LG Frankenthal, Urteil vom 24.04.2013 – 2 S 292/12
Jedermann weiß, dass Kleinkinder einer ständigen Aufsicht bedürfen. Zur Abwehr der altersbedingten besonderen Gefahren sind zuerst die aufsichtspflichtigen Eltern zuständig, weil ein umfassender Schutz für kleine Kinder nur durch ihre Beaufsichtigung, welche lückenlos erfolgen muss, gewährleistet wird (OLG Hamm NJW-RR 1996, 643; BGH VersR 1994, 1486).
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 05. Juli 2012 geändert:
Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Die zulässige Berufung der Beklagten führt auch in der Sache zu dem mit ihrer Einlegung erstrebten Erfolg.
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Selbst bei Unterstellung des Unfallherganges, wie er klägerseits vorgetragen ist, besteht schon dem Grunde nach kein Ersatzanspruch, da die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt hat.
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Wie aus den vorgelegten Fotografien ersichtlich, hat die Beklagte erhabene, unregelmäßig bearbeitete Natursteine als Gehwegbegrenzung aufgesetzt und sodann in einem gewissen Abstand neben dem Gehweg das Fundament und die Befestigung für einen Stützpfeiler eines Fahrgeschäftes beginnen lassen, welcher seinerseits mit großen Metallscheiben, Gewindestangen und großen Muttern befestigt ist. All dies ist bereits weithin bei normalen Besuchs- und Sichtbedingungen für jeden Fußgänger ohne weiteres erkennbar. Selbst wenn der Kläger deshalb an diese Gehwegumrandung wie vorgetragen gestoßen und deshalb gefallen sein sollte und wenn er danach – bedauerlicherweise – sich an einem Gewindebolzen des Stützpfeilers verletzt haben sollte, kann dies der Beklagten nicht angelastet werden.
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Nach der Rechtsprechung muss zwar derjenige, der wie hier durch Eröffnen und Betreiben eines Freizeitparkes eine Gefahrenquelle schafft, alle nach Lage der Verhältnisse notwendigen Vorkehrungen zum Schutz von Kunden treffen. Allerdings muss nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnet werden, eine absolute Sicherheit kann und muss nicht gewährleistet werden. Haftungsbegründend wird eine Gefahr erst dann, wenn sich für ein sachkundiges Urteil die naheliegende Möglichkeit ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden könnten. Es bedarf dabei nur solcher Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger und in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für sich ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schaden zu bewahren. Speziell für die Benutzung von Wegen und Straßen gilt darüber hinaus, dass der Benutzer grundsätzlich die Verkehrsfläche so hinnehmen muss, wie sie sich ihm darbietet und sein Verhalten den gegebenen Verhältnissen anpassen muss. Er muss nur in geeigneter Weise vor denjenigen Gefahren gewarnt werden, die für den sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind bzw. auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag. Nach diesen Grundsätzen liegt bzgl. der Gehwegbegrenzungssteine keine Pflichtverletzung vor. Jeder Fußgänger muss bei Benutzung eines Bürgersteiges mit gewissen Unebenheiten rechnen und sich darauf einstellen (OLG Koblenz VersR 1993, 1417). Da die Fortbewegung auf Gehwegen relativ langsam erfolgt, besteht sogar eine günstige Möglichkeit, Gefahren rechtszeitig zu erkennen. Auch vorliegend ist die betreffende Gefahrenstelle wie ausgeführt durch die Randsteine und den daneben stehenden Stützpfeiler ohne weiteres selbst vom flüchtigen Betrachter aus erkennbar. Mit derartigen bautechnischen Ausgestaltungen an Gehwegrändern, wie etwa auch mit Stufen und Absätzen muss er ohne weiteres rechnen.
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Eine andere Betrachtungsweise gilt vorliegend auch nicht allein deshalb, weil der Geschädigte ein Kleinkind ist und die Beklagte von ihrer Zielrichtung her den Park bewusst für junge Menschen und Kinder eröffnet hat. Zwar gelten die genannten Grundsätze auch für den Schutz von Kindern. Bei ihnen ist zwar auch im besonderen Maße auf diejenigen Gefahren Bedacht zu nehmen, die ihnen aufgrund ihrer Unerfahrenheit, ihres Leichtsinns und Spieltriebes oder wie vorliegend etwa aufgrund altersgemäß noch nicht vollständig ausgeprägter Standsicherheit drohen. Selbst dies führt vorliegend jedoch nicht zu einem für die Klägerseite günstigen Ergebnis. Unstreitig ereignete sich der Unfall nicht etwa in einem Bereich (wie z. B. einem Kinderspielplatz), der zielgerichtet für Kleinkinder eingerichtet war, sondern im davon abzugrenzenden Alltagsbereich des Parks. In diesem Bereich durfte die Beklagte berechtigterweise davon ausgehen, dass der damals erst 2 Jahre und 2 Monate alte Kläger jedenfalls in gewissem Rahmen unter ständiger Aufsicht der Eltern und nicht etwa allein unterwegs war. Jedermann weiß, dass Kleinkinder einer ständigen Aufsicht bedürfen. Zur Abwehr der altersbedingten besonderen Gefahren sind zuerst die aufsichtspflichtigen Eltern zuständig, weil ein umfassender Schutz für kleine Kinder nur durch ihre Beaufsichtigung, welche lückenlos erfolgen muss, gewährleistet wird (OLG Hamm NJW-RR 1996, 643; BGH VersR 1994, 1486). Demgemäß konnte auch die Beklagte mangels anderweiter Anhaltspunkte davon ausgehen, dass die Eltern des Klägers dieser Pflicht nachkommen. Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen, denen das OLG Hamm in der zitierten Entscheidung (bestätigt durch Nichtannahmebeschluss des BGH vom 30.01.1996 VI ZR 164/95) folgt, wirkt das Vertrauen, welches ein Grundstückseigentümer in diese Wahrnehmung der Aufsichtspflicht setzen kann, zurück auch auf den Umfang seiner Sicherungspflichten. Denn unabhängig von dem davon zu unterscheidenden Einwand eines Mitverschuldens der Eltern bestimmen sich Art und Umfang der Verkehrssicherungspflichten nicht nur nach der Intensität der Gefahr, sondern auch nach den Sicherheitserwartungen des Verkehrs. Werden Gefahren für Kinder durch die gebotene Beaufsichtigung (pflichtgemäß) von dritter Seite gewissermaßen neutralisiert, so reduzieren sich entsprechend auch die Sicherungserwartungen an den Grundstückseigentümer.
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Demgemäß lag bei der Ausgestaltung des Randbereiches des Gehweges schon keine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten vor, da diese Ausgestaltung offensichtlich als Hindernis weithin erkennbar ist und die Beklagte sich bei einem derart kleinen Kind mangels anderweitiger Anhaltspunkte darauf verlassen durfte, dass dieses nicht unbeaufsichtigt einige Schritte von den Eltern weg in einen für ihn ungewohnten Gefahrenbereich begibt.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass sich in einem gewissen Abstand neben dem Gehweg die besagte Pfeilerkonstruktion befand. Auch dieses Hindernis war für die Eltern des Klägers ohne weiteres aus großer Entfernung erkennbar. Ob dabei die Schrauben und Muttern als solche als Gefahr erkannt wurden ist ohne Belang. Jedenfalls handelt es sich ganz offensichtlich um eine auch aufgrund der dort angebrachten waagrechten und senkrechten Kanten der Konstruktion Gefahrenquelle für den Fall eines Sturzes, die die Eltern auf jeden Fall berücksichtigen mussten. Die Gefahrenquelle ist im Übrigen, wie der Kammer aus anderen Geh- und Fahrweggestaltungen bekannt ist, nicht so ungewöhnlich, dass sie durch Abpolsterung gegen einen Sturz gesichert werden müsste. Regelmäßig befinden sich neben Gehwegen, gleich ob in Parks, Anlagen oder neben Straßen, harte bisweilen auch scharfkantige und ungepolsterte Hindernisse in Gestalt von Geländern, Leitplanken, Schildern etc., kleinen Felsbrocken, vor denen nicht besonders gewarnt werden muss.
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Im Ergebnis war deshalb das amtsgerichtliche Urteil auf die Berufung der Beklagten hin im Sinne einer Klageabweisung abzuändern.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
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Für die klägerseits beantragte Zulassung der Revision besteht kein Anlass. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu, noch erfordern die Fortbildung des Rechts und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die oben zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung eine revisionsrechtliche gerichtliche Entscheidung (§ 543 ZPO).