden, hierzu Stellung zu nehmen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der Beratungen des Senats waren, Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber nach einstimmiger Auffassung der Berufsrichter des Senats nicht begründet. Eine weitere mündliche Verhandlung hält der Senat nicht für erforderlich. Das Rechtsmittel wird daher ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen, nachdem die Beteiligten dazu gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).

Das SG hat die zulässige Verpflichtungsklage in Gestalt der Bescheidungsklage im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. SGG zu Recht abgewiesen, weil sie unbegründet ist. Der Senat schließt sich den zutreffenden Ausführungen des SG in dem angefochtenen Urteil an und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf sie Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Berufungsvorbringen führt zu keiner anderen Bewertung.

1. Maßgebliche Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers auf Gewährung eines Gründungszuschusses ist, weil der Kläger seine selbstständige Tätigkeit am 02.01.2012 und nicht früher aufgenommen hat und mithin auch der geltend gemachte Anspruch frühestens am 02.01.2012 entstanden sein kann, nach Maßgabe von § 422 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) § 57 SGB III in der ab dem 28.12.2011 bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung (SGB III a.F.) des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 (BGBl I, S. 2854). Danach steht die Gewährung eines Gründungszuschusses im Ermessen der Beklagten („können erhalten“).

Der Kläger kann aus mehreren Gründen nicht aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beanspruchen, dass zu seinen Gunsten noch die bis zum 27.12.2011 geltende Fassung des § 57 SGB III, die bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Gewährung eines Gründungszuschusses ohne Ermessen der Beklagten vorsah, zur Anwendung kommt.

Ausweislich der aktenkundigen Vermerke der zuständigen Arbeitsvermittlerin des Klägers ist schon nichts für eine Verletzung von Beratungs- und Informationspflichten durch die Beklagte ersichtlich. Vielmehr geht aus den aktenkundigen Vermerken hervor, dass die Arbeitsvermittlerin den Kläger mehrfach auf die rechtlichen Änderungen beim Gründungszuschuss zum Jahreswechsel 2011/2012 hingewiesen hat.

Darüber hinaus verbleibt für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs kein Raum, wenn ein eingetretener Nachteil nicht durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann (BSG, Urt. v. 29.10.2008 – B 11 AL 52/07 R – juris Rn. 18). Dies ist vorliegend jedoch der Fall, weil eine Amtshandlung nicht die tatsächlich unterbliebene Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zu einem früheren Zeitpunkt zu ersetzen vermag (vgl. insoweit auch BSG, Urt. v. 03.12.2009 – B 11 AL 28/08 R -, juris Rn. 18). Tatsächliche Gegebenheiten, wie die unterbliebene Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit oder die fehlende Verfügbarkeit können nicht mit Hilfe eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aus der Welt geschafft werden (vgl. BSG, Urt. v. 31.01.2006 – B 11a AL 15/05 R -, juris Rn. 19 m.w.N.).

Schließlich hätten bei einer unterstellten Aufnahme der selbstständigen Tätigkeit bis zum 27.12.2011 auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 SGB III in der bis zum 27.12.2011 geltenden Fassung nicht vorgelegen. Aus § 57 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und Nr. 2 SGB III a.F. geht eindeutig hervor, dass nur derjenige Anspruch auf Gründungszuschuss hat, der Anspruch auf Arbeitslosengeld hat. Dies war bei dem Kläger bis zum 27.12.2011 aus mehreren Gründen nicht der Fall. Zum einen hatte er sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht arbeitslos gemeldet (§ 118 Abs. 1 Nr. 2 SGB III a.F.). Zum anderen war er wegen seines noch bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht arbeitslos im Sinne von § 118 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F., da er weder beschäftigungslos (§ 119 Abs. 1 Nr. 1 SGB III a.F.) noch verfügbar (§ 119 Abs. 1 Nr. 3 SGB III) war.

2. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Neubescheidung zu. Die Beklagte hat vielmehr ihr Ermessen rechtmäßig ausgeübt.

Aus § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB I und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG ergeben sich zwei Schranken der Ermessensausübung: Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten. Hieraus haben Rechtsprechung und Literatur verschiedene Kategorien von Ermessensfehlern (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensüberschreitung, Ermessensunterschreitung, Ermessensfehlgebrauch) entwickelt, wobei die Begrifflichkeiten und Unterteilung in die einzelnen Fallgruppen z.T. nicht einheitlich sind (vgl. insoweit BSG, Urt. v. 18.03.2008 – B 2 U 1/07 R -, juris Rn. 16; Keller, a.a.O., Rn. 27). Keiner dieser Ermessensfehler liegt hier vor.

a) Von einem Ermessensnichtgebrauch oder Ermessensausfall kann keine Rede sein. Die Beklagte hat ihr Ermessen ausweislich der Begründung der angefochtenen Bescheide tatsächlich ausgeübt und sich nicht nur mit formelhaften Erwägungen begnügt.

b) Ebenso wenig liegt eine Ermessensunter- oder überschreitung vor. Die Beklagte hat keine Rechtsfolge gesetzt, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. Sie war sich auch dessen bewusst, dass sie den Gründungszuschuss hätte bewilligen können und hat ihr Ermessen folglich auch nicht zu eng ausgelegt.

c) Der Beklagten kann schließlich auch kein Ermessensfehlgebrauch vorgeworfen werden (siehe zum Ermessensfehlgebrauch zusammenfassend BSG, Urt. v. 09.11.2010 – B 2 U 10/10 R -, juris Rn. 15).

aa) Indem die Beklagte darauf abgestellt hat, ob der Kläger voraussichtlich auch ohne die Förderung einer selbstständigen Tätigkeit in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt eingegliedert worden wäre, hat sie einen legitimen, der Teleologie des § 57 SGB III in der bis zum 31.03.2012 geltenden Fassung entsprechenden Zweck verfolgt und damit ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt. Der Gründungszuschuss dient der möglichst frühzeitigen Reintegration des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt (vgl. zur einschlägigen Fassung des § 57 SGB III insoweit auch BT-Drucks 17/6177, S. 86). Insoweit ist aber der allgemeine Vorrang der Vermittlung zu beachten, so dass der Gründungzuschuss als Ermessensleistung nur dann gewährt werden kann, wenn er für eine dauerhafte Eingliederung erforderlich ist (§ 4 Abs. 2 SGB III), d.h. wenn die Vermittlung voraussichtlich nicht zu einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt führt (vgl. Kuhnke, in: jurisPK-SGB III, § 93 Rn. 21; so auch SG München, Urt. v. 11.06.2013 – S 35 AL 883/12 -, juris Rn. 26; SG Trier, Urt. v. 01.02.2013 – S 1 AL 80/12 -, juris Rn. 24; zum Óberbrückungsgeld nach der früheren Rechtslage als „Kann-Leistung“ ebenso BSG, Urt. v. 25.10.1990 – 7 RAr 14/90 -, juris Rn. 33). Diesen normativen Vorgaben entspricht es, wenn die Beklagte, wie im Falle des Klägers geschehen, im Rahmen ihres Ermessens entscheidend darauf abstellt, ob eine möglichst nachhaltige Integration innerhalb des Arbeitslosengeld-Bezugszeitraums realistisch ist, ob sofort oder in absehbarer Zeit Stellenangebote unterbreitet werden können oder ob Hemmnisse bestehen, die den Integrationserfolg behindern können (vgl. insoweit auch die Geschäftsanweisungen der Beklagten zu § 93 SGB III, Ziffer 93.02, abrufbar unter http://www.arbeitsagentur.de/zentraler-Content/A06-Schaffung/A065-Existenzgruender/ Publikation/pdf/GA-Gruendungszuschuss.pdf).

bb) Die Beklagte ist auch nicht von einem unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt ausgegangen. Vielmehr ist ihre – als Teil einer Ermessensentscheidung nur eingeschränkt überprüfbare – Prognose, dass der Kläger bei Inanspruchnahme der Vermittlungsbemühungen der Beklagten in absehbarer Zeit in den Arbeitsmarkt integriert worden wäre, ohne dass hierfür die Förderung der Selbstständigkeit notwendig gewesen wäre, nicht zu beanstanden. In Anbetracht der durchaus beträchtlichen Anzahl offener Stellen für Diplom-Sozialarbeiter in der Nähe des Wohnortes des Klägers im Tagespendelbereich (nach Aktenlage 13 Stück) und der sehr kurzen Zeitspanne (frühestens am 11.10.2011 bis zum 01.01.2012), in der der Kläger die Vermittlungsbemühungen der Beklagten in Anspruch genommen hat, durfte und musste die Beklagte davon ausgehen, dass für den Kläger gute Vermittlungschancen bestanden. Für die offenen Stellen war der Kläger nach seinem bisherigen beruflichen Werdegang hinreichend qualifiziert und auch nicht „branchenfremd“ (vgl. insoweit aber den Sachverhalt in SG Trier, Urt. v. 01.02.2013 – S 1 AL 80/12 -, juris Rn. 25). Wie bereits das SG zutreffend ausgeführt hat, waren die von der Beklagten ermittelten offenen Stellen dem Kläger auch zumutbar.

Die vom Kläger vorgelegten Absagen auf eigenen Bewerbungen führen zu keiner anderen Bewertung, da sich der Kläger keineswegs auf alle aktenkundigen Stellen beworben und zudem nicht besonders viele Bewerbungen geschrieben hat. Dass der Kläger, wie er meint, wegen seines Alters schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat, ist reine Spekulation und bislang nicht durch mangelnden Bewerbungserfolg dokumentiert. Gerade bei Sozialpädagogen liegt es nahe, dass sich Alter und eine damit verbundene Berufserfahrung durchaus positiv auf die Eingliederungschancen auswirken.

In jedem Fall kann eine belastbare negative Vermittlungsprognose erst getroffen werden, wenn bereits eine gewisse Zeit lang vergebliche Vermittlungsbemühungen der Beklagten stattgefunden haben. Dies kann bei dem hier insoweit maximal zu berücksichtigenden Zeitraum von etwa zweieinhalb Monaten vom 11.10.2011 bis zum 01.01.2012, der zudem ganz überwiegend vor Beginn der Arbeitslosigkeit des Klägers lag, nicht angenommen werden. Gerade auch § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III a.F., wonach bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch einen Restanspruch auf Arbeitslosengeld für die Dauer von mindestens 150 Tagen bestehen muss, spricht in Anbetracht der bereits nach zweijährigen Beschäftigung geltenden Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen (vgl. § 127 Abs. 2, 339 Satz 2 SGB III) dafür, dass von einer Erforderlichkeit des Gründungszuschusses erst ausgegangen werden kann, wenn nach Eintritt der Arbeitslosigkeit während eines längeren Zeitraumes keine erfolgreiche Vermittlung stattgefunden hat (vgl. insoweit auch BSG, Urt. v. 09.11.1989 – 11 RAr 83/88 -; juris Rn. 23; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.08.2006 – L 6 AL 1161/05 -, juris Rn. 25; Kuhnke, in: jurisPK-SGB III, § 81 Rn. 45 a.E., jeweils zur Notwendigkeit einer Weiterbildung).

cc) Schließlich liegt auch kein Abwägungsfehler vor. Ein für die Bewilligung sprechender Gesichtspunkt, der mindestens ebenso gewichtig wäre wie der für die Ablehnung maßgebliche Gesichtspunkt der ausreichenden Vermittlungschancen des Klägers, ist nicht ersichtlich. In Anbetracht der kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit des Klägers (1 Tag) und der ausreichenden Anzahl verfügbarer offener Arbeitsstellen dürfte das Ermessen der Beklagten sogar im Sinne einer Ablehnung auf Null reduziert gewesen sein.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

4. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.

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