LAG Nürnberg, Urteil vom 16.06.2009 – 7 Sa 641/08
Zur Bindung des Arbeitgebers an den mit dem Arbeitnehmer abgesprochenen Inhalt eines Arbeitszeugnisses
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 31.07.2008 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berichtigung eines Arbeitszeugnisses.
Die Klägerin war vom 01.10.2004 bis 30.09.2007 bei der Beklagten beschäftigt.
Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 69 Absatz 2 ArbGG abgesehen und auf das Urteil des Erstgerichts Bezug genommen.
Das Erstgericht hat der Klage mit Urteil vom 31.07.2008 stattgegeben. Das Urteil wurde der Beklagten am 06.08.2008 zugestellt.
Die Beklagte hat gegen das Urteil am 27.08.2008 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Die Beklagte macht weiterhin geltend, zwischen den Parteien sei eine verbindliche Absprache bezüglich des Inhalts des Arbeitszeugnisses nicht zustande gekommen. Sie beruft sich ferner darauf, dass ehrlicherweise kein Vertragspartner vom anderen Teil verlangen könne, eine auch nach außen wirkende vorsätzlich unrichtige Erklärung abzugeben, die den Erklärenden zugleich dem Risiko aussetze, wegen der Unrichtigkeit der Erklärung in Haftung genommen zu werden.
Die Klägerin habe keinen klagbaren Anspruch darauf, dass der Passus „Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war jederzeit einwandfrei“ in das Zeugnis aufgenommen werde. Das Zeugnis wäre dann nicht nur grob unrichtig, es wäre in diesem Punkt vollständig das Gegenteil dessen, was Sachverhalt gewesen sei. Es läge mit dem geforderten Arbeitszeugnis eine falsche und sittenwidrige Behauptung vor. Das Erstgericht habe die Messlatte für Sittenwidrigkeit zu hoch gehängt.
Die Beklagte beantragt:
1.Das Endurteil des Arbeitsgerichts Weiden vom 31.07.2008, Az. 2 Ca 215/08 wird aufgehoben.2.Die Klage wird abgewiesen.3.Die Klagepartei trägt die Kosten des Verfahrens.Die Klägerin beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Klägerin macht geltend, aus ihrer Sicht sei das Zeugnis, so wie es beantragt sei, schlicht als richtig geschuldet. Selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, hätten sich die Parteien über den Wortlaut geeinigt. Die Vereinbarung sei auch nicht sittenwidrig, da sie vom Beurteilungsspielraum des Arbeitgebers umfasst sei.
Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Gründe
Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft, § 64 Absatz 1 ArbGG. Insbesondere liegt die Beschwer über 600,00 €, § 64 Absatz 2 b ArbGG.
Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Absatz 1 Satz 1 und 2, 64 Absatz 6 Satz 1 ArbGG iVm den §§ 519, 520 ZPO.
Die Berufung ist unbegründet.
Die Beklagte ist verpflichtet, das Arbeitszeugnis mit dem von der Klägerin beantragten Inhalt zu erteilen. Der Inhalt, wie er von der Klägerin beansprucht wird, ist von den Parteien vereinbart worden.
Das erkennende Gericht verweist insoweit auf die zutreffenden und sorgfältigen Gründe des Ersturteils, § 69 Absatz 2 ArbGG. Ihnen ist nichts hinzuzufügen.
Im Hinblick auf die Berufungsbegründung sind folgende Ausführungen veranlasst:
Das von der Klägerin verlangte Zeugnis ist nicht sittenwidrig.
Insbesondere macht allein der Umstand, dass das Zeugnis nach Auffassung der Beklagten inhaltlich unrichtig ist, das Zeugnis nicht sittenwidrig.
Die Pflicht des Arbeitgebers, ein Zeugnis zu erteilen, besteht in erster Linie gegenüber dem ausscheidenden Arbeitnehmer, vgl. § 630 BGB, § 109 GewO. Dabei muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts das Zeugnis einerseits wahr sein, andererseits darf es den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen nicht ungerechtfertigt behindern (vgl. Bundesarbeitsgericht – Urteil vom 10.05.2005 – 9 AZR 261/04 = BAGE 114/320 und NZA 2005/1237).
Da ein Arbeitszeugnis dazu bestimmt ist, im Rechtsverkehr, nämlich bei der Bewerbung des Arbeitnehmers auf einen anderen Arbeitsplatz, verwendet zu werden, kann es sittenwidrig sein, ein Arbeitszeugnis auszustellen, das grobe Unrichtigkeiten enthält, die dazu führen können, dass bei dem neuen potentiellen Arbeitgeber ein völlig falscher Eindruck bezüglich der Redlichkeit und Zuverlässigkeit des Bewerbers entsteht. Die Sittenwidrigkeit ergibt sich in diesem Fall daraus, dass ein solches Arbeitszeugnis – mit – dazu beiträgt, dem Bewerber die Möglichkeit zu eröffnen, Vermögen und/oder Eigentum des neuen Arbeitgebers zu beschädigen (vgl. Bundesgerichtshof – Urteil vom 15.05.1979 – IV ZR 230/76 = BGHZ 74/281 und AP Nr. 13 zu § 630 BGB).
Diese Gefahr besteht nicht bereits dann, wenn die Leistung des Arbeitnehmers objektiv falsch bewertet wird, zumal gerade in diesem Bereich der neue Arbeitgeber selbst beurteilen kann, ob der neue Arbeitnehmer seinen Anforderungen genügt. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an den neuen Arbeitsplatz mit denen des bisherigen nicht identisch sein müssen und der neue Arbeitgeber selbst seine Anforderungen festlegt. Der neue Arbeitgeber hat darüber hinaus ausreichend Möglichkeit, den neuen Arbeitnehmer anhand seiner eigenen Bedürfnisse zu beurteilen. So kann eine Probezeit mit der Folge der abgekürzten Kündigungsfrist vereinbart werden. Unabhängig davon kann sich der neue Arbeitgeber ohne Schwierigkeiten vom Arbeitnehmer trennen, da der neu eingestellte Arbeitnehmer die ersten 6 Monate keinen Kündigungsschutz hat.
Dazu kommt, dass die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft eines Arbeitnehmers keine festen Größen darstellen, sondern sich in unterschiedlichen Arbeitsverhältnissen mit unterschiedlichen Aufgaben unterschiedlich entwickeln können.
Vorliegend stützt die Beklagte sich ausschließlich auf Leistungsgesichtspunkte. Insbesondere macht sie keine Eigenschaften oder Verhaltensweisen der Klägerin geltend, die auch nur ansatzweise die Befürchtung erwecken könnten, Vermögen oder Eigentum eines neuen Arbeitgebers könnten durch die Klägerin gefährdet sein.
Die Verpflichtung, die die Beklagte gegenüber der Klägerin eingegangen ist, ist daher nicht sittenwidrig. Vielmehr ist die Beklagte an ihre Zusagen gebunden.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.
Für die Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung, § 72 Absatz 2 ArbGG.